Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 21, 1916, Image 7

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    -;'i-W."-;-iV--
(
': .
Taglithe Omaha Tribüne
fj mm
sV
' Y
i
td
i
z
i
f
V
V
I
h
;i
X Krieg ist die
2ltl5 dcr Uriegszeit
li. atih'WxWM
'
Sobald bis Taghellere kommt, verhallen
wir uns still. Auj guten Gründen, sonst
würde uns die französische ffeldartillerie
aufspüren. Und mit der ist nicht gut
ikschen essen, solange man tu der Min
verzähl ist, die schmeißt einem die Steine
iiw Gesicht.
Am Bergabhange liegen viele unbeerdigte
Tote, meistens Alpinjäger. Wir wenden
kaum mehr den Jlopf, so gewohnt ist uns
da Bild dc Todes und der Verwesung
geworden.
Heute dir, morgen mir! tif,t es in
einem Soldatenlied. Eben fällt mir ein,
W
Jt'
i aS?- S. 7
.'.7
tfV(1
,? t ' V -
t & i ' " . h sA
, ,) i - .tV, '
j -V
fK
-V .... ' i-Wf'J
i ,!. V ?
f , ? , V , r
l'f
j ,
:
i " , . f ;
.."fr1
,1 -, 5 ' C" ii
' S,' . f j
5
5 5' '
es im
. -
"V.- i.4
5 .
"V !
i '
1S- ? . . '
x ixifKi.'.
3-'
X i j i ( t v
V;;"iv. I V-?,
." i r
, . ', ' k-,
' . ' .' st
I ,
j f', i
V
l frv -1
- I 1, i.'i
't r . ?
" t M- , v.
' '-I5i--.' 4-s' '"""W-V-1 ?
- 7 IliV . r 'S? . '
vii l't i
-t -,-! . '? '-!. f
:
li
'Xit trennt
. daß wir schon lange nicht mehr gesungen
haben. Das verlernt sich. Das Singen
und Konzertieren haben die Geschütze und
die Gewehre übernommen. Unser bleibt
i. einzig das Zuhorchen. - "
I "
Am Sonntag sprachen unsere Haubitzen
fcfion um fünf Uhr in d,r Frühe ihr
Z)!o:gensprllchlein. Die Franzosen geben
ri nur heisere Antwort darauf, so daß die
i Sache unserem Hauptmann keinen beson-
,v i dere großen Spaß macht und er schon um
sieben Uhr Feuerpause befiehlt.
Die freie Zeit benuken wir. um einen
feinerPikuZ. aufzustellen. Meine Fahrer
h.iik schon am Abend vorher ein fettes
Ferkel erworben, zerlegt und zum Kochen
hergerichtet. Nun wird es hübsch gebraten
, und gebräunt. Die nötigen Zutaten
I fechten, wir unl in der Runde zusammen.
Als eütf soweit ist, sehe ich mich mit den
- Fahrern und noch einem Kaineraden bor
l . einem Gehöft auf einem leeren, umqe-
stürzten Bruniientrog in die Sonne hm-
ein, und lasse mir den spendierten Braten
mit vollen Backen schmecken. Doch das
Unglück hat schnelle Beine, und wen es
f Kippen will, der entläuft ihm nicht.
Etwa einen halben Kilometer hinter
s'' unZ reißt sich ein Kopp6 Vferde los und
' kommt zu uns hingcspttiigt. Die Flan
:v zosen halten den Haufen Pferde wohl für
anfahrende Artillerie und legen ilMfchlcu-
nigst Granaten nach. Eben will ich sagen.
ti ist nicht ganz kirr hier, es ist besser, wir
-packen auf und gehen ins Haus hinein, da
schlägt eines dieser Biester dicht bei uns
'i'.in. Jch,chabe ein Gefühl, als schlüge mir
jemand mit geballten Fäusten auf den
Kopf. Es beißt michie hollisches Feuer
1 ;i auf dem Arm und aus dem Rücken. Ich
' habe aber noch soviel Besinnung und soviel
Kraft, daß ich in das nahe Haus hinein
"' , renne und von dort aus in die Batterie.
' i '.Ich kann gerade noch sagen: Ich bin der,
, undct!" dann wird's mir schlecht, und ich
l m um. "
. Als ich die Auaen aufschlaae, s,d fremde
Leute dabei, mich auf einen Heumagen zu
laden. Neben mir liegt ein Fahrer. Er
winkt mir zu und sogt: .Du, uns beiden
ift'i noch gut gegangen, die anderen vier
sind alle hin." Ich frage: Wo kommen
wir hin?" Er sagt: Ich weiß nicht ge
nau; aber das ist sicher, eS heißt jetzt:
Parole Heimat!"
Diese Fahrt aus dem'Heuwagcn'gehört
zu den schlimmste Erinnerungen meines
Lcvens. ?e!cht vurq oas. was rä) ftlder
j litt, sondern durch das, was ich an an
deren sehen und miterleben mußte. Ein
Unteroffizier liegt neben mir. Tr rechte
f ?uß ist Ihm unterhalb des Kniesabgenom
i n'en. Er weint im Fieber. W:nn er wie
der lichte Momente hat, verlangt er nach
'i einer Zigarette, Aber sein Wunsch darf
'.,hm nicht erfüllt werden. Ein Funke
s'iiebenaus, ,und wir sind alle beim Teufel.
, Halbtote sind dem Tode schon zu eng vcr'
vundcn, als daß sie noch davonspringen
-(Jnnten.
m Eckelhafte Fliegm kommen und saugen
! r,em den Schweiß vom Gesicht. Man
Hnty die Tiere sovielmal abwehren, als
nn will, sie sind harinselig wie Ge
j .Difjenidijsf. Hundertmal jagt man sie
eines elsäfttschen Soldaten.
fort, hundertmal kommen sie wieder, jedes
mal aufdringlicher, frecher und gieriger als
zuvor.
Erst als Verivundeter sieht man, wie
verdammt billig das Leben ist, und wie
herzlich wenig der einzelne gilt. Hier fallt
nur die Waffe In die Wagschale; das In
dividuum mag zusehen, wo es bleibt.
Ja, ol gesunder Soldat hat man ei
schön. Man marschiert, man hungert, man
leidet Durft. Aber man lebt auch wieder
im Ucberflllß, läßt sich die Sonne, auf den
Buckel scheinen, schaut die Blumen und die
Mädchen an und freut sich, daß man über
Haupt noch da ist. Alle Welt schaut nach
einem, und der Herr Hauptmann freut sich,
.
- "
,
v j
-:zL
j t -..
8 9 x i' V
" t f - f. ,
i i)l i
A 1 ; x r ,hM
i A I U ! V 'j 15
: A1 . 1- f
i
,
-A
",
' v'
it ,J
rj '
v;i
f
'
$
-
i;
5
f " I d - ii,
fA ?
rf- vij'l
, 3 ' ( V S i
- . ;? Ä-J'ir.
- i -iV-
-v , ,
' . i , l,i - s f. ri,
A Äi '
-V Vr-
lk'rxy', 4
V
5
k
V-,- -: t
M'i-
'f 4
K', -a t-- r: v K - tL, 1 -v; "-eT
iuVV" f v fi . V ; s;
8' irf ?
f-Ü
I
amkraden.
wenn du stolz und ausrecht an ibm vorbei
gehst.
..Ab als Verwundeter hast dü keim
Rechte mehr. Du kannst nicht mehr mii
dem Kolben deines treuen Gemehrcs an die
Türe schlauen und laaen: Hier bin icb.
gebt mir Quartier und Essen! Hier mußt
du fein still sein und Gott danken? wenn
du nicht im Blachfeld verschmachtest, fon-
dern wenn dU noch rechtzeitig gefunden und
in ein Lazarett acsclilevvt wirst, öier ist
nichts mehr dein, als das Recht auf Mit
leiden. Du bist so hilflos. Kaum daß dein
Hirn noch arbeitet. Du kannst nicht ein
mal allein essen, von des Lebens Notdurft
ganz zu schweigen. Es ist so unsäglich
peinigend für die männliche Seele, so hilf
los wie ein kleines Kind daliegen ,zu
müssen. ' Dieses Äcrfetzcn in die Enge,
nachdem man in, der schrankenlosen Weite
x
!W
h&.-
Alö ich die Augen aufschlage, sind frei
gen z
gelebt hak, schlägt der Seele tiefere Löcher,
al, das feindliche Blei dem Fleische und
den Knochen.
.
Aber wie seltsam eraeben die meisten
der Verwundeten ihr trauriges Geschick er
tragen.. Ein Bibelwort ficht mir bor
Augen.'sreilich ins Profane gedeutet: Wie
ein Lamm wird er zur Schlachtbank ge
fuhrt und tut seinen Mund nicht auf..."
Mag die Verwundung noch so schwer,
die Verwüstung des Körpers noch so
schrecklich sein, der Betroffene denkt gar
nicht daran, daß er der Gezeichnete des
Schicksals ist, sondern er küßt seiner
Peinigerin die Hände und dankt ihr aus
der TieskeineS Herzens, daß er noch
atmen und leben kann. Lebcn du mußt
doch süß und erhaben sein, daß alle Krco
' --czzXfZ
.
aSTss Ja - X
5i 5 pi- fä4MjW
, 4k l 'mvroj' P-kmlk
irhh m'WmmA
v v Liv' h itj "' vl l 'rl ii' 1
ütiS
sä -dsÄ WK
fcrTO PmimL
mmBiirmy
M Iqq.rC&ßr , . -Jr. 1
. U y'Vtry-: rX-s- ä. .
. ij&m&M&
Frm-,sgmz.;' . '-A
lr- -m- -"
Kölle.
von Oskar vöhrle.
tur bis i die innersten Fasern so an dir
hangt! , , ' ,
Zwei Tage und zwei Nächte d, -,:rt' die
Fahrt, zwei uitsctzlich lange Tage und
zwei entsetzlich lange Nächte! Tann sind
wir in Schirnyck und werden in einen
Lazarettzug umgeladen.
O, diese Wohltat, nach so langen Wo
chen endlich wieder einmal anf sauberern
Leinen zu liegen. Wir sind schweigsam
wie die Toten, horchen auf den tt, ',ipf
unsuer Schmerzen und beschauen die Fel
der. die in langer, geschlossener Reihe wie
unwirlliche Schatten an uns voruberflie
gen. Die einzigen ruhenden Pole in der
Erscheinungen Flucht sind die freundlichen
Gesichter der Aerzte und des Pslegepersol
nals. Trotz dem Fieberschleier, der einem
vor Augen hängt, fühlt man deutlich, das
sind Gärtner, die die kranken Wurzeln
wieder mit Wasser begießen und den
Baum hochMbringen versuchen. Und dieses
Vesuyl, so nahe dem mütterlichen der
wandt, gibt, eine Ruhe, die durch nichts
erschüttert werden kann.
In Slraßburg werden die schwerer
Verwundeten,, die einen lungeren Trans
Port nicht mehr aushalten können, ausge
laden. Wir anderen kommen weiter, nach
Stuttgart. Freundliche Berge, trauliche
Täler grüßen mich, Landstriche, die ich
noch niemals,, gesehen. Ueber dem Eiw
schlafen wundere ich mich, wie viele Ge
sichter doch Deutschland hat, und wie schon
und friedlich ein jedes rst.
Sanitäter tragen uns i aroße Auto
mobile, und diese fahreiruns -in die La
zarette. Auf den Straßen, durch die wir
kommen, stehen Tausende von Menschen.
Als wir durchfahren, nehmen alle die Hüte
ab und bören mit Spreckzen auf. Wir wer
den mit Ehrfurcht begrüßt, wie sonst nur
die Konige bet ihrem Einzug.
Bor einem weitläufigen Göbäube hält
das Auto. Ich werde in einen schönen
Saal hinaufgetragen, so viel weiß ich
noch. Aber kaum liege ich im Bette drin,
so fange ich zu schreien an und 1 '.hr wie
wild in das Kopfkissen und in die Bett-
decken. Die Schmerzen in der Nückcnwunde
sind so schlimm geworden, daß ich mir
mit Freuden den Hals abschneiden würde,
wenn iä ein Messer .ane.
Die Schwester will mir Trost einreden
und micb ruhig machen- Se sagt, der
Doktor käme gleich. Ich bin schon im
Trans,.. .
Ich verlange nach Vater und Mutter,
trotzdem ich wem, daß die schon lange un
tcr der Erde ruhen. Ich frage auch, wo
meine Frau sei, trotzdem ich weiß, daß ich
keine habe, und bedaure meine armen Kin
der, die künftig ohne Batcr und Ernährer
fein werden.
Ich frage die Schwester, ob wir in Hü
ningm seien. Sie sagt: Ja. Ich sage, man
soll mir sosort den Nierenfett an's Bett
holen. Dem habe ich noch eine an die
Schnauze zu hauen, weil er mit aus der
Burzlibeme? Hilbe die Wiuckler Lina
ausgespannt hat,' dieser Schust! Die
Schwester, sagt: Ja, sie würde ihn schon
holen. , s
Der Arzt kommt, befühlt meinen PulZ
und schaut mir in die Augen. Dann
schreibt er etwas auf einen Zettel und gibt
ihn der Schwester. Diese geht hinaus. Der
Doktor bleibt da und hal Wache. Er
schaut mich in einem fort an.
Die Schwester kommt, lächelt . tückisch
und bringt dem Arzt -eine kleine Spritze,
Nein, ich habe falsch gesehen, es ist keine
Spritze, es ist ein geschliffener Dolch. Ich
chreie: .Bleibe m,r nur von der Kuttel.
du S !" Aber er kommt näher
und näher und langt nach mir. Jchballe
die , Faust. Der '."kann ,st starker als ich.
Er zwingt mich in die Kissen nieder irnd
sticht aus mich em.
be Leute dabei, mich auf einen Heuwa
laden. , .
Ich höre aus. mich zu wehren. Ich
denke: Sterben hin., Sterben her! Bist du
hin. so bist du weg! Aus den Stich hin
ziehen die Schmerzen Schuhe an und
gehen zur Tür hinaus. Ich falle in einen
schweren Schlaf.
s Ich liege nackt in einem großen, licht-
durchfluteten Saal. Die bluibcschmutzten
Verbände sind mir abgenommen und in
einen schneeweißen Kübel geworfen wor
den. Ha, sage ich, weiße Blüten, weiße Li
lien, wßcr Schnee, weiße Mädchen und
weißer Sonntag!
Der Borhang hebt sichdaS Trauerspiel
kann loZgchcn. Drei Aerzte stehen da und
vier Schwkstern. Einer sagt:
Hunziter, , seien Sie vernünftig und
schreien Sie nicht. Eö wird Jlzncn nicht
, -
geschehen. Wir müsse nur ein paar Split
ter hkraiiSnchmen. In Zehn, Minuten tst
die Sache ausmacht! Wir rost den Sie
einschläfern. Zählen Sie auf hundert!"
Ich zähle: einS, zloei, drei, vier,
fünf ....
Eine Maske wird mix iibcks Gesicht ge
steckt. Ein fürchterlich süßliches Gestank
steigt mir in die Nase und schnürt mir
mit eiserner Klammer den Hals ab. .Ich
denke, du erstickst, die haben das falsche
Mittel genommen. Aber auf einmal wird
die Seele frei und schwimmt in einem
slüssigkcitgrsllllten Ratim. Ruhig und tief
geht der Atem; in den Ohren klingt eine
köstliche Musik. Ich bin ein Stern im
Blauen oder eine jubilierende Lerche über
einem Aehrenfcld. Die kleine Mit unter
mir schrumpft zu einem Nichts zusam
men. .
Ble ich von meinem Traum erwache,
liege ich in einem sauberen Saal in einem
sauberen Bett. Eine Schwester legt mir
einen feuchten Umschlag auf die Stirn
und sagt:
Gottlob, setzt sind Sie außer aller Gc
fahr. Die Operation ist wider Erwarten
gut verlaufen. ' In drei Wochen können
Sie wieder hcrumspringcn."
Ich habe ordentliche Mühe, mir ein
Bild der Vergangenheit zurechtzumachen.
Nur widerspenstig knüpfen sich die Fäden:
Zeit, Ort und Art der Verwundung, der
Transport hierher, die Operation, der
sonderbare Traum . s .
Ich frage: Wo bin ich?' Die Schwe
skr sagt: Im Lazarett des Fabrikanten
Bosch in Fcuerbach bei Stuttgart.
Es dauert eine Weile, bis ich mich über
zeugt habe, daß ich noch am Leben bin
und nicht etwa in einem verwunschenen
Eingangsgarten des Jenseits liege.,
.
' In der Tat. ich lebe! Draußen aus
' ,
ÄS'Wft
i'ri'k,
v
Ti:i(
r-;-- y,7 . . i i ' Arart. vi
if ni-AJK' ', ' V
imSr-&
ivdsZfw-i
.3 m i VTA t
'J.UaUa
-am
mssti 4 1' 1 IV' II V " -
S. I M H I . S
t y . :
, ,.aoWV' ' uirt 11
M,
V '
r
h
V
t ii
tr'-. .
WH,-,,
i
rvmm.'y'-'S
ti l t m
"I 1 l 1,1 t7
mmm,pm?
Eine Schwester legte mir einen feuchten
, jetzt sind Sie
dem Gange schlägt mit sonorem Klänge
eine Uhr und verkündet die Stunde. Ich
höre das Geräusch von Schritten und das
gedämpfte Sprechen von Menschen.
Hier ist ein Fenster. . Ich blicke hinaus
und sehe Baum und Strauch und Erden-
grun, Himmelsblau und Himmelswolken
und eine irdische, liebliche Landschaft.
Essen steht neben mir aus dem kleinen
Tischchen. Ich greife gierig mit der ge
funden' Hand zu und trinke von dem
Fruchtwasser und esse von dem Brot. Es
schmeckt mir besser als der beste Braten.
Ich habe auch Gefühl. Ich fühle, daß
meine Schulter in eine festen Verbände
liegt und eingegipst ist. Ich sühle auch,
daß ich mit weichen, kühlen Tüchern zu-
gedeckt bin. Von braunen kommt ein
leichter Wind herein und bringt den Duft
von Blumen mit sich.
Dem .Tod war ich anheimgegeben.
Nun glänzest du mir neu, du süßes Leben!
Vorderhand muß ich noch allein liegen
bleiben. Der amtierende Stabsarzt sagt,
von nächster Woche ab käme ich zu den
Kameraden im großen Saal, dort hätte
ich mehr Unterhaltung. Vorlaufig sei mir
aber Ruhe nötiger als Zerstreuung.
Tut mn mir, wag ihr wollt! Ich lebe
noch! Ich habe stoch meine Augen,
meine Ohren, meine Sprache, meine
Glieder!
Ein junger Wärter trägt mir Zeitungen
herein. Die wichtigen Nachrichten hat er
mir alle blau angcrändert. damit ich mich
für den Anfang nicht allzu müde zu lesen
brauche. Es gibt doch noch gute Kerle
in der Wclt, zumal in Schwaben!
Wenn du so allein verwundet im La-
zarett liegst, hast du viel Zeit zum Nach
denken. Und wenn dir der Zufall eine
Verlustliste in die Hand spielt, kann'S sein,
daß du die ganze Reihe der Toten Vcr
mißten und Verwundeten durchliefest und
abermals geduldig durchliesest und dir
Beziehungen schaffst zu diesen Namen, die
da so trocken auf dem Holzpapier stehen,
und die doch mehr sind oder -einst mehr
waren olS nur blasse, undeutlich gedruckte
Namen: Menschen in Jugcndkraft, lebens
frohe Leute ...
Manchmal bleibt dein Auge auf einer
Stelle länger haften. Die Buchstaben und
die Silben kommen dir so merk'.wirdlg
bekannt vor, und wenn du sie endlich zu
einem Sinn zusammengerciht hast, siehst
du plötzlich einen Menschen vor dir, den
du einstmals kanntest, einen Schulkame-
illden vielleicht, einen Arbeitskamcradcn
aus irgendeiner Fabrik, eine Bekanntschaft
vom Militär her oder schließlich auch nur
einen kleinen behäbigen Philister aus der
Vorstadt, der dich bei jeder Begegnung an
grinste mit feinem ewig blöden: Wie
geht's, wie sieht's. Herr Nachbar?"
erschrak ich tief, als ich in der Jei
tung. die mir der Wärter brachte, hinten
in der verschämten Ecke den Namen Pol
lalschek fand. Da stand in kalten, schwarz
grauen Buchstaben: Reservist Thomas
Pollatschck aus Eruszewina, gefallen.
Kopfschuß.
Kein- Zweifel, eS war mein Pollat
chci!
Ach Gott, da lag wieder Straßburg,
die wiMcrschöne Stadt, vor mir. Straß
bürg mit seinen gedeckten Brücken und mit
seinen hübschen, beweglichen Madchen
Slraßburg mit seinen vielen Kasernen
und mit einer großen, sandigen Esplw
nadc,'nuf der ThoinaS Pnllat chek. Theo
dor Roßwa und 4ch vor so und so vielen
Jahren unter dem Gefluche zweier Sei
geanten in die ersten Schönheiten des
preußischen langsamen, Schrittes einge
weiht wurden.
Pollatschck war .damals mein Stuben
genösse und achörle zur selben Korporal,
schaft wie ich. zur dritten. Er war Pole.
Deutsch sprechen konnte er nur wenig.
Ueber Landsmann meiniges kam er in
den ersten suns, sechs Wochen uberhaup
Nicht hinaus.
Gottlob, auch beim Kommiß geht die
Zeit herum, wen auch gemächlicher als
on two. Wir Rekruten, denen m der letz-
tcn Zeit dieVeine ordentlich lang gezogen
worden waren, fuhren freudestrahlend in
Urlaub. Nur Pollatschck blieb mit eini
gen Alten zurück, gewissermaßen als Be
stand. Kann sich armes Luder nicht sah-
ren nach heim, bat sich kein Geld nicht.
sagte er mit wehmütigem Augenzwinkern.
Dann stellte er sich ins Fenster und winkte
unk mit feinem rotgesprenkelten Taschen
tuch'nach, bis wir in der Gasse nicht mehr
zu seyen waren.
Als wir uns nach Neujahr alle wieder
glücklich zusammengefunden hatten, ge-
bardete sich der Pole wie ein Kind. Wahr
haftig, die hellen Tranen liefen ihm über
die Backen. Wie s so geht, mit den Alten
hatte er keinen Frieden halten können,
r:
'.vl
f, t w t
I 'Ü . 5
4ß
rl
V
&'
'tlff
" M- p, I'
st ur, "
Berbnnd auf die Stirne: Gott Lob,
ausM Gefahr!"
und so war es bald zu tüchtigen Schlägen
gekommen. Aber dank seiner Bauern
krZft war Pollatschck jedesmal Sieger ge-
blieben.
Ich fragte, ob eS ihm denn hier beim
Kommiß nicht verleidet set. O nein
sagte er, .ist sich hier doch viel schöner als
zu. Hause bei mich. Hier viel zu Essen,
hier viel zum Schlasen. Aber daheim
nur viel Arbeit, keine Geld nicht, keine
saubere Kleid nicht. Was macht, wenn
hier brüllt Herr Unteroffizier? Macht ss
gar nichts! Panje daheim brüllt no,
viel mehr! O hier ist's gut. Pollatschck
möchte sich immer Soldat fein!" ,
Mit der Zeit hatte sich zwischen dein
Polen und uns ein ganz verträgliches
Verhältnis herausgebildet. Wir lachten
nicht mehr über seine komisch wirkenden
Sprachschnitzer und sangen auch nicht
mehr das Lied: , , , m
Der Katze hat vier Beinen,
An jeder Ecke einen,
Und hat sich Katz nicht Schwanz,
Ist sich der Katz nicht ganz!" ,
das ihn 'so mordsmächtig ärgern konnte.
Selbst wenn er was verbockt hatte, und
wir seinetwegen beim Ezerzleren beson
ders hochgenommen wurden, trüge wir's
ihm nicht nach. Vor allem litten wir nicht,
daß jemand mit Prügeln an ihn heran
kam. Dafür hing Pollatschck mit einer An
hänglichkeit an uns, die keine Grenzen
kannte.- Er hatte ein starkes Gesühl da
für, wer's gut mit ihm meinte. Wenn
wir an freien, Sonntagnachmittagen zum
Vergnügen in die Stadt gingen, saß er in
der Regel daheim und wienerte unsere
Brocken, so daß wir uns am Montag
Morgen nur hineinzuwerfen brauchten.
DaMtfl er unverdrossen, wochaus, woch-
ein, für elf Mann! Pollatschck war ein
armer Teufel, der keinen bluttcn Pfennig
sein eigen nannte. Die ganze Löhnung,
volle zwei Mark und zwanzig pro Dekade,
schickte er heim an seine Leute. Für sich
selber brauchte er nichts. Irgendwelche
Bedürfnisse schien er nicht zu kennen, -f-Trotzdem
er die zweiten Schlüssel zu un
feren Spinden in der Tasche hatte, und
zwar beständig, nicht nur an den Sonn
tagnachmittagen, fehlte uns nie auch nur
eine Nagelbreite. Selbstverständlich wa
ren wir alle nach Möglichkeit erkenntlich
iir Pollatscheks Freundlichkeit und
Ticnstbercitschast. Da er einen unHeim
lichen Appctit hatte, wäre er mit der
Kommtßkost allcm nicht ausgekommen.
Doch wir stopften ihm so viel 'zu. daß er
nie über Hunger zu klagen brauchte.,
Pollatschck fuhr auch auf Urlaub. Bei
dieser Gelegenheit rasselt er auf merkwür
dige Weise drei Tage in den Kahn. Bei
ihm zu Hause stand'S traurig. Seine
Leute hatten nichts zu kratzen und nichts
zu beißen. Nicht einmal das Geld zu
seiner Rückfahrt konnten sie ausbringen.
IQflä Ins hn m.'ln nutet nrirrnfr Ülnssnl
tV.. Mfc . .... .. U"., y , . . .
fchekk Er hängt einfach sein klcinks Bün'
k. m
jjtjg Jij
M
Ja, .!aucr, das ist ganz was
anderes!
In einem Roman schildert Iuleö Verne
die Abenteuer von drei englischen und
dret russischen Astronomen tn Südafrika,
die eine von wissenschaftlichen Gcscllschas,
ten Englands und Rußlands gewählte
Kommision zur Messung eines Meridian
bogens auk der südlichen Hemisphäre bil,
beten. Es handelte sich um Einführung
dcö metrischen Systems in beiden Ländern
und genaue Bestimmung des Metermaßes.
Die Leiter der Kommission waren auf
englischer Seite Oberst Eoercst vom Ob
scrvatorium in Eanbridge und auf ruf
sischcr Seite Mothieu Stlux , von der
S'crnwclrte in Pulkowa. , So arbeitete
die Kommission vereint und einträchtig
vom Monat Februar bis August 1854,
als sie im Dorfe ttolobeng durch eben ein
gelangte europäische Zeitungen erfuhr, daß
der Krieg zwischen England und Ruß
land aufgebrochen war. dcr nun die ttom
Mission mit ifet Hilfsmannschaft plötz
lich in zwei feindliche Lager tcilte. Oberst
Everest rief den Russen zu: Wir sind
von jetzt ab Feiiide. durch einen Abgrund
getrennt, die sich sogar nicht mehr auf dem
Boden der Wissenschaft begegnen dürfen!"
i Getrennt setzten nun Engländer und
Russen ihre wissenschaftlichen Arbeiten in
verschiedenen Richtungen fort. Am 22.
Februar 1855 kamen die Engländer zum
Ngami-See und zum Berge Szorzcf, auf
den eben eingeborene wilde Afrikaner
stämme , mit Pfeilen und Wurfspießen
einen Sturm unternahmen. Die auf dem
Szorzcf Belagerten und in höchster Gefahr
Befindlichen mußten Europäer fein, da
sie sich mit gezogenen Gewehren bcrtcidi
gen. Es lag also nahe, daß es die Feinde
der Engländer , die Russen, feien. Doch
Oberst Everest rief: Wer auch diese Eu
rapäer sind, man muß ihnen, Hilfe brin
gen!" Und mit Hurra wurden die Afrika
ner im Rücken angegriffen und geschlagen.
Sie, meine Herren Engländer!" rief
der Astronom von Pulkowa den Befreiern
entgegen. - Wir selbst, meine Herren
Russen." antwortete Oberst. Everest mit
ernster Stimme. Hier aber gibt es we
der Russen noch Engländer, sondern nur
Europäer, die zu ihrer Verteidigung ge
eint sind." So der Franzose Verne,
und heute ja, Bauer das ist ganz was
anderes! rufen Franzosen, Engländer
und Russen gegen die Europäer afrikani
sehe und, asiatische Horden zum Kampfe
auf.
Krieg nd Kinder.
Mutter: Jungens, ich glaube, ihr habt
in der Speisekammer 'genascht?
Fritz: Ja," welßt du, Mama, wir spiel
ten Krieg, und da war die Speisekammer
unser Proviantmagazin!
del mit dem Drillichzeug cm einen Knoten
stock Und macht sich daran, den unendlich
langen Weg von Eruszewina , in Polen
nach ktraßburg im EI,aß unter die Füße
zu nehmen. Drei Tage ist er unterwegs,
da schnappen ihn die Gendarmen. Natür
lich brach bei uns ein großes Hallo aus.
als Pollatschck vierundzwanziq Stunden
nach Ablauf feines Urlaubs nicht zurück
war. Des Langen und des Breiten wurde
hin und her gedrahtet, biS sich schließlich
ocr sacuveryau herauZichalte.
Ein sächsischer Gendarm brachte den
unfreiwklligen Sünder angeschleppt. Doch
der schien wen zerknirscht, sondern lachte
uvers ganze Gesicht, als er wieder unserer
Etznapse anpchtig wurde: Hier ist sich
doch vie.l schöner als dqhcim!" ,
Thomas fuhr noch ein zwcites Mal auf
Urlaub. Das war als seine Mutter
starb. Vorforglicherwcise gaben wir ihm
dieses Mal das Geld für die Hin- und
Herreise mit. Pollatschck brachte den ge
pumpten Mammon getreulich wieder zu-
rua. Eine jwqiei von turn, oie in
Berlin diente, und die mit bei dem Be
gräbnis gewesen war, hatte ihm alle Aus
lagen ersetzt.
Das zweite Soldaten ahr neiate zu
Ende. Oestcrs als je saßen wir in der
Kantine und sangen das Lied, das wohl
allen allen Knochen, am lieblichsten klingt
Bald scheiden wir aus diesem Kreise
und legen ab den Waffen rock,
und treten ari die Hcimatreife ,
mit einem Rcservistcnstock.
Pollatschck saß wohl auch mit dabei und
trank feinen Seidel Bier. Aber er fang
nicht. Wenn wir lustig und ausgelassen
wurden, machte er sich nach Möglichkeit
unsichtbar. Einmal fand ich ihn in der
Flurecke am Fenster stehen. Er hatte den
Kopf in. die Hände gestützt und weinte
fest. Ich fragte ihn nicht, weshalb er
weine. Tas war leicht zu erraten. ,er
beim Kommiß war es ihm nach seinen
Begriffen bisher sehr gut ergangen. Er
halle Freunde gehabt. Kameraden, die in
allen Lagen treu zu ihm hielten, und
Esten und Trinken, soviel er wollte. Das
hörte nun auf. Bald kam die Zeit, wo
er aufs neu des Lebens Notdurft ausgc-
fctzt war, wo er sich aufs um als Tagc
löhner bei irgendeinem Großgrundkcscher
seiner Heimat verdingen mußte, wo es
nach seinen eigenen Worten nichts gab als
viel schaff, viel wenig freu und viel we
nig bezahl". Ich redete ihm zu. mit mir
n die Großstadt zu kommen, mit mir in
irgendeiner Fabrik anzufangen. Er schllt
telte nur traurig den breiten Kops mit der
merkwürdigen slawischen Nase und saaie:
Ist nichts für Pollat chek. Pollalschek
muß heim." Mag sein, daß hin auch ein
Pärlein Augen heim nach der freudlosen
Heimat zog. Doch das sind nur Vermu
tungen meinerseits. Ausgesprochen hat er
sich über diesen Punkt nie.
So kamen wir auseinander. Thomas
Pollatschck und ich. Jetzt hat uns dieses
Zeitung blatt, das mir in der Hand zit
tert, wieder zusammengcfülirt. Ein seit
',ames ufammentrefien. furwabr! Jcki
ein halber Krüppel, im Spiklbekt. Und
du mein guter, getreuer Pollalsck'ek bist
irgendwo verscharrt in Belaicn oder
Frankreich. Am Militär, das du so sehr
liebtest, bist du zugrunde gegangen.
Draußen auf dcr Straße ziehen Sol
daten vorbei. Infanlcristen. Sie singen
mit jungen.' lustigen Ctimmcn: .Und
manme Kugel gebt manchem vorbei!"
Mein armer Thomas Pollettschek. dir
ist sie nicht vorbeigegangen. ;
ionilanlinopeker
RZöklotyeken.
' Ueber die Neuordnung dcr wcrthvvilc
tllrlischeii Viicherschätze macht Tekin Alp.
einer der hervorragendsten Führer der
türkischen Bewegung, im Hilal tntcrcs
sante Mittheilungen. Konstantinopel ist
reich an Bibliotheken, die etwa 4)0')W
Bände umfassen, zum größten Theil Ma
nuskripte. Eine ganze Reihe dieser Werke
sind den außergewöhnlichem Wcrth. ES
ist eine gute türkische Sitte, daß fromme
Leute mit konservativen Anschauungen
vor ihrem Tode dem Gemeinwesen kost
bare Bibliotheken stiften. Bus diese Weise
wurden die Bibliotheken StambulS Jahr
für Jahr um große Viicherschnjje bere
chert. , Leider, ließ die Ordnung, die in
ihnen herrschte, zu wünschen übrig. Es
konnte dann auch kein Wunder nehmen,
wenn aus diesen Vüchersammlungcn all
mählich Manuskripte verschwanden, die
man in Europa mit Gold ausgewogen
hätte. Die Frequenz solcher Bibliotheken
war infolgeder herrschenden Unordnung
denn auch gleich Null.
Hier hat nun, wie Tekin Alp ausfülirt,
das Evkafministcriiim wichtige Wandl!
gen geschaffen. Sie geschahei; in aller
Stille, ohne daß lang gehegte Traditionen
erschüttert wurden. Zuerst wurde bcschlos- ,
sen. alle dem Eokaf unterstehenden Bib
liotheken in einem großen Gebäude zu
vereinigen und so im Zentrum von Stam
bul eine Bibliothck von Wellruf zu
schaffen. Da ein solches Gebäude nicht
innerhalb kurzer Zeit und zumal , nicht
jetzt errichtet, werden kann,,so ,ging man
zunächst an die, wichtigste Arbeit: die
Klasstfizirung der Werke nach dem Ge
gcnstand. Jede Abtheilung wird 1 oder 2
anständig dotirtcn Bibliothekaren ander
traut, die sllr Ordnung, Sauberkeit und
inneren Dienst Sorge tragen. Der Bes
chek, der früher staubbedeckte Manuskripte
in schlechter Luft sich selbst-, heraussuchen
mußte, sindet nun überall 5?atalogc vor.
Das Evkafministeriuin, das das Verdienst
hat, Konstantinopel's werthvolle Bücher
schätze auf europäischer Grundlage neu ge
ordnet und damit der Welt zugänglich ge
macht zu haben, hat sich indessen mit die
sen durchgreifenden Reformen noch nicht
begnügt. Es hat auch große Opfer sse
bracht, um, seine-alten Sammlungen zu
ergänzen. Erst kürzlich ist die Bibliothek
eines berühmten russischen Orientalisten
zu ansehnlichen Preisen erworben worden,
die lausende von Bänden über türkische
und muselmännische Fragen enthält.
Die Merbreitung
der Aunkentekegrapyte.
Die ..Elektrotechn. Zeitschrift" bringt
ein! Zusammenstellung der funkcntclegra
phischen Stationen auf der ganzen Erdff,
und zwar, aus Grund eikies vom Int
nationales Bureau des Welttelcgraphcn
Vereins herausgegebenen Verzeichnisses,'
das den Stand vom 1. April 1915 dar- '
stellen soll. In Bezug auf die Anzahl
der Küsten-StailoNen stehen die Vereinig
ten Staaten mit 14g an erster Stell, es
folgt Großbritannien mit 61, Kainda
mit 47 Stationen; dann kommen Italien
mit 37, Rußland mit 32, Alaska mit 20,
Brasilien mit 28, Spanier! - mit 21,
Australien mit 20 und erst an zehnter
Stelle - Frankreich und Deutfchlan' mit
je 13 Küsten-Stationen. Japan besitzt 11,
Ocsterrcich-Ungarn vier und Ehina nur
drei Küstcn-Stationen.
Die Funkentelcgraphie hat ihre Haupt
Schiffsverkehr gewonnen und deshalb muß
ein Bild über ihre Verbreitung vor Allem '
die auf Schiffen befindlichen Vord-Sta
tionen ausweisen. Hienach sind die ein-'
gelittn Länder -in . wesentlich anderer
Gruppierung an dcr Entwicklung der
Funkentclegraphie beteiligt. An erster
Stelle steht hier natürlich Großbritannien
mit 1568 Stationen, dann folgen die
Vereinigten Staaten mit 967, an dritter
Stelle bereits Deutschland mit 537 und
an vierter Stelle Frankreich mit 357
Stationen. In sehr weitem Abstände
folgen dann Italien und Japan mit je
123. die Niederlande (die nur sechs
Kllsten-Stationen haben) mit 122, Ruß- .
land mit 119 und Oesterreich -Ungarn mit
101 Stationen. Japan, Brasilien, Spa
nien, Australien haben 96, 65, 79 und 64
Bord-Stationen. Im Ganzen weist die
Liste 706 Küsten- und 4846 Bord-Sta-
Der Entdecker
des künstlichen Indigos.
S ,
Bei ihren Versuchen, den deutschen
Welthandel zu untergraben, bereitet ven
Gegnern Deutschlands nichts so große
Schwierigkeiten als das stolze Gebäude der
deutschen Farbstoffindusirie. Denn ohne
deutsche Farben kann die Wclt zurzeit
nicht auskommen. Unter den Baumeistern
jenes stolzen . Bebäudc steht in, erster Li
nie ein Chemiker, der 1875 als Nachsol
ger Justus v. Liebigs an die Münchener
Ünivcrsität berufen wurde, und der jetzt,
kurz bevor er am 31. Oktober sein ?tt.
Lebensjahr erreicht haben würde, in den
dauernden Ruhestand tritt. Geheimrat,
Adolf d. Bacher, dcr z Berlin geborene'
Sohn eines preußischen Generals, verdankt
seinen Ruhm neben vielen andern Dingen
namentlich der Entdeckung dreier Far
steffe nämlich des srllncn Caerüleins, des
roten Eoins und des künstlickcn Indigos.
Trotz des BorsMngS, den England und
iZrankreich auf dem Gebiete der organi
fchen Chemie besagn, hat Deutschland
diese Länder nicht nur weit überholt, son .
dcrn in einigen, der wichtigsten Fächer völ
lig in den Schatten gestellt. Baelxrs im
ahre 1ÄI5 begonnenen Uiiieriuchungen
iidec die Ztisammeusetzung des JndigoZ
führten, alösie zu Änfeing der neunziger
,arc ,:n allcrwettcuen Uüisancz praktisch
verwertet wurden, zu einer Umwälzung.
wie die chemiiche Industrie kaum eine . n -
dere von gleich großer finanzieller und
We!thandclöbedeuti.,ig erleb! hat. In sei
ner langjährigen Lehrtätigkeit vertrat
Bevcr ben Grundsatz, daß kein einzelnes
Gehirn mehr das gesamte ungeheure Ge
biet dcr modernen organischen Cdemie be
herrschen könne, und daß die erößten Präs
tischen Erfolge bei der Beschränkung auf
Einzelfachcr zu erreichen seien.
X
.