Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 04, 1915, Image 5

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    Tägliche Omaha Xritünt
Janac und. der Koldrcgen.
Nsvcllk
Seine Vurchlaucht b Fürst Herbert
fern unb ju AichAssach war von stimm
lksaudtknpostkn abberufen worden. EN
neu 52ini(!er bei fleußern unb be hl
f!lcheit Hausei Halle die Herrschaft engu
treten, und biesein maj btt diplouialische
den &. suriba in 2.
tretung der politischen Interessen der Mon
archik an ber ihm zugewiesenen Glätte
sein slaatSmännischen Wirksnmkeit 6e
Tunbet hatte, doch nicht völlig erilsprochen
haben.
Sein Dllrchloucht geruhlen, sich diese
Abberufung niclit allzu sehr zu Herzen zu
nehmen. Die Zeiten waren unangenehm
schmierig geworden, und er rptte es satt,
noch weiterhin die Verantwortung für
all die Dummheiten zu tragen, die Hos
und Regierung jenel exotischen Raub
siaalei zu begehen nicht müde würben, die
er durch seine weisen Rathschläge halle
zur Raison dringen sollen. Er hatte sich
also da? alte FamilienpalaiS derer von und
zu Aich'Assach wieder auf den Glanz her
und Im Innern pru?roll neu einrichten
lassen, und gedachte nun. dessen Wieder,
öffnung zu einem gesellschaftlichen Eklig
nik zu gestalten.
Die Einladungen waren schon oerschiclt
und Allel ging in best Ordnung. Die
letzten Tage vor dem Jcfte wurdeis noch
dazu benutzt, die künstlerische Ausschmul
kung der.Jnnenräumt zu vervollständigen.
Qt befanden sich zwar seit Jahrhunderten
zahlreiche kostbare 2Bft alter Meister im
Familienbesib, aber da! feudale Heim
sollte auch eine Pflegesiätte moderner
Kunst werden, für die insbesondere die er
wuchte Gemahlin d8 Fürsten ein lcbbaf
ki Interesse und zweifellos auch Vcr
stiindniS und ein zuverlässiges Urtheil
hatte. So schritt dtfrn das fürstliche
Paar prüfend und genießend auch durch
die Säle des NiinsilerhauscZ. nachdem
alle übrigen Ausstellungen erledigt waren.
' Der ffürst führte seine Gattin am
Arm. Nachdem sie schon an mehreren
gleichgiltigen Wänden vorbeiaeschritten
waren, machte er vor einer profzen Lein
wand Halt. Begreiflich. Ein Mann,
sagen wir ein Kunstfreund, wird immer
stehen bleiben, wenn er sich plötzlich einem
weiblichen Ganzakt gegenübersteht. Hier
war es ein lebensgroß Akt, Tanae auf
weichem Pfühle hingestreckt, wie sie die
Gnade des verliebten Olympiers, male
,rialisirt durch den gleißenden Goldregen,
entzückt auf sich herabslriimen läßt.
Schon schickte er sich an, wieder weiter
zugehen, als er dann doch wie gebannt
noch stehen blieb. Er lachte still auf und
flieh seine erlauchte Gemahlin h.'imlich an.
.Eigentlich ein vortreffliches Bild!"
sagte er vergnügt.
.Ja, ei ist ein gutes Stück Malerei und
namentlich in den Hclldunkelparticn von
.besonder kolorisi.schcr Feinfoit!"
.Ja und dann für mich die
Hauptsache! Hast Tu nicht bemerkt
.Dit, Fürstin tickte lächelnd Bejahung
und erroihkte leicht dabei."
.Ein wundervoller Zufall!" fuhr er
leise und noch immer lachend fort. Ein
süßes Geheimnis ist da enthüllt, lai nur
zwei Menschen aus di: Welt kennen
Du und ich!"
Die Fürstin lächelte urd erröihete
wieder.
.Das Bild lause ich!" rief er mit
rasckem Entfchliisj. ,
.Aber ! TaI können wir uns. doch
nicht aufhängen!"
.Nicht i;, einem der Salons, wohl aber
in unserem Schlafzimmer. Dort wird eS
sich herrlich machen.' Kein profane? Auge
wird eS sehen, und mir wird es eine rie
sige Freude machen. Verzeih, Luc,
nur einen Augenblick!"
Er löste ihren Arm auS feinem und
eilte in das Sekretariat dcs Hauses, um
den Kauf abzuschließen.
Die Fürstin setzte sich inzwischen auf
die rothsammtcne Ottomane in der Mitle
deS'Saales, um dort qu warten. Auf
merksam und nachdenklich betrachtete sie
auch von dort aus das herrliche Gemälde.
Der wunderbare Zufall war in dcr That
höchst merkwürdig, aber er konnte doch
nur von .einem wissenden Auge als auf
fällig bemerkt werden. f!napp unier der
jugendlich holden Wölbung der linken
Lrust. an der Stclle. wo das Herz schlägt,
war ein rosiges Muttermal zu sehen, als
sei ein zartes Rosenblatt hinverweht wor
den.
. Dcr Fürst hatte das Geschäft in wen!
gen Minuten abgeschlossen.
.Weißt Tu, daß w',da einen gulcn
fsang gemacht haben?" ia,ann er wieder,
sich zu der Fürstin sehend. ..Es ist ein
sehr angesehener Mistn, der das gemalt
hat. Heinrich Gastorf heißt er."
.Das wußte ich schon, Herbert. Das
Bild ist ja signirt."
.Da! hatte ich gar nicht bemerkt, und
wenn ich es auch bemerkt hätte, es hätte
mir nichts gesagt. In den letzten fünf
Jahren der Verbannung, die wir bei der
südamerikanischen Regierung haben der
leben müssen, haben wir ja rein gar nichts
vom heimischen Kunstleben erfahren. Der
Mann ist inzwischen berühmt geworden,
und ich kann Dir sagen, daß seine Preise
ordentlich güpfesfcrt sind!
.Aber, Herbst, wenn Dir daS Wild
gefällt!"
.ES gefällt mir riesig, und ich bin froh,
daß Ich es habe. Weifet, Lucia. Ich
hätte ein gloriose Idee, aber Tu wirst
natürlich wieder eine Menge von Einiven
düngen haLen wie immer!"..
, .Herbert. Tu thust mir unrecht! Ich
habe niemals Einwendungen, wenn Tu
etwas Vernünftiges vorschlägst."
.Bitte. mehc Idee ist sehr t::
Künftig!"
, .Also laß hörn!"
.Also ritt ! Ich möchte izir von dem
Maler den jfanf der Tai,ae wegstreichen
und dafür Sein Porträt hinmalen
lassen."
.Ja. sag' Du mir. Herbert, bist Tu
rerriiSt crimtrn?!"-
.Na !so! Wa' habe ich gesagt?! Habe
ich nicht recht cti:?hl W.'i'N ich etwas
"oischlaae. bin ich immer veriiicU!"
voii valdultt Grsllcr.
.Aber g.h'l So sei doch kein "Kind!
Möblest bikllcicht das Bild gleich derber
o:n laiienk!'
.-dek-kn?! Siebst Tu. jetzt
bist Tu verrückt, mein Kind! .Besser
würde , werden! Tu bist viel schöner,
an iu JrsUtvzimuitt!"
.Geh', Herbert. Du bist ein Narr
ein lieber Narr! Gut, aber ein bisscrl
dumm!"
.Tanke schön, also ganz wie der Bis
marck."
.Da, ist schon das Nichtige. So soll
der BiLmarck auch gewesen sein. Also.
laß L)ir erklären. Wie sollten Kops und
giaur von zwei verschiedenen Mcnsckicn
zusammenstimmen! Ta Ganze wäre
eine Lüge, und dann würde et so aus
seh, als ob ich die unsinnige Eitelkeit
gehabt hätte "
.Tu bist schon wicder auf dem Holz
weg. Lucia," unterbrach ' sie der Fürst.
.Es würde Alles schon ganz gut zusam
menslimmen, und es wäre auch gar keine
Eitelkeit dabei. Sei ganz beruhigt, Du
brauchtest Tich auch vor diesem Körper
nicht zu versiegn."
.Ab es ist doch nicht mein Körper!"
.Was thut da? Etwas voller bist Du.
und dazu kann ich Tich nur beglückwün
schen und Mi Allem mich selbst. Ge
rade dasGcgenthcil von dem. was Tu
sanft, wäre richtig, die Eitelkeit müßte
Tich bestimmen. Dich dem' Austausch der
Kopse zu widersetzen."
Ich danke Tir, Herbert, für die gute
Mcirninq, aber ein kleiner Narr, bist Tu
doch. Wir wollen nicht weit streiten;
lassen wir diesen 'Punkt ganz beiseite,
aber das Eine mußt Du doch einsehen:
diese Tanae strahlt in dem berühmten
venezianischen Goldblond und hat blaue
Augen, ich habe schwarzes Haar und
schwarze Augen."
.Gott sei's gedankt! So und nur so
warst Tu ganz mein Fall, sonst hatte ich
mich gar nicht so rasend in Dich verlieben
können."
.Aber man kann doch nicht so ohncwei
leres einen schwarzen Kopf statt eines
blonden hinsetzen!"
.Ja. warum denn nicht, wenn es mir
so gefällt!"
.Weil das einfach nicht geht. Der
schwarze Kopf würde förmlich aus dem
Bilde herausfallen. Die ganze Farben
Harmonie wäre zerstört."
.Das sehe ich doch nicht ein, Lucia!"
Dann mußt Du Dich eben belehren
lassen.. Das Bild ist auf den wunder
vollen Eoldton d obcritalicnischen Hoch
renaissance gestimmt. Das rieselnde
Gold, das leuchtende Blond, die Drape
ricn, die ganze goldig schimmernde At
mosphä das mußt Du doch fühlen,
daß da ein sckwarz Kopf nur einen
gräulicherl Klecks gäbe!"
Der Fürst blickte mit Bewunderung zu
seiner schönen Gemahlin. empor.
Weißt Du. Lucia, daß ich anfange,
stolz zu werden' auf meine Frau! Nein,
nicht ansauge; das bin ich schon längst
uno von Jen. Man entdeckt nur immer
Neues. Wie Du gescheidt daherreden
kannst und b?soi,dcrI wie Du Dich aus
kennst in dcr Kunst wie ein Professor!
Natürlich hast Tu recht. Das Bild bleibt
so, wie eS ist, und ich habe auch so meine
yreude daran.
Zuhause angekommen, ordnete der Fürst
an, daß zu seinem ersten Smpfang auch
oem Äialer Heinrich Gastors eine Ein
ladiiilg ausgefertigt werde. DaS sollte
aber eine Uebcrrafchung für seine kunst
sinnige Gemahlin werde. Er hatte In
teresse für den Maler gewonnen und auch
gleich den Entschluß gefaßt, durch ihn
zwei repräsentative Porträts, sein eigenes
i'nd das seiner Frau als Gegenstücke aus
führen zu lassen. Bon dieser feiner letz
tcren Absicht erfuhr die Fürstin vorläufig
nichts. Das mit der Einladung aber war
sehr bald nach ertheiltem Auftrag zu ihrer
Kenntnis gelangt.
Dcr erste S!out beim Fürsten ließ sich
schr glänzend an. In der Mitte des fest
lich beleuchteten Empfangssaales stand das
fürstliche Paar und begrüßte, die illustren
Gäste, die in reicher Zahl herbeiströmten
und die sich dann nach erfolgt liebens
würdiger Begrünung in die übrigen Säle,
in welchen erlesene Büffets aufgestellt
waren, vertheilten.
Als der HauShosmeister den Maler
Heinrich Gastorf meldete, eilte der Fürst
dem Ankömmling 'mit besonderer Beflis
scnhcit entgegen und schleifte ihn sichtlich
sehr vergnügt sofort mit sich, um ihn der
Fürstin vorzustellen.
Sie empfing ihn mit huldreichem
Lächeln und reichte ihm die Hand, die der
Künstler, sich tief verneigend, ehrerbietig
küßte. j
.Ich freue mich." sprach sie dann, .den
Meister unserer herrlichen Danae nun
auch persönlich kennen zu lernen."
Sie können sich gar nicht vorstellen.
Meister," mengte sich .nun gleich der Fürst
ein, wie viel Freude uns das Bild
macht. Es soll aber auch hoch in Ehren
gehalten werdend"
Dann ließ er sich näher auf verschiedene
Einzelheiten dcs Gemäldes ein, über die
der Künstler die sachgemäßen Ausklärun
gcn gab. Schließlich kam der Fürst auch
c.uf das bewußte merkwürdige Detail zu
sprechen, das ihm soviel Vergnügen ge
macht hatte. Er blinzelte dabei schalkhaft
zu sciner Gemahlin hinüber, gleichsam in
dcr Xtyrsnube über ihre zarte Verwirrung
und sagte:
.Wie aber, verehrter Meister, sind Sie
nur auf die köstliche Idee mit dem reizen
dcn Muttermal gekommen? Gibt es' so
etwas überhaupt in der Natur?
.Ich weiß nicht, Durchlaucht, ob es das
gibt, für alle Fälle hab: Ich mir die künfi
lc:fche Freiheit gcuommen."
Aber ein bizarrer Einfall war es
doch!"
.Nick't doch, Durchlaucht! Es war eine
Art künstlerisch Nothwendigkeit! In dem
Spiel des Lichtes gehörte gerade an jene
Stclle ein zart rosig Schimmer. Es
hüt!; aaci) ein Nofcnblatt sein können,
aber dieses hätte irgendwie mojivirt wer
" ' V
den müssen, hälie elncn Nosinflrauch cd
füllst irgendcin Blumenarrangement er
sordcrt, das mir bcl dics Komposition
ganz und gar nicht in den Kram gepaßt
hat!,."
.Verzeihen Sie. Meister, ich glaube
aber, daß gerade In dieses Milieu auch
Blumcn rcit g.it hiiicllipaßt hätten!"
.Gewiß, Durchlauf t, Blumen und auch
allerlei kostbares ci,ll,bengäth, das
ist gan, richtig so im Allg'lneinkn und In
t Theorie. In meincin Falle aber hiilte
es sich mit der ursprünglichen Intention,
aus der heraus das Vild. aescl!
wurde, ganz und gar nicht vcrtrag'n. Die
koloristische Wirkung dcr Hauptsigur
durfte nicht durch vordringliche und dabei
doch Nkbensächli.e Zuthakcn becinträch
ligt werden. Es mußte Alle aus die
Hauptfigur tonzentrirt sein, und von ihr
allein sollte alles Lickch, ausstrahlen. Da
leblste Farbenspicl dc, Beiwerks halte
gestört. Den kleinen rosten Schimmer
brauchte Ich ab, und da habe Ich mir nun
geholfen, wie Ich eben konnte."
.Nun sänge ich an zu verstehen!"
.Man kommt da lcicht ins Gkdrange,
Durchlaucht, und mcimbe scheinbare Un
bcgreisllchkclt bei wirklichen Meistern er
klärt sich nur aus diese Weise. Nicht die
Tinge d Erschcinunflkwelt. wie sie sind.
kommen da immer zuerst in Betracht, son
ocrn vcr Farbe Icck, die Ä!aleurs. wie
man sie gerade braucht, und dann natür
lich verfällt man manchmal auch auf eine
Absonderlickikcit. Wo z. B. von rechts,
wegen daS Blau 'dcs Himmels hingehörte.
brauet man ein kräftiges Sioih. Ta hilft
man sich dann, wenn's auch nicht rccht
motivirt Ware, mit einer Trapcrie
Oder "
Tem Fürstin begann die Geschichte zu
hoch zu werden, zudem wurden auch neue
Gaste gemeldet, denen er sich znwenden
mußte. Er unterbrach also dcn Vortrag
deS Künstlers mit einer Entschuldigung
uno rügte bann hinzu:
.Tas ist ja hocbintercssant! Man kernt
doch imm von einem großen Künstler.
Cie sehen, wie mich die Pflicht ruft. Er
Ilärcn Sie da! ab meiner Frau weikcr.
Tic versteht diese Tinze viel besser. Sie
werden sich Wundern, 'wie die das Allcs
verstcht!"
Damit rückte er ab.
Gastorf rückte einen Schritt näh zur
Fürstin und sagte ihr leise:
.Hörst Du. Lutsch, Tu bist ein phäno,
menalcS Frauenzimmer! Ich bin wie v
hcrt!"
.Ja. remz. man entwickelt ticy!" er
widerte sie ebenso leise mit lächelnd
Miene.
.Bist Du glücklich?"
Ich darf mich nicht beklagen! Aber
Tu, Heinz das war ein starkes Stück,
das Du Dir da der der Oanae gelcistet
hast!"
Wer hatte vaZ ab auch ahncn ton
nen! Tc Alistlivie have ich vor ?ecys
Jahren gemalt. Tu warft a;:3'd Welt
verfchwundcn, verschollen. Wie hätte
.Man kommt!"
.Durchlaucht!" -
.
Er verneigte sich tief und beriet sich in
den Nebcnsaal.
Die Geschichte mit dcr Fürstin vlU
sich folgendermaßen: Sie war von Ha.Z
au! eine blaublütige Dame allcrtings
unter erschwerenden umstanden. Jr
Großvater Johann Schneller hatte als
k. k. Hauptmann der Infanterie den ilalie
nischen Fcldzug 1850 mitgemacht und da
bei mit sein Kompagnie in der Gtgrid
von Serravalle einen kühnen und k'.iolg
reichen Handstreich vollführt. Dafür wt'lde
ihm dcr Adel mit dem Ehrenwort Edler,
und jwar Edler von Serravalle, t
liehen.
Wenige Jahre darauf starb er als
Oberstlieutenant und ließ seine Wittwe mit
neun Kindern. Bubcn und Mädel durch
einander, zurück, die nun allcsammt trotz
ihrem schönen Adclsprädikat der peinlich
sien Dürftigkeit preisgegeben waren.
Der älteste Sohn, Johannes Schneller
Edler von Serravalle brachte es nach
langer und banger Wartezeit endlich zu
einer Anstellung als Kanzlist bei der
Statthaltern. Nach Ncstroy's Ausspruch
kann man eher eine brausende Lokomotive
mit den 'Händen aushalten, als einen
Kanzlisten, dcr mit dem Anstcllungsdckret
in der Tasche rennt, um seine Kopulirung
zu bestellen. Auch Jol)ci)ines zögerte nicht
mit sciner Vermählung und die edle und
einzige Frucht dieser schleunig gcschlos
senen Ehe war Lucia, die sich allgemach
zu einer klugen und mit allen Zaubern der
Schönheit begnadeten jungen Dame ent
wickelte. So lernte sie bei ein fröhlich vcrlau
senden Landpartie der junge Maler Hein
rich Gastorf kennen, der damals schon für
einen kommenden Mann galt. Er vcr
lschaute sich förmlich in sie. Zunächst aus
kiinstlerifchcm Jntercsse. Wenn er so ein
Modell für sich, ausschließlich für sich ge
winnen könnte! So einfach war aber die
Sache nicht.' Es mußten erst Umwege
über heimliche und schließlich doch nicht
ganz erfolglose Licbcswerbungen gemacht
werden, und dann ging's.
Gastorf war nicht undankbar. Er that,
was er konnte und Einiges auch darüber
hinaus, um Lucia'S ihm so wcrthvoll ge
wordene Persönlichkeit auch würdig in
Szene zu setzen. Sie konnte es sich nun
gestatten, sich ein wenig in dcr Welt um
zuthun, Thcatcr und Konzcrte zu besuchen,
also in einer Sphäre, von der es- oft
genug zu Unrecht heißt, eS fei die Welt, in
dcr man sich nicht langweilt. Ihre Toi
leiten waren kostbar und von -erlesenem
Geschmack, und sie wußte sie zu tragen.
Sie wurde viel bemerkt, mit besonderem
Entzücken auch von dem jungen Fürsten
Aicki-Assach, dcr sich üb Hals und Kopf
in sie verliebte. Lucia war ein klugcs
Mädchen und von er?mplarischcr Tugend
hastiqkeit. Ihre wahrtzaft vornehme und
keusche Zurückhaltung begeisterte den jun
gcn Aristokraten nur noch mehr, und nach
kürzest Frist war sie dann auch die er
tauchte Gemahlin des Fürsten. Und so
war es gekommen, daß sie plötzlich dem
Gesichtskreis ihres Freundes, des Malcrs,
etitrllckt ward. ,
Wenige Tage . nach dem . Noul führte
der Fürst seine Gemahlin in Gnsters's
nunmehr schon prunkvoll eingerichtetes
Atelier. Er betrieb damit die Verwirk
lichung sciner LieblingZidee mit den zwei
B,kdnlsscn. Die Neoerraschung gelang,
und die' Fürstin freute sich aufrichtig, als
sie im Atcli erst den Ivahrcn Ziveck dcs
Besuche? erfuhr.
Bei diesen. Besuche wurdcn vorst nur
die Borfragcit erörtert, Format, Stellung,
Gewandung. Hintergrund und Interieur
u. s. f., und erst am nächster, Tage wurde
mit den Sitzungen begvnnen. Zuerst kam
das Bild der Fürstin an die Reihe. Nach
vorhiji,er längerer Berathung mit dem
Künstler hatte sie eine Staatstollette us
goldgelber japanischer Seide gewählt.
Bei den Sitzungen war immer der
Fürst persönlich anwescnd oder, wenn er
verhindert war, die Gcfcllschastödamc der
Fürstin.
Einmal geschah es doch daß dcr Maler
und die Fürstin sich allein im Atelier
sahen. Der Fürst war für eine Weile
Sortgeeilt, um rasch einen unvermeidlichen
Zesuch zu erledigen. Kaum daß die Lust
rein war, legte Gaslorf Pinsel und Palette
hin und eilte zur Estrade, auf der die ge
liebte Frau thronte.
.Lutsch, wie ich' glücklich bin!" rief er
entzückt aus.
i(ite
Da ist der wahre Bericht über den Tod
Sciner Majcstat des Königs Karl IX,
von Frankreich. Auf Ehre und Gewissen
bezeuge ich, Gsion de Saurigny, der ich
damals Kammcrherr des Heizrlgs von
Alencon, des iiingstcn Bruders des Ko
nigS war, die Wahrheit des Folgenden.
Wohl weiß ich. daß die-ofsicielle Darsteb
lung über den Tod des Königs lautet, er
wäre am Fieber gestorben, ich aber, der ich
mein End nahen fühle, bekenne hiermit
offen und feierlich als Augenzeuge, daß
sein Tod nicht die (xolge natürlicher ur
sack'en war.
Mein Leben war böse und schlecht und
jetzt, wa. ich vor dem Nichterstuhle GottcS
erscheinen soll, möchte ich mein Gewissen
Von all' dem Dunklen und Schweren, das
ctuf ihm lastet, erleichtern, und deswegen,
damit ich In Frieden sterbe und alle Mcn
schen die Wahrheit erfahren, schreibe ich
mein Geständnis nieder.
Ehe ich jedoch mit meiner Erzählung bc
ginne, muß ich in kurzen Worten den
Stand dcr Dinge in Frankreich rm Jahre
1573 schildern. Die Königin-Mutter,
Katharina von Medici, war die wahre
Herrscherin von Frankreich, und unter ch
rcm Sccptcr seufzte das Land vor Sehreck
und Haß. Ihre drei Sohne, Karl IX.,
der Herzog von Anjou und der Herzog
von Alene.'on fürchteten sie und vielleicht
dcr Einzige am ganzen Hofe, der feine
Furcht nicht merken lieh, war Heinrich von
Navarra, der aber in jeder Hinsicht ein
Gefangener im Louvre war.
Katharina und er haßten einander viel
tiefer als sich auf Grund der Verschieden
heit des Glaubensbekenntnisses erklären
ließ.. War doch Heinrich dcr Thronerbe,
wenn ihre Söhne keine Kinder hinterlaß
fen sollten, und hatte doch Katharina feine
Mutter vergiftet. TaZ Land war so in
zwei Parteien gespalten. So lagen die
Dinge im Jahre nach der Bartholomäus
nacht, der berüchtigten Pariser Bluthoch
zeit. Und jetzt zu meiner Geschichte.
Eines Abends erwartete ich Louise de
Poltran in ihrem Zimmer, in dem sie mir
ein Stelldichein gegeben hatte. Schon
war mehr als eine halbe Stunde über die
verabredete Zeit vergangen, ich war des
langen Wartens müde und verwünschte die
schöne Heze zu allen Teufeln. Eben wollte
ich gehen, da kam sie in größter Eile und
verschloß hint sich die Thür.
Es ilZut mir leid, Gaston. daß ich
Dich habe so lange warten' lassen, doch
habe ich heut' für Dich Wichtigeres zu
thun, als daß Du mir Liebeserklärungen
machest. Würdest Du einen Schritt wa
gen, dcr, wenn er gelingt, unser Glück be-
gründen wücdc?"
Natürlich wurde ich das. vJlnn situ
mögen bedarf gar dringend einer Aufbes
fcrung und mit einem leeren Beutel kann
ich Dich doch nicht hcirathen. Oder etwa
doch?"
Schwerlich, denn ich bin eine sehr
theuere Person." erwiderte sie. .Willst
Du der Königin-Mutter einen Gefallen
thun?"
Ehe ich antworte, muß ich erst wissen,
um was es sich handelt."
.Du sollst zu Älaitte RönS gehen und
von ihm ein gewisses Fläschchcn holen."
In das Haus dieses schwarzen Gist
Mischers soll ich! Auch nicht für ein
Dutzend Königin-Mütt thu' ich das!"
.Aber für eine Louise, wenn sie Wich
darum bittet."
Vielleicht," brummte ich, aber der
Auftrag will mir nickt gefallen."
Nun, ich bitte Dich darum und ich
weiß, daß Du um so lieber gehen wirst,
wenn ich Dir sage, daß das Fläschchcn für
Heinrich von Navarra bestimmt ist."
Was kann er damu zu thim haben?
fragte ich. Und wenn er es braucht, wa
rum holt er es sich dann nicht selber?"
O. D Dummkopf! Ich sagte, daS
Fläschchcn wäre für ihn, ich habe aber
nicht gesagt, daß er es bestellt habe," ant
wortcte Louise mit einem bedeutungsvol-
len Blick in ihren dunklen Augen. ,
Aufmerksam betrachtete ich sie, denn
die volle Bcdcutung ihrer Worte verstand
ich kaum. Was sie meinte und woran sie
dachte, wußte ich wohr. Das hieß Gist.
Mit solch' hinterlistigen Schlichen Hatte ich
nicht gern zu thun. Auf dcr Straße sah
man lkeno mit scheelen Augen an. Aber
das Gift war ja für Heinrich bestimmt,
und der hatte mich einst einen Feigling gc
schimpft. Gar oft hatte ich mich für diese
Beleidigung rächen wollen, und jetzt bot
sich dazu die Gelegenheit. Freilich Ware
ich ihm lieber mit dem Schwerte in dcr
Hand. Aua in Aug , gegenüber getreten,
da aber ein Zufall der Geburt ihn zum
König und mich zu einem simplen Edel-
manne gemacht hatte, so war dies nicht
angängig, und ich mußte meine Rache auf
die einzige Art nehmen, die mir blieb.
Ja, ich gehe," erklärte ich mit tonloscruich nicht zu tanzen pflegte, so suchte ich
Stimme. Wann wünscht die Königin
das Fläschchcn zu haben?"
.In drei Stunden. Sofort nach Tel
.Endlich allein!" kiitgnei sie leise mit
Musen, raii'kin.
.Tage mir, liebst Tu mich roch?"
Ja, Heinz, ich liebe Dich noch, und
Tu bist der eiiijigk Mann, den Ich je ge
ilei, yal'k.
berauscht von seinem jähen Gliickkge
fühl breitete er die Arme au, um sie ,u
umschlingen und leidenschaftlich an sich zu
pressen. Sie wehrte sanft, aber besümml
30. I
Nein. Heinz, MI so. Das muß ein
?nde haben! Begreife doch endlich das
ein. -iltn'nn in gfff jfviiipüftfp,
&it allein muß unser Hort sein. Tu siehst,
ich war. da wir jung und dumm waren,
tugendhaft genug. Tir Alles zu gestatten,
nur den Kopf nicht! Und die Tugend
wird belohnt. Machen wir keine Tmm
heilen mehr!"
Gif lächelte Ironisch, als sie so sprach
aber In dem, was sie sprach, vibrirte leise
:n Untcrton der Aiehmuth und der Ne
signalion mit.
Heinz fügte sich mit ehrlichem Bedauern
und griff wieder nach Pinsel und Palette,
um seine Arbeit fortzusetzen.
Bube.
nacherzählt von Casslrer.
ner Rückkehr sollst Tu eö Ihr in ihr P.u
vatgcmach bringen."
, ,WaS fi ich vcrlangcn?"
.Die lcippcnpomade dcr Königin. Ta
bei mußt U)u den ersten Finger Tcincr
linken Hand auf dcn Mund legen.
,.Gur. Und jctz! gib mir einen Kuß,
und wcnn ich dann mein Glück gemacht
habe, theilst Du es doch mit mir. Nicht
wahr
Lachend gab sie mir den gewünschten
Kuß, schob mich dann zur Thür hinaus,
und ein paar Minuten darauf war ich im
iZreien und erfüllte meinen häßlichen Aus
trag.
Es war ein schöner Abend. Hell leuch
titen die Stckne und ein milder Westwind
wehte. Alles war ruhiq und friedlich und
stand im schroffen Gegensatz zu deut
Ktrcit und dcn Intriguen, die im Loubre
spielten. In meine Gedanken versunken,
halte ich bald Mailre Ründ s Haus, das
ans einer tlcincn Jnscl im Flusse lag, er
reicht. Ich bestellte dem Florentiner mei
nen Auftrag und mit einem gräßlichen
Lächeln, das stmen zahntosen Gaumen
sehen licß, nahm er ihn entgegen. Sein
Gesicht verzerrte sich so dabei, daß es
einem alten, phantastisch gestalteten Was
serspcicr am Tome von 5cotre Dame
glich.
.Hier, nehmt das und achtet wohl da
rauf, daß Ihr nicht etwa daran riecht,
Wenn es der frischen Luft ausgesetzt wird,
verliert es an Kraft und für dcn, der es
riecht, hat cs gar eigenthumliche Wirkun-
gen.
Unverzüglich kehrte ich nach dem Louvre
zurück. Tas Fläschchcn hatte ich in mci
ncr Brusttasche wohl verwahrt.
Sofort begab ich mich nach den Gema
chcrn der Königin, und Louise selber ließ
mich zu Katharina ein. Mit ein tiefen
Verbeugung überrcichtc ich Ihr Majistät
das Flaschchen, ohne ein Wort dabei zu
sagen. Sie nahm es u,d sah es sich ge
nau an.
.Ja, daZ ist das richtige," kam es end
lich aus ihrem Munde. .Wie Ihr wohl
schon gehört haben werdet, versteht Maitre
2tfc-n(3 ganz vorzügliche Lippenpomadcn zu
bereiten. Kann man sich auf Herrn de
aurigny verlassen? fragte sie Louise.
Ich ftctie so für ihn. wie für mich fei
ber. Er ist uns mit Leib und Seele er
geben.
Dann werdet Ihr Euch wohl denken
können, für wen das bestimmt ist?
.Für Euer Majestät Feinde."
Ja, ich will großmüthig sein. Seht,
von dieser kostbaren und theueren Lippen-
Pomade will ich auch nicht das geringste'
itzchen für mich behalten, nein, das
Ganze ist für meinen licdcn Sckwicacr
söhn Heinrich bestimmt." Sie begleitete
diese Worte mit einem solch boshaften
Blick, daß ich unwillkürlich für den König
von Navarra Mitleid fühlte.
Spielt Ihr Karten?"
Jawohl, Madame."
Spielt Ihr auch bisweilen mit Hein
rich?"
Nur, wenn er mich dazu auffordert,
nie aus eigener Wahl."
Was spielt er am liebsten?"
1. Vfiinrre, Madame."
Tas ist ein wahrer Segen. Bei, die
sem Spiel, ist doch die wichtigste Karte der
Piquebube, nicht wahr?"
Jawohl. Madame.'
Wie ich gehört habe, sollt Ihr ein sehr
geschickter Spieler, sogar ein auffallend
geschickter Spieler sein. Einem so er-
ahrencn Spieler, wie Ihr cs seid, kann
es doch nicht schwer fallen, die Karten so
zu mischen, daß der Piquebube Eurem
Gegner zufällt?"
Nein, Madame, meiner Ansicht nach
sollte das wohl möglich sein."
Ich wde den Piquebuben gründlich
mit dieser Flüssigkeit durchtränken. Ihr
nehmt das Pasch Karten an Euch und
morgen Abend beim Hofball müßt Ihr
Hcinrich veranlassen, daß er mit Euch
spiclt. Achtet Wohl' darauf, daß er den
Piqiiebuben oft und lange behält. Louise
wird Euch die Karten morgen geben.
Nchmt das als ein Zeichen meiner "besten
Wünsche, und wenn Ihr Erfolg habt, soll
ihm mchr nachfolgen."
Mit diesen Worten überreichte sie mir
einen kostbaren Diamantring, und nach
dem ich Ihr für diesen Akt bet Herablas
sling mit einer tiefen Verbeugung meinen
Tank bezeugt hatte, verließ ich das Zim
n und sie zog sich in ihr Schlafgcmach
zurück. , s
Wie die Königin-Mutter bereits er
wähnt hatte, fand Tags darauf ein gro
ß'Z Ball statt. Zur festgesetzten Zeit be
gab ich mich mit den anderen Herren aus
dem Gefolge des Herzogs von Alcnyon
nach dem Ballsaale und sah mich nach
meinem Opfer um. Ich wußte, daß Hein
ihn denn unter den Damei dcs Hofes, bci
denen sehr beliebt war.
Endlich erblickte ich ihn auch, über den
Sessel skiner letzten Flamme gelehnt, aber
sgiecklich gelangweilt ssehend. Ich
stellte mich so. daß r mich sehen mußte,
rnd wartete geduldig, daß in meine
F.'lle gehen würde. .
Lange brauchte Ich auch nicht zu war
tcn. Als er seine Blicke durch da Zim
wer s Itwifen ließ, all suche Jemand,
gewahrte et mich und winkle mich zu sich
heran.
AchTaurigny. daS Gedrehe und Ge
thue hier mach! mich noch krank. Kommt
mit in den Spielssal. Ein Spiel Karten
ist m,hr w'rth gsz ein gzn.'tt D''nd
Bälle." ,
Wir verließen den Saal, der dogelstel
I und sein Opfer. Im Spielzimmer
waren nur wenig Personen, so daß uns
erscheinen weiter kein Aussehen regte.
Wir setzten uS an einen Tisch und ich
holte die Karten hervor, die mir Louise
gegeben hatte.
.WaS wollen wir spielen?' fragte Hein
rich.
.Königliche Hoheit schulden mir wohl
noch Revanche für Lß Vninrr?"
.Veritro St. Oris! Dabei habt Ihr
mich erst neulich um zweihundert Livrei
leichtert. Aber thut nichts, wie Ihr
wollt."
Bald waren wir eifrig mit den Karlen
beschäftigt. Wir hoben ab, mischten, ho
Un nochmals ab und gaben. Meine an
Gcschicklichlsil mußte ich aufwenden, um
Hcinrich den Piqucbuben In die Hand zu
spielen, und daS Gluck war insofern gun
ft'S. als er Ihn öfter als ich hatte. Ich
vatle einen dünnen Handschuh angezogen
dcmit in meine Hand nichts pon dem
Gifte dringen sollte. Hcinrich war zu
einem Überlegten Spiel nicht aufgcleat
Kaum hatte er jetzt einen Blick in seine
Karte geworfen, als er sie verdrießlich
wilver hinwarf.
.Ich kann nicht spielen, tief er ärger
lich. .Ich hab' heute kein Glück."
Unsinn, Heinrich, so darfst Du daS
Spiel nicht aufgeben. Setz' Tich wieder
t;,n und spiel' mit mir und Ihr. crr.
seid so gut und libcrlaßt mir Eueren
Platz." , . ,
Ich drehte mich um, um zu sehen, wer
das Spiel unterbrach. Zu meinem groß
tcn Schreck erkannte Ich den König.
Da war mir sofort klar, daß Allcs der
leren war. Seit dem vorigen Jahre, seit
dem Tage der Bartholomäusnacht, war
Seine Majestät nicht mehr derselbe. Er
war sehr nervös und seine Gesundheit ließ
viel zu wünschen übrig. Wie er jetzt vor
mir stand, mit kalten Schweißtropfen auf
seiner Stirn, den feuchten Handen und
zitternden Fingern, da sah ich sofort, daß
scin Korper nur zu sehr geeignet war. daS
Virl rn sich aufzunehmen.
Ich erhob mich und verwünschte mein
bcscs Geschick. Was konnte ich thun?
em Konige durste ich nichts sagen, nn
damit hatte ich die Konigin-Mutt ver
rathen und mich selber beschuldigt. Auch
durste ich das Zimmer nicht verlassen, um
die Königin zu warn,'n, denn die lZnquctte
erlaubte es nicht, daß ich mich entfernt
hatte, fo lange dcr König da war.
So stand ich denn da und beobachtete
ru es unheimliche Spiel auf Tod und Le
den. Ich konnte fchcn. wie der König oft
die verhängnisvolle Karte hielt und mit
iqr rn seinen feuchten Fingern in einer
Weise umging, die mich schaudern machte.
Es war die schrecklichste Viertelstunde
meines Lebens, und als das Spiel endlich
dcendet war, war ich um zwanzig Jahr
gealtert. Zu einem Ende muß es wohl ge
kommen sein, denn als ich mich wieder in
meinem jinmer tano. icmcn mir eine
Ewigkeit vergangen zu sein.
Der König mußte sterben dessen war
ich sicher , wahrend Heinrich sich so kalt
blutig benommen hatte, daß er kaum die
Karten berührt hatte. Starb aber der
König, dann würde man, mir die ganze
Schuld zuschreiben, und zu genau kannte
ich die Königin-Mutter, um mich über die
Furchtbarkcit ihrer Rache irgend welcher
Täuschung hinzugeben. Ich mußte flie
hcn, und zwar sofort, ohne Zeitverlust.
In größter Hast packte ich mein Gold und
mime Juwelen zusammen und befahl mei
ncm Dien, mir das Pferd- zu satteln.
Er sollte sagen, daß ich in einem geheimen
Auftrage fortritte.
Endlich befand ich mich auf dem Wege
nach dem Norden. Nie werde ich den ein
men Ritt nach Calais vergessen. Jedes
md, wenn ein Blatt an einem Baum ra
chelte,' oder wenn der Wind durch die
Zweige fuhr, bildete ich mir ein, Verfolger
cien hinter mir, die mich zurückholten.
um mich Folter und Tod zu überliefern.
Allmächtiger Himmel! Was war das für
ein Ritt, zu dem mich die Todesfurcht,
und noch etwas Schlimmeres als der Tod
anspornten!
Schlichlich erreichte ich doch CalaiZ,
und auf einem kleinen Schiffe, das im
Begriff war. hinüber nach England zu
egcln, ging ich an Bord. Vor meiner
Abreise aus Frankreich schrieb ich ab
Löuise, erklärte hr AllcS und bat sie, sie
möchte, wenn sie mich lieb hatte, zu mir
nach London kommen. Glücklich landete
ich in London und nach zwei Tagen horte
Ich von dem Tode Karl's IX., der an
einem bösartigen Fieber gefloroen fcm
sollte.
WaS Heinrich angeht, so ,st es ja oe
kannt. daß er nach dem Tode Hein
rich's III. den Thron Frankreich's bestieg
und der weiseste König wurde, der ie
über Frankreich geherrscht hat. Katharina
erlebte eS nicht mehr, ihn als König zu se
hen, und sie mag wohl mit dem Bewußt
ein gestorben sein, daß alle ihre Plane
chlqeschlagm waren, und daß wir, was
wir auch sinnen und' ausdenkcn mögen, die
Wege des Schicksals nicht durchkreuzen
können.
Nie wieder habe ich Karten berührt.
Ihr Anblick rief zu diel fürchterliche Er
innerungcn In mir wach. In dem Lande,
in dem ich Zuflucht gefunden hatte, der
uchte ich, ein neues und besseres Leben zu ;
ühren. doch muß Ich leider fürchten, daß
es mir nicht so gelungen ist, wie ich es
gern gewünscht hätte.
Gott wein, daß mein Leben bose war.
aber keines meiner Verbrechen war so groß
wie das, von dem ich hier erzählt habe.
Ich bete zu ihm Jiaß, wcnn ich vor seinem
Richterstuhl stehen werde, er mir fo bereit
willig verzeihen wird, wie ich meinen An
theil an dem Tode Karl's IX. aufrichtig
bereue. ,
Schule sur Dlsittungkn.
ZU sollen wk,rrnd der McschSslSzeit
Unterricht erhallen.
.M!!ßie,gar,s, Ist ollck Lasl nsanz ,
sagte der Ossiccjuncie. a! er hörte, daj
die Mkr5,anik Association für die Im
Woolworlhgebäude beschäftigte Office
jungen eine eigene Schule In d''sem Ge
Hände einrichten will.
Auf was für Gedanken die Leute doch
Kiiiiin. 14 :wl jär gu! Cüi.k u
lcgcntlich sogar. In dies Sermle soll
den Ossicejungen ö'elegenbeit g'aeben wer
den, sich Im Lesen, Schreiben, Nechnen. In
Geschäslblorrespondcnz, Buchhaltung. Sie
nographie, Tppewritcn aukzubilden. Wenn
diese Elementar.Geschästöschule sich be
währt, sollen sogar höhere Lehrfächer wie
Spanisch. Teutsch und Registratur in den
Plan ausgenommen werden. Und der Un
tcrricht soll daS ist ein sehr wesentlicher
Punkt wäbrend der Gestiäflszeit er
theilt werden, so daß die Schüler nur dcn
guten Willen zum Lernen mitzubringen
und ihrer weiteren Ausbildung nichts von
ihr srcien Zeit zu opfern brauchen.
Und gerade an diesen guten Willen
glauben die Herren, bie siir biese Schule
agitiren. In dem Bureau der Kaufherren
Vereinigung ist dieser Gedanke zuerst an
geregt worden und zwar durch einen be
sandcrS eifrigen Officciungen; dieser
Junge war klug und fleißig und sollte
einen höheren Posten erhalten, als sich her
ausstellte, daß ihm die dazu nöthigen
Kenntnisse fehlten. E? erhielt einen sechs
monatlichen Urlaub, um da! Versäumte
nachzuholcn und that daS fo gründlich,
daß seinen neuen Posten zu All Zu
friedenheit bekleiden konnie. Man trat
nun der Frage näher, wieviel gutes, vcr
wendbares Material nutzlo? zugrunde ge
hcn möge, da die frühzeitig zum Erwerb
gezwungenen Jungen keine Gelegenheit
zur Weiterbildung haben und beschloß,
ihnen diese Gelegenheit zu geben.
Dieser Gedanke ist fraglos gut und dk
neuartige Schule wird fraglos viel Gutes
stiften, sie wird au? ein großen Anzahl
mangelhaft geschult Ossicejungen gute
Korrespondenten, Buchhalter und Sekre
täre machen. .Die Arbeitgeber werden ge
wissermaßen die Kosten tragen. Indem sie
den Jungen einen Theil der Geschäftszeit
zur Verfügung stellen, dafür haben indi
reit die Arbeitgeber auch dm Nutzen davon.
Der Gebanke ist gut; aber es ist ein
Häkchen dabei und dieses Häkchen Ist
der Officejunge selbst. Er wird sich als
Häkchen nicht nur früh, sondern von früh
bis spät krümmen, wenn er wieder zur
Schule gehen soll. Wozu sollte er auch?
Haben Sie schon einmal einen Office
jungcn gesehen, der es nöthig hätte, noch
etwas zu lernen? Ein Officejunge (es
ist natürlich nur von der großen Masse der
Ossicejungen die Rede) weiß überhaupt
schon allcs; ja er weiß sogar alles besser,
was er ganz offen durch sein spöttisches
Lächeln zu erkennen giebt, wenn man ihm
einmal eine Lehre ertheilt. Ein Office
junge ist nach seiner eigenen Ansicht
wenigstens ein Universalgenie, eine
Leuchte der Wissenschaft. Und in einem
Punkte hat n sogar recht: im Baseball
kann ihm kein Mensch etwa! sagen, vom
Clerk bis hinauf zum Geschäftsbesitz.
Aber in die Schule gehen und nun, nach
dem er ihr gerade glücklich entronnen ist,
wieder von vorne anfangen. Oh sayl . .
Das größte Planetarium
der Welt.
Im Neubau des Deutschen MuseumS
in München soll in einem besonderen kup
pelartigen Dunkelraum von 5,5 Meter
Höhe und 8,2 Meter Durchmesser der
Sternhimmel mit dcr Sonne und dcn
Planeten dargestellt werden. Wie P. Rich
ter im Geographischen Anzeiger" berich
tct.'soll dieses Riescnplanctarium, welches
das größte der Welt sein wird, so anschau
lich eingerichtet werden, daß auch dem'
Laien die Äeweauna der Erde, des Mon
des und der Planeten nach der kopernika
Nischen Lehre leicht verständlich wird und
vag jedermann ersehen kann, wie sich
das Himmelsgewölbe dem Beschauer in
München an verschiedenen Tagen und zu
verschiedenen Stunden darstellt. In der
Mitte des Raumes wird bie Sonne als
helle Lichtquelle angebracht, während die
Planeten und Monde als leuchtende, bezw.
zurückstrahlende Kugeln erscheinen. Die
Erde foll etwa 2,5' Meter von der Sonne
entfernt sein, weshalb die Entfernungen
der äußeren Planeten von der Sonne ent
sprechend verkürzt werden. Die Plane
tenbewegimg soll erstens in wirklicher Zeit
durch ein Uhrwerk, zweitens in beschien
nigter Zeit durch Umschaltung auf eine
Elektromotor bewirkt werden, wobei auch
eine genaue Einstellung für verschiedene,
aber bestimmte Daten (z. B. 13. August "
1843) ermöglicht werden soll. Am Ge
wölbe des Dunkelraumcs werden die in
München sichtbaren Fixsterne als Glüh
lämpchcn verschiedener Größe sichtbar wer
den, wobei der Veränderlichkeit des ficht
bann Sternenhimmels entsprechend Rech
nung getragen wird. Neben diesem Rie
senplanetariiiin nach dem kopcrnikanischcn
System wird ein zweites kleineres Plane
iarium daZ ptolemäifche Cystcm veran
cyaulichen, wobei die F,rstcrne an einer
Kugel von etwa sieben Meter Durchmesser
durch erlernend angebracht werden. Mit
Vollendung dieser beiden Anlagen wird
das Deutsche Museum das größte astro
nomiW Anschauungsmaierial der Wcl
besitzen.
- Die Frau, die um eines Heimes teil
len heirathct, zahlt eine theure Miethe.
, D Park don 'Sanssouci bei Pots
dam, der unter der Regicrungszeit des ge
genwärtigen Kaisers schon .che Be??
änderung erfahren hat, soll demnächst eine
neue erleben. Man will tm sogenanntes
Rehgarten die Marmorkolonnaden wicdck
aufbauen, die einst Knobelsdorff, Frie
brich? des Großen Baumes', dort er
richtet hatte, und die aus einem Rondell
von 32 gedoppelten jonischen Säulen be
standen Sie waren von Friedrichs
Nachfolger. Friedrich Wilhelm II., obge
rissen und nach dem Marmorpalais aiu
Sltütn See gebracht worden. '