Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, February 03, 1915, Image 2

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    TuMt Omsha Tribünk
Wir httlicn die
Ärajlproöe liestanden.
Ikuljlhkand's wlrtyslhastttche age am ,. Q15.
Von phlllpp tZelneken,
Generaldirektor des Norddeutschen Cbyb'
Wir f,rch;n nun an fünf Monate dieses
unsere ganze Voüökrast in einen Bann
ziehende JtrieaeJ hin! unl, und da 23s
fcntliche unserer heiligen Luge ist: daß die
Frage, wie lange der 5Zri,g noch dauern
mag. für unk ganz allein von bet Ent
Wickelung der mililärischlN Operationen
abhängt. Tal Wort unserer führende
Staatsmänner und Zentrale, ba& btt
Krieg unter allen Umständen so lange
dauern wird, bis wir gesiegt haben, ist
dt da! ganze deutsche oll eine Selbs!
Verständlichkeit. Unsere Gegner hatten ge
hofft, daß wohl selir dal noch ganz an
dere Erwagirnzen für uns maßgebend lc
würden. Unsere schlimmsten feinde wa
ten der Ansicht, die früher auch von sehr
regkistcrten Friedensfreunden inner ge
äußert worden ist, daß der Wirthschaft
körxer eines modernen CJrefjstacte! eine
längere Ziriegsdauer uoerbauxt nicht aus
zuhatten vermöge, namentlich wenn ei ge
linge, dZcsea Wirthsihaftskon'.plcz mehr
der weniger von dem alles belebenden
Element des Weltmeeres abzuschneiden
Eo kam die .Ausliunqerungsthcorie" Eng
land! zustande. Aber eS ist nichts damit
gewesen, und die Ersahrungen, die w:
in diesen fünf Monaten gesammelt haben.
Krechiigen uns zu der Zuversicht: Es wird
auch weiter Nickts damit sein. Auch m
unserer Bollswirthlchast. in Bankwesen
Handel und Industrie bewährte sich der
Segen des Prinzips, das alle Lebens
Lußerungen des deutschen Volkes mehr als
die andetfc 'Nationen durchdringt: Plan
Mäßigkeit und Organisation. Tank plan
mätziger Organisation ist es gelungen, die
Umleitung der wuthschzstlichen Btthati:
gung in die ersorderlichen neuen Wege, die
Anpassung an die veränderten Verhältnisse
erfolgreich durchzuführen. Tas Ergebnis
ist, daß die nachtheilizen Wirkungen, die
sich in den ersten Wochen da und dort
zeigten, heute schon vielfach eine Abschwä
chung zeigen und sich in vielen Richtungen
sogar ein Aufsckwllng bemerkbar macht,
In einem Aufsatz habe ich vor einem
Wreneljahr die Parole Turchhaltcn
empfohlen, und es ist thatsächlich überall
und mit dein besten Erfolg nach dieser
Parole gearbeitet worden. Niemand zivei
fest, daß wir, und zwar ohne die von un
seien Feinden hoffte schwere Erfchütte-
rung unseres W:rtbscba?tslcbens, den
Samts, solange er auch dauern möge, be
stehen werden, und daß wir, sobald der
Friede uns wieder vesebeen ist, mit er
neuker Kraft und verdoppelter Eenrgie
nicht nur tie jetzt für uns brachliegenden
Gebiete wiedergewinnen, sondern in fii-
scbem , Kampfe mit unseren neidischen
Wettbewerbern noch neue dazu erobern
werden. Ein lebhafter Ausdruck dieser
Stimmung ist der Entschluß der beiden
gronten deutschen Schiffsreedereien gewe
sen, aus das jenseits des Ozeans lebhaft
erörterte Angebot, die drüben liegenden
großen deutschen Handelsdampfer anzu
kaufen, nicht einzugehen. Man ist in den
Streifen unserer Schifffahrt trotz der ihr
ausgezwungenen unfreiwilligen Äuhepausk
von der festen Ueberzeugung durchdrungen.
daß es sich eben nur um eine Paule handelt.
und daß alsbald nach dem Friedensschluß
der Verkehr runter der deutschen Flagg:
w!k der alten Lebhaftiakcit wieder ein
setzen wird, so daß wir dami den uns
zur Verfügung stehenden Schiffsraum
dringend benöthigen. Tie Times' hat
, ten gar nicht erst zu versichern brauchen,
daß der Vorschlag des Ankaufs deutscher
tzandeleichisse auch in Amerika viele Geg
ner habe, und seine Annabme darum frag
lich geworden fei. Es ist klar, daß der
Vorschlag dem englischen Blatte nicht an-
genehm war, denn der Gedanke an das
Aufkommen einer eigenen amerikanischen
Handelsmarine mußte unseren lieben an
gelseichsifchen Vettern von vornherein ge
gen den Strich gehen, da es durchaus nicht
in ihrer Absicht lag, an Stelle des deut
schen Konkurrenten, den man sich durch
, diesen Krieg vom Halse zu schaffen hoffte,
den amerikanischen Kollegen im Schiff
, fahrtsgewerbe treten zu sehen. Tie Allein
Herrschaft auf den Meeren, auch in kom
merzieller Beziehung, ist der britische
- Traum. Wir wollen unseren Feinden aber
eiern den Gefallen thun, sie von dieser
Sorge zu befreien, soweit es an uns liegt,
und sie sollen, daran werden wir unsere
ganze Kraft setzen, unsere Flagge, recht bald
wieder überall begegnen.
Das deutsche Volk läßt sich nicht der
; Nichten!" Dem ganzen deutschen Volk wa
ren diese prächtigen, stolze Worte unseres
Reichskanzlers aus der Seele gesprochen'
Wie unser tapferes Heer und unsere
Flotte dasür sorgen, diese Vernichtung von
uns abzuwehren, so thun auch alle Zweige
: unserer Volkswirthschaft, ihre leitenden
Männer, wie jeder einzelne Bürger, ihre
volle Pflicht und Schuldigkeit in der Ver
theidipng unserer wirthschaftlichen Inter
essen durch Ausharren und Neugestalten,
durch Anpassen und Umbilden. Aus dem
Zusammenwirken aller hat sich eine 32i
derstandskraft unserer wirthschaftlichen
Küstung ergeben, die unsere Gegner weit
unterschätzt haben. Es ist von höchster
Bedeutung und ist nirgends im Auslande
übersehen worden, daß der Goldbestand
' unserer Reicksbank, deren Leitung über al
les Lob erheben ist, sich in den letzten Iah
re geradezu berdoppelt, und jetzt mitten
; im Kriege eine Höhe von zwei (2) Mil
liarden Mark erreicht hat. Es besteht Aus
ficht, daß er sich dank der getroffenen Maß
nahm? noch weiter erhöhen wird, und da
mit ist ein sicheres Fundament für die wei
tat Gcstalliiiiei aller Kreditverhältnisse
t? ,:re,ZÄ d UriegJ geschaffen. Die Hoff
üüw;, dich eine Kredittt'.fe unsere Wider-s'-nc.:,
imkät erschüttern werde, ist von
unseren fremde heute schon aufgkgebe,. ,
rirfmn?, ilt oiirf. das, der dem aciverbt-
tf.irnbi.rt Publikum durch die Darlehens-'Tonnen,
lassen eröffnete Kredit nicht einmal voll
,n Anspruch genommen wurde. Hand
und Gewerbe gehen ihren Gang. An
Stille mancher Gleise, die verlosten wer
den mutzten, sind neue Wege schlösse
worden. Natürlich liefert die Kriegrindi,
sirie, d. h. die Besckäfllgung für den kö
lo'salen Bedarf des Heeres und der Flott
hierzu Vielfach Gelegenheit. Ein Blick in
den Jnseraientheil der deutschen Zeitun
gen deikhrl am besten über den groß:
Kreis und die mannigfaltige Ar! dieser
Lieserunaen und über die Menge der Un
ternehmungen und Personen, die hierbei
inikiessirt fi;!b. Ein kräftig pMrender
Blulstrom wirthschastlicher Thätigkeit wird
hierdurch dem Volkükorper zugeführt. Tas
meiste von dem Gelde, das der glänzende
Erfolg der Kriegzanleihe der Heerekver
waitung zur Verfügung gestellt hat, bleibt
im Lande und wirkt auch hier wieder di
rekt produktiv. Unsere Gegner täuschen sich
gewaltig in der Annahme, daß der oll
gemeine üoshlsiand wahrend des Krieg
bei uns irgendwie erheblich zurückginge
Den besten Maßstab dafür liefert die
Wahrnehmung, daß die Arbeitslosigkeit
lange nicht den Umfang angenommen hat,
der selbst &ci un! von Kennern der Ver
haltnisse zu Beginn des kriegerischen Kon
f liste für möglich gehalten worden ist. Tie
verhaltn, se. wie sie sich etwa im August
einstellten, sind ein längst überwundener
Zustand. Im November letzten Jahres
ist die Lage aus dem deutschen Arbeits
markt geradezu günstig gewesen. Tie
Zahl der Arbeitsuchenden, die auf eine es
fene Stelle kamen, hat in diesem Monat
in Deutschland nur 134 betragen gegen
171 im vorigen Jahr. Es ist natürlich
richtig, daß die Abwesenheit so ; vieler
Männer im Felde die Mitursache dieser
oetriediacnden Gestaltung ist. und da das
Berhattms, wenn man den weiblichen Ar
beitsmarkt für sich betrachtet, sich weniger
günstig darstellt. Aber die Hauptfrage ist
doch nur: Haben wir über große Arbeits
losigkeit und die aus ihr folgende Noth
zu klagen oder nicht? Und diese Frage
können wir glücklicherweise verneinen. Wie
cs in dieser Beziehung bei unseren Geg
nern ouesieht, ist uns nur zu wohl be-
sannt. In England ist es fast nur die
für den Heeresbedarf arbeitende Wollin
dustrie, die reichlich Beschäftigung hat.
während in vielen anderen Jndusiriezwei
gen, namentlich in den Baumwollwedc
reien. Hunderttausend? von. Arbeitern un
beschäftigt sind und Millionen von Spin
deln stillstehen. Und diese Arbeitslosi-keit
wird in England nicht einmal energisch
veiamprt, denn sie allein ist es, welche den
ervuicaus ron itcheners immer
neues Menschenmalerial zuführt. So sehr
ist bereits die Letstungsiahigkeir dieser
größten Erport-Jndustrie England! her
abgefetzt, daß man sich genöthigt sieht,
oura, strenge Maßnahmen den Baumwoll-
cmbau in AegKpten einzuschränken, ja fast
ganz zu verbieten, denn England ist beute
außerstande, die künftige Ernte aufzuneh
wen. und die Regierung rechnet deshalb
mit schweren Unruhen in der ägyptischen
Bevölkerung.
Es ist jungst von Walther Rathenau
ehr glücklich gesagt worden, daß wir es
verstanden haben, UNS für die Kriegszeit
dem Ideal des geschlossenen Handelsstaa
tes" Fichteschen Angedenkens zu nähern.
Der geschlossene Handelsstaat ist gewiß
nicht das Ideal der wirthschaftlichen Le-
bensform eines modernen großen Volkes.
Sein Feld ist die Welt und wird es unter
normalen Verhältnissen immer bleiben.
Wir werden uns auch in die Form des
geschlossenen HandelsstaateS auf die Dauer
nicht pressen lassen Aber die wunderbare
Anpassungsfähigkeit, die es uns gestattet,
uns vorübergehend in diesen Formen zu
bewegen, zeigt, wie sehr unsere wirthschaft
liche Organisation der unserer Gegner
überlegen ist. Neben dem gewaltigen Em
porblühen unserer Reederei und der ra-
chen und vielbestaunten Entwieklung un
erer Ausfuhrindustrie und unseres über
eeischen Handels haben wir es bereits in
Friedenszeiten verstanden, uns . die feste
Basis eines sicheren, inneren Marktes für
unsere gewerbliche Thätigkeit zu schaffen. i
Was da heißen will, dafür ein Beispiel:
,?n der letzten Sitzung des preußischen
Eisenbahnraihes ist mitgetheilt worden,
daß im Oktober letzten Jahres trotz aller
ungünstigen Einwirkungen des Krieges
und trotz mehrfacher Tarifermaßigungen
dit preußischen Eisenbahneinnahmen nur
um 20 Prozent hinter den Einnahmen des
Vorjahres zurückgeblieben sind. Dies ist
in der That ein schlagender Beweis der
ganz bedeutenden Widerstandsfähigkeit un
seres wirthschaftlichen Organismus; es ist
eine Thatsache, die zeigt, daß die englischen
Berechnungen, uns wirthschaftlich durch
vorübergehende Beeinträchtigung deS äuße
ren Absatzes zu ruiniren, auf ganz fal-
chen Voraussetzungen beruhen. Die Kon-
truktion unserer Produktions und Ver-
brauchsverhältnisse ist von England ebenso
falsch beurtheilt worden wie unsere frähig
keit zur Einstellung auf neue Verhältnisse,
und diese Fähigkeit wird, davon bin ich
fest uberzekgt, nach Beendigung des
Krieges unseren Gegnern noch ganz andere
Offenbarungen bringen.
Daß es mit dem Platt der buchstäblichen
Aushungerung nichts ist, habe ich schon
früher dargelegt. Die außerordentliche
Ertragssteigerung, welche die deutsche
Landwirthschaft in dem letzten Viertel-
ahrhundcrt erzielt hat, auch hier dank un-
ermüdlicher, forschender Arbeit und wis-
enichaftlicher Organisation, hat kaum ir-
endwo ihresgleichen. Wird es uns schließ-
,ch an Weizen fehlen, so haben wir Rog-
gen genug, unserer Gesammtproduktion
von 16 Millionen Tonnen Brodoeireide
sieht nur ein Verbrauch von 14 Millionen
das Saatgut eingeschlossen, ge
Ais Iculjcljlyllm im Altsland
n I c L f.
nnii)vcno oes Krieges.
In der .rankflirter Zeitung' finden
zum Jaheei e ! scl die nachstehenden
aer!ei!!,clden Worte über das Teutsch.
Ihum im Jluiljttd während bei Krieges:
2üatrei;b unsere Feinde sich bemühei.
?k'ttsch!ind w!r!?'!if'ch r!k p?'!tch
zu isoliren und von deriisien Welt ab
zus-tiließen, während sie ihre jnlernatio
rult'rt Einfluß benutzen, um die Presse sl
ler Lander gegen uns mobil zu machen,
weilnenddein regen sich Symithien für
das neue öleich da. wo sie vstmals schon
erloschen schönen oder doch gegen andere
Ansprüche bis Lebens etiras zurüekgetret n
waren: bei dem Tkuts.bt!!um km Aus
lande. Jahrbunderie hindurch Hai Teutsch
land von seinem übersiifsizen Blut der'
gaiiikn llbriaen Welt abgigeben. Allent
halben sitzen Teutse. die freilich nur zu
oft dem sremoen Einfluß erlagen uud.
während sie zunächst Verbreiter deutskier
Kultur waren, doch unverhältnismäßig
rasch in der neuen Nationalität unter
gingen, sich so stark .alklimaiisirten', daß
sie sich nach wenigen Generationen kaum
noed ihrer Herkunft bewußt waren. Schon
die Gründung des Neicbes hat hierin starke
Veränderungen hervorqcbra,tt, da nun die
Auslanddeutsen sich wieder als Ange
hoigc eines großen Ganzen fühlen konn
ten. Möge nun der jetzige Krieg das
Werk vollenden. Indem die auS.',ewander
ten Teutscten ihrem Adcptivlande wie bis
her die besten Tienste leisten, ohne oder
ausiuhören, mit ibrem Herzei? deutsch zu
fühlen und ein Bestandtheil der deutschen
Kultur zu bleiben! Tic Erscl'kinunci, des
jetzigen Krieges lassen erkennen, daß sich
das Band des gemeinsamen Blutcs.das die
Teutschen des In- und Auslandes mitein
ander verbindet, fester knüpft und hier der
Krieg bereits einen idealen Gewinn gc
zeitigt hat, der angemerkt zu werden ver
dient, v
Der plötzlicbe Kriegsausbruch brachte die
Teutschen im Auslande in eine ungemein
schwierige Lage, die unser volles Ver
ständnis verdient. Sie setzen sich ja aus
den verschiedensten Elementen zusammen,
die aus den verschiedensten Ursachen die
Heimath verlassen haben können. Tie
einen sind erst frisch ausgewandert, andere
cit Jahrzehnten oder auch seit Generativ
nen. Alle sieden sie im Kamv'e ums Ta
sein, der in den allermeisten Fällen ihre
volle Kraft und ihren aanzen Intellekt
beansprucht. Alle wollen sich emporarbei
ten; sie wollen zu etwas kommen, eine gc-
icherte Eristcnz erringen, wobei sie in der
Regel mit widrigen Umständen und nicht
elten auch noch mit Cprachschwieriakciten
zu kämpfen habe. Tie große und zähe
Anpassungsfähigkeit der deutschen Nasse.
die wir in diesem Kriege aus den verschie
densten Gebieten beobachten können, die
hier wie im Wirthschaftükriege unleugbar
ein Element unserer Stärke und Unbe
legbarkeit ist, macht sich natürlich auch in
den Teutscl-en des Auslandes bemerkbar;
sie passen sich nicht nur den Schwieriakei-
ten, sondern oft auch dem fremden Volks
thum an. Ohne diese Anpassungsfähig
keit, die wir in der Heimath dann leicht
als Schwäche auslegen, wäre ein Vor
wärtökommen zuweilen kaum denlbor. Es
ist verständlich, wenn sich unter solchen
Bedingungen der Zusammenhang mit der
alten Heimath lockert und wenn die Aus
gewanderten ollmählich auch die Fühlung
mit der deutschen Politik verlieren. Nun
der Krieg! Die erste Maßregel Englands
die Turchscbneidung der Kabel, um eine
geistige Trennung zwischen Teutsebland
und der übrigen Welt vorzunehmen. Und
dann als zweite Maßregel die Ueber-
luthuna des gesammten Auslandes mit
ebenso verwirrenden wie gewissenlosen
Fälschungen. Alle Vorgänge werden der
Außenwelt ausschließlich im engliscben
Lichte dargestellt. Die deutsche Politik
trägt danach ausschließlich und allein de
Schuld an dem Völkertriege. Teutschlair
zeigt sich innerlich morsch; die Revolution
bricht aus, der Kaiser und der Kronprinz
werden getödtet oder sie setze sich gegen
eitig gefangen. Das Land bricht unter
der Hungersnoth zusammen und. die Ar-
mee erweist sich als unsahig; sie erleidet
eine blutige Niederlage nach der andern
und der Feind okkupirt das Reich nach
Belieben. All' das, dargestellt von einer
wilden und gehässigen Presse, bricht wie
eine Sturmfluth über , die Auslandsdcut
chen herein, und sie sind wochenlang außer
Stande, es zu kontrolliren. Alle Welt
behauptet es muß es nicht wahr sein?
Diese Zeit war. gestehen wir cs. ne
furchtbare Belastungsprobe für das
Teutschthum im Auslande. Und wie hat
eö sie bestanden? ES ist erklärlich, daß
die Deutschen in den feindlichen Ländern
ewst sich äußerst zurückhalten mußten.
außerdem wurden sie zum großen Theil
genuber. Auch an Fleisch. , Kartoffeln.
Zucker, Milch. Käse und Obst fehlt es uns
nicht. Es ist dasür gesorgt, das fehlende
Kraftfutter durch Troekenkartoffeln und
Rllbknschnitzel zu ersetzen, und dS Höchst-
preisegesetz hat wirtsame Garantien dafür
geschaffen, daß die vorhandenen Vorräthe
auch der Masse der Bevölkerung zum
Zwecke kräftiger Ernährung wirklich zu
gänglich bleiben.
Wer sich in deutschen Landen umsieht,
und das geschieht auch von neutralen Be
fuchern, kann mit Befriedigung feststellen,
daß unser Bolk nirgends den Kopf hängen
läßt, denn wir wissen: wir haben keine
Ursache dazu. Auch nicht bei uns in den
Handelsstädten, wo wir die unangenehm-
en Wirkungen des Krieges unmittelbar
zu spüren bekommen haben. Auch wir
wissen: wir haben die Kraft, durchzuhal-
ten, und haben das Zeug dazu, wenn un
fcre Waffen über Neid und Tücke der Geg
ner Herr geworden sind, auch wirthschaft
lich den Kampf aufs neue mit ihnen auf
der ganzen Linie aufzunehmen und sie
schließlich auch hier zu besiegen. Wer
glaubte, uns mit den Mitteln des Han
delskrieges klein zu kriegen, der wird ein
sehen lernen, daß er das deutsche Volk nicht
gekannt hat. '
bald scstgesek. Einzelnes mag da vor,
geloinmen scm, d, wir bedauckr, müssen.
Allein dort, ic sich die Deuts,!,!,, frei le.
wegen konnten, haben sie im Ganzen diese
sibwere und derwirrendk Zeit so glän,end
bestanden, daß die alte Heimath alle Ber
Hai, uf die 2tl,iie in d u
Fremde stolz zu sein, Gen iß hat manche!
deutsche Her, xebangt. ob nicht wirklich
nun arigk,kt?!s so im ler Feinde die Hier
nichtuniMundt de! alten Vaterlemdes ge
Ichlagen haben mög. Aber wie in der
Heimath, so fand In der Fremd die
stunde der Tdahr die Teutschen muthig
uns geiasir. wie rnben U:ai)t, ihnen
für ihre Haltung zu d.,!en. für ihren
festen Glauben an da! gereg te und starke
ieiiiijjiatiD, sur ihre unerschütterliche Zu
dersich, tn die deuts.t-e Zukunft. Z,mäel.st
iraken sie m nktmäßig den enalisiben Ver
l.'umdug,n entgegen, bis it niöalii war
ihnen ein bestimmtes Tatsachenmaterial
zugeingig ,u machen, wie erganisirten
ren Ä'werwind gegen die Luge und setz
ten sich tapfer zur Wehr das deutsche
B,ut in ihren Adern beirährte sich prach
tig. es that seine volle Suldiakcil! Und
wie strömten die waffenscihigen Teutschen
in den Konsulaten zlifainmen, um die
Waffen für das schmählich angegriffene
Vaterland ,u ergreifen tausende und
hunderttausktide! Allein In Ameiika sind
an wn.WQ wasscngeübte Teutsebe und
Oesterreicher. die mit Freuden Ihrer
Dienstpflicht genüg! hätten, wäre eS mö.
lich gewesen, hcrüberiukommen. Immer
wieder derfusten eS zunae Teutsche, auf
irgend einem Wege nach der Heimath zu
gelangen; einige kamen glücklich durch, die
Mehrzahl geridh in Gefangenschaft und
unsere Konsuln waren so vernünftig, deir
kapfcren Männern und Junglingen selbst
Bringend von der Reite abzuratben. Es
fehlt uns gottlob nickt an Soldaten nd
wir können auf die Armeecorps in der
Fremde verzichten. Aber trostreich und
erfreulich ist es doch, wie in den Teutschen
draußen derselbe Heldcnmuth und Opfer
sinn auflodert wie in den Teuts.ben zu
Hause! Auch da besitzen wir also noch
Reserven an Volkskraft und man weiß
noch nicht, wozu sie einmal gut sein könn
ten!
Sind sie nun zur Untätigkeit Denn
theilt? Gewiß nichts Das Vaterland
ruft auch sie. denn es braucht Hülfkräte
der verschiedensten Art. Große Tienste
leisten uns die Deutscben im Auslande,
indem sie muthvoll für die Ebre des deu!
schen Namens eintreten und sich dem eng
lischen Lügenfeldzug entgegenwersen. Ekn
solche Tinae weiden sie unZ bieten kön
nen. wenn sie dem englisiSen Geschäfts
krieg, der umgekehrten Kontincntalsperr:"
entgegenarbeiten, wozu es ihnen an Ge
legenkmt nicht fehlen wird. Reichlich un
terstlltzen sie die Heimath in den Liebes
werken oller Art, wofür uns immer mehr
Beispiele schonen und erhebenden Opser
mulhes gegeben werden. Hier leuchten die
Teutschen Südamerikas allen voran. Tas
Beste aber, was un die Teutschen des
Auslandes bieten können, ist die Bewah
rung ihres deutschen Empfindens und
ihrer deutschen Art, die jetzt so prächtig
in Erscheinung traten, auch für die kom
menden Friedenszeiten. Dann werden die
Bande der gleichen' Kultur und der gleichen
Gesinnung alle Teutsche dauernd umschlie
ßen zur gegenseitigen Kräftigung in der
Heimath wie in der Fremde.
Die eil!un.qssäyZgkeit des
menschlichen Körpers.
Die Zähigkeit des menschlichen Körpers
im Ertragen ungewohnter Anstrengungen
und in diw Anpassung an fremdartige Le
bcnsbedingungen ist außerordentlich groß.
In ganz hervorragenden? Maße sehen wir
das jetzt im Kriege; über "auch in Friedens
zcitcn ist dieselbe Beobachtung zu machen.
Der , Forschungs und Kolonisationstrieb
hat es bewirkt, daß sich Menschen freimil
lig in Eidtheile von ungewöhnlichsten kli
malischen Verhältnissen begeben. Die Eis
wüsten des Pols sind ebenso wie die Glut
regionen der äquatorialen Gegenden unter
überaus schwiericM Verhältnissen durch
wandert worden und geben unaushörlich
Gelegenheit zu schlechthin heldenhaften
Leistungen. Andere Beispiele für die oft
ans Unglaubliche streifende Widerstands
kraft des Menschen bietet die lange Kette
der Unglllcksfälle. Die Geschichte der
Bergwertskatastrephen und anderer Ver
fchüiiungsunsälle liefert eine außerordeni
lich große Zahl sprechender Belege. Aber
auch freiwillig haben Menschen ihrem Kör
per Oualen und Entbehrungen auferlegt,
die hart an der Grenze dessen stehen, was
sich überhaupt noch erklären läßt. Es fei
nur andie indischen Fakire erinnert, die
sich erstaunlich lange Zeiträume begraben
lassen, um dann ähnlich wie ein Thier au!
dem Winterschlaf, unbeschädigt zu erwa
chen, oder an die Saulenheiligen und an
bete Selbstquäler aller asketischen Neli
gionsbekenntnisse. Es ist übrigens ein weitverbreiteter Irr
.thum, daß zu solcher Miderstadskrast in
allererster Linie eine Lbcrraqende Muskel
kraft gehört, auch sehr musselstarke Leute
besitzen oftmals nicht eine solche Wider
standskraft wie andere körperlich schwä
chere Leute, die aber, wie man sich anS
drückt, zäher" sind. Gewiß Ist zum Er
tragen großer körperlicher ölnstrengungen
eine gute körperliche GesuÄdheit erforder
lich, ober es gehören auch moralische
Eigenschaften, vor allem der ausdauernde
Wille dazu, der nur durch geistige Fakta
ren erzeugt werden kann". In dieser Be
Ziehung dürften die deutschen Soldaten
denen der Gegner wohl Überlegen sein, na
mentlich brauchen sie keine Sorge zu haben
vor den au wilden Bölkerstämmen gebil.
beten Truppen, die der Haß der Feinde
ins Feld stellt. ..
Aufgeblasenheit wäre schon manchmal
geplatzt ohne ihr Sicherheitsventil der
Uiiimzeil,
Wie cs in Zbißsattd aussicljl.
. ' f
Die Namen meiner russischen Gewähr!,
männer mögen Redaktionsgeheiinni! blei
den. Seitdem Ich aus bulgarischem Bo
den weile, ist ti mir gelungen, mir meine
russischen Quellen ollmählich wieder ,
erschließen, die mich Jahrzehnte hindurch
In Peleriburg journalistisch gespeist hatten
und nur während der jüngsten KriegSmo
tak teisiegt wann. Hub w.bu ta Mulla,
kotv'schen Gendarmerie, noch der Ssu
ck.omlinowlchen Militärzensuk gelingt e.
diese jetzt wieder slottflicßcndcn Nachrich
tenbächlein zu unterbinden.
In den Zarenlanden sieht eZ gegenwär
tig keineswegs so au, wie die! uns rus
s.sche Amlstklkgramme und Dreiverbands.
Truckerschwärze glauben machen möcktcn.
Längst vertraute 7cachrichten und Skim
munqsbilder sind es. die mir hier jetzt aus
Nußland zugehen. Wenn meine rujjisikien
Gewährsmänner mir erzählen, wie In
trige Genußsucht und 'olksgroll sich in
den geaenwärtiaen Zeitläuften zu einer
eck.t russischen Symphonie vereinigen, so
erinnere ich mich, dieses wenig liebliche
Tonstück sibon im Jabre Wö In Rußland
gekört zu haben. 'Wie sagte doch Graf
Kokowzoiv vor Jahresfrist in einer seiner
Tumandcn: ,So war es und so wird
es bleiben in Rußland."
Man bat dieser Tage viel vom General
Nennenlqmps gesvrocbcn, den der kom
mnndirende Großfürst Nikolai Nikolajc
witsch vor in Kriegsgericht zu stellen ge
denke. Man hat auf die Minute genau
ausgerechnet, um wieviel Stunden zu spät
dieser General mit seinen Truppen das
cklachtseld betreten und dadurch ongeb
lich den Russenring nickl rechtzeitig habe
schließen lassen. Mag sein, und wir wol
len un! mit stiateqisch-taZtischen Feinhei
ten hier nicht weiter abgeben. Aber die
wenigsten wissen vielleicht, daß die Aus
schallung des Generals Renncnkampf
eigentlich nur der Schlußakt emcs Jntri
a'nstückes ausmachte, das schon seit Be
ginn des Krieges spielt. Ueber den düsie
ren Großfürsten wird die 'Weltgeschichte
spater viel Interessantes und wenig Er
bauliches zu erzählen haben. Der Mono
macboZ-Hut läßt ihn feit Jahren nicht
schlafen. In einem Reiche, wo die Herr-
scher nur selten eine! natürlichen Todes
sterben, giebt es Raum genug für einen
Kroneniäezcr. der das Herrenmenschliche
übr das' Sittliche stellt und Nikolai
Nikolaj.witsch glaubt genügend Uebermen
sck-enihum in sich zu fühlen, um früher
oder später Nikolai Alerandrowitsch die
Krone zu entreißen. Der zweiten Katria-
rina genügte ein einziges Garderegiment,
um den blutigen Thron zu besteigen; der
erste Alexander benutzte dazu gar nur
einige wenige Höflinge und Offiziere. In
unserem Zeitalter der Koniezitrationen
und Massenaufgebote müssen Armeen her
angezogen weiden, wenn man den Krö
nurizszug nach dem Moskauer Upenski
Tcm antreten will siegreiche Armeen,
die den Lorbeer ibres Führer! mit dem
güldnen Fürstenreif schmücken. Mit die
sen Gedanken hatte der Großfürst schon
im Juni dem schwächlichen Zaren die ?r-
slen versteckten Mobil, sirungsoesedle ent
rissen und mit diesen Gedanken ist er in
den ZZricg gezogen.
Diesen Aukzangspunkt darf man nie
und nimmer aus den Augen lassen wenn
man die Vorgänge in Rußland richtig be
werthen und in Bezug auf die nächste Zu-
kunft richtig einschätzen will. Der russische
Generalissimus kämpft um Leben und
Krone: der Kriegsfchluß wird ihn als Za
ren oder als todten Mann sehen. Und
weil cr das weih, sieht er in seinen Unter
bcfehlshabcm Armeeführer und Königs
wacher zugleich. In General Rennen
kämpf glaubte er eine Zeitlang einen seiner
besten Adepten gefunden zu hoben: ein
schier krankhafter Ehrgeiz wohnt dem Ge
ncral lnne, dessen rücksichtsloses Wollen im
umgekehrten Verhältnis zum ernsten Kön-
nen sieht.' und ich erinnere mich recht wohl,
daß man schon im vergangenen Frühjahr,
ali die ersten Sturmesvorboien sich zeig
ten, in den Petersburger Ossizierslasinos
sich geenseitig zuraunte, General Nennen
kämpf bebe in einer bei ihm nicht fel
tenerr Weinlaune gemeint, er wurde nach
einem siegreichen Kriege das X auf seinen
Generaladjutanten-Epaulctis mit einer
Drei anstatt.. wie bisher, mit einer Zwei
zu schmucken haben. .
Zwei Armeeführer waren es namentlich,
die dem Kronenlüsternen einen Dorn Im
Auge ausmachten: Ssamsonow und Jwa
now. Beide zarentreue Generale, dem
Hosparkett fremd, jeder Jntrige abhold,
dabei ernste Kriegsmänner von anerkann
tem Ruf, die man im Ernstfalle nicht aus
schalten konnte, wollte man nicht faffent
liche Meinung und weitere miltärische
Kreise vor den Kopf stoßen. Der Groß
fürst gab ihnen Armeen, als aber General
Ssamsonow feine Narewarmee In der
ehernen Umklammerung Hindenburg! er
sticken sah und flehentlich Blicke nach In
fierbnrg richtete wo der Großfürst mit
sechs Rennenkampfscb.cn Armeekorps tha
tcnlos dastand, da schickte Nikolai 5ttkola
jewitsch auch nicht ein einziges Bataillon
dem verblutenden Ssamsonow zu Hilfe:
er opferte lieber die ganze Narewarmee,
als daß er den verhaßten Widersacher ret
tete. Und der arme Ssamsonow ruht
denn auch In einem der zahllosen Russen
gröber an den masurischcn Seen. Was
wird noch dem General Iwanow erblühen,
der jetzt Rußlands südwestliche Grenzen
gegen den deutsch-österrcichischen Anprall
zu schützen hat? Wird auch seine Stunde
schlagen? Der Großfürst ist ein erbar
mungsloser Hasser. Als Rennenkampf
sah. daß des Großfürsten Kriegskunst
mählich versagte, daß diesem die Zaren
kröne vorerst entschlüpft, beging er die Un
Vorsichtigkeit, in Freundeskreisen sich darll
ber auszulassen, einige unzweideutige
Worte nach Petersburg zu richten und
er hatte damit seine Rolle ausgespielt: er
ist der Jntrige. die ihn zum Armeesührer
erhoben, nunmehr auch zum Opfer ge
fallen.
Auf Rennenkampfs Glück und Ende'
glaubte ich um deswillen etwas gcmiucr
hingehen zu muffen, weil diese Erzählung 1
liberal,! charakteristisch ist für die Vor
gänge. dir sich gegenwärtig In Rußland
abspielen, weil sie u! gar manche, tu
klÜet, wovon ich jetzt o Rußland hier
ilium erhalte. Xu russisiwn Vorbcdin
gungen und Beweggründe für den gegen
wärtig tobenden Krieg hatten von vorn
herein mit einem wirklichen nationalen
Sollen und Müssen nichts zu thun, wie
heiln lilerhai:pt fcjl Zmclch l,it M
ersten Nckpolcor, Einbruch noch nie inen
national berechtiglen Krieg geführt. Und
s mußte er auch diesmal wie noch
lever .ikieg o,hcr unpopulär bleiben
Immerhin, so lange die russischen Truv,
pen angeblich .aus Berlin ,u" gingen.
vaiit Die zar,,.ye Regierung keinen Grund
die Folgen dieser UnPopularität u de
siilchten. denn selbst künstliche Slegeslor-
veeren verau txn. Ander! wurde e ic
doch, als Berlin Immer weiter von den
russischen Armeen zurückblieb, al! volni
sche Cchützengräben die Russenleichen nicht
mehr Zu lallen vermochte. Und heute be
ginnt in den weiten Russenlanden eine ae
sahrenschwangcre Ernüchterung Platz zu
greifen die wird übereinstimmend auS
allen Himmelsrichtungen des Zarenreiches
mitgetheilt. Der rcvoltircnde Vulkan, aus
vern aiiitttand int einem Jahrzehnte sieht.
läßt wieder ein unterirdische! Grollen
bernehmen. und jedwede Schlappe, die die
russische Kriegführung erlcdet. mackit die
seS Grollen deutlicher, drohender. Allein
in der ersten Hälfte de! russischen Novcm
ber! sind dort gegen 400 Verhaftungen
von ver Gendarmerie (politische Polizei)
vorgenommen worden eine Zabl, die
man drüben seit dem Kriegsausbruch nicht
mehr gekannt. Bei dn Bildung der neue
slen Reserveformationen in den Militär
bezirken von Wilna. Kiew und Odessa ist
man von behördlicher Seite auf neugebil
dcle Organisationen deS berüchtigten
MnI'Nn !?sm,i&" nrftnhrn Viri hur ti.iin
s Jahren zu den Militäraufständkn von
Smeaborg. Kronstadt und Sebaflopol ge
führt hatte. In den Festungen von Kowno
und Grodno hat man eine sehr große An
zahl von hektographirien Aufrufen des rc
voluiionärei, Verbandes beschlagnahmt,
die mit den Worten schließen: Entledigt
Euch Eurer Offiziere, die Euch Euer Blut
für Ränke der Zetrenfamilie vergießen las
sen wollen!" Bei den dieser Tage verhaf
teten neun Tumamitgliedern der sozial
demokratischen Partei hat man unter an
derem den Entwurf eine! Aufrufes an das
russische Volk gefunden worin es heißt:
Genug bei umsonst vergossenen Volks
blutes! Jeder Sieg würde eine neue Kette
für das geknechtete russische Volk bedcu
ten". !
Noch ein anderes Symptom läßt mich
vermuthen, daß die russische Regierung
eine ausstcigende innere Gefahr 'wittert
und das altrussische Ventil zu öffnen ge
denkt: die zunehmende, anscheinend plan
mäßig vor sich gehende Juden-, Ostsee
deutschen und Finncnhetze. Tie erste Zeit
des Krieges hindurch schien dort eine Art
Burgfrieden zu herrschen: Maklakow
selbst, dieser kleinlichste Dilettant, den
Rußland unter feinen dilettirenden Mini
sickn je gesehen, hatte im August seine
Provinzgouverneure durch ein Rundschrei-
den aufgefordert, ,rn der Anwendung der
geltenden Gesetze l!?) gegen Juden und
andersgläubige Christen eine thunliche
Mäßigung walten zu lassen"; eine ahn
liche Direktive wurde mündlich an den
finnländischen Generalgouverneur General
Seyn bei dessen Eeptemberbesuch in Pe
tersburg vom Innenminister ertheilt. Aber
schon Ansang Oktober erfolgte eine Wen
düng. Menschikow. A. Etolypin, Glinka
und wie die sonderbaren Unheiligen sonst
noch heißen mögen, die vom Petersburger
Amlstroa reichlich gesüttert werden und
sich den Inhalt ihre Zeitungsaufsätze aus
dem dortigen Polizei-Teparlement" all-
täglich holen, verfielen nicht nur in ihren
alten Ton gegen Juden, Ostscedeutsche
und Finnen, sondern versuchen darin
gleichsam sich selber zu übertreffen: seit
einem Vierteljahrhundert zwingt mich
mein Beruf, den Duft russischer konser
vativer" Zeitungsjauche ein paar Stunden
täglich kinzuathmen, aber was die mir jetzt
zugehenden russischen Tagesblatter vom
Kaliber der Nowoje Wremja" an Haß
Denunziation und Blutgier gegen nepra
woslawnyje" Unterthanen des Zaren all.
nummerlich zutage fördern, grenzt schlech
terding! an eine Psychose. Der berüch
tiate Rcnnikow ist nach den russisch-balti
schen Provinzen entsandt worden, von wo
aus er jetzt jeden unlieben Tag ein
wohl sehr gut rentnendeS Engroögcschaft
m Denunziationen betreibt, die die ,No
wojc Wremja" sorgsam registrirt. A.
Stolypin, der unanständige verwittmete
Bruder" dcö anständigen Minister!, den
Rußland je gehabt, fuhrt aus den gleichen
Hctzgebieicn eine Sprache, die selbst den
Besucher inerpetersburger echtrussischen
Theebude" erröthen machen muß. Der
brave Glinka verlangt kurz und bündig
die Vervannung aller Ostseeprovinzler
mit deutschen Namen' nach den sibirischen
Bergwerken, während der nicht minder
brave Purischkewitsch neulich anempfohlen
hat, alle Deutschen, Finnen und Juden
Rußland ohne Unterschied in Alter und
Stellung zum Bau von strategischer,,, Bah
nen und Straßen hinauszujagen". Und
diese gedruckten Worte scheinen sich nach
und nach zu deutlichen Thaten zu berdich
ten: die mir hier zugegangenen Berichte
meiner russischen Gewäi-.zmänncr der
zeichnen während der jüngsten drei Wochen
nicht weniger, als 27 Judenpogrome in
Nussisch-Polen. den westrussischen Provin
zen und dem Kiewer Generalgouvcrne
rnent; daß solche binnen kurzem in Wi
tebök, Kiew. Odessa, Winnitza, Kischinew
und anderen Orten bevorstehen (?), sollen
ie betreffenden Gouverneure bereit amtlich
nach Petersburg mitgetheilt haben ob
um den Minister von ihrer Arbeitswillig
keit zu überzeuge, lasse ich dahingestellt
sein. Der Präsident des finnländischen
Abgeordnetenhauses ist auf administra
tivem Wege" für die Dauer deS Krieges
dieser Tage nach Sibirien abgeschoben
worden; dasselbe Schicksal scheint nicht
minder als 42 baltischen Ritterzutsbe
schern russischer Staatsangehörigkeit. be
bokjMn, . Über . dere NiLtwohl md
Weh gegenn artig In den .Petrograder"
Amttistul'en uh.indelt wild.
Ter akademische 3fl"id, dieser ersten
Phalank russischer Bollsausslände. glaubt
man diesmal sicher ZU srin. seitdem da!
tot Wrichensrist zur Ausführung gelange
neue Gesetz sämmtliche Sludciilen Ruß
lanr! ohne weitere! den Krierschulen
überwiesen hat weniarr um dem zur
Lußersten Gefahr gewordenen Offizier!
mana'l abzuhelfen, als um die jungen
Brauicköpse damit I die Zwangsjacke zu
flecken. (Wie rigoros man übrigens nach
dieser Richtunz H'N k"rsiihrt, kvnvift die
mir ziigegangene Meldung, daß au! dem
Petereturger Psliiteckinikum allein yc
Cludiunde der Offiziettpresse überliefert
werden sind.) Auch die Arbeiterschaft
scheint keine sonderliche Angst einzustoßend
sie verblutet jetzt als Opfer nikvlaitischer
Zarenschwäche und nikvlaitischer Thron
gelüste auf den polnischen lind galizischeri
Schlachtfeldern. Der Bauer. ' sazt man
sich dort ferner, hat seine Jugend nach den
Kriegsschauplätzen entsandt, "der Städter
seine Cöhne und jungen Brüder. Wer,
fragt dort selbstgefällig der betreßte Tschi
nownik. soll die Äusrnhrfabne schwingen?
Wer? Ter Sebüdengraben. antworte
ich darauf. Jen5 russischen Armeemassen.
eins deren Mitte erst vor zwei Wochen im
Bereiche eine! einngen KorpS 17 Unter
vffiziere und Gemeinerm aller Stille .re
volutlonärer Umtriebe wegen" dem Henker
überli'sirt worden sind. Ich bin im Besitze
einer Reihe von Nachrichten, vn beglau
Visiten Nachrichten, die mich d'efe an
sich für ein westeuropäisches Ohr unalaub
lich kling mde Behauptung ans eilen
leisten. Und ich werde mich demnächst be
mühen, diese Behrniptiiri, resilo! zu be
gründen. MarTheodorBehrmann.
Samt Feims wieder
hcrgcilcll't werden?
Mit der Frage, ob man Reims wieder
herstellen kann, bcschäfiig! sich der Pariser
Figaro . Seine Mitlleilunen über die
Kathedrale sind geeignet, die von der sran
zoichen Regierung und von der sranzösi
schen Presse mit so veröden, Geschick in
die Ockfentlichkeit gworZ'' ' Behauptung,
die berühmte Kirche sei itmbie öeuisclxn
Baibaren vollständig !l,nt worden.
endgiltig aus der Welt fi'Nkaffen. Ja
dart, Konservator d-B,b!io!hek zu
Reim!, mochte in W Pariser Akademie
der Inschriften gerV Mittheilungen über
den Schaden, der i Katbedrile und ver
schicdenc andere k" fiten in Reims durch
die Beschießung Stadt erlitt.n baten.
,a? cr von, .r ..aln.draic agt .
chreibt der .Fis a", JM hoffen, das.
hi m.ift.n wr 7 ;;(. n "c !,.; 'm..-
-r. .tllUt Ll 9 l'Uli:
der z, Sorten theile des Wun
oiedknlergistellt werden kön
n Tail. dem auf der Bierunz
den C'z'cher de I'A,tc:e und den
deibaues wieder
nen." Vom
.t.fc.v.
im; iu icucirnvH e
Dachwlfen ist eZIerdingz nickt! übrig;
überdies wurden die Statuen de linken
Facadenportals in Schutt verwandelt.
Aber selbst dieser grrßte Sden scheint
nicht unersetzlich zu sein: Herr Jadart",
.fährt der Figaro" ffrt, versichert, daß
vollständige Zeichnungen des Tachituhles.
des Dache, der Bleitheile aerettet wurden,
unö er ist der Ansicht, daß Nachbildungen
der Statuen, von denen- Gipsabgüsse vor
handen sind, hergestellt werden können.
Was die Statuen und Skulpturen des
Mittelporialö und des rechten Seiienpor
tals angeht, so sind sie von den Flammen
kaum berührt worden; die schöne Gruppe
der Verkündigung vor Allei ist beinahe
unversehrt. . . . Nach einigen Erzählungen
und gewissen Bildern konnte man glauben,
daß die ganze Kathedrale in Flammen
stehe. Ein solches frei urld frech erfun
benes Bild der brennenden Kathedrale
hatte z. B. die Illustration" .die sich vor
oem ji.r,eg velonders vornehm gebardete,
ihren gläubigen Lesern vor?esetzt. und e!
wurden in allen neutralen Ländern, die
man gegen die deutschen Barbaren auf
Hetzen wollte, vor Allem in der französi.
fchen Schweiz, jämmerliche Ansichtskarten
mit der brennenden Kirche feilgeboten,)
Tas Feuer, das die im Kirchenschiff auf.
gethiirmien Stühle und die Cirokhausen
ergriffen hatte, hat im Innern der Kirche
gewiß großen Schaden verursacht: mebrere
Glasgemälde sprangen, die Eborstühle
verbrannten, die Mauern und die Säu
lenfüße wurden von den Flammen beleckt;
die Säulenknaufe aber haben nicht im
Geringsten gelitten, und die Orgel blieb
ganz unbeschädigt."
Ist somit die Wiederherstellung der Ka.
thedrale möglich, so ist dies bef dem erz
bischöflichen Palast, nach Jadart'! An.
ficht, nicht der Fall. Der Saal der Ko
nige. der nie restaurirt worden war, ist
vernichtet, und' die drei Stockwerke des
Gebäudes sind völlig in sich zusammen
gefallen. Man wird aber wenigstens die
aus bem 13. Jahrhunbert stammende Ka
pelle, die bem Feuer zum Theil widere
standen hat, erhalten können. Dagegen
sind die Archive, die Bibliothek, da histo
rische Mobiliar, da! archäologische M
scum ein Olfer des Feuers geworden. Nur
einige der ältesten Handschriften konnten
vor der Beschießung in Sicherheit gebracht
werden.
Tas Stadthaus hat zwar stark gelit.
ten, ober doch weniger als man befürchtet
hatte. Die reiche Stadtbibliothek und ihre
Archive (80.0) Bände und 1 Hand
schriften) wurden gerettet. Gerettet wurde
auch dak Kunstmuseum, das im mi.
huse untergebracht, war. drei oder vier
Geschosse haben einen Saal durchschlagen
und ein paar Bilder beschädigt, aber sei
es von den besonders werthvollen. Ganz
unversehrt blieb das Skulpturenmuseum.
Dies ist. nach dem Figaro", der Bericht
des Reimser StadtbibliothekarS, den doch
wohl kein Franzose der Parteilichkeit für
die deutschen Barbaren" wird zeihe,
wollen. Aber man kann nicht wisfeek .
im Maiin" oder im .Journal" cl mn
vielleicht bald, daß Jadart. der sich an der
rohen Hetze gegen Deutschland nicht bethei
lige will, im Solde des Kaisers" zu sie '
hen scheine. .
- AuS den Hochmeistern, die
preußischen Seite de! Riesengebirge! ab-
IlieszeN. könnte mnn infrilA .im. a tmir.