Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 28, 1915, Image 3

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IHstliisit Cmnfia tüUnt TonnerMnn, fcrti 2. Jan? 1015.
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mluw wm.mjmt. , i 1 u.j.jh
Die Nmttevaditt. ! m
Roman von JuliuS Xlnopf.
utmMmüiSisSiX LsRt-JUy
;'- 5
(1. Fortsetzung.)'
.ES liegt mit fern. Dir leine ie
rühmte Selbständigkeit tnulcn zu
wollen. Herzchen, oder ich Darf Dir
doch sagen, daß ich Dich viel zu lieb
habe, um zuzuschkn, wie Tu fefan
jetzt überall anläufst, tote Dir
Schwierigkeiten in den Weg gelegt
werden, wo .eS irgend möglich ist.
(5 ine geschiedene tymi in unseren
Kreisen na " er brach ab, als
. er Ihre entrüstete Miene sah. Begü
tiaenö fuhr er fort: .Ich weiß ja,
Tu bist klug sehr klug sogar
aber glaube mir, Deine 5clugheit allein
kann Dir in der Welt nicht weiter
helfen. Du brauchst einen Menschen,
dem Du vertraust, der Deine Ange
lcgenheiten nach außen hin vertreten
k.-nn; ja, der sich für Dich inS Zeug
legt, wo eS not tut. Und dieser
Mann kann nur einer sein, der von
der Welt daS Recht dazu hat dem
Du, Neaina, ein Redit dazu gegeben."
Sein Ton wurde wärmer, die Ehr
Hchkcit klang aus ihm, als er ihr ce
stand: .Regina, seit dem Tode mei
ner Frau bt Tu daS einzige !B;ib,
daS mir nahesteht. Aber nein, das
ist nicht da Richtige. Denn ich liebe
Tich so innig. aus aufrichtigem,
treuem Herzen, dak ich alles opfern
würde, um Dich zu erringen.
Kindchen Herz sei nicht so
starr. Wen ich Dich mit meinem
Antrag iiberra,cht habe verzeih,
aber es geschah nur, um mir sofort
ein Recht zu schaffen, für Dich zu
orgen.
Als sie Noch immer regungslos vor
sich hinblickte, fuhr er ruhiger fort:
So laß mich um Deine Liebe
werben, laß mich Dir zuvorderst ein
, treuer Berater sein. Du wirst meine
Liebe erst ertragen und sie später
hosscntlich nicht mehr missen mien.
Hier meine Hand, schlag ein. Die
Vorarbeit eines jeden Vertrages be
ginnt ja mit einem Kompromiß!"
Die junge Frau schwieg eine Weile,
ein Schatten huschte über ihr Gesicht,
dann reckte sie sich mutig und selbst
bewußt:
.Onkel Eberkird, gib Dich nicht
trügerischen Hoffnungen hin. Du
weißt, daß Du in Deiner Stellung
als Offizier unabhängig von mei
nem Ja oder Nein - doch niemals
eine geschiedene Frau hcira!en
kannst!"
Närrdjen!" Er versuchte zu la
chkln, brachte aber nur eine süßsaure
Miene zu Stande die He?e dachte
aber auch gleich an alles. .Kinds
topf." fuhr er fort und ergriff ihre
beiden Hände, weißt Tu so wenig
ton der Liebe eines Mannes, daß Du
'glaubst, an einer derartigen Klippe
könnte sie scheitern? O nein, für
Dich vertauiche ich gern den Helm
mit dein Zylinder. Außerdem habe
ich auch in wenig mehr als eirnrn
Jahre Anspruch auf eine Pension, die
neben den Zinsen meines Vermögens
völlig ausreicht, uns ein behagliches
Heim zu schaffen und ein bequemes
Leben zu ermöglichen. Ich würde zu
diesem Zeilpunkt ohnehin den Dienst
quittieren, denn eine Torheit wär's,
sich noch länger an der Kandare füh
ren zu lassen. Nach fünfunddreißig
jährigem Sklaventum! Welcher
Soldat ist denn jemals sein eigener
Herr?! Ich will Freiheit! Behag
lichkeit für Dich und für mich!
Also, Kind, einverstanden?! Vorläu
fig ordne ich als Dein Onkel Deine
Angelegenheiten und nächstes Jahr,
wenn meine Militärlaufbahn glück
lich beendet sein wird, führe ich Dich
aufs Standesamt. Ist's recht so?
Na, dann gib mir den Verlobungs
kuß. Herz!"
Ehe er sich jedoch den begehrten
Kuß nehmen konnte, war Regina er
schreckt aufgesprungen. Ihre bisher
mühsam bewahrte Selbstbeherrschung
war in diesem Augenblick jäh ge
schwundcn; die Aufregungen der letz
ten Tage hatten ihre Nerven zu sehr
überanstrengt. Sie bebte am ganzen
Körper. - Jchr schauderte, wild blitzten
ihre blauen Augen. sie erhob die
Hände wie zur Abwehr, und hart und
scharf, ein Opfer ihrer Nerven,
-schleuderte sie ihm ihr: .Nein!" ent
gegen. Nie, niemals! Leb wohl,
ich bedarf Deines Schutzes nicht!"
Sie drehte ihm hastig den Nucken
und eilte hinaus. Mit scharfem
Knall flog die Tür hinter ihr ins
Schloß.
Zweite Kapitel.
.Am nächsten Vormittage klingelte
es, gleich darauf erschien daS Mäd
und meldete: .Herr Doktor
5endcn läßt fragen, ob er der gnä
digen Frau fein Beileid persönlich
aussprechen darf
.Ich lasse bitten. Und, Emma,
hören Sie, ich bin jetzt für nieman
den fönst zu sprechen."
.Sehr tvohl, gnädige Frau.'
Richard Senden trat ein. Einen
Augenblick starken die beiden sich
fchiveigend gegenüber. Der Doktor
hielt den Hut respektvoll in der Hand
und verneigte sich tief. Danu, als die
Tür sich hinter dem Mädchen gcschlos
sei, halte, flog Regina auf Richard
t ',: u "t-..-u'ii'.iiu" . -i 'i'n m vs.t i
.
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HC
zu und umarmte ihn sturmisch.
.Gut, daß Du endlich da bist, Ri
chard! Mit Sehnsucht und Unge
duld habe ich Dich erwartet. Ich
weiß nicht mehr aug noch ein!
Denk Dir nur. der Onkel der
Oberst gestern ach, Richard, ich
bin zu Ende mit meiner Kra t."
Sie schluchzte laut auf, und zum
ersten Male, seitdem sie vor vier 2a
gen allein am Sterbebette der Mut
ter weinend gekniet, gab sie sich rück
haltlos ihrem Schmerze hin. Sie
legte den Kapf an Senden Schul
ter. Sanft und zärtlich streichelte er
,yr volles, blondes Haar. Endlich
hob Regina daS Haupt, trocknete die
Augen und unterdrückte die Tranen
.Richard, wenn ich Dich nicht
hätte! Du wirst mir wenigstens
raten, wenn Tu mir auch nicht hei
ten kannst.
Senden preßte, wie in körperlichem
Schmerz, die Lippen zusammen. Eine
Icharse Falle erschien zwischen feinen
gerade gezeichneten Augenbrauen, Re
ginas Bemerkung über sein Unvcrmö
gen, ihr tatkräftig beistchen zu kön
nen, hatte ihn tief verletzt, eben ge
rade darum, weil sie der Wahrheit
entsprach. Ehe er jedoch etwas er
widern konnte, hatte Regina be
schwichtigend ihre Hand aus seinen
Arm gelegt:
.Komm. Richard, sei gut und laß
uns in Ruhe überlegen. waZ zu tun
it.
.Als ob wir das nicht in den letz
ten Wochen schon unzählige Male ge
tan hätten, ohne zu einem befried!
genoen Resultat gelangt zu sein.
sagte er seufzend. , .Um sorgenfrei
leben zu können, hast Tu nicht gcnu
gend Vermögen. Dein Kapital ist
nicht groß genug, daß Tu von den
Zinsen angenehm leben könntest. Und
für einen Beruf, ja. er mußte
schon sehr leicht sein, bei Deiner zar
ten Konstitution. Am besten wäre es
schon er zögerte einen Augenblick,
Da fiel sie ibm erregt ins Wort:
.Wenn ich wieder heiraten wurde.
Ja, ,ch weiß, das ist Dein beque
mer Ausweg."
Beschwichtigend streichelte er ihre
Hand. .Regina! Ich bitte Dich.
nur nicht gleich so schroff. Du weißt
doch sehr gut. daß ich nur Dein Be
es will. Ich hab Dich lieb und
temn doch nichts für Dich tun! Sen
den stöhnte auf. .Noch nie habe ich
den Wert des Geldes so sehr empfun
den, wie gerade jetzt. Wie könnten
wir glücklich sein, wenn ich genügend
verdiente, um einen Hausstand zu
gründen."
Abermals fiel sie ihm ungeduldig
ins Wort: Richard, fo laß uns
einmal von den Möglichkeiten spre
chen, von dem. was ist und sein muß,
anstatt zu denken, was sein möchte
und sein könnte!"
Sie hatte ihn auf das Sofa neben
sich gezogen, dasselbe, auf dem sie
tags zuvor mit dem Obersten geses
sen. In diesem Augenblick fiel ihr
die Unterhaltung mit dem Onkel wie
der ein und ein kalter Schauer über
lief sie. Aber das währte nur Se
künden, denn daS Gefühl, den
j-reund neben sich zu haben, überwog
Trauer und Zukunftsfurcht. Und als
sie die Blicke schweigend umhergehen
ließ, bemerkte sie, daß sich im Zimmer
alls wieder heller und freundlicher
ausnahm. Die schwarzen Behänge
waren von den Möbeln entfernt, der
Wohnraum machte wieder den behag
lichen, lichten Eindruck wie vordem,
da die Mutter noch lebte. Und just
eben drang ein wärmender Sonnen
schein in das Zimmer, der den
Schatten der Mißstimmung den
Garaus machte. ,
Regina atmete auf. Neue Zuver
sicht begann sich zu regen und sie zu
beleben. An der Seite Scndms
fühlte sie sich ruhiger. Der Maske
der Sicherheit, die sie der Welt gegen
über zur Schau trug, benötigte sie in
seiner Gegenwart nicht Sie durfte
den Zwang abtun, der sie drückte, wie
ein enger Schuh...
Einige Minuten saßen sie beide
schweigend nebeneinander, ein jeder
seinen flinken Gedanken überlassen,
bis Senden fragte:
.Nun aber, was war daS gestern
mit Deinem Onkel Eberhard? Was
wollte er? Was hat er getan?"
Regina zögerte, dann stieß sie ba
stia heraus: .Getan? Nichts! Er
will mich nur heiraten!"
Er will " In maßlosem Er
staunen war Richard aufgesprungen.
Heiraten will er Dich? Er, der alte
Mann Dich, das junge, frische
Weib! Ach. unmöglich! Das ist
ja eine Sache so ausgefallen, so
so " Er brach ab und über
legte. So ungeheuerlich ihm die Ab
sicht des Obersten in der ersten Ueber
raschung erschienen war, so bedeutsam
deuchtc sie ihm doch bei einigem Nach
denken, als daß Regina sie kurzer
Hand hätte abtun dürfen. Darum
bemerkt; er einlenkend: Liebe Ncgi,
was sagtest Du doch letzthin? Eine
Viertel Million Vermögen? Nicht zu
verachten! Außerdem Titel, gesell
schaftliche Position. Haff Du ihm
bereit eine bestimmte Antwort aeae
ben?"
Ja. eine Antwort hat er erhalten,
er iviro sie so schnell nicht vergessen."
rief Regina erregt. Und nun er
zählte sie getreulich den Inhalt ihrer
Unterredung mit dem Onkcl.
Senden blickte ernst drcin. Endlich
meinte er besorgt: .Da hast Tu Dich
von Deinem Temperament zu sehr
hinreißen lassen. Wenn das nur kei
ne üblen Folgen für Dich haben
wird, Liebste. Du sagtest mir doch
mal gelegentlich, daß Tu die Gesin
nung de Obersten nicht für durch,
aus vornehm hieltest. Da durflest
Du ihn nicht reizen."
.Hätte Ich ihm vielleicht um den
Hals fallen und ihn küssen sollen für
seinen ehrenvollen Antrag?" fragte
Regina empört.
.Küssen?!" Senden machte eine
abwehrende Bewegung. .Tu einen
anderen Mann küssen, solange ich..'
Ohne Kuß keine Verlobung.'
scherzte sie beruhigt und beglückt durch
fein offenkundiges Entsetzen. .Aber
was nun?"
.Ja. was nun? Zunächst mußt Du
den alten Herrn wieder versöhnen,
Reg!. Höre mich ruhig an," bat er,
als sie entrüstet abwehren wollte.
Vergiß nicht. Dein würdiger Freier,
Oberst von Linken. ist'daS Oberhaupt
der Familie, er hat die erste Stimme
bei jeder Gelegenheit. Also ist eS ver
nünftig. ihn sich nicht zum Feinde
zu machen. Da er offenbar heftig
in Dich verliebt ist. fo wird eS Dir
ein leichtes fein, sein Wohlwol'en
wiederzugewinnen, ohne daß Du Dich
ihm gegenüber irgendwie verpflichtest.
Also fei vernünflig. Kind!"
Regina schüttelte den Kopf. ,Ber
nünftig sein Du hast gut reoen.
Ich kann ihn doch nicht wie eine
Sünderin händeringend um Verzei
hung bitten."
.Ist auch gar nicht nötig. Sieb
ling. Bei der nächsten Gelegenheit,
wo Ihr zusammen kommt, bist Du
seine ganz gehorsame Nichte und
klagst nebenbei über Deine angegrif
fenen Nerven. Damit ist Deine Hef
tigkeit von gestern begründet und lo
gischerweise von ihm verziehen."
Sendcns Rat schien der jungen
Frau einzuleuchten. Wohl waren
ihr früher, in den fünf Unglucksjah
ren ihrer Ehe. die Zügel ihres Tem
peraments öfter entglitten und ihr
Verstand hatte sich geweigert, sie wie
der aufzuheben, aber die Sorgen und
lc fcelischen Qualen, die sie in der
Zeit durchgemacht, hatten sie doch be
nnflußt, den Realitäten des Lebens
mehr Beachtung zu schenken. Als
inngeZ, unerfahrenes, dummes Ding
war sie in die Ehe gegangen, weil
der Mann es verstanden hatte, die
Altern und sie mit feinem l'.eben'
würdigen Wesen und seinen kavalier'
mäßigen Allüren einzusangen. Und
als er Mb' nach den Flitterwoch:n
?ine Talmwornehmheit abstreifte und
sich als roher, gefühlloser Patron ent
puppte, der es nur auf ihre M:t
gift abgesehen hatte, da begann für
ie eine schwere Leidenszeit, bis es
dem Zufall gelang, ihn der Untreue
überführen zu können und die Schii
düng zu ermöglichen. Dann war
,in leeres Jahr im Hause der Mus
ter gefolgt.
Eine junge Freude wuchs wieder
r, ihr. als sie Senden kennen lernte.
Auf dem Jour einer bekannt?
Schriftstellerin, einer Freundin der
Mutter, war ihr Richard zum ersten
Male begegnet. Gleich in der ersten
Stunde ihrer Bekanntschaft fühlte sie
yirigezvgcn zu vem inieuigenien.
lebhaften Mann, dem auch sie offtn
ichtllch gefiel. Es ist ein eigentum
lich Ding um das fcltsame Ahnen
von Mann und Frau, die sich zum
ersten Male begegnen und unterhat
im und dos unbestimmte Empfinden
; sich aufsteigen fühlen: uns scheint
die Natur füreinander geschaffen zu
haben. Es hat nichts zu tun mit der
sagenhaften Liebe auf den ersten
Blick, die so selten ist, wie ein Erd
beben im Flachland aber wenn
diese geheimnisvolle Sympathie alk
mählich in die Liebe hineinwächst,
dann ist's eine Liebe, die den Kamvf
mir allein, was sich ihr entgegenstellt,
zähe aufnimmt. So erging es Ri
chard und Regina. Auf jenem Jour
unterhielt er sich ausschließlich mit
ihr. In dem großen Kreise fiel b-t
Absonderung dir beiden nicht auK
denn es war ein ungeschriebenes Ge
sei;, dieses Jours, daß ein jeder sei
!.er Plauderlust nach Belieben fronen
urste: jeder gesell chaflliche Zwang
or ausgeschaltet.
Seitdem erschienen Regina uno
Senden regelmäßig auf dem Jour,
hne daß sie sich verabredet hatten,
dbch stets in der Hoffnung, sich zu
treffen. Immer fester schlangen sich
die Fäden um Senden und die junge
ffiau, die Freude an der gemeinsa
n.en Unterhaltung hatte sich zu eine:
'iangsam keimenden, schließlich voll er
blühten Liebe verdichtet, die zeooch
äußerlich die Grenzen einer innigen,
zärtlichen Kameradschaft nie über
schritt.
(Fortsetzung folgt.)
Unglückökompliment.
Herr: Haben Sie sich aber verän
c?rt. seit wir uns nicht gesehen ha
eeni
c
Fräulein: .Und meinen Sie, zu
meinem Vorteil?"
Herr: Zum Nachteil ist doch nicht
gut möglich."
ia glücklicher cog.
Vin JTislii Anne Fclöbkrg.
Sie erwachte nach ruheloser Nacht
au tiefem, schwerern Morgenschlaf
urch da -schrille Klingeln de
Fernsprecher auf ihrem Nachttisch.
Mit tastender Hand suchte sie den
Hörer, um ihn lchlaslrunken ans Ohr
zu drücken.
Ihre Freundin rief sie an:
.Liebste, wollen Sie mich heute im
Bureau vertreten, eö sind neue Auf
nahmesuchende gemeldet, die auf Herz
und Nieren zu prüfen sind. Ein
bißchen Lauferei werden Sie wohl
haben, aber es gilt den 'Bohle armer
Obdachloser. Hungriger, dafür sind
Sie doch zu haben?"
.Aber rnrtiirlich. Selbstverständ
lich." .Also, bitte. Liebste, um 9
Uhr pünktlich. ES sind zivei Her
ren aus England, Flüchtlinge, eine
deutsche Dame aus Belgien, ein
Fräulein aus Petersburg, eine angeb
liehe Italienerin, die mir Französin
scheint, also Vorsicht!"
Ich werde nur Italienisch mit ihr
sprechen, wehe, wenn sie nicht voll
gültig reagiert, dann ijt sie Jranzö
sin",
.Also, ich verlasse mich namentlich
in diesem Falle auf Sie. Liebste! Ich
reise auf zwei Tage nach Dresden.
Man wünscht mich dort. Ich .soll
eine Kriegszufluchtstätte einrichten
helfen. Man kennt schon mein Bet
teltalent. Los wird mich so leicht
keiner, der was geben soll.X Alle
müssen sie heran. Vom Ueberfluß
des einen müssen viele leben".
Ich bin auch Feuer und Flamme.
Ach. ist das ein köstliches Leben
opfern dürfen, opfern müssen wie
schön ist es. gebraucht zu werden. Ich
danke Ihnen tausendmal, daß Sie ge
rade mich angerufen liben".
.Kenne doch Ihr braves Herzchen.
Wiederfehen Wiedersehen, recht
frohes. Neue Siege flehen bevor.
Weiß schon was. Großes
Herrliches der Sieg ist unser!"
.Aber sicher. Gott hilft den Ge
rechten die sind wir. Wir Deut
sche!" Ganz rot vor Freude, erhob sich
flink die reiche Witwe, klingelte ih
rem Mädchen, ließ sich bei dem An
ziehen helfen, um nur rasch fortzu
kommen zu der neuen Pflicht, die sie
freudig übernommen.
Da schrillt daL Telephon wieder:
.Beste, verehrte, gnädige Frau!
Hier Notes Kreuz wollen Sie nicht
noch die Liebenswürdigkeit haben,
noch etwas Wolle zu stiften. Auch
ist Mangel an Wolldecken. Sie Glück
liche, können doch helfen. Speise
marken sür eine arme Familie fehlen
auch und Milch für zwei Säuglinge:
Vater im Felde, Mutter ängstigt sich
halbtot um den Mann. Sie ist em
fach nicht zu brauchen. Und dann,
bitte, können Sie zwei nette Jun
gens aufnehmen Söhne von Ost
Preußen. Vater auch im Krieg, Mut
ter im Wochenbett mit Zwillingen,
zwei stramme Jungen. Nehmen Sie
doch die netten Kerlchen. Ich habe
schon zwei Familien. Ihr Mädchen
ist doch zuverlässig? Ist sie kin
derlieb?" .Luise, sind Sie kinderlieb? Wol
len Sie zwei nette Jungens haben?"
Aber, gnädige Frau?" ant
wortete das Mädchen.
Nun rief sie durchs Telephon::
.Wie alt sind denn die Jungchen?"
.Drei und vier Jahre. Nehmen
Sie sie nur. Ja bitte. Also
ja ja. Schönsten Dank. Schluß.
Luise, wir bekommen zwei Jun
gens von drei und vier Jahren zur
Obhut."
.Mit die werde ich schon fertig
werden. Wo sollen sie denn gebettet
werden, gnädige Frau?"
.Im Fremdenzimmer oder nein,
in meinem Antleidezimmer. Das
große Bett vom Boden. Also, Luise,
Sie machen alles. Bestellen Sie gute
Milch. Hier zwanzig Mark extra
für die Jungchen. Sie wissen Be
scheid mit Kindern?"
.Und ob das macht Spaß".
Die Witwe seufzte. Sie ahnte
Kindergeschrei nach der Mutter.
.Spielsachen werde ich besorgen".
Gnädige Frau, man bloß Sol
daten. Gewehr, Helm, Säbel, dann
mach' ich's fcho.i, dann spielen wir
Krieg."
Beide kleine Hände drückte die Da
me an ihre Schläfen. Was hatte
man denn alles von ihr gewollt? Sie
notierte auf ihrem Notizblock.
.Frau von H. vertreten. Flücht
linge. Italienerin, die nur Franzö
fisch spricht. Rotes Kreuz. Wolle.
Ein Zentner. Decken. Ein Dutzend.
Zwei Jungens.
Nun lachte sie ein helles, gutes
Lachen. Kinder ins Haus!"
Das wünschte sie immer, immer.
Früher, als sie jung war, und noch
jetzt in ,älteren Tagen. ,
.Wenn es man nur nicht so kleine
Vauernlümmels sind", meinte bedenk
lich Luise, daS Dienstmädchen.
Kinder sind es. Luise, hilfsbedürf
tige Kinder, deren Vater im Felde
für uns steht, vielleicht verbleiben
muß". -
. Zukünftige Vaterlandsverteidiger,
gnädige Frau. Mein Fritz sagte
stolz, als er ausrückte: Nun braucht
man uns! Aber eklig! Russen und
Franzosen kriegen was uff den Kopp
die englische Insel schmeißen wir
In Wasser, dich sie ersaufen wie die
Rallen, die Biester."
.Aber aber", mahnte die Dame.
.Fritz niiiiint' mit zehn Mann
aus. Flink und stark iS er, der ging
strahlend in'n Krieg. Ter siegt. Si
cher kommt der wieder."
Feuerrot vor Stolz sprach e er
regt Luise.
.Gott, gnädige Frau, manchmal
Is e mich doch, als käme er nich
wieder .
Ganz blaß war plötzlich da
Mädchen geworden. E drückte fest
die Hand auf Herz.
.Er kommt wieder" tröstete
ernst, tief gedankenvoll ihre Herrin.
(ite zog ihre Handschuhe an, zog den
Schleie? fester um ihr Gesicht und ha
stete fort.
.Gnädige Frau, frühstücken nich?"
Nein, nein, habe keinen Hunger,
keine Zeit. Hin vier Uhr komme ich
zu Tisch. Luise besorgen Sie die
Zungen recht gut. Erst baden.
Kleider schicke ich sauber zur Aus
wähl. Probieren Sie schon an.
Putzen Sie die Kerlchen sauber her
aus. Recht nett ja Luise?
i-.le find ja ein guter Kerl. Wir
Frauen müssen dem Vaterland hel
fen, soviel in unseren Kräften steht".
iie atmete ticf die frische Otto
berluft. Trotz der schlaflosen Nacht
Miie ie sich wohl, kräftig, ange
regt zu guten Werken.
Sie lachte. .Mein erstes Frühstück:
Sonnenschein, Morgenluft".
Tapfer schritt sie aus. Wie wohl
das tat, dies Ausschreiten, dies Ha
sie nach einem Ziel, an dem sie
schmerzlich erwartet wurde.
Im Bureau herrschte fieberhafte
Laligkett. Es galt, vielen Unter
kunst zu schaffen, die in Kriegsnot
plötzlich geraten waren. Männern,
Frauen und Kindern, ganzen Fami
lien drohte das Gespenst der Ob
dachlosigkeit. Es galt, rasch durch
Taten, nicht nur Mit Rat zu helfen.
Darum wurde die vornehme Frau,
auf deren Erscheinen man schon ge
wartet hatte, freudig begrüßt.
.Wir müssen noch ein Flüchtlings
heim haben und Kriegcnotstätten
für unsere Geistesarbeiter. Bitte,
gnädigste Frau, fahren Sie doch
gleich zu Frau Dr. St. Sie ist gut.
Sie stellt uns noch eine leere Etage
zur Verfügung, dann ist ihr Haus
gefüllt mit Obdachlosen".
Dann gmg sie hinüber zu den
Flüchtlingen. Jedem druckte sie die
Hand, mit jedem sprach sie wenige,
gute Worte. Als sie an die Jtalie
nerin kam, sprach sie rasch, sehr fite
ßend Italienisch. Die Dame wurde
rot, sehr rot, nur zögernd, leise ant
wortete sie Italienisch, dann slie
ßend Französisch.
Sie Sie sind Französin?"
Ganz bestimmt sagte sie es.
.Sprachlehrerin bin ich seit acht
Jahren in Berlin."
.Seit acht Jahren Französin
in Berlin? Wir wollen das weitere
sehen."
Der fahle, lauernde Blick der klei
nen grauen Augen gefiel ihr nicht.
Sie mußte sich einen Ruck geben. Ein
schlimmer Verdacht stieg in ihr auf.
Nicht verdammen, es ist ein
Mensch eine hilflose, hungernde
Frau", dachte sie. Aber Vorsicht!"
klang doch der Ruf des Fernspre
chers ihr plötzlich im Ohr.
Wir wollen sehen" sprach sie
auf Italienisch.
Es gab viel Lauferei und lange
Fahrten.
Viel Bettelei bei den Reichen für
die Armen. Aber sie hatte es fchon
gelernt. Sie ließ nicht locker. Ihre
Hand füllte sich reich mit Gaben, die
sie austeilen durfte an die, die litten
in Kriegsnot.
Ein glücklicher Tag!" jubelte sie
am Abend, als sie an dem großen
weifet Äett ihres toten Gatten stand,
in dem zwei rosige, pausbäckige Jun
gen, sich innig umarmt haltend, mit
Gewehr und Säbel in den dicken, ro
ten Fäustchen, fest schliefen.
,Appetitlich zum Anbeißen", mein
te Luise stolz.
Die reiche Frau küßte mit tränen
seuchtem Blick leise die blonden
Köpfchen der jungen Schläfer.
Todmüde schlief auch sie bald fest
und gut.
Der französische Land
wirtschaftsminister Fernand David
hat einem Mitarbeiter des Petit Pa
risien" erklärt, die Lage des Acker
baues in Frankreich fei günstiger als
erwartet. Die Getreideernte befriedi
ge. Die Aussaat von Weizen, Rog
gen und Hafer zeige eine schwache
Verminderung gegenüber 1913. Der
Temps" stellt fest, daß es an Zucker
rübcnsamen mangele. Sieben Zehn
tel des Samenbedarfs habe man bis
her aus Deutschland, zwei Zehntel aus
Rußland und ein Zehntes aus Frank
reich bezogen. Die französischen Be
zugsquellen seien aber infolge der
deutschen Besetzung noch bedeutend ge
schmälert und die Einfuhr aus Ruß
land infolge der Kriegslage unmög
lich, außer auf dem Umwege , über
Wladiwostok und Amerika. Die Re
gierung müsse so schnell wie möglich
Vorkehrungen treffen, um sehr schwe
ren Folgen dieses Uebelstandes vorzu
beugen.
Protest. Ihr Fräulein
Tochter gehört einem gemischten Ge
fnngvereln an?'
Im Gegenteil, einem sehr erklu
sivkn!"
Das imkn v:a Cciterreiä.
Unsere Zeit. In der deutsche! Frau
enstudium binnen wenigen Jahren
einen ungeahnten Aufschwung genom
men hat, wird sich gern einer Für
flirt erinnern, die, bahnbrechend und,
vorzüglich für geistiges Streben, den
Griliidslein zu zwei Universitäten le
gen half. Die Pfalzgräfin Mkcht
hild, die nach einander Gräfin von
Württemberg und Erzherzogin von
Oesterreich wurde und im Volksliede
als Fräulein von Oesterreich fort
lebte, ist in der Tat die Begründerin
von Freiburg und Tübingen gewe
sen.
Wenn sich irgendwo die Gesetze der
Vererbung zu erkennen geben, so ge
miß an dieser hochsinnigen Frau,
deren Ahn, Ruprecht I. von der
Pfalz, seiner Residenz Heidelberg
138ü die Universität geschenkt hatte,
und deren Vater, Ludwig III., der
Stifter jener weltberühmten Aiblio
thek, der sogenanten Palatina, geivor
den war. Aber neben dem väterlichen
bayrisch pfälzischen Blute war ein
mütterlicher Einschlag nicht zu ver
kennen: wenigstens wird man ihre
allzeit geübte Humanität, ihren Sinn
für Rechtlichkeit und ihre Religiosität
auf jene fromme Gräfin von Sa
voyen zurückzuführen haben, die der
Tochter auch den Vornamen ver
erbte.
Zu Ende des JahreS 1418 oder
zu Anfang des folgenden in Heide!
berg geboren, ward Mechthild nach
der oft drückenden .Sitte der Zeit in
der Wiege bereits dem Grafen Lud
wig dem Aelteren von Württemberg
verlobt, dem sie fünfzehnjährig als
Gattin in fein damals noch sehr klei
nes Land folgte. Die Ehe, die sich
glücklich gestaltete und von Anfang
an dem bis dahin leichtlebigen Gra
fen einen sittlichen Halt verlieh, währ
te nur sechzehn Jahre, da Graf Lud
wig im besten Mannesalter von einer
ansteckenden Krankheit schnell dahin
genommen wurde.
Mechthilds Witwensitz mit Böb
lingen und einigen anderen kleinen
Städten hätte ihr den Einkünften
nach wohl genügt, um ihr Leben al
lein weiterzuführen; aber sie war
Mutter mehrerer Kinder, deren Erb
teil in jener raub und fehdelustigen
Zeit nur zu gefährdet schien, so daß
sie gern die Werbung Albrechts 1. von
Oesterreich, eines Bruders des'dama
ligen Deutschen Kaisers, sich gefal
len ließ, der feinerseits sich aus Geld
bedrängnis zu retten wünschte. So
kam es 1422 zu einer zweiten Ehe,
in die aber Harmonie und Glück nur
allzu spärlich ihre Strahlen warfen.
Die Verschiedenheit der Naturen, die
deutlich aus ihrer Tätigkeit zu er
kennen ist, hätte es selbst bei den bei
derseitig besten Absichten zu keiner en
geren Verbindung kommen lassen kön
nen.
Mechthilds Interessen aber lagen
so weit ab, so wenig auf der Ober
fläche, daß uns eine bald erfolgte.
Trennung der Ehegatten kaum wun
dert. Uebrigens ist der Erzherzog,
der fast dauernd in Linz und Wien
lebte, fchon 1462 in dieser Stadt ge
storben.
Unterdessen hatte Mechthild ihren
Sitz für ständig an den Neckar nach
Rottenburg verlegt und sich dort je
nen Hof geschaffen, dem in der deut
fchen Literaturgeschichte stets ein Eh
renplatz wird eingeräumt werden
müssen. Denn an einem wichtigen
Wendepunkte des Geschmackes und der
ästhetischen Bestrebungen sehen wir an
ihrem Hofe noch einmal in kürzester
Aufeinanderfolge beide Richtungen
vereinigt, von ihr gepflegt und mäch
tig gefördert.
Es war die Zeit, da in Italien be
reits das klassische Altertum in reich
ster Vielseitigkeit zu neuem, blühen
dem Leben erweckt worden war, wäh
rend in Deutschland noch alles brach
und tot lag. Wie hier das Ritter
tum teilweise ausgeartet war, so
war auch die Dichtung in ein Sta
dium der Verwilderung getreten, das
noch andauerte. Daneben ' lebte al
lerdings das alte Ideal von höfi
scher Zucht und Minne vereinzelt
fort; es ist nun .für die Gesinnung
der Erzherzogin bezeichnend, daß es
gerade in ihrer Umgebung neuen dich
terischen Ausdruck gewann. Ein Bei
sitzer des Stuttgarter Lehnsgerichts,
Hermann von Sachsenheim, dessen
Geschlecht den württembergischen
Grafen lehnspflichtig war, fetzte die
alten poetischen Ueberlieferungen fort,
in denen der bereits 'Achtundachtzig
jährige begeistert Mechthilds- Hofhal
tung und Persönlichkeit gepriesen hat.
Im Distrikt No. 4 des
Bundes-Forstdienstes, dessen Haupt
quartier sich in Ogden, Utah. befin
det, wurden 36 Prozent der letzt
jährigen Waldbrände durch Blitz
schlag, und 27 Prozent durch La
gerfeuer verursacht.
Ein Gemüt. Er (aus der
Zeitung vorlesend): Bei Höfers ist ein
Unglück geschehen, das Mädchen ist
beim Fensterputzen aus dem Fenster
gefallen.
Sie: Die arme Frau Hofer! Sie
hat auch immer Pech mit den Dienst
boten. Bas rst jetzt fchon daS vierte
Mädchen, das sie ohne Kündigung
entlassen muß! ,
cldllcde lZcrdior.
Abgesehen von den zahlreichen be
deutenden Bühnenkünstlerinnen, die
im Alter von vierzehn und fünfzehn
Jahren bereit zur Berühmtheit ge
langten, ist wchl nur ein weibliche
Wunderkind der Bühne in der Thu
tergefchickte bekannt geworden: Eon
siance le Gay. die 1ÜW in Kassel
geborene Tochter eine französischen
Kapellmeisters, den König Jerome
nach Teutschland gebracht halle. Tie
kleine Eonstance betrat in der bedcu
tcnden Rolle deS .TonauweibchenS"
mit sieben Jahren in Düsseldorf zu
erst die Bühne und machte dann alS
Zehnjährige Gastspielreisen durch
Deutschland und wurde besonders in
dem nach dem französischen von Ea
stellt bearbeiteten Slück .Die Puppe"
bewundert. Mit fünfzehn Jahren
trat sie dann in's Hamburger En
semble ein und heiratete dort den
Schauspieler Friedrich Tahn, dem sie
1832 einen Sohn gebar, den späteren
Dichter Felix Tahn. In München
war sie dann lange Jahre hindurch
eine Zierde der Hofbühne nchen ih
rem Gatten, der sich dort aber dann
von ihr scheiden ließ, um eine andere
Kollegin, Marie Hausmann, zu hei
raten.
Indessen, wie gesagt, haben zahl
reiche Bühnenkünstlerinnen im ju,
gcndlichstcn Alter, auch in Kinderrol
len, schon Bewunderung erregt. So
hat zum Beispiel die Dresdener Lüh
nenkünstlerin Charlotte Bastö bereits
als Dreijährige auf den Brettern ge-,
standen. Die bedeutenden Vertrete
rinnen der Tanzkunst haben ebenfalls
im Kindesalter schon . Bewunderung
erregt, und das berühmte Horscheltsche
Kinderballett in Wien, das eine thea.
tergcschichtliche Bedeutung erlangte,
war eine Vereinigung von Wunder
lindern der Tanzkunst, unter Denen
auch die Geschwister Elßler waren.
Auch musikalische Wunderkinder
weiblichen Geschlechts gab es eine
ganze Anzahl. Vor allem ist .das
Nannerl", die Schwester Mozarts,
die als Elfjährige die Triumphe des
sechsjährigen Bruders . teilte, zu er,
wähnen. Clara Schumann aber war
das musikalische Wunderkind pa
excellence. Unter ihrem Mädchen,
namen Clara Wieck trat sie alZ
Zehnjährige auf, unternahm drei
Jahre spater mit rhrem Vater, Fried
rich Wieck, dem berühmten Musikpä
dagogen, Kunftreisen,' an denen auch
ihre Stiefschwester Marie Wieck teil
nahm. Aus neuerer Zeit ist Terefa
Careno zu nennen, die mit 12 Iah
ren ,ihre Kunstreisen in Europa be
gann, vorher aber schon in ihrer
Heimat Venezuela bewundert worden
war. Als Geigenkünstlerinnen erreg,
ten in den dreißiger und vierziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts die
Geschwister Milanollo, Teresa und
Maria, zwei Italienerinnen, im Kin
desalter durch ihr virtuoses Spiel
Aufsehen, und in den achtziger Iah
ren Teresina Tua, die sich aber öf
fentlich erst mit fünfzehn Jahren hö
ren ließ. Auch Fanny Henfel ist zu
erwähnen, die zu ihrem Bruder Feliz
Mendelssohn-Bartholdy in gleichem
Verhältnis stand, wie das .Nannerl"
zum Wolfgang Amadeus, wenn si
auch nicht öffentlich auftrat. Damit
ist gewiß die Zahl der musikalischen
Wunderkinder weiblichen Geschlechte
nicht erschöpft. Viele find fpäter
wohl vergessen oder haben, nachdem
sie in den Hafen der Ehe geschlüpft,
ihre Kunst öffentlich nicht mehr ge,
zeigt. ' v
Merkwürdig ist nun, daß sich die
dichterische Begabung beim weiblichen,
Geschlecht im Kindesalter öfter zeigte
Der merkwürdigste Fall, zugleich des:
halb auch, weil er mehrere Literatu,
ren betrifft, ist der der 1808 in Pe.
tersburg geborenen Dichterin Elis
beth Lulmann. der Tochter eines rusi
sischen Offiziers, nach dessen frühein
Tode das Mädchen unter dem Ein,
fluß einer deutschen Mutter und ei,
nes sehr begabten Lehrers seine An
lagen in ungewöhnlicher Weise aüM
bildete. In ihrem 15. Lebensjahrs
verstand sie elf Sprachen, acht drnwit
so gut, daß sie sich tadellos darin
ausdrücken und in ihnen dichten
konnte. Gedichte in deutscher, russi,
scher und französischer Sprache sind'
nach ihrem frühen Tode gesammelt
herausgegeben worden. Deutsche Ge'
dichte der Dreizehnjährigen sindj!
Goethe vorgelegt worden und habe
dessen Anerkennung gefunden ,'
Auch die unglückliche Louise Bracht
mann (geb. 1777), die Tochter eine!'
Kreissekretärs in Rochlitz, gehört zu
den poetischen Wunderkindern. A!3
sie zehn Jahre alt war, übersiedelten
die Eltern nach Weißenfels, wo der
Umgang mit Novalis (Friedrich
Georg von Hardenberg) und dessen
Schwester Sidonie auf das frühreife
Kind und feine lebhafte Phantasie
einen großen Einfluß ausübte. Durch
Novalis kam Louise Brachmann auch
mit Schiller in Briefwechsel, der in
den .Hören" und im Musenalmanach
Gedichte veröffentlichte, die Louise als
Dreizehnjährige bereits verfaßt hatte.
Sie wurde nicht glücklich durch ihre
reichen Gaben. Nachdem ' sie ihre
nächsten Freunde und Angehörigen
durch frühen Tod verloren, lastete
.die Bettelarmut all' des Menschen
tums" so schwer auf der Einsamen,
daß sie 1822 in der Saale den Tod
suchte. . ,