Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 05, 1915, Image 3

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    --c irn j.;-...-'' r' 'jÄV-'A-.
N gliche Cmnfia triSfinf. TienStgff. 5. Januar 1911.
"33
Die Geschichte ciuerFmil.
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VInan von
irs-iäÄÄaKs
(5. FortsetzunZ.?
Und Hanne?
Sie, lit neben dkm Seiler dahin
leite, mikl durch ilchil ci. tefuii
dkkeS Interesse fut ihn, obwohl sich
ihre Nkunzchiijähligl '!ädche',phanta
sie andauernd mit ihm und feinem
romanlijchen Cchi.isai beschäftigte.
Wenn sie ihn datnn nichts merk,n
liefe, so entsprang fcciS ihrem tiatir
lichen Instinkt, dcr sie lehrte: .nicht
um Vergangenem rühren, bis er sich
eingelebt hat". Sie fiiUt: ein f!
. ..1' l 1
es A,ruiieu;ii!wn,iiviicii niu,n
wohltuend auf ihn wirken, und da
iwch handelte .sie .... nicht auZ rew
schioesterlicher Zuneigung, tois sie sich
. gewaltsam einreden wollte, sondern
weil sie ihn liebte! Ci.rnj allmählich,
ohne zunächst ihr selbst' inS Bewußt
' sein zu treten, war da gekommen.
Anfangs, nachdem ihr Itt Aa'.er
erzählt hatte, daß !iols Hano an sich
gelegt und sie den Grund dafür und
manche? auö seiner Ehe erfuhr, er
schien ihrem gesunden, in ländlicher
Abgeschiedenheit uiiverbildeiem Sinn
allei wie ein Kapitel eus einem der
Romane, die sie an langen Winter
ödenden zuweilen las. Bisher hatte
sie stets geglaubt, derartige Lebens
schicksale seien freie Erfindungen der
.Romanschreiber" und kämen nur in
Büchern vor. Und nun gab es so ei
was wirklich, bei Menschen von
Fleisch und Blut!
Nichtsdestoweniger blieb es ihr vn
faßbar. X
Tann hatte der Bater den Plan ge
faszt, den .Genesenden nach Western
Hagen zu holen. Da hatte der Better
. plötzlich greifbare Gestalt angenom
men, war aus einem Schemen zum
Wesen geworden. Sie bemitleidete
ihn und malte sich ihn nach dem Bor
bild der Geschichten, die sie gelejen,
aus.
Er kam ' und enttäuschte sie,
denn er war so ganz anders, so gar
r.icht der Held- aus ihrm Büchern
äußerlich nicht und in seinem Wesen
noch weniger. Daher fing sie ein, das
Absonderliche in ihm zu suchen. Im
Grund eigentlich lediglich in dem
Wunsch nach einer Anregung, nach
dem des Werktags Mühe unc Arbeit
beendet. Biel Beikehr pflegte man
' ruf Westernhagen. seit die Hausfrau
fehlte, nicht, und der wenige war da
) nach. Höchstens kamen :in paar
- derbbiederc 'Gutsnachbarn von dS
Baters Schlag.
So wurde Nolf denn ihr Studien
obZekt, sie beobachtete ihn, versenkte
sich in seine Sce'enregungen und
reifte damit aus dem jungfräulichen
Mädclzen zum Weibe heran.
Das Wcib aber erkannte sehr bald,
daß der neue, ungewohnte Beruf, die
mancherlei Anforderungen, die er an
den Vetter stellte, die harte Arbeit,
die ihm fremd war, schwere Kämpfe
in ihm auslösten. Hanne lernte der
stehen, warum klnne Unebenheiten
in Wff" färfifirfiffiffit tu ilitn ,'Ne
zewisse Bedeutung erlangten und ihn
manches Mal aus der Siuhe des All
iagsgleises hinauszuschleudern droh
ien. Sie würdigte aber auch, wie
sich tapser immer wieder selber zu
rechlrückte, wie er den kleinen Widcr
wärtigkeitcn und des Ungewohnten
Herr wurde. Das flößte ihr Achtung
ein.
V Uno plllyiich ertappte sie sich en:c8
Tages erschreckt bei dem Wunsche:
.Ja, der wenn der" -
Während sie las, war der Ge
danke in ihr aufgestiegen, aus den
Blättern des abgegriffenen Buches,
das ihr in den Schoß geglitten, war
'er herausgewachsen, indes die Augen
verträumt in das abendliche Dunkel
hinausstarrten.
. Aergerlich sprang sie auf, und mit
der Herbheit eines gereizten Backfi
fches warf sie den Nomanband in den
Schrank.
Mithin wünschte sich der alte We
siernhagcn den Freiherr zum
Schwiegersohn, die kleine Hanne
hoffte auf ihn, und die Mamsell und
die Mägde und Knechte waren sich
einig, daß der Baron einzig und al
lein aufs Gut gekommen war, um
ihr gnädiges Fräulein zu freien.
Nur Rolf selbst fiel nicht im ent
ferntcstcn ein, in Hanne etwas an
v veres ais lerne viouint zu itnen.
Nachdem er sich mit seiner neuen
Tätigkeit abgefunden und erkannt
hatte, daß gerade die ernste, schwere
' Arbeit ihm Frieden und Vergessen
brachte, ging er völlig in ihr auf.
DaS Tagespensum nahm ihn des
Morgens beim Erwachen gefangen
nh nnh ikin rtt am ?sfxnh wieder
! frei, wenn der Schlaf den Faden fei
nes Denkens unterband.
Nicht einmal um den Fortgang sei
nes Scheidungsprozesses kümmerte er
firfi irrnr ei ihm dorfi öiillifl nWitftt
' qültiq. ob er äußerlich noch an War
. . ern gebunden war oder nicht.
) ' "
Berlin stand im Zenit der Hoch
Ä saison. Allmählich fing die Sache
i ' bereits an, wieder zu viel zu wer
' den. Marienbad und Karlsbad streck
T .
T -V .;
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Clf((b SioxtU
-r-y-:-.-' - ." 'ij
ien die Fänge drohend rniS, und
fchon streifte morgens der Blick miß
trauisch die Posleingänqe: waS mach
ten sie noch an inladuncn bringn?
Heute oder korrekter: seit ge
stern hatte man beim Gesandten
von X getanzt. Aber auch dieser
Kelch war glücklich bis zur Neige ge
leert, die beiden Herren, die eben aus
dem schwergeschnijitkn Portal, das
lautlos hinter ihnen inS Schloß fällt,
auf die Straße treten, scheinen offen
bar die letzten Gäste zu sein.
.Da fährt uns richtig die einzig
noch übrig gebliebene Karr vor der
Nase weg. Jetzt haben wir daS
Vergnügen, bei nachtschlafender Zeit
laufen zu dürfen nur weil Sie
sich imi-iout nicht beeilen konnten".
Assessor Sparring, der größere der
beiden Nachzügler, legt in die Worte
mehr Gereiztheit, als das kleine Miß
geschick wohl verdient. Sein um bei
nahe Kopfeslänge kleinerer Begleiter
sticht in dem vertragenen Havelock
und dem wettererprobMil Schlapp
Hut gegen den eleganten Juristen mit
dem tadellos aufgebügelten Zylinder
ausfallend ab. Er sieht zu dem an
deren über die Brillengläser weg, von
unten herauf, spöttisch empor und
entgegnet trocken:
.Gerade wag Schönes! Ein Stück
laufen nach einer solchen Getellschaft
ist gesund und verbilligt die Auslagen
für diese Festivitäten ungemein. In
dem Auto, das unS eben davon
pufft, sitzt sicher Frau vom Thal.
Was meinen Sie, wieviel der Um
weg, die nach Hause zu bringen, ge
kostet hatte! Ich bitte Sie. Nacht
taze Numero 3!"
Mit einer lässigen Lirtraulichkeit
schiebt er feinen Arm in den des
Assessors und zieht ihn mit sanfier
Gewalt vorwärts.
.Kommen Sie mal! Vorläufig
gehen wir eine Weile, urd dann ge
nehmigen wir ein Pui zum Abge
wohnen und schimpfen dazu über den
heutigen Abend!"
Sparrings Aerger war aber tiefer
gehend, und es gelingt Dressen daher
nicht so schnell wie gewöhnlich, dessen
schlechte Laune zu besiegen. Der
Lange reagierte eben auf nichts.
.Auch gut', dachte der Schriftsteller,
Ganz wie du lustig bist, mein
Sohn .
Da der Jurist maulend neben
ihm herging, fing er an, vergnügt
vor sich hin zu pfeifen: .Das sind
die Dollarprinzesjen, die Madchen
aus purem Gold"...
Seinen Begleiter schien das noch
mehr zu reizen.
Was wollen Sie damit sagen?"
fragte er schroff.
.Ich? Wieso denn?" Belustigt
llinzelte er Sparring von der Seite
an.
Tun Sie nicht unschuldig! Ich
kenne Sie! , Bei Ihnen hat alles
eine Bedeutung. Wenn Sie sich
nicht an etwas reiben können, ist
Ihnen nicht wohl. Gehört ja schließ
lich zu Ihrem Metier, müssen im
mer geistreich und witzig fein."
.Vielleicht gehört's wirklich zum
Beruf! Ist aber auch das Traurig
ste daran, daß man immer geistreich
und witzig fein muß. wenn man sein
Prestige erhalten will. Sie haben's
besser. Sie können nach Belieben
töricht fein, chne daß es Ihnen fcha
det."
Er sagte das so harmlos, so ohne
jede aggressive Schärfe, daß Spar
ring die Anrempdung geflissentlich
überhören konnte. Der Assessor brach
t es überhaupt nie fertig, dem
Schriftsteller ernstlich etwas übel
zu nehmen. Bressen war. obwohl
er mit seinem Spott (mit dem er
übrigens seine eigene Person am
wenigstens verschonte) immer den
Nagel auf den Kopf traf, im Grun
de ein durchaus gutherziger Kerl.
Allerdings verdankte er letzterer
Eigenschaft am wenigsten, daß er
in den exklusivsten Kreisen gern ge
sehen wurde und überall zu. treffen
war. wo Geselligkeit in größerem
Stil gepflegt wurde. Man verzieh
ihm. daß er reichlich eckig und un
gewandt war und in seinem Aeuße
ren höchst, unelegant manchmal
sogar fast salopp wirkte, nicht
etwa, weil er als durch und durci)
feiner und kluger Kopf galt, sondern
weil seine spitze Zunge die Unter
Haltung nach Tisch angenehm zu
würzen wußte. Außerdem hatte er
daS Glück gehabt, irgendwann und
aus irgendeinem Grunde entdeckt"
zu werden und in Mode gekommen
zu sein.
Sparing. der gewandte Weltmann,
pflegte natürlich ebenfalls viele Be
Ziehungen, und deshalb hatte eS sich
ganz von selbst ergeben, daß die bei
den sich häufig begegneten, und da
sie viele gemeinsame Werührungs
punkte fanden, standen sie bald ver
trauter miteinander, als das sonst
bei derartigen Bekanntschaften und
so gänzlich verschieden veranlagten
Menschen dcr Fall zu sein pflegt.
Bon einer Freundschaft zwischen ih
nen konnte man indessen, kaum 're
den. ' ,
Im allgemeinen hatte sich der As
scssor seit langem daran gewöhnt,
die leicht hinweggeworfenen Nand
glossen deß anderen nicht abzuwägen,
sie vielmehr für daS zu werten, mal
fje waren harmlose, flüchtige Au
genblicköelngebungen. Doch manch
mal packte ihn da gewisse Behar
runqsvermögen des .geborenen
StnütsanwalteS". daS ihm im Blut
lag, und dann verbiß er sich in ir
genteine Bemerkung bei Cchriststel
leti, und setzte diesem zu, biS et
zu regelrechten Wortgefechten kam.
Heute, nun gar, wo er außerordent
lich verstimmt war. fühlte er sichbe
sonders geneigt, nicht locker zu lassen.
,LvS also! WaS ist'S mit den
Dellarprinzessen?" wiederholte er.
Mein Gott! Haben Sie denn
nicht genug heiratsfähige junge Mäd
chen von der Sorte beieinander ge
habt, die in der angenehmen Lage
sind, sich ihr Spielzeug für daS biß
chen Ehe nach Gewicht kaufen zu
lassen? Ein paar waren darunter,
die sich eine Auswahl, nach Haar
färbe und Handschuhnummer sor
tieri. präsentieren lassen können.
Sparring zuckte indigniert mit den
Achseln.
.Sie übertreiben immer!"
' .Gut, , lassen wir die Handschuh
nummer fallen! Bleibt noch genug,
um recht zu behalten!"
Und warum predigen Sie mir
das?"
.Ihnen? Keine Spur! Sie ha
ben mich gefragt, und ich habe JtZ
nen meine Antwort gegeben."
.Machen Sie keine Ausflüchte!
WaS sollte daS Pfeifen vorhin be
deuten?"
Na, wenn Sie durchaus wollen!
Ich wollte Sie nur freundschaftlichst
loarnen."
.Vor wem?"
.Vor dem neuesten Star" unse
rer Berliner Gesellschaft, der frisch
zugereisten schönen Freifrau aus dem
ostpreußischen Dingsda!"
Bei mir unnötig!"
Desto besser!"
Bressen fällt dem Assessor direkt
auf die Nerven, und noch nie, seit
sie sich kennen, ist er ihm dermaßen
unsympathisch gewesen. Wieder ge
hen sie schweigend ein Stück neben
einander her, bis die Neugier doch
bei Sparring die Oberhand ge
winnt. Er will wissen, waS alles
von guten und schlechten Eigenschaf
ten sein Begleiter mit seinem durcy
dringenden Scharfsinn an der eigen
artigen Frau entdeckt haben mag '
und das um so mehr, als er st, oft
ganz in den Zauber der neuaufge
tauchten Erscheinung befangen ist.
Was haben Sie an der Baronin
auszusetzen?"
Ich? Absolut -nichts! Sie ge
fällt mir ausnehmend gut."
1 Warum warnen Sie mich dann?"
Der Assessor wird fast hitzig.
Menschenfreundlich, wie ich tnich
habe!"
.Unsinn!"
Vielleicht nicht ganz! Lassen Sie
sich gesagt sein: Sie ist eine Frau
mit einem Eispanzer ums Herz. Das
ist gefährlich am gefährlichsten
aber, wenn dieser Eispanzer mal
zerspringt, wenn das Weib, wissen
Sie, rein animalisch gemeint, in ihr
die Oberhand gewinnt."
Für Ihre Person fürchten Sie
anscheinend die Gefahren nicht.
Wenn ich nicht irre, haben Sie für
morgen eine Einladung angenom
men?"
Stimmt! Sie beobachten recht
nett und scharf! Allein, verehrter
Herr und Zeitgenosse, bei mir ist
das, wie Sie vorhin richtig bemerk
ten: Metier. Unsereiner muß nicht
nur andauernd geistreicheln, er muß
auch studieren, sezieren!"
Doch da sind wir gerade an einer
guten Quelle! Wie ist's mit einem
Pils? Nicht? Auch gut! Dem
nach adieu für heute!"
Adieu!"
Frostig reicht ihm Sparring die
Hand und wknkt einem vorbeifahren
den Wagen.
Bressen zieht, ehe er daS Lokal be
tritt dem Davonfahrenden noch eine
Weile kopfschüttelnd nach: Nein,
mein Freund," denkt er, für die
Baronin vom Thal sind wir beide
nicht aus dem richtigen Holz ge
schnitten, du nicht und ich
ach, du liebe Güte!" Dann geht er
hinein, putzt sich umständlich die
Brille, blinzelt mit den Augen, er
faßt hier und da ?ine Eigenart der
Umsitzenden, bespöttelt sie in seinem
Innern und trinkt in aller Gemüt
lichkcit seine diversen Pils zum
Abgewöhnen.
Währenddessen hat sich der As
sessor in die Kissen des ratternden,
stoßenden Auto gedrückt und hadert
mit sich und dem, anderen. WaS
wollte dieser PseudoPsychologe? Hat
te er wirklich gleich einem verliebten
Studenten Feuer gefangen und das
zu offenkundig gezeigt, hatte er je
nem in der Tat Anlaß gegeben, fein
Zünglein an ihm und der entzücken
den Marga zu wetzen? '
, (Fortsetzung folgt.) ,
EinFaulvel. Besann
ter (aus der Hauptstadt zurückge
kehrt): J?r kohn,.,der Student, läßt
Sie auch grüßen! .
Bater: Natürlich, der Faulpelz!
Nichts tut er mebr selber, alle läki
er andere besorgen!
Die bunte Ueste.
ZutortiUrtc llrtVrf.'Vima ou3 brm
TchivedchtM von iMca Slerttbkrg.
Won Tigurd Wcsibcrg.
Verzweifelt warf Vannliiig den
Manuskripthaufen zur Erde. TaS
war nun zum viertenmal im Zeit
räum von Iwei Monaten! Diese ver
dämmten Verleger! Nie mehr im Lk
ben würde er ein Buch herausbiin
gen, wenn es auf dies Weise fort
ginge.
Und der junge Lyriker nahm den
leeren Bogen, der bor ihm auf dem
arg zugerichteten Schreibtisch lag, riß
ihn in Atome und formte daraus
kleine Kugeln, die er nach sorgsamem
Zielen mit Hile des Taumenö auf
die Nase von Nydbergs Büste beför
derte.
Wie sollte da? enden! Was wür
den seine Eltern sagen? Eine Gedicht
samiillu'ig hatte er erst herausgegeben
die mild gelobt worden und dann
an Schwindsucht gerstorben war. Al
lerdings hatte er das Versprechen von
zu Hause,' daß man ihn unterstütze, so
lange seine Studien in Upsala bau
ern. Doch in vierzehn Tagen war
die Gnadenfrist verstrichen. Wenn er
nun nein Upfala und Lizentiat
jur., nein, Kandidat meinte er....
Aber nicht doch Kandidat"
.Können Sie denn nicht"
Die Hirnmaschine funktionierte
nicht mehr, und Rudolf Vannling
schlief.
Es war Uhr abends, als
Vannling nach einem langen, krästi
gen Schlaf erwachte. Er lag eine
Weile still auf dem Sofa und dachte
nach. Was für einen merkwürdigen
Traum hktte er doch eben gehabt? Ja
gewiß nun erinnerte er sich. Das
würde eine Rettung sein vor dem
drohenden Niagara, der sich von allen
Seiten herbeiwälzte, um ihn, das
Fahrzeug, das man irrtümlich für ,o
zerbrechlich hielt, zu vernichten.
Es war wirklich merkwürdig, daß
ihm diese Idee ut jetzt im Traum
gekommen war. Es war ja doch fein
eigener, ulter, ehrlicher, wahrer Ge
danke! Obivohl er sich wahrscheinlich
nie vorgestellt hatte, daß er sich ver
wirklichen ließe und noch dazu in
diesem Lande und von ihm, dem
Verfasser und Schöpfer selbst.
Die Sache wäre lächerlich, wenn
sie nicht so ernst wäre.
Jedenfalls galt es nun schnell zu
handeln und doch klug.
Ob er zur sachverständigen Erwä
gung die alte Novelle hervorsuchte,
die er Inhalt nach die bunte
Weste getauft hatte? Er hatte sie nicht
drucken lassen, doch nun brauchte er
sie zur Uzvertragung in die Wirk
lichkeit.
Und Vannling stürmte die. Papier
Haufen in den Schreibtischladen. Jn
oischen erwog er scharf die Ausfich
ten für i,iid gegen den Erfolg eines
so wahnsinnigen Vorhabens. Er such
te gewaltsam und fand alle möglichen
mehr od:r weniger wichtigen Doku
mente, doch nicht die bunte Weste"
Als er endlich in vollem Mißmut zrm
drittenmal eine Schublade durch
wühlte, der nur seine öffentlichen
Verdienste lagen, faßte, er sechzehn
unsaubere Blätter Hurrah Die
bunte Weste!"
Da er gerade im Begriff gewesen
war, das Suchen aufzugeben, hielt er
das für G,ttes Finger und fühlte sich
um so stärker in seinem Entschluß.
Nach d,m Lesen zog er feine Stie
fel aus, warf den Rock auf einen
Stuhl und setzte sich auf den Bett
rand, um, den Kopf in die Hände ge
stützt, den Plan zu Ende zu denken.
Er geriet in eine so exaltierte Stim
mung daß er glaubte, es wäre ein
an und für sich guter Plan, den er
nun, in der Stunde der Not der
wirklichen müsse. Er zog sich vollends
aus und löschte die Lampe; doch lan
ge noch 'cq er wach im Bett, die Ein
zelheiten durchdenkend und verbes
sernd.
Beim Erwachen am nächsten Mor
gen , sah er die Sache allerdings in
dem neuen Tagelicht. Und er ent
deckte fchiimme Mängel, wo er gestern
eitel Verdienste gesehen hatte. Doch
es war der einzige Weg, und sein
Entschluß stand fest.
Bannling ging zu seinem Schnei
der. Nach langem Prüfen und Zwei
sein entschied et sich für purpurrote
Wolle nicht Samt, pfui Teufel,
das wirkte bäurisch oder artistenhaf'
und daraus bestellte er sich eine
Weste.
Der junge Lyriker hatte schon öfter
feine eigenen Einfälle bei seiner
Kleidung geltend gemacht schot
tische Beinkleider und dergleichen ,
so daß Sie Idee zur Architektur die
ser eigenartigen Weste seinen Schnei,
der kein:',vegs in Erstaunen setzte.
Im übrigen konnte er ja glauben, es
gelte üne Maskerade. Vannling ließ
weißes Seidenband von einem halben
Zoll Br:ite aus die Weste nähen,
sechs Reihen auf jeder Seite, schräg
von den Außenseiten abwärts zur
Mitte gehend. Das einzige, worauf
hinzuweisen der Schneider sich erlaub
te, war, daß eine solche Weste wirken
würde, wie ein ausgeschnittener
Mensch Fleisch und Nippen.
.Ja." sagte Vannling, grüßte und
ging.
Drei Uaae mußte er auf die Weste
warten. Aber dann fand er sie auch
außerord.'ntlich ' wirkungsvoll, und
mit Stolz prüfte r seine Idee vor
dem größten Spiegel im Zimmer. Er
bekam das bunte Ding früh am Mor
gen und machte nach dem Frühstück
befonderö sorgfältig Toilette. Dann
zog er den HerbstUeberzieher an,
l ii iv sie unwillkürlich, analog der No
velle, unsichtbare Staubkörnchen da
von ab und ready; er ging zum
Verleger.
Ohne tle Hände auö den Nockta
schert zu nehmen, wo er sie in den letz
ten zwei Minuten zu beruhigen ge
sucht baite, spuckte er die Zigarette
aus und stieß die Tür mit dem Fu
ße auf....
Ist Direktor Asper, zu sprechen?"
.Wen darf ich melden?"
.Nildo'f Vannling."
.Doktor?"
Kandidat Vannling, Herr Vann
ling."
Herr Vanling. dcknke. Bitte warten
Sie einen Augenblick, es find drei
Herren vor Ihnen drinnen."
Mit todesverächtlicher Ruhe fetzte
sich Vannling aus einen Stuhl und
ließ den !?lick über die voll besetzten
Fächer mit guten, berühmten Namen
gleiten. .
.Bitte, nun ist Herr Aspern frei!"
hieß es nach Verlauf von 20 Minu
ten, und Vannling fühlte ein wenig
Ezamenfieber in den Adern.
Er ging hinein, verbeugte sich und
begann zu sprechen. Asper war sein
alter Verleger, er hatte seine einzi
ge Gedichtssammlung verlegt. Er
brauchte sich also nicht vorzustellen.
Mechanisch begann er seine einge
lernte Leier, verlor den Faden, hielt
es für lächerlich, etwas Auswendig
gelerntes yerunterzulappern, versuchte
vergebens den Faden wiederzufinren
brummelte vor sich hin und sprach
endlich, was ihm gerade einfiel. 'An
fanzs etwas unklar, doch beim Klang
seiner eigenen Worte bemäntelte er
schnell diz zweifellose Nervosität.
Und Vannling gab eine kurze, ri
entierende Uebersicht über die Be
deutung der Reklame für jede Art
von Erfolg und über den hohen
Standpunkt des Zukunftslandes Ame
rika in dieser Beziehung und das
leicht festzustellende und beklagenö
werte Zurückbleiben Schwedens.
Direktor Asper hörte ein wenig er
staunt zu. Er verstand nicht recht, um
was es sich handelte.
Doch Vannling redete beharrlich
und gab dem Verleger keine Gelegen
heit, unterbrechend einzufallen. Er
mußte zu Ende reden, da er nun im
Fahrwasser war, sonst das fühlte
er bei sich , war er nicht sicher, den
etwas überlegenen, kühl selbstbewuß
ten Ton wiederzufinden, den er sich
erobert hatte. Und so führte er die
Entwicklung seiner Idee so weit aus,
daß er mit' den folgenden Worten
schließen konnte:
'Ich meine also, Herr Direktor,
ohne etwa damit behaupten zu
wollen, daß Sie keinen weiten und
klaren Blick über die Sache hätten-,
daß hierin noch unendlich viel zu
tun übrig ist, besonders was die Li
teratur betrifft. Für die Margarine
geschieht noch am meisten da wird
gut annonciert, wenigstens was die
Größe betrifft, obwohl die Origina
lität ein i?enig nachstehen muß'
Herr Asper war sich noch nicht recht
klar darüber, wohin der junge Skal
de, der so unglaublich sicher auftrat,
eigentlich zielte. Er wies deshalb nur
darauf hin, daß er glaube, durch
seine schnellen kritischen Bemerkungen
ii. Biicherankündigungen und derglei
chen mehr auf diesem Wege recht viel
getan zu haben.
Nun war der Augenblick für seinen
großen Schlag gekommen. Mit einer
wohlberechneten Bewegung, als wolle
er aufstehen, begann der Lyriker wie
der zu sprechen, diesmal sehr kurz
und gedrängt, ruhig und vornehm.
Nun, Herr Direktor, meine Mei
nung ist einfach die: Ich hatte die
Ehre,, Ihnen eine neue Gedichtsamm
lung v anzubieten; Sie haben sie
freundlich, aber bestimmt abgelehnt,
was mich natürlich , nicht wundern
kann, da ich ja weiß, wie unlyrisch
dieses Land ist; doch nun bin ich hier,
um sie Ihnen nochmals anzubieten,
dieses Mal mit einer Idee, die dem
Buche unbedingt einen großen Erfolg
sichern . wird. Sie zweifeln? Sehen
Sie her was sagen Sie dazu!"
Und Vannling knöpfte rasch seinen
Reck 'auf, den er wider die Regel bis
jetzt geschlossen gehalten' hatte, und
zeigte dem geblendeten Direktor seine
prachtvolle rote Weste mit weißen
Streifen.
Zur äußersten Grenze des Erstau
nens gebracht, starrte Herr Aspern
dcm jungen Lyriker in das stolze Ge
sicht. ;
, Ja, eine sehr schöne Weste, doch
. . . ich bedaure, aber ich verstehe noch
nicht recht...." ,
.Nein, das ist wohl auch nicht so
leicht," sagt Vannling und setzte sich
wieder, nicht ohne Stolz auf den
prachtvollen Seidenbändern der Herr
lich prunkenden Weste fingernd. .Nun,
ich habe Sie bitten wollen, meinem
Buch, wenn SieJes nun drucken las
sen, einen Umschlag von genau den
selben Farben und demselben Muster
,u geben wie diese Weste. Alle übrige
rgibt sich ja von selbst. ES versteht
sich, daß ich zur Zeit, da mein Buch
in den Fenstern auöliegt, aus meinen
Sirandvags und anderen fashiona
beln PkZinenaden stets diese Weste
trage, ole, wie ich mir schmeichle,
nicht mißlungen ist. Die Leute blicken
auf die Weste sie blicken in die
Schausenster sie vergleichen; sie
werden neugierig, interessiert und
der Absatz btt Buches ist gesichert.
Erfolg, unbedingter Erfolg."
Das Gesicht des geschäftstüchtigen
Direktors Asper verzog sich zu einem
breiten Lächeln, und nicht ohne Wär
ine sagte er: Eine merkwürdige Idee
aber eine gute Idee. Wollen Sie
morgen um die gleiche Zeit wieder
kommen, so will ich Ihnen meinen
Entschluß mitteilen. Die Idee ist
wirklich nicht übel, und ich glaube
wohl, wir werden übereinkommen.
Doch wie gesagt, ich will mir die Sa
che dennoch bis morgen überlegen
auf Wiedersehen also."
Und Vannling verbeugte sich und
ging. ,
Zweiundfünfzig Wochen waren ver
gangen, als der viel besprochene junge
Lyriker von seinen intimen Freunden
zu einem festlichen Souper eingelade,;
wurde, mit dem eine glückliche Ge
burt gefeiert werden sollte die
zweite Auflage von Rote Rubinen"
sollte am nächsten Tage der größte
Schmuck der Lücherauslagen werden.
Als Vannling eintrat, sorgsamst
gekleidet und siegesstolz, begrüßte ihn
ein kräftiges Willkommen" aus
vierzehn Kehlen. Alle Freunde trugen
zu Ehren des Tages schwarze, höchst
moderne Röcke. Vcknnlings Zwillings
bruder in der Skaldenkunst stieg auf
einen Stuhl mitten m dem festlich
geschmückien Saal, forderte ein
Glas für den Ehrengast und sagte:
.Auf dein Wohl, mein Bruder, du.
ver Ruhm unserer Skaldenkunst.
Die Reihe der Reden kommt ' später.
Nun will ich dir nur eins sagen: steh,
was deine treuen Freunde getan ha
ben, um deinen großen Freudentag zu
feiern. Kameraden! Eins, zwei, drei!"
Und siehe, vierzehn rote schöne We
sten enthüllten sich nicht wie durch
einen Zanberschlag, sondern durch
das Auflnöpfen eben so vieler moder
ner Röcke und sie alle leuchteten
schön dunkelrot und mit breiten vei
ßen Bändern, Eeidenbändern.
Aber da geschah etwas Wunderba
res. Aannlings Gesicht zeigte nicht
Stolz und Befriedigung über diese
diskrete Ehrung der Freunde, fon
dern es überzog sich mit dem dunkel
sten Rot, und hart warf er sein
Glas zur Erde.
Als das Glas zersprang, wurde es
totenstill.
Und am nächsten Tage sahen sie
alle, daß der Umschlag der neuen
Auflage nicht rot war mit breiten
weißen Bändern, wie sie erwartet hal
ten, fondern weiß, ganz weiß. Und
bald konstatierte man, daß nach dem
Schluß de: ersten Auflage das Rot
auf Vannling wirkte wie auf einen
Stier. Gleichwohl hatte er ja in dem
Zeichen dieser Farbe gesiegt. Was
konnte das nur bedeuten? Es hatte
doch wohl nichts mit der lachenden
Frau zu tun, die ihn und seine rote
Weste einst so belustigt angesehen
hatte, als er auf Karlavögen prome
nierte? Ein Frcuudschaftödicnst,
Sieben Jagdgenossen eilen dem
Bahnhof zu. Es ist hohe Zeit, und
Herr Lukas, der etwas beleibt und
gerade kein Schnellläufer ist, kommt
arg ins Hintertreffen.
Krause", ruft er seinem voranei
lenden Freunde nach, kauf' Mir ein
Billett mit!" -
Jawohl!" brüllt Krause zurück.
Als Herr Lukas endlich auf dem
Bahnhof anlangt, will sich der Zug
eben in Bewegung setzen. Triefend
bor Schweiß stolpert er gerade noch
ins Kupee hinein.
Habt ihr mir ein Billett gekauft?"
keucht er. .
.Donnerwetter!" sagt Krause, das
habe ich vergessen!"
.Vergessen! Mensch, was fange ich
jetzt an?"
.Ach, weißt du was", raten ihm
die Freunde, kriech einstweilen un
ter die Bank; wir setzen uns vor,
und die paar Minuten, bis der
Schaffner dagewesen ist, hältst du's
schon aus."
Lukas kriecht wimmernd unter die
Bank. Er stöhnt und keucht entsetz
'.ich, wird über mäuschenstill, als der
Schaffner eintritt.
Die Billette, meine Herren!"
Krause reicht ihm sämtliche Fahr
karten hin. ,
Aber, das sind ja sieben Karten,
und es sind doch nur sechs Herren.
Wo ist denn dcr siebente?" '
Da zeigt Krause unter .die Bank:
Da liegt er!"
Politisches Wortspiel.
Die Feinde können'ö nicht fassen, daß
wir sie immer fassen und ihnen, trotz
ihrer Uebermacht, in der Macht
über sind! '
Naheliegend. Frau: Den
km Sie, mein Mann hat einen Hitz
schlag bekommen.
Kein Wunder, so neik wie Sie
ihm auch das Leben machen, '.
'kelmatsgMl.
. Ist da! HelmatZgefühl der mensch
lichen Natur eingeboren, ist 'eS ein
mehr oder weniger iiark entwickelter
Instinkt, oder bedarf S wie andere
Edelgewachse im Garten der Mensch
heit der sorgfältigen Pflege und
Wartung? Im Vergleich zum L!a
terlandögksühl -stellt sich daS Heimats '
gesühl alS das einfachere, Ursprung
lichere dar, daS sich zuerst bei dem
das nomadische Umherslreisen mit der
Seßhaftigkeit vertauschenden Acker
bauenden findet. Die Scholle, die
man bestellt, die jahraus, jahrein
Mühe und Arbeit erfordert, wächst
ihrem Besitzer ans Herz. Der von
der Scholle Losgerissene kommt sich
mit Recht als ein Entwurzelter vor.
Das kleine Stückchen Erde bildet zu
nächst die enge Heimat, und die auf
sie verwendete Liebe ist das Heimats
gefühl. das zunächst noch gar keine
großen Worte und noch weniger poe
tische Gedanken auslöst; denn als et
was noch ganz Unbewußtes, über daS
Rechenschaft abzukgen man nicht ge
wohnt ist, lebt es in der Seele solcher
Menschen, deren Wünsche noch der
Ernten ruhiger Kreislauf begrenzt.
-Auch im Jugendzeitalter dcr Völ
ker, wo die in die Ferne und ins Un
gewisse drängende Abenteuerlust den
Mann beherrscht, kommt das Hei
matsgefühl nicht immer zum Durch
bruch. Lei den Teutschen stellt es
sich merkwürdig spät ein, während
die griechischen Stämme sich schon in
ganz bewußtem und ihren Stolz be
lebendem Gegensatz zu allen andern
Völkern fühlen. Auch sie wandern,
wandern sogar aus, aber das liebe
volle Erinnern an die Heimat bleibt
ihnen lebendig, und manch bedeuten
der Mann, der sich von griechischer
Undankbarkeit zu großmütigen Bar
barenkönigen geflüchtet hatte, geht in
nerlich am Hellasheimweh zu Grunde.
Geibcl. der Dichter des 19. Jahr
Hunderts, läßt wohl in seinem weh
wütigen Liede Volkers Nachtgesang"
den lustigen Spielmann von Alzei,
den Waffenbruder des grimmen Ha
gen, im fernen Hunnenlande, wo der
Tod die Burgunder umlauert, der
schönen Heimat am Rhein gedenken
aber der Volker des echten Nibe
lungenliedes wendet sich gleich den
andern deutschen Necken, auch dann,
als sie die sichere Gewißheit haben,
Worms nie wieder zu sehen, mit kei
nem Gedanken der Heimat zu.
Das erklärt sich wohl daraus, daß
in Zeiten, wo alle Kräfte in äußeres
Tatleben . hineingebannt sind,' : der
Sinn für das Nachdenkliche, Beschau
liche noch schlummert. , Bei dem
schnelllebigen, rasch seine Physische
wie geistige Lebenskraft verzehrenden
Griechenvolk ist er früher da als bei
dem schwerfälligen, zähen, wahr
fcheinlich zu längerer Dauer bestimm
ten Germancnvolk im Herzen von
Europa.
Erst wenn das Vergleichen anhebt,
erst wenn der Blick sich schärft für
das Eigentümliche und der Charakter
soweit fest geworden ist, daß er sich
nicht mehr blindlings vom neuen
überrumpeln läßt, erwacht das Hei
matsgefühl. Unter den deutschen
Dichtern ist es der viel in der Welt
herumgekommene Walther von der
Vogelweide, der es mit allem Nach
druck vertritt und ihm zugleich eine
Wendung auf das Ethische gibt, in
dem er den Vergleich zwischen wel
scher und deutscher Art zugunsten der
letzteren zieht.
Aus der Kenntnis der Ferne ge
winnt man vielleicht die stärkste Nah
rung für den Heimatsinn. Die Hei
mat kann liegen in gesegneten Him
mels strichen oder in solchen von der
Natur kärglich bedachten sie bleibt
eben die Heimat, die uns lieb gewor
den ist und durch die großen und
kleinen Dinge unseres Lebens, die mit
ihr unlöslich verbunden sind. Mag
die Wanderlust auch noch so heftig
gestürmt, mag es uns daheim zu enge
geworden sein, so daß wir mit dem
Dichter Eichendorff wünschten: In
die Ferne möcht' ich ziehen, weit aus
meines Vaters Haus! Wo die Ber
gesspitzen glühen, wo die fremden
Blumen blühen, ruhte meine Seele
aus. . ." einmal kommt doch die
Stunde, wo wir nichts brennender
wünschen, als wieder die Luft der
Heimat atmen zu dürfen, noch ein
mal, als erwachsener Mensch, die
Pfade wieder gehen zu können, die
wir in unserer Jugend gewandelt
sind, denn dasJugendland ist ein mit
ganz besonderer Weihe gehüteter Platz
des größeren Heimatlandes.
Je zarter besaitet ein Mensch, desto
lebendiger wird sein Heimatgefühl
sein. Mit echter Bildung nimmt eS
nicht ab, es kann sich nur vertiefen,
um dann in jene idealen Höhen hin
einzuwachsen, in welche der Gedan
kenflug eines Schiller sich wagt. Bon
einem .Zufallsvaterland" sprechen
nur die Toren, die Leute, denen bei
ihrem Jndentaghineinleben jeder siar
ke ' Daseinsgehalt verloren gegangen
ist. Flüchtige Weltbummler, die
überall und nirgends zu Hause sind,
kennen freilich dieses selig-schmerzli
che- Heimatgefühl nicht. Gewohnt,
bald hier, bald dort ihr modernes
Nomadenzelt aufzuschlagen, packt kein
Leid sie. an, wenn sie einen Wohnsitz
verlassen müssen. Dafür kommen sie
reiW auch nie zur. jinneren Ruhs