Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, September 12, 1914, Image 5

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Grl'ovnisso eines Augenzeugen.
Die Wahrheit über Auzschreitungtn der pariftr vevölkruttz.
CrmordunF deutscher Neichsangehörizer. ZcrtrKmRe.
rung deutscher Geschäfte. Taz Ui Schrecken, und der
2lufrezunzen
we aisichttichk Verbreitung von
S 1 Unklarheiten beim Beginne
cinki Kriege gehört zum rno
Vw' dermn Rüstzeug, Wie weit
diese Wass, In den anderen vom Krieg be
ruhrtkn Länder gebrauet)! würd, kann ich
nicht sag,, da ich wähttnd dir fcauptj'it
der KriegSorbereltungen und de Krieg!
beginn, d. I vom 1. dil ZI August, in
Antwerpen. Pari und London zugebracht
hab, fto ich vo allen Nachrichten, die
ußtihald Belgikn. Frankreich und
England ihren Ursprung hatten, abge
schloffen war. Man hallt mich darum
nicht fü, parteiisch, wenn ich mich nur mit
dem Uktterschied besässe, der sich weitllas
send austhut, zwischen dem, Kai ich in
den französisch und englischen Zeitungen
und j0ffiziklle Berichten iiber die Bor
lomckniss während der Modilisation und
der ..fien Kampfzeit las, mit dem, was
ich in den Hauptstädten der Alliirten that
käckÜch gesehen vvd miterlebt habe.
ßl w kaum über jwei Wochen seit ich
Paris da letzte SJial verlieh, alt ich am
2. August zurückkehrte und bei Straßen
bild mir im ersten Augenblick unverändert
schien. El war ein Sonntag. Tie
Straßen um den Nordbahnhof waren ge
drängt voll von Leuten. Wie damals, als'
ich abfuhr, am 14. Juli, prunlten auch
jetzt alle Häuser im Flaggenschmuck. Keine
Straßenbahn und kein Omnibus hätte
dii Menschenmauetn durchdringe können,
und Toi am 14. Juli wurde auch an die
fern Sonntag kein Versuch gemacht, sie
dem Verkehr dienstbar zu machen. Aber
rin großer Unterschied konnte doch schnell
genug erkannt werden: Damali am a,
tionakn Festtage flogen Tanzet und 2än
zerinne in, Festkleidern in Reihen über
den Asphalt hin; auf den in der Mitte
0 Straß errichteten Tribünen janchiten
die Violinen, fangen die Flöten und Be
lkuchtung!,'Ballong zitterten in der Lst.
Hutt drängten die Menschen stumm an
einander, vorüber oder marteren wortlos,
bi , sich Oefsnungen in de lebenden
Mauern aufthaten, in die sich die War
tenden hineinschieben und so weitctkom
men konnten. Jubel und Musik und e
sang und Tanz erfüllten damals die Pa
liser, wahrend sie heute resignirt oder Der
zweifelt oder mit verhaltenem Zorn zu
sahen, wie den dicht hintereinander folgen
den Zügen junge und altere Männ?r in
Massen otsiiegen gezwungen sich in den
biI entwöhnten Militärdienst zu siel
ien. ' Es waren die Reservisten, die für
dyi ersten Zag der Mobüisirung rindern
sen wann. Die so begonnene Modilisi
rung sollte nach den Plänen der Kriegs
Verwaltung noch 21 Zage dauern, doch
srn am 13. Tage gratulirten die Zei
tungcn dem Kriegsmjnisterjum, und das
Kriksministerium gratulirte der Nation,
datz Hit Mobilisirung bereits 6 Zage vor
d vrojettirten Zeit beendigt war: aus
eigeuer Erfahrung kann ich dem entgegen
sehen, daß in WaKrhcit diese Mobilisirung
m 16., 17. und 18. Tage noch im vollen
Gange war. Wie lange es noch weiterge
dauert, kann ich nicht sagen, da ich dann
ach London suhr. Auch die von den in
französischen und englischen Zeitungen ge
rühmten Allsbrüche von Enthusiasmus
fcitc-njj der Einberufenen, habe ich nicht
!,,'hcrt oder gesehen; die eingekleideten Re
ervisten zogen stumm aus der Stadt hin
aus. Keine Musik begleitete sie, nur wei
mnde Frauen und Kinder liefen nebenher,
jenen das Geleit! bis zu den Bahnhöfen
gebend und mitleidsvolle Augen starrten
de mit unregelmäßigen Tritten in
Marschkolonnen Dahinziehenden nach. Ein
. .nzigek Regiment machte eine Ausnahme
von dies Regel. Es war das Pariser
Spezial-Regiment, das man in der Me
tropole hezeichnend ,Les Biirines" nennt.
Chaffeuri au pied in dunkelblauen Uni
formen.- Diese zöge mit lautem srohcu
Gesang nach Versailles. Die flott Ilei
nen Kerle krutirte sich aus dein dun
keksien Paris, jn dem sie sonst alt Apachen
ti.tt kiie! beklagt, Roll, spielen. ' , . -'
Eine ungewohnten, rschütternben An
5Nck boten d Boulevards. Obgleich Pa
! st dem letzten August als in Belage
ngjzustand und unter strenger milita
lisch, Kontrolle stehend erklärt Wurde,
jedt Zusammenrottung verboten war. zogen
tttdn von Burschen und Weibern unter
orgytragung der Tricolo durch die
Sauvistraßen. zerbrachen Fensterscheiben,
ßeqvlikten herabgelassene. Eisenroll-Läden,
stürmte in die vssenen Geschäfte, zrr
schmetterten die Einrichtungen, stahien,
mt sich forttragen ließ, rissen Firmen
schilder herunter, derprügelten die Laden
wtzabtt. soweit dieselben nicht vorher ge
flohen waren. Ein deutHei Wort in de,
tzirma gtnUgte zur Entfachung de, Wuth,
der Ausdruck .Münchener Bier' war hin
reichend, um den .Patriotismus" der ge
!ed?pse Banden so anzufeuern, daß sie die
einfstnden Wirthschaften dem Erdboden
gleich machten. Ein Pariser Hausfrau
Nagte, dafc die LerkaufLäden de, Milch,
gesellschast .Maggi", es gab deren iiber
200 in Pari allein, nur darum zerstört
wurden, weil dir französischen Milchhänd
ler die Mengen gegen sie aufgehetzt. Unter
der Konkurrenz d:: Teutschen, dir gute
Milch billiger abgaben, hatten sie zu lange
gelitten? Ander sagten mir. die Wuth
der Pariser gegen die Maggi'.Gesell
fchaft habe darum einen so hohen Grad
trreicht, weil der Generaldirektor am Tage
vor der Mobilisation 14 Millionen Fran
kn. baar In Gold und goldgleichen Si
cherbeiten in zwei Automobile geladen,
um sie iiber die Grenze zu schaffen. Das
hatt allerdings keinen wirklichen Hh ge
den können, denn im letzten Augenblick
hatten die französische Autoritäten von
der beabsichtigten Flucht ersaheen.
änderten feie Richtung ker Auto und da
Geld wurde von Ihnen in Verwahrung ge
nommen. Dr Direktor erhielt Ine gm
pfangstestätigung ohne ein Datum, wann
dasselbe ihm wieder zu, Verfügung gestellt
werden würde. '
Die Karlsbader Porcellan Niederlage
am Boulevard des Italien wurde gleich
fall gestürmt. Die eisernen Gitter da
vor wurden herausgebrochen, die Thüren
eingeschlagen, und l die patriotischen
Einbrecher bzogen. war der Fußboden
de großen Lokales kniehoch mit Scherben
bedeckt und jene Seite de Boulevard war
unpaffirbar. denn dort lagen die gtuinen
der jemals luzuriöse Einrichtungen de
Geschäft,.
Einen gleichen Anblick boten die Ersri
schungshallen der englischen Bltiengesell
schast. die in ihrer Firma de Namen des
Gründers derselben. Axpenrodt. sührt.
Der Besitzer diese Namens selbst, ein ge
borener Deutscher, in England naturali
siri, lebt in seinem Bdoptivvatcrlande, wo
er Hunderte solcher Ersrischungshallen er
richtet hat. Er hat sogar jetzt alS erster
einen Check von 5,000 Pfund an das eng
lische Rothe Kreuz gesandt, zur Pflege der
englischen, französischen und belgische
Verwundeten. Doch der deutsche Name
war das Verderben seiner Gesellschaft.
Wie das prunkvolle Hauptlokal aus dem
Boulevard, wurden auch deren übrige Re
staurationen vollständig zerstört; was
nicht mehr ausgctrilnken oder fortgetragen
werden konnte, wurde auf die Straße ge
morsen, die Einrichtungen zerschlagen und
die Fragmente derselben gegen die prächti
gen Spiegelscheiben geschleudert, bis auch
diese klirrend in den Schutt fielen.
Einige Häuser weit davon befand sich
ein großes Restaurant, das sich wirklich
unverdienterireise Restaurant Viennoffe"
nannte, aber sonst durchaus französisch ge
führt wurde. Einige Stunden nachdem
die Menge dieses Zeichens ansichtig gewor,
den. gab es dort keine Wiener und keine
Pariser Küche mehr, keine Wurste und
keine Pot au fu. keinen Wirth und sei
nen Kellner; aber auch keine Gläser und
auch keine Teller mehr, keinen ganzen
Stuhl und keinen unzerbrochenen Tisch.
Erst als die Menge diese Ueberzeugung g:
Wonnen hutte, wandte sie sich neuen Un
tcrnehmungen zu.
Tie Automobil-Firma Daimler, mit
Fabriken in Frankreich. Deutschland und
Oesterreich scheint ein gleiches Schicksal
für ihre Niederlage am Boulevard des
Eapucincs befürctüet zu baden, denn
prompt erschien a den heradgelüssenen
Rolladen ein geschriebenes Plakat: Unsere
Angestellten sind ur Armee gegangen, um
zu kämpfen .Contre les reptiles alle
mands' (a,tvn die deutschen Reptilien).
Mit dieser Klugheit" hatten sie sich auch
vor dem drokenden Ansturm geretttt.
Wie die Boulevards waren auch Sei
tenstraßen die Zeuqen von solckzem Van
dalismus. Zn der Rue d'Hauteville U-
findet sich ein Restaurant, das sich einer
Wiener Küche rühmt. Thatsächlich gehen
auch viele Oesterreicher und Deutsche re
gelmäßig dahin. Der Eigenthümer, ein
Herr Langer, ist schon seit vielen Jahren
als Franzose näiuralisirt und besitzt auch
ein Restaurant in den Champs Elysccs,
das ausschließlich von wohlhabenden
Franzosen besucht wird. ?r war nicht
anwesend, als der Mob in das Lokal ein
brach, die Kellner verprügelte und die
Gäste, verjagte, sowie die Frau des Wir
thes, eine geborene Französin, die kein
Wort deutsch versteht, ferner die neben ihr
sitzend Kassiererin beschimpfte und fort
trieb und dann das sich auf zwei Stock
werke erstreckend! schöne Lokal in einen
Trümmerhaufen umgestaltete. Es war ein
geringer Trost für dxn Eigenthümer, daß
am nächsten Tage ine Holzwand um das
Haus gezogen wurde und auf de Bret
tern wurde ein vom Mai 'gestempeltes
und gezeichnete Plakat angebracht, daß
Herr Lange, Franzose ist und daß er be
reit zur Armee abgegangen war.
Man hat mir gesagt, daß diese und
viel, anderen Gräuel in diesen ersten Ta
gen der Ausregung nicht vermiede werden
konnten. Das ist entschieden nicht richtig.
Polizisten gab es in tyar$ In Hülle und
Fülle und die vom militärischen Gouver
neur von Pari ausgeschickten Patrouillen
von Fußsoldaten und von berittenen Gar
des publicaineS waren auch in den
Straßen viel zu sehen. Eie hatten ent
weder die Ordre, solche .Kleinigkeiten"
nicht zu bemerken, oder sie wollten diese
YaiidaliSme nicht sehen oder endlich sie
fürchteten für ihre glänzrnden Uniformen
und ihr kostbare Leben. Ich muß Er
steres glauben, denn sonst hätte ich doch
wenigstens In einigen Fällen höre rnus
sen. dah diese zu, Aufrechterhaltung der
Ordnung destgnirten Menschen im In
teress, der Anständigkeit, der Menschlich
seit intervenirt hätten.
Am dritten Taa der Mobilisirung wa
ren neun Zehntel aller Kaufläden der
Stadt geschlossen und unter Aufsicht der
Polizeiorgane wurden überall Bretter
wände um die zerstörten Läden aufgerich
tet. Doch diese Polizisten selbst hatten an
vielen Stellen an der Demolirung Person
lich theilgenomUin. Sie waren s, die in
Uniform oder in Zidilkleidern. z. B. da
Schild km zweiten Stocke de Hotel Au
stria in Stücke brachen, während der
Montmartre Mob da, Erdgeschoß total
zerstörte, und wähnd Polizisten in der
rue Vivimne uf langen Leitern auf das
Gesimse eine Hanfes kletterten, um das
Schild der Frankfurter Zeitung herunter
zureißen. zerschlugen die Patrioten das
kleine Schild dersklbe Zeitung, da neben
dem Thore angebracht war. Daß dabei
Steine uch in andere Fensterscheiben slo
gen, mußten die gesaidtgte Eigenthümer
auf da Konto de, Vateklandslied buchen.
Wie sehr die Polizei mit dem Ausbund
von Pari sninpsthisirlk. konnte ich au
der Mittheilung ine Oesterreicher nt
nehmen, den ich vor der Mairie de 15.
Bezirk, sprach. E war am zweiten Tage
der Mobilisirung. an dem die 24 Stun
de ibliesen, die allen Ang'hörigen der
feindlichen Mächt gegeben wurden, m
Par zu verlassen. Zu Tausenden waren
sie vor dem Polizei Kommissariat gcslan
den. um sich dort ihre Eristenz bescheinigen
zu lassen und nachdeck sie dies Bestätigung
erhalte, mußten sie ebenso in langen Dop
pelreihen vor den Bezirksämtern stehen,
m die Erlaubnis oder den schriftlichen
Befehl zum Verlassen der Stadt entgegen
zu nehmen. Jener Oesterreich enählle
mir. daß, als er vor dem gestrengen Kom
miflär erschienen war und er gesagt, daß
er Oesterreich war, der Polizeimann ihn
angeschnauzt: .Ja. jetzt wollt ihr fort!
Man sollte Jeden von Euch erschießen!"
Bei diesem doppelten Warten geschah 'es
vielen Deutschen, Oesterreichern und Un,
garn. daß sie die Möglichkeit. Frankreich
zu verlassen, in 21 Stunden nicht rhiel
te. nicht in zj und drei Tagen hätte
ein. großer Theil abgefertigt wtkden kön
nen. so kam e dann, daß in große An
zahl der Unglücklichen zur Polizei zurück
kehren mußte, und um Aufschub bat. Ein
solcher wurde nicht gewährt, wenigsten in
keinem mir bekannten Falle. Die Ueber
blicbenen, Männer. Frauen und Kinder,
wurden auf dem Gare St. Lazare und
ouf anderen Bahnhöfen, die nach dem We
stkn. Nordnxstcn und Eüdwesten führten,
in Herden zusammengetrieben. Sie muß
In dort bleib, bi Züge abgelassen wer
den konnten, in denen sie nach
Gegenden gebracht Wurden, wo die örn
ten nicht eingeheimst waren, und dort
zwang man si, sür Feinde ihres Vater
lande auf den Feldern zu arbeitn. Die
französische Blätter brachten damals Be
lichte voll Lobe sür die Humanität der
französischen Behörden, die in den Armen,
die auf den Bahnhöfen durch Tage und
Nächte kauerten, nicht die Angehörigen ei
ner gegnerischen Nation, sondern nur
Menschen sahen, die hungerten und denen
sie Nahrungsmittel gaben. Mich ekclk vor
der Heuchelei. Sie mußten doch die Leute
bei Kräften erhalten, wenn sie ihre ani
malische Kraft ausnützen wollten.
So diel ich weiß, wurden in den ersten
13 Tagen der Mobilisirung 82 Menschen
al Spione erschossen, selbst ohne den
Schein einer kriegsgerichtlichen Verhand
lung. Diest! letztere Moment entnehme
ich den franzcisischen Zeitungen, die am 18.
August ihren Leiern erzählten, daß an
dem Tage das erste Mal dos Kriegsgericht
zusammentreten 'würde. An dem Tage
wurde auch ein StaatsanwiItZ-teuver
treter bestimmt, der den mili ' schen Ver
Handlungen beiwohnen soll',. Freilich
leugneten die französischen Blätter immer,
daß standrechtliche Erschießungen vorher
vorgenommen worden waren und wiesen
darauf hin. daß sie nicht solche Barbaren
wären wie die Teutschen, die unschuldige
Menschen, wie doch die Bürgermeister in
den ellähikchen Städten von jeher gewesen,
auf den Verdacht der Spionage hin einfach
erschossen. Sie meldeten auch nie mehr,
als daß hier einer unter dem Verdacht der
Spionage stand, dort Einer als Geistlicher
verkleidet, in die Stadt gekommen war
u. s. w,. aber mit solchen Mittheilungen
hatte auch die Berichterstattung ihr Ende
erreicht. Was weiter geschah, wurde ös
fentlich nicht berührt. Man. hatte, so hieß
es z. B. auch, auf zwei Hotels Funken
stationcn entdeckt, die zur Auffangung der
vom Eiffelthurm abgegebenen militärischen
Nachrichten dienten und die dann von den
Eigenthümern der Hotels an den deutschen
Geueralstab weiter befördert wurden. Wei
ter nichts. Das war am 3. August Nach
mittags in den Zeitungen. Aber der eine
de, Hotelbesitzer war bereits am 3. August
Morgen! als Spion erschossen worden. Es
war der Besitze, des Hotels Astoria, Herr
Geister. Das andere war das Hotel Ma
jftic. Deren Direktor wurde am 4. Au
gust erschossen.
Der erstere Fall, der de nunmehr tod
ten Geisler. hätte jedenfalls eine gründ
liche Untersuchung vertrage den anderen
kenne ich nicht. Wenn auch nur die eines
Kriegsgerichtes, da sich In der Regel nicht
durch allzugroße Unparteilichkeit suszeich
net. ' Geiöler hat feine Schuld bis zum
letzten Athemzuge geleugnet. Er war Ge
neraldireltor einer Gesellschaft, die in Pa
ris allein sechs große Hotels besitzt. Er
prsönlich leitete das Hotel Eampbell in
der Avcnue Friedland. Direktor des Ho
tels Astoria ist eigentlich Herr Aulich. der
als Eigenthümer de Savoy Wesiend Ho
tels in Karlsbad die Belmonl, die Psyne
und andere sehr bekannte Amerikaner zu
seinen Freunden zählt. Auf dem Dache
des Hotels Astoria hat man einen Fun
kentelegraph entdeckt. Dies ' Entdeckung
w, nicht schwer, denn da Hotel liegt an
einer Ecke de Ehamp Elhfu und jeder
von den täglichen hunderttausend Passan
ten nach dem Etoile und dem Bols konnte
den Apparat seit fünf Jahren mit freiem
Auge sehin. Uebrigen haben diele große
Hotel solche Apparate, vermittels welcher
sie ihren Gästen die neuesten Nachrichten
liefern. Herrn Aulich. der ga, kein Deut
sehe, ist, wird Niemand der Spionage der,
dächtigen, und er hatte meisten franzöft,
sche Angestellte. Er selbst ist auch seit
April von Paris abwesend. Herr Geisler
kam nur gelegentlich in das Astoria. Eine
Verwendung de Funkenopparate zur
Spionage hätte kaum eine Stund lang
vor den -Franzosen im Hotel geheim ge
halten werden können, das mußte er is
sen, 'und doch würd ohne jed Unter
suchung erschossen.
Gerechter sind ich, und auch Humor
liegt darin, daß eiu Franzose, der nach
Kundmachung der Mobilisirung in der
Rue de Commerce rief Vive kAlle
magne!" sofort ach der nächsten Kaserne
geschleppt wurde. Tort kleidete man ihn
noch kurzer Berathung In tin Felduni
form, und kr war iner der ersten, der an
die Front gesandt wurde. Uebrigen haben
di Deulsckn unter der besseren sran.ost.
schen Bevölkerung rotrklich vtel Bewunde
rer, uch wahrend de Kriege.
Ich begreife di Besitzer und Direktoren
de, großen Mühle in Eorbeil sehr Wohl,
daß sie all Dtutsch e bitte, mpsanden.
daß ihr, enormen Borräthe on Mehl und
anderen fertigen Nahrungsmittel sowie
Getreid den Franzosen zusallen sollten,
während sie selbst dem Rufe ihre Kaiser
folgen mußten. Eh sie sich als, entfern
ten, legten sie Minen um die VorraIHS
kümmern und die Maschlnenräume. Da
die Mühlen -in ordeil die in ihrer Art
weitau größten Anlagen in Frankreich
sind, wäre die Durchführung de Projekte
ein arger Schlag für die Berproviantirung
der Arme und der Stadt gewesen. In
der Ueberzeugung, daß er geführt werden
müsse, waren di vier Direktoren ach
Deutschland gezogen. Der Generaldirektor
allein war bi zum letzten Moment dort
geblieben und eben hatte r die Zünder
eingeschaltet und wollte sich entfernen, als
ein Polizeikommissär mit einer Schar Po
leisten ihn überraschte. Mit erhobener
Pistole stellte er den Mann Vor die Wahl,
entweder sofort die Minen zu entladen
oder erschossen zu werden. Der Direktor
zauderte und dem Polizeimannt, der sürch
tete, daß die Explosion nun jeden Moment
erfolgen könne, wurde es etwas warm un
ter der Uniform. Er wiederholte seine
Frage dringender, zog den Hahn aus und
setzte dann hinzu, daß er dem Direktor
verspreche, daß er sicher an die Grenze ge
bracbt werden solle, wenn er die Minen
preisgeben werde. Der Direktor erlöschte
die Minen, er gab die Vorräthe den Fein
den seines Vaterlandes hin und seither hat
man nichts von ihm gehört. Jn Deutsch
land ist er nicht angekommen. Mein Ns
tizbuch ist voll von Beispielen dieser Art.
von dem Verzeichnisse zerstörter Ezistcn
zen, von Beweisen, daß es eine Kriegsbe
geisteiung in Paris nicht gab. von Namen
und Orten, wo die reichen Ernten auf den
Feldern faulen und die vollen Halme ver
dorren, von dem Widerwillen der besseren
Franzofen, mit den Russen gemeinsame
Sache machen zu müssen, von den erlausch
ten Ausdrücken des SpotteS hinsichtlich der
Schlagfähigkeit der englisclien Alliirten.
von den Ausbrüchen des Hasses gegen den
deutschen Kronprinzen. Denn so sonder
bar es klingen mag, der deutsche Kaiser
wurde in den französischen Blattern
.Mörder". .Henker". .Chef der Brigan
den" u. f. w. genannt, aber im Bolke ge
nicßt er doch noch immer eine gewisse Ach
tung. die fast an Bewunderung grenzt,
und wiederholt habe ich ihn bedauern hö
ren, daß er gegen seinen Willen in diesen
für ihn unglücklichen Krieg gedrängt wor
den sei, daß sein Sohn, der Kronprinz,
ihn dazu getrieben, und als dessen Drohun
gen gegen den Vater und Herrn ohne Wir
kung blieben, habe er mit seinem Selbst
morde gedroht, wenn der Krieg nicht er
klärt würde, und das habe endlich den Kai
ser in den Kampf getrieben. Hinzusetzen
muß ich. daß so sehr die französischen Zei
hingen die Thatsachen entstellten, um sie
ihren Lesern angenehmer sagen zu käunen,
sie zur Zeit der Mobilisirung und während
der ersten Kämpfe lange nicht so gehässig
schrieben oder so frech logen wie die in
Paris erscheinenden New Yorker Herald"
und die Daily Mail". Wenn .Maiin'
und Petit Parisien und Journal recht
unglaubliche Dinge den Lesern anhängen
wollten, zitirten sie, jede eigene' Verant
wortung ablehnend, jene beiden Blätter.
Wenn diese sich nur darauf beschränkt hät
ten, hinsichtlich der Kriegsereignisse irre
zu sühren, könnte man das noch hingehen
lassen, denn trotz ihrer eigenen gegenthei
ligen Behaupillngen über den eigenen jour
nalistischen Werth, nimmt man beide BIät
ter nirgends ernst, weder in Paris noch
in London, aber sie brachie auch unwahre
Nachrichten, die ihre eigenen Leser, die
Engländer und Amerikaner, in Paris
schädigten.
Der Matin. Haiti z. B,, ihnen folgend,
am 5. August mitgetheilt, daß die Belgier
einige Regimenter Uhlanen vollkommen
vernichtet hatten. Mit Berufung aus den
Herold" publizirie jenes gelesenste Blatt
FraiKeichs diese Nachricht unter einem
über die ganze Spalte sich hinziehendem
in schwersten Buchstaben gedruckten Kopf.
Am nächste aTge waren Im Ma
tin" einige verschwindend kleine Zei
len. ingeschriltet. daß die Sache nicht
wahr war. daß die Redaktion je
doch annehme, daß diese englisch ge
druckten Blätter selber getäuscht worden
waren. Herald" und .Daily Mail" ha
den diese Nachricht noch heute nicht wider
rufen. Ebenso brachten sie einmal Nach
richten iiber die Wegnahme von 27 deut
schen Kanonen, die am nächsten Tage in
den französischen Blättern zu 7 zusam
menschmolzen, um am dritten Tage zu
nichts zu werden. Also die. Legion dies
falschen Mittheilungen will ich nickt wei
ter berühren. Dagegen brachte der ,H
rald" eines Tages die Mittheilung, daß
kein Amerikaner oder Engländer oder son
stige, Ausländer England betreten könne,
ohne seinen Paß vorher vom englischen
Generalkonsul visiren zu lassen. Ich
glaubte dem .Herald" nicht und Neß die
unbeachtet. Doch die Beamten der ame
rikanischen Botschaft, und da, zum Spott
Relief Committee" genannt, Sammel
surium von theilweise mißbrauchten Ame
rikanern mit guten Namen, hatte allen an
fragenden Amerikanern wiederholt gesagt,
daß sie keine Zeit hätten, Auskünfte zu
geben, daß die gestrandeten Amerikaner
sich jeden Morgen den Herald" kaufe
sollten, da die Blatt ihr offizielles
Sprachorgan sei (thei, .osficial rnouth
p .") und man darin all, Rachrichte
sinde. die der Botschafter oder da Relief
Kommittce auszugeben Heide und die die
Fremden inteufsiren könnten. Sa blieb
denen, die gezwungen die Auflage des He
rald" erhöht hatten, nichts anderes übrig,
oll sich nach diesem Blatte zu richten. Der
tnglische Generalkonsul verlangt für jede
Visa I Fr. 50. wa an und sür sich ja
nicht viel ist, aber ihm dennoch etwa vier
zig b! fünfzig taufend Franc eingebracht
haben mag, wenn man auch nur an
riimmt. daß sünfzehntausend Fremde zu
der Zeit in Pari waren. Sicher ist, daß
die Amerikaner und Amerikanerinnen, die
tagelang, wegen Erlangung ihrer Legiti
mationtpapiere zu zweien und dreien auf
den Stufen der drei Stockwerke gesessen,
die zum amerikanischen Generalkonsulate
in der Avenue de l'Opera sührten, nun
ebenso sich vor dem englischen General
konsulate bei der Madcleine wieder mit
noch mehr Fremden zusammensanken. Die
vom .Herald" gebrachte Borschrist war
aber gar nicht erlassen worden, denn beim
Betreten von England wurde Niemand
nach dem Visa befragt und weder ich noch
mein Sohn noch die Wenigen, die dem
.Herald" nicht auf dem Leim gegangen
waren, hatten bei der Landung auch nur
in Wort über das fehlend Visa zu ver
lieren.
Es ist nicht die Aufgabe dieser Zeilen
über diese Spottgcburt des Relief Com
mitteei" z berichten, dazu wird sich eine
andere Gelegenheit bieten, so will ich nach
dieser Abschweifung auf die Zustände in
Pari zurückkommen, und zunächst auf die
traurigen Geldverhältnisse. Gold war
überhaupt au dem Verkehr gezogen wor
den. Da tonnte weiter nicht Wunder
nehmen, aber daß e auch kein Silber,
keine Fünsirancsstücke und kein kleines
Geld, gab, das machte die Sacke so viel
schlimmer. Das zeigte sich zunächst, als
die Bank Zwanzig und Fllnsfrancscheine
ausgab. Es war damit gar nickt geholfen.
Es wollte Niemand auf die größeren No
ten herausgeben, sie konnten es auch gar
nicht und in den großen Prodisionshäu
sern weigerten sich die Inhaber, da! Pa
piergeld überhaupt zu nehmen und der
lichteten lieber auf den Verkauf der Ar
tikel. Das war der Patriotismus der
großen französischen Kausläden. Im lo
kalen Verkehre wurden dann von der Han
delskammer garantirtc Noten auf einen
Franc und auf 50 Centimes ausgegeben.
Diese wollte wieder das Publikum nic!)t
nehmen. Dies führte zu ' unerträglichen
Zuständen, mit Noten in der Tasche mußte
man in Privcithäuscrn hungern. Jn
Fleischläden wurde eingedrungen, Gemüse
stände wurden umgerissen, Bäcker wurden
verprügelt, und da stellte sich wieser et
was Kleingeld ein und nach einigen Ta
gen wurde der Kleingeldmangcl weniger
siihkbar. Die Patrioten in manchen gro
ßen Geschäften machten sich jedoch die nun
verminderte Misere noch immer zunutze.
So aß ich eines Mitiaqs, nach der schlimm
sten Zeit, im großen .Boulant" am Voule
vard des Eapucines. Ich zahlte sür meine
Zeche von sieben Francs mit einer Fünf
zigfrancnote. Die Kassiererin gab mir
dri Francs heraus. Sie hatte nicht mehr.
w?e sie sagte. Für den Rest gab sie mir eine
auf ein kleines abgerissenes Papier mit
Bleistift hingekritzelte Bestätigung: .Bon
pour 40 frcs." und il,re personliche Unter
schrift. Sie wolle mir da Geld am
Abend geben, wenn ich zum Diner kommen
würde. Ich kam am Abend wieder und
als ich meine Zeche bkrii)tigte, gab sie mir
einige Centimes heraus und einen anderen
mit Bleistift gekritzelten Zettel: .Bon pour
30 frcs." Ich sollte den Betrag bei der
nächsten Mahlzeit erhalicn. Das ging mir
aber schon über den Spaß, doch hatte ich
lange zu parlamentircn bis ich unter Ver
luft einiger Centimes mein Wechselgeld
erhalten konnte.
Da Straßenbahnen und Autobusse von
der Militärverwaltung in Anspruch ge
nommen wurden, alle privaten Auto! und
Equipagen waren gleichfalls für die Mo
bilisirung gebraucht, so war man auf die
Taxi! angewiesen, die vor Antriti der
Fahrten ihre eigenen Bedingungen stell
ten, gleichviel wieviel der Fahrtmesser zei
gen sollte. Anstalt eines Franc sechs
oder zehn Franc! zu zahlen, war nicht!
Ungewöhnliche?, und wenn man einen Po
lizisten fand und ihn zur Aufklärung her
anrief, ging er achfeluckend weiter. Aber
selbst bei Annahme aller Bedingungen war
es in den ersten Tigen unmöglich, einen
Wagen zu bekommen, und die normen
Strecken in Pari mußten zu Fuß gemacht
werden. Und gerade in diesen ersten Ta
gen der Mobilisation hatten die Fremden
die meisten Wege zu machen. Nach de
öffentlichen Anschlägen hatte man sich aus
die zuständigen Polizcikommissariate zu
begeben, um nach Vorzeigung der Pässe die
Ausenthaltsberechtigung zu erhalten. Mein
Kommissär besand sich in der Rue de lg
Convention, Dort. jedoch wurde mir ge
sagt, daß ich !n die eine halbe Stunde ent
fernte Rue Vaugirard gehen müsse. Als
ich in letzterem Bureau nach mchrstündi
gcm Warten zunächst vor den Sergeanten
gelangte, sandte dieser mich und auch An
der mit der Weisung fort, eine Woh
nungsbestätigung von unseren Hauswar
ten zu bringen. Wir jagten in unsere
Wohnungen, erhielten dies Bestätigungen,
wenn wir so glücklich waren, diese Her
ren zu Haufe zu finden, oder wenn sie noch
nicht ingerllckt waren, und damit zurück
zum Kommissär. Mir und meinem Sohne
erklärte dieser jedoch, wir müßten zur
Mairie in der eine weitere halbe Stunde
entfernten Rue las Case gehen; dort
standen die Fremden in langer Linie bis
weit iiber zwei EtraßenblockZ, und als
wir endlich vor den Thürhüter kamen,
sandte dieser un nach der Rue de la Con
vention zurück, da der dortige Kommissär
allein berechtigt sei. uns den ersehnten
Schein auszuschreibtn. Wieder mußten
wir aus der Straße warten, zwei halbe
Tage lang, ehe wir den Schreiber des
Kommissärs zu Gesicht bekamen. 'e
Cbiens des Commissaires" nennt der Va
riser diese Herren, da sie fiel bereit sind, ,
die Besucher anzubellen. Hie, endlich wur
de, wir gemessen, beschrieben und verzeich
net und wurden schließlich angewiesen, 'in
einer Stund wiederzukommen, dann
würde der Kommissär das Papier unier
schrieben haben. Da hieß, daß wir uns
dann wieder crn wartende Reihen aus der
Straß: angliedern dursten. ' Endlich hat
ten wir die Aufenthailsberechtiguiig. die
un derselbe Mann drei Zage vorher, beim
ersten Besuche hatte geben sollen. Run
sagte man uns, dah wir zur Abreise wie
der einen anderen Schein brauchten, den
man uns in der Rue de La Cases, gegen
Vorweisung des eben erhaltenen Zettels
ausstellen würde. So stcllten wir un!
nach einem neuen Marsche in die lange
Reihe der dort Wartenden. Wieder ka
men wir endlich vor den Thürhüter, der
un erklärte, daß nach einer eueren Vel
sügung derselbe Herr, der uns den Auscnt
halt bewilligt hatte, auch die Abreist be
willigen müsse. So standen wir denn
auch bald wieder in der Rue de la Con
vention und als wir endlich, alles mochte
eine Woche gedauert haben, auch die Er
laubnis zur Abreise besaßen, waren selbst
die wenigen Züge eingestellt, die beim Be
ginne der Mobilisation noch der Milbe
iiiitzung mit den abreisenden Reservisten,
offen waren..
Wenn diese Kopflosigkeit der Civiloer
waltung sich in der Kriegsverwaltung wie
verholt haben sollte, so können Einem die
Soldaten leid thun. Thotjächlich sah ich
nicht nur, daß die Wachen an Brücken und
Tunnels in Civilklcidern oder Bauern
kittcln Dienst thaten, die uralten Gewehre
geschultert, nicht nur, daß in den aus
marfchirenden Reihen viele Reservisten
nicht uniformirt waren, sondern ich sah
fn den Regimentern ganze Züge.in Zivil
kleidein, viele darunter sogar ohne Was
sen. Schuhe sand gar kein Reservist vor.
Mit öffentlichem Anschlag, den aber keine
Zeitung abdruckte, wurden die Reservisten
aufgefordert, je zwei Paar Schuhe mitzu
bringen. Der Preis dafür sollte ihnen
ersetzt werden. Die Nachfrage wurde da
durch so enorm, daß die Preise in die Höhe
gingen. Die patriotischen Schuhmacher
und Händler mögen die Gelegenheit theu
rer verkaufen zu können, vielleicht auch
allzuweit ausgenützt zu haben, doch wenn
die Kunde von solchen Fällen auf die
Straße drang, dann nahm der Mob die
Abtheilung der Fußbekleidung in die
Hände. Jn vielen Fällen, die bekannt
wurden, warf man die Händler und Ver
käufer au den Läden, waren die Schau
I fenfler groß genug, so flogen die Leute
l - 1 f t . i, L tts...
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Kulanzen fortgeschafft, die Einrichtungen
wurden zerstört und was man nicht un
ausfällig sortschaffen konnte an Waaren,
das wurde auf die Straße geworfen.
Uebrigens wurden in gleicher Weise auch
die Preise der Viktualien xegulirt und bei
übertheuernden Fleischern, Bäckern etc.
übernahmen, im publizirten Auftrage des
Präfekten, Polizisten die Führung, die mit
dem stets bereiten Mob die Stände von
Gemüsehändlern einfach umstürzten und
deren Waaren zu freier Beute machten.
Ich fürchte sehr, daß die Bevölkerung, die
jetzt vor und dann während der Belage
rung Grund zu Klagen wegen der Preise
bekommen mag, diese Gewohnheit der
Prcisregulirung noch viel mehr kultidiren
wird. Solche Beispiele bleiben unvergeß
lich.
Daß hinsichtlich der ein- und ausgehen
den Te.'egramme und auch der Korrespon
denzcn von den militärischen Machthabern
Zensur geübt wird, kann Niemanden er
staunt haben. Es sollte das von jedem
vernünftigen Menschen erwartet werden.
Nur hatten die Telegraphircnden in Pari
sich auf die Ueberraschuug nicht vorberei
tet, die ihrer harrte. Bei der Abgabe der
Kabel wurde man, im Auftrage des kom,
mandirenden Generals, gezwungen Straße
und Hausnummer des amerikanischen
Adressaten mitzutelegraphiren. was eine
Mehrausgabe für drei bis vier Worte in
olvirte. Was diese Zusätze zum Tele
gramm mit der Sicherheit von Frankreich
zu thun hatten, ist unerfindlich. Selbst
bei Adressen wie Staatszeitung New
S)ork" wurden diese Zusätze verlangt. Im
Weigerungsfalle nahmen die Beamten die
Depesche gar nicht entgegen. Diejenigen,
denen das passirte, mögen heute Jenen
dankbar fein, denn die meisten Depeschen
wurden trotz Allem am Ende doch nicht be
fördert, doch weder wurden die Telegra
phirenden davon unterrichtet, noch auch
wurde ihnen da! bezahlte Geld zurücker
stattet. Der Zensor hatte sie eben nicht
passtren lassen. Ich zwar glaube nicht,
daß der Zenso alle nicht angekommenen
Telegramme wirklich gesehen hat. Was
hätte ihn beispielsweise veranlassen lön
nen, meine Depesche, die ich meiner gcäng
stigten Frau sandte, daß ich mich wohl be
finde, zu inhibiren? Ich meine vielmehr,
daß die fchlcchtbezahlten Postbeamten diese
Kabel einfach unterschlugen und das Geld
in dielen Fällen für sich behielten, denn sie
waren sicher, daß das nie herauskommen
konnte, da es ihnen strenge untersagt war,
auf Reklamationen irgend eine Antwort
zu geben. Als dann gar jede ausgehcude
Depesche, ohne Garantie der schlicßlichen
Beförderung, zuerst den NevicrPolizei
kommissären vorgelegt und von ihnen un
terschrieben werden mußte, hörte das Ka,
beln schließlich ganz auf, denn Jedem
graute vor der sich scheinbar nie vermin
dernden Wartelinie vor den betreffenden
Aemtern.
Wenn ich nun zurückschaue auf jene Zeit
in Paris und wiederum jene alten Zei
tungen sche, die hierher gelangt waren und
die voll sind von dem Enthusiasmus, den
die Reservisten angeblich entwickeht, sehe ich
mich auch wieder an kllblen Abenden auf
dem Balkon meiner Wohnung in der
Avenue Feliz Faun Tiefe Stille rings
um mich henim. Rechts von mir streckt
sich das ungeheure in tiefes Schwarz ge
tauchte Flugfeld hin. auf dem Reservisten
lichtlos lagern, in der weiteren Nachbar
schast waren unbebaute Gründe, und
Automobilschuppen in der Rue de la Con
vention. gefüllt mit Soldaten, die vielleicht
schon morgen an die Grenze befördert wer
den sollen. Alle diese Lager umstanden
von regulären Soldaten mit aiifgepflanz
icm Balionett. mit schießbcrciten Geweh
reg. Nichts unterbricht die Finsternis
al die nach feindlichen Aeropläns au!
lugenden mächtigen, die Strahkenrichiung
wechselnden Scheinwerfer de E,ffelthur
nies. Zuweilen wird die Ctile jed.
untkibrochen, jäh. schrill, I Knall und
Frankreich hat wieder inen stine, Jxf".
sterten' Reservisten verloren.
yrohgemuth sand ich nur die Flieger
bataillone. So viele unisormirte Flieger
sand Ich beispielsweise in den ungeheuren
Lagerräumen der Spediteure Bedel & Co,
untergebracht, al Ich wegen Einstellung
meine Mobiliar einigemal dorthin
gehen mußte, daß ich mir oft dachte: um
diese Alle, die um den Arm rothe Ban
der mit einem weißen ,A" tragen, zu &:
schäftigen. muß die französische Armee .
mehr Luftzeuge besitzen al überhaupt bis
her erzeugt wurden. Ich glaube ober, daß
diese norm Anzahl von Fliegern diel
mehr da ist, um den Parisern Vcrkraucn
einzuflößen, daß sie in der Luft, vor deren
metallischen Niederschlagen man allgemein
mehr Angst hatte, al! vor Irgend etwa
sonst, genügenden Schutz haben, als von
der Möglichkeit, diese Bataillon thatsäch
lich zu verwenden. Die bisherigen Er
rungenschasten der französischen Flieger
scheinen dies Annahin, zu bestätigen.
Wenn ich alle meine Pariser Erfahrun
gen zusammenfasse, komme ich zu demscl
den Resultate wie ein mitreisender fran
zösischcr Reservist, der in Belgien Bankier
sein oder sonst eine verantwortliche Stelle
Inne haben mag. Ich war im letzten Zuge. ,
der von Antwerpen nach Paris fuhr und
voll französischer Reservisten war. die sich
au dem Auslande dem Rufe des Vater
lande stcllten. Einer von ihnen, ein jun
ger Mann, der viel schwatzte, sagte unter
Anderem, er freue sich auf den Moment,
wenn sie (die Franzosen) in Berlin ein'
ziehen würden, worauf der andere ernstere
Mann antwortete: Es dürfte schwer hal
ten dahin zu kommen mit den Was
fen in der Hand."
Kurz bevor ich Paris verließ, hatte der
militärische Kommandant die Verfügung,
daß alle Caföes um halb acht Uhr Abends '
geschlossen werden müßten, dahin erwei
tert, daß er eine Stunde länger das Auf
halten gestattete und daß die inzwischen '
theilweise wieder in Betrieb gesetzten ein
zelnen Untergrundbahnlinien gleichfalls
bi halb neun im Betriebe bleibet sollten,
aber schon am nächsten Tag wurde diese
erweiterte Erlaubnis wieder zurückgenom
men. Es war von ihr fast gar kein Ge
brauch gemacht worden. Die Leute woll
ten nur Ruhe, nur Schlaf, nur Vergessen.
Kein Theater, lein Konzert, keine Musik, 1
kein Tanz oder Varietö. Die wenigen
und nur an gewissen Stunden deS Tages
offenen Kaufläden vermieden alle grellen
Farben in den Auslagen. Modisten und
Sckmeiderinnen stellten nur Trauerwaarcn
aus. Auch diese dürften nun bereits au!
verkauft fein. Wilhelm Fora,
Leitsel für den sreimblicht
Reifiger". . 1 - . "
Der .Zwiebelfifch" veröffentlicht in
seinem neuesten Hefte unter dem Titel
Die deutsche Spral" eine ergötzliche
Probe aus einem vor einigen Jahren er
schienen englischen Sprachführer, der den -schönen
Titel hat: 'New metliod for
learning to spcak German in a few
days usual conversation usw.
(Bruxele3 Impimene Laurant). Ter
erste Abschnitt ist überschrieben Grüze"
und dringt neben den üblichen Formen
auch den schönen Abschiedsgruß: Bis
wiedersehn, Jungfrau." Dann kommt der
Abschnitt Reise", der folgende Weisun
gm enthält: Zunächst die Eröffnungs
frage: Johann! hat man eine Kutsche
kommen thun für mich nach die Bahnhof
zu bringen?" Weiter heißt es: Ter Rek
siger, nach seine Reisekarte genommen zu
haben und sein Gepäck aufzeignen haben
thun, setzt sich behaglich in ein Fach von
zweite Classe und fängt daS Gespräch an
mit einem anderen Reisiger." Die Fahrt
geht von London nach Paris. Unterwegs
bietet der Reisiger" einem Bekannten
Sigaren und Schweifelhölz" an und '
fragt auf dem Schiffe den Hautmann"
(Kapitän): Um welche Uhr sollen wir in
der Statt ankommen?" Neue Be
kanntschaften beginnt man passend mit
der Frage: Ist mein Herr Fremblich?"
Bei Bejahung setze man hinzu: Ja die
sem Fall, weil Ich von meine Zeit frei
bin, so Sie wollen, will Ich Ihrer Leit
sel sein." Der Andere nimmt den Lor
slag aus ganzer Herze an, so , es Ihnen' "
nicht genirt" und die Beiden fangen an,
mit die Runde der Wallen zu machen",
d. h. mit einer Besichtigung der Boule
vards. Jn einem Verkauflokal wird
eine Hose und eine West öo gut
Eigenschafft" erworben, nachdem man
sich einige Wüster" hat Weizen" lassen
und gefragt hat: wievil gellt es?" An
Schreibmaterial kauft man sich: Hüllen,
eine Federhose, Jnkt, einen Stempel für
einen beschwerten Brief" u. a. m. Wird
ei Kutscher gerufen, so überreicht er den
Tarif mit dem Bemerken: Ein Frank
fünfzig für die Streifen, üfis z!
Franker sür ein Stunde bi halb nacht."
Beim .Speizewirth" bestellt sich derGastt
Eierkuchen mit' feine Krauten, rn
Fleischwurft mit Köhlen, und in Butte,
gebrattene Erdäpfel." Zu den Unter
Haltungen gehört auch .Der Schauplatz"
(soll heißen das Theater), wo man a,
der Kasse folgende Ansprache hält:
Geben Sie mir einen Lehnstuhl, eine
eine Loge von Vorderseite." Daß für
galante Abenteuer ein Vokabular borge
sehen ist. darf als selbstverständlich gel
ten. .Wie. Jungftau, so liebreich, so
reizend sein, und allein spazieren?"
Sie antwortet mit einem Kompliment,
worauf er fortfährt: Ich danke Ihr für
die Empfehlung, Jungftau, aber ich der
sichere Ihr, daß meine Höflichkeit wett
unter ihre Anmuth und ihre Liebeuswiir
digkeit ist." Die Dam ist zu tirtm
Epaziergange bereit. .In diesem Falle
gehen wir rundum die See, danach
wollen wir ein Glaß abführende Likör,
triiilen" Leider bricht an dieser int
essanlen Stelle die reizvolle Causerie ad.