Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, August 27, 1914, Image 2

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    Knr-Lonzerl.
Line Novelle von ltlrlch Uauscher.
Tu tlapttit spielte schon i dem iw
r.cinnpaBiUoii vor tun Jiutdaui. .uon
Vn Z'k'Z'N herunter tarnen v,e orgkn.
nutbe und btrnttfn iiba bn Thal all
5i'Pt)l.iftiif fctt Erde. In de, .n
war f natVtei! heiß, doch so, rett si.h
glutvollst 2ag erst ontiinbiat. Zu
nt nahm immer einen Schwaden ttt
strahlenden H,tz mit sich sott und übn.
swg dt Kurgast toi mDtjfnliiiKt üäaj'
- (v.ha.4. Xii ßcltrn t?:ffff!H "den
ir dem geebneten Sand. Die Blumen
dee! wölbten sich feuerfniben au dem
grünen Rasen. In dkm grauen Gefallen
der All War t fast noch kalt. Wel vom
Hotel oder der Pension durch s" Zum
Äoigenkonzect geh,- muszle, ftoftcltt
Xie Herren, die sich mit keinem Daniel
beschweren wollten, gingen f rasch, daß
1 ' :c .
die Tomen, eng in mit uw '
kaum Schritt lu'.ttN konnten.
Ab om Ende der Allee blieben alle be
friedigt inen Augenblick sieben; die Da.
mm nahmen den Shawl iider den Arm
oder gaben ihn den Herren, und die mei.
sie sagten, immer auf dem gleichen Fleck.
' ' l .. U sl .1
mik einem oplniae voer inrm -omjci
blick nach oben: Da kann man sich gc
fallen lassen!"
D Kapelle hatte den EinIeiiuiigZchoral
aliirlich längst absolvirt. wenn die Kur.
Promenade sich belebte. EI waren unter
den Badegästen wenig juncie Menschen,
meist sah man ältere Herrschaften und
Nachmittag! auch Kinder. Wer sich dai
Publikum dek kleinen Badet ousmer!
sam betrachtete, konnt auf den dankn
.kommen, die Herren und Damen mußten
,ll persönliche Bekannte und Gaste des
Herrn Kurdirektn sein. Tiefer. Haupt
mann a. D. von Maaßen, hatte die et
was gewaltsam militärische Haltung ei
ner trüberen Zeit beibehalten. Er trug
Immer einen zugelnöpften. mit Litzen ein.
siefatzten Gehrock, ein Bändchen im
Knopfloch, und einen halbhohen, grauen
Zylinder, der nur von einer bestimmten
Firma zu beziehen war. Er war außer
ordentlich verbindlich, jedoch nicht mehr,
ol ti seine Zwittcrstellung. Kalb e
schäftSmann. halb fürstlicher Vertreter,
dazu mit dem Reckt zum Tragen der
Uniform, zuließ. Ti verwitterte Frischt
seines rothen Gesichts und die knappen
grauen Haare ließen an seiner früheren
militärischen Eigenschaft keinen Zweifel.
Seine Gemahlin hatte sich die gesunden
Sommer und die grabesruhigen Winter
der Badeftadt zu Herzen genommen und
war gutmüthig in die Breite gegangen.
, Leider gab ti für sie keine standesgemäße
Halbuniform, wie sie ihr Gatte in Geh
rock und grauem Zylinder sich gesch'ffcn
hatte. Bei den zwei Sommerbällen zwar
kam sie nicht in Verlegenheit; sie besah
ein älteres Damen-Ballkleid. vor dem die
Zeit stille stand. Es war aus einer
Epoche, wo man die Kleider noch nicht
mit äußerster Sivfsinappheit und ohne
die übriggebliebenen Flicken von eine:
.' manikürten Tcbmideiin geliefert bekam:
zum Auslässen hatte es bisher noch nie
gefehlt. Bei den Strabenlleidern aber
war es anders und schwerer für eine
- Frau, die eigentlich die erste der Stadt
war, aber ohne Vorbilder und mit be-
. schränkten Mitteln den Kurgästinnen aus
größeren Städten ti oleickthun sollte.
Besonder? in Farben hatte sie kein siche
tes Urtheil und kam bei niedriger stehen
den. aber geschickteren Frauen, zum Bei
spiel der des Badeinspektor. ganz zu Un.
recht in den Ruf. sie strebe eine unpas
sende Jugendlichkeit an. Heut kam sie
am Arm ihre? Gemahls, umspannt von
kinem gelb-weih gestreiften Jlanellkleid
mit grünen Seidenaufschlägen, über die
Kurpromenade geschritten.
. Das Paar grüßte die lange Stuhlreih:
tlang, wo die Frühaufsteher unter den
Kurgästen bereits mit Zeitung und Hand
rbeiizbeutel faßen. Ei waren meist Le
ernte, in und außer Amt. mit mittleren,
häufig verliehenen Titeln und pensionirie
Offiziere, lauter Herren in Alter und
Anschauungsweise des Kurdirektors, der
mit jedem einzelnen am Stammtisch oder
im Vorstand des KriegervereinS hätte
ieifammensiden können. Die Frauen
sahen meistens älter aus als die Männer;
manchmal traf man aber auch ein Paar, j
das in langer ruhevoller Beamten und;
Ehelaufbahn einander ganz gleich gemor
den war: das saß dann untersetzt, im g
ten Rock und im Besuchskleid, mit golde
neu Ringen, Ketten und Berloauen und
kinem unverkennbaren Badecastmerkmal,
meist porösen Ttrandmiitzen mit Cellu
koidfchirm, nebeneinander, grüßte er
traulich und dankbar, und wurde als
Herr und Frau Rechnung!-, Steuer- oder
Expcditionsrath angeredet. Ein Assessor,
mit der Wahrnehmung der amtsrichter
lichen Obliegenheiten betraut, der aber
hauptsächlich die erste Röunion vorberei
tete,. kam jetzt eben grüßend auf den Kur
direkt zu. Er machte den Beamten
damek kulchtba: den Hof, so daß sie in
vergnügtem Anger abwehren mußten
und wiude von den Herren etwas miß
billigend geachtet, weil er beim Stak kost
fpielige Husarenritte riskirte. Aber er
wußte die famosesten Schweinewitze und
es stand fest, daß er mit der Kellnerin
des .Badehotels". wo er . als Junggöseste
wohnte, ein Verhältnis habe. Herr von
Maaßen schätzte in ihm den alten Korps
: studenten. der sogar mit dem Chef des
Kurdirektors, dem fürstlichen Hausmini
ster, per Du stand.
Der Assessor. Tr. Breuer. küßte der
gnädigen Frau die Hand und 'begrüßte
dann Herrn von Maaßen: Darf ich ge
horsamst fragen, Wie der Männerskat be
kommen ist?" ,
.Danke, mein lieber Herr Assessor! Sie
haben ja wieder erheblich geblutet! Unser
guter Geheimer Rechnungsrath Merkel-
wnr wird sich an Ihnen 'ne zweite Pen-
fton verdienen,"
.Aber, ab! Herr Ässksslir!" rief Frau
vzn Maaßen und droh!? schelmisch mit
dem Zeigefinger. ,..Jch mich doch noch
Mutterstelle . n Ihnen . vertreten. Und
dann sollen et? wttoi't zs zwreaucyk
Sdijjt erzählt kalkst Mein
MS!?!!
hat sich fast Kops,vh gllacht."
.Ich, lieb Mama?" Der Affrffor sagte
Ji". wie ein kleines Kind und machte ein
so drollig verdutzte Gesicht, daß seine
Zustfauu herzlich lachten. lüfte Heiler
kkilsausdkuch zog die inzwischen erschie
nenen anderen Zheilnehmer der grlttigen
Ekatparlie herbei. (!i entstand eine all,
gemeine Begrüßung, deren Millelpunlt
die ?srau Kurdirektor bildete. Die ade
re Damen, die ihren Männern niOit ae,
folgt, sondern sitzen geblieben waren
konnten einige Bemerkunrn dazi nicht
unterdrücken. Die große Gruppe, merkte
davon nichts. ?i stand mitten In der
onne und übertönte die Kurkapelle. Ei
nige Herre schivitzten schon. Es sah so
au, gls begrüße sich eine heitere Gesell
schast, die auf einem Landgut zu Besuch
ist und nun über eine möglichst vergnüg'
Iicke Ausnutzung des Tages beräth. Wie
gesagt, nur einige Damen, die ihren Wor
ten zufolge dieser tturdirektorin nicht
nachzulaufen gedachten, schauten säuerlich
tn den schonen Morgen. Ein besonders
schallendes Gelächter bewies ihnen, daß
ihre Männer wieder einmal an den scha
len Witzen dieses Fatzke von Assessor Ge
fallen gesunden hatten.
Nachdem sich auch noch der zur Tis
Position gestellte General v. Müller ein
gesunden und zur Gesellschaft gesellt
hatte, hielt ei keinen der Herren mehr in
der Entfernung. Herr v. Müller war
auch heute Morgen, wie gewöhnlich,
schlecht gelaunt. Alles beurtheilte r nach
einem Maßstab? Baden'Baden. denn er
war als Hauptmann inmal in Rastatt
in Garnison gelegen. Er schimpfte mit
dem Freimutd des alten Offiziers und
Rangältesten über alles, sein Logis, da
Essen, die Bedienung und vor allem über
die Gesellschaft: für letzteres fand er die
allgemeine Zustimmung. Er wohnte, wie
viele andere Badegäste, in einer ruhigen
Pensionirtenstadt Mitteldeutschlands und
alle härten die Bekanntschaft mit ihm
gern in der Heimath fortgesetzt, obgleich
er eine temperamentvolle Abneigung ge
gen das Zivil äußerte. Gleich in den er
sten Tagen seine BadeauscnthaltS hatte
er eine Ortsgruppe des Wehrvereins ge
gründet, die Herren waren alle beigetre,
ten. und so bestand immerhin Hoffnung,
daß er seine stetig wiederholte Ansicht:!
.Bei Badkbelannlschaften gilt achttägige
Kündigung!' noch revidiren werde. Der
Ekcellenztitel klang jetzt so häufig aus der
lauten Gruppe, daß ein Unkundiger hätte
vermuthen können, e ständen dort nur
Excellenzen beisammen.
Es saß nur noch ein Herr in der
Ttuhlreihe, etwas entfernt von den Da
men, nahe dem Musikpavillon, und las
seine Zeitung. Die Kapelle spielte Rum
mer drei: .Wiener Weifen'. Der Her,
war klein und rundlich, in einen hellblau
nen Leinenanzug gekleidet und trug einen
breiteren Panamahut, als man ihn ge
wohnlich sieht. Wenn er sich mit dem
Hut manchmal fächelte, sah man auf sei
nem ops eine merkwürdige, nahezu herz
kormige Glatze, die sofort Bertraue, er.
weckte. Uebrigens las er die Zeitung Iäf
sig. legte sie sogar manchmal weg. als
wolle er der Pflicht, diesen schönen Mor
gen zu bewundern, genügen, besah sich die
Gruppe der lachenden Herren, in deren
Mitte der Assessor infolge eines lustigen
Kava'icreinfalls soeben vor der Frau
Kurdirektor aufs Knie gesunken war.
ganz alL sei diese Kurpromenade ein Pri
vatgarten und kein unberufener Zuschauer
zu gewärtigen, und betrachtete dann wie
der die emsig spielende Musikkapelle. An
dem jungen, feuereifrigen Gesicht des Ti
rigentcn sah man, daß dies keines der ge
wohnlichen Berufsorchester war. Alle
Mitwirkenden konnten kaum älter als
zwanzig Jahre sein, nur der Mann an
der Trommel paßte gar nicht zu ihnen,
denn er war hager und schon angegraut
und trug die Livree der Kurhausdienir.
Die anderen alle waren Schüler eines
Konservatoriums und benützten ihre
Ferien, um ein ordentliches Taschengeld
zu verdienen. Bis auf die Geiger und
einen Hornisten hatten si sich alle erst
mit dem nöthigen Instrument vertraut
machen müssen, waren aber schon ganz
ordentlich eingespielt, obwohl die Saison
erst vierzehn Tage alt war. Aber für das
Schlagzeug hatte die Kurverwaltung au!
Sparsamkeitsgründen nicht noch einem
weiteren Konservatoristen Reise und Sa
lär zahlen wollen und hatte daher den
Diener Kuschmann, der übrigens früher
in Herrn v. Maaßens Regiment gedient
hatte, mit Paule und Trommel betraut.
Bei marfchartigen Stücken hielt er sich
auch ganz ordentlich, um so mehr, als der
Kurdirektor selbst bii den Proben vor
Saisonbeginn sich neben den Pavillon ge
stellt und militärisch für seinen Unter
gebenen den Takt geschlagen hatte. Aber
diese Sparsamkeit hatte zur Folge, daß
die Kurgäste die Musik nach dem Diener
als Aushilssmusikcr einschätzten und sich
gar nicht um die .blutige Anfänger
kapelle' kümmerten, wie Frau Oberpost
sekretär Klinccke gesagt hatte, die in Ber
lin kein Konzert im .Clou' versäumte.
Der kleine rundliche Herr, ein Herr
Meyerheim aus Mainz, wiegte sich be
dachtsam im Rhythmus der Musik, die
jetzt in einen Strauß'schen Walzer aus-
klang. Fie schioß mit nem gerausch
vollen Finale, umgrollt von unheilvollen
Paukenschlägcn Kuschmanns, und als die
Künstler ihre Jhstrumenie absetzten,
klatschte Herr Meyerheim abgemessen und
wohlwollend. Der jugendliche Kapell
meister fuhr mit schweißgerötheiein Ge
sicht herum, starrte den fre:ndlichen Herrn
an und fuhr wieder zurück, wo er mit den
ersten Geigen die Köpfe zusammensteckte.
Herr Meyerheim hatte seine Zeitung wie
der aufgenommen und sah also nicht, wie
der Dirigent nach inet hitzigen Berath
ung den ?attskock aufs neue hob. an den
Notenständer klopfte, ober bestürzt und
wie zur Beschivörung die Arme auöbrei
tete. um den musikalischen Ausbcuch zu
verhindern; , denn eben hatte der Herr
Kurdirektor Kuschinan!' gerufen, und
um sich milnansch kei seinem Bokgksrtz
ten zu melken.
Tee Asskffok Mt, üianu! g,s,,gt. T.-.t
war die Ansicht tn ganzen ttuppe. dl,
(in dem derbe, e,Ir,!d'N Titner zu
wandle, s, daß alle Herren in zwei
z!vagise Reihen neb,,,, und hinkerrtn
ondkk standen, al, svllte k,e photvgra
phische Aufnahme eine Deretn gemacht
wrkvkN. VI! Kuschttian voe Herrn von
Maaßen stramm stand, bildete sich der
Kreis wieder um die zwei, wobei Frau
von Maaßen achtlos zur .'eile gedrückt
wurde und ihr rother Sonmisrm in
Gefahr gerieth, weil General v. Müller
knurrend gegen die Mute zuruderte. wo
uschmann dieik durchdrückte. Herr
von Maaßen überflog die Haltung seine
unterdenen mit ein'm P!ck und fraite:
.Nuschmann, wer ist der Herr, der
Haifa,,,? Alle Gesichter wandten sich
unwillkürlich Herrn Meyerheim zu. so
daß dieser, der eben von seiner Zeitung
aussah, vor all den glänzenden Nundun
gen zurückfuhr, die plötzlich an der Stelle
der dunklen Hinterköpse standen. .Zu
Befehl. Herr Hauptmann, ich weiß es
nicht.' ai.twortete Kuschmann. .Weh
nung?' .Zu Befehl. Herr Hauptmann,
im aoei,oiei: .vriundigungen in
ziehen!" .Zu Befehl. Herr Haupt
mann"
Kuschmann wartete verlegen, bis der
Kreis ringt um ihn. eine Lücke auswies,
marschirte dann hindurch, rührte und ver
schwand in der Allee. Die Frauen hat
ten gespannt zugesehen, sofern sie. nickt
den merkwürdigen fremden Herrn begut
achten mußten. Frau Oberpostsekrctär
Klinecke hatt zu ihrer Nebensitzerin. ei
nem alteren graukm Grellern, die zu
hause in der inneren Mission thätig war,
gleich gesagt: ,o eine Geschinacklosia
keit! Bei dieser blutigen Ansänaerkapelle
zu Ilatlchen!' Ihre Worte waren aber
kaum bemerkt worden, weil alle Damen
die Meldung Kuschmanni hören oder er
warten wollten. Ali sie ihn mit inem
scharfen Linksum in der Allee rerschwin
den sahen, winkten sie ifrig ihren Man
nein und einige riefen den Bornamen
oder Männe! Aber die Herren hatten nun
wirklich zu thun; sie mußten den Boten
erwarten und Erwägungen anstellen. Da
sur haben a grauen selten den rechten
-inn. Die Herren wa,,d!e,i sich rasch
nach der neugiertgen Weiblichkeit um und
winkten ärgerlich twa: .Gleich, gleich!'
oder .Aber einen Augenblick!' und die
Verheiratbeten wiesen mit beredten Au
gen und Händen auf die anderen, zum
Zeichen, daß sie hier jetzt unabkömmlich
und nothwendig seien. Frau Klinecke sah
ihren Minn lang und fremd an und
sagte dann: .Also so...!' Fräulein
Grellern und die anderen Damen, die in
einer Reihe nebeneinander saßen, nickten
und für eine Minute war nichts als das
Klappern der Etrick und Häkelnadel zu
hören. Nur die Frau Hosrath sagte halb
laut: .Taß Excellenz sich nicht ritte?
Iicner ...!
Herr Meyerheim war mit seiner Zei
tung fertig, die übrigens, wie Assessor
Breuer mit scharfem Auqe rkannt hatte,
ihres unvölkifchen Standpunktes wegen
berüchtigt war. Er gähnte in einer an
genehm Zoraenmüdiqkeit und blinzelt
durch all die Sonne zum Musikpavillon
hinüber. Der junge Kapellmeister schien
nur auf diesen Blick gewartet zu haben,
Sofort hob er den Taklstock. spreizte be.
schwlchtigend die linke Hand und die Ka
pelle begann ein mildes Stückchen zu spi:
len. bei dem Kuschmanns Mitwirkung
entdehit liuint konnte.
Schon nach den ersten Tönen fuhr
Frau Klinecke gepeinigt auf. Sie stopfte
mit raschen Grisfen ihre Hausarbeit in
den Beutel und sagte mit gequälter
Stimme: .Die Damen entschuldigen mich
wohl. Ich kann dies Gedudel mit mei
ner Migräne nicht mehr aushalten!'
Fräulein Gretlein erhob sich und faltete
die Hände: .Ach. wie schad! Grad heute
Morgen, wo wir das Thierheim ansehen
wollten!" Frau Klinecke zuckte mit fata
liftischem Lächeln die Achseln: .Ja. liebes
Fräulein, der Mensch denkt und Gott
lenkt!' Jetzt war sie mit dem Einpacken
fertig. .Soll ich die Frau Oberpostsekre,
tär vielleicht begleiten?" fragte die gute
Seele Gretlein. .Nein, danke, um Got
teswillen! Ich will Stiemand inkommo
diren! Auch Dich nicht. Eduard." rief
Frau Klinecke, die sich der Herrengruppe
um einen Schritt genähert hatte, während
ihr Mann aus einem Gesprach mit Er-
cellenz v. Müller erschrocken auffuhr.
Auch ich nicht! Nein, nein! Ich werde
schon allein mik mir fertig werden! Von
einem tranken Menschen will ia doch Nie
mand etwa! wissen! Guten Morgen aller
seits!'
Damit fegte sie über den Kies, an dem
verblüfften Herrn Meyerheim vorbei, in
die Allee. Herr Klinecke wollte erschrocken
seiner Frau nacheilen, wurde aber an
dererseils doch wieder durch die ehrende
Unterhaltung mit Ercellenz auf seinen
Platz gebannt. Mit einem Fuß in der
Richtung nach seiner Frau und dem an
deren in ' achtungsvoller Zuhörerstellunz
vor dem General, rutschte er in den Hüf
ten unruhig hin und her, so daß die zwei
dunklen Rockflügel seine weihe Weste bald
bedeckten, bald wie einen Vollmund her
vorleuchten ließen. Der General machte
diesem ärgerlichen Zusind ein Ende, in
dem er fragte: Hören Sie mir eigentlich
zu oder nicht?" Außerdem war Frau
Kliecke jetzt verschwunden.
Die Damen häkelten mit verstohlenem
Lächeln weiter. Die Musik war ganz
Hingabe und Zärtlichkeit. Bei einer be
sonders feelenöollen Stelle ließ die Frau
Hvfrath ihre Arbeit in den Schooß sinken
der hatte das Schlazzeug hinworsen. Leute
und sagte: .Ich weiß nicht., so schlecht
finde ich das gar nicht!" Ganz rich
t:g, Frau Hofrath!' erwiderte ihre Nach
barm, .man muß nur nicht so thun. wol
l,n. als ob I !' Dieses etwas dunkle Ur,
tl,eil wurde mit beifälligem Lachen
nommen, worauf eine andere Dame sage:
,Jch beneid? unsere gute Frau Oberpost
seiretär nicht. Aber es ist ihre eigene
Schuld, !e!in sie jetzt den ganzen schönen
Tag zu Hau sitzen nuch." 0," sagte
Fiau Hufrath qeoehnt. die ist imstande
und ist beim Mi!taiesfei schon wirde ge
fin,d!" Eine wirklich hübsch, Pie."
,','ktntc Fräulein Gretlein und legte die
nio ans "Ulr. .;:n9 so notie junge
erdenllich'st Familie fein. Hub auf dem
Konservatorium!' io etwa konnt nur
die Frau Husschlächlrrmeistek Musihle
sivn. i ak wirtlich, was man ein
vcruvkigebiidt Baddklann!sifl nennt.
Ttot man mußt, ihr kkcht geben. Die
jungen Menschen sahen nach etwa Vesse.
rim au, und vor allem sie spielten rech!
gut. Feau Hofrath rzählt von ihrem
allsten Sohn. üt besten Schwester sie
immer geholten würd, daß er zu gern
auch auf Kon ser da torium ggan
gen war. Ader gab doch wenn
sli.ch Inder! gesellschaftliche Borurtheile!
Tk Damen bestätigten da und unter
ihnen om rnslesten Frau Mufchkc. wa
it'r inige verwunderte Blickt tintrug.
Dann fummten sie leise die schmelzende
Melodie mit und schienen die ungezogenen
Herren gänzlich vergeffen zu haben. Nur
H,rrn Meyerheim, der sich wohlig Im
e eilen schweiß auf seinem blicht aus
I'reai hatte. lieszen ik Nicht u dem
Auge,
AI da Musikstück zu Ende a,h,n
wollte, fprang der Dirigent mit einem
raschen Satz neben die Pauk und beglei'
tete da letzte Aufrauschen der Geigen mit
einem verhauchenden Wirbel. Tann wandte
er sich athemlos um. Herr Meyerheim
war durch die Pauke faß aus inem kle
nen Schläfchn aufgeweckt worden; r
zuckt ordentlich in d Höhe, ischrat schier
über die gleißende Helligkeit und klatschte
ei paar Mal tüchtig. Als r aber auf.
hörte, klaifchte es noch weiter; wa
di'rcheinandcr. aber nach Kräften, denn
all Damen halten di Handarbeit in den
Schooß sinken lassen und regten begeistert
die Hände. Der Kapellmeister derdeugte
sich drei oder viermal in feiiger Aufregung
und feine Kollegen waren so bestürzt, daß!
jcine, mehrmaligen Klopfe,, bedurft,
um nach Berabredung eine paukenlose Zu
gav zu beginnen.
Die Männer waren ernstlich verstimmt
und verstummt. Zuerst hatten sie sich in
ungläubigem Erstaunen ihren Frauen zu
gewendet. Dann sahen sie einander un
il.hig an. erkannten aber sofort, daß s
unmöglich angehe, das peinliche Ereign!
offen zu besprechen. Selbst di hohe so
ziel Stellung M General vermocht
kaum in beistimmende Kopfnicken zu er
zwingen, al er etwa von Weibern
knurrte, di eben immer klatschen müßten,
obwohl r damit der allgemeinen Ltim
muna Ausdruck gab. Jeder der Männe
fühlte, hier sei ine Unbotmäßiglcit im
Gange, der Einhalt zu gebieten zu den
schlimmsten Unannehmlichkeiten führen
muntc. Kie standen schweigend und rath
los umeinander herum und warfen nur
einen geschlossenen, finsteren Blick au
Frau von Maaßen, a! sie ihrem Mann
zi.slusierte: .Wie unpassend!' Die Frau
Kurdirektor fühlte entsetzt ihre schief
Stellung, mitten im Feind und von den
Ihrigen, den Frauen, gehaßt. Selbst der
nefsor war um die Eontenan gebracht,
Er hatte in Cpiegelchen aus der Tasche
gezogen, wölbte die linke Backe mit der
Zunge und besah seine Schmisse. Die
Damm ober waren in iner regen Unter
Haftung der heitersten Art begriffen und
ibr häufiges Lachen gab von ihrer reinen
Munterkeit Kund.
Herr Meyerheim richtete sich vergnügt
au,, als er da Lachen der Tamn hörte,
Es paßt ihm vorzüglich in die Stim-
mung, bei heiteren Menschen zu fein. Er
war ganz munter geworden und lächelte
unbestimmt in der Richtung gegen die Da
men. Eine war darunter, ine recht junge
ncch, deren Mann, ein kleiner Fabrikant,
nur jemeil über Samstag und Sonntag
kommen konnte, aus deren sorglosem La
ck.en man heraushörte, es werde nicht aus
ehepolitischen Gründen, im Grimm um
einen Ton zu hoch, ausgeftoßen. Die
kleine Frau war sehr froh, daß di alt
ren Tamcn es einmal mit ihrem Rang
vereinbar fanden, hörbar zu lachen und
mikvrauchte diele Gelegenheit. Herrn
Meyerheim! Lächeln bezog sich immer be
ftimmter auf diese junge Frau, was von
Fräulein Gretlein zuerst bemerkt und miß
billigt wurde. Sie zog eine Nadel aus
d,m grauen Wollumhang, an dem sie
halelte, kratzte sich damit leicht überm rech
ten Ohr und äußerte dann . . .
Aber si konnte ihr Bemerkung nicht zu
Gehör bringen, denn in diesem Augenblick
traten Frau Klinecke und Kuschmann zu
sammen aus der Allee in die windstille
Sonnenhitze. Frau Klinecke schien von
ihrer Migräne ganz befreit zu sein. Sie
chritt würdig und ihrer Sache sicher und
ibr etwas abgeplättetes Spitzenkleid, mit
violett unterlegt, kam voll zur Geltung,
Sie trug keinen Hut, wie man das ja im
Bad zu thun pflegt, und über ihrem
chlichten Scheitel leuchteten die oebrann-
ten dünnen Löckchen um Stirst und Schlä-
! slimmernd in der Sonne. Kuschmann
ging respektvoll einen halben Schritt hin
ter ihr und richtete sich nach ihren abqe
mcsscnen Schritten. waS Ihn aber sichtlich
:, zwiespältige Empfindungen stürzte.
denn eigentlich hätten militärischer Drill
und Auftrag von ihm beflissen Eile ver
langt. Wie die Zwei daherkamen, sah es
mmer aus. als gingen sie n einem un-
ichtboren Gewühl, da sich zwar vor Frau
Kliiieacs scharslantiger Wrdc theilte,
aber die abrupten Vorstoßdersuche Kusch
mannS mit unsichtbarer Kompaktheit ver-eiiclte.
Herrn Meycrheims Ave ruhte wohl-
wollend und gedankenlos auf der jungen
Frau, die aber nicht mehr lachte, sondern
ungewiß, was thun, auf ihre Freundinnen
achtete. Selbst die Frau Hofrath die sie
Kücken' nannt und au dieser Mütter
lichkeit das Recht ableitete, ihren Wäsche
bestand Stück sür Stück zu prüfen und die
zärtlichen Knutschbrief ihre! Mannes zu
It. en, rückte unruhig auf ihrem Sessel hin
nd her. Fraulein Gretlein hatt bereits
ibr Handarbeit in den Pompadour ge-
steckt, um für alle Fälle gerüstet zu sein.
Aber den Ausschlag gab doch Jmu
Nuschke, die ihrn Augen, wie sie sagte,
icht trauen wollte, als si Frau Klmecke
heil und gesund daherkommen sah. Sie
ond unter sorgsamer Mitnahme aller
L,örpertheile aus. um das Ministerium.
a. sie f"lle gch u?,t oui
. sie suglk. zu rgrundrn. Auch die
-'rau Hvfrath erhob sich eilig, um der
Hrfschlächtekösrau nicht den Vortritt zu
csien, aber die Neugier, zu erfahren, was
Fgu Klinecke von ihrem Schmerzenslager
aufgescheucht hatt, war so groß, daß keine
d'k Nangoidnung dachte.. 5!u, Fu ,,lcm
wlnn und di Hirn alittaiitfnfiau
di beide gar kiinea giang hallen,' wurde
ln da lic Glied aiMsnal.
Di Sonne wer allmählich beträchtlich
flefirn. Aus den glänzende Gesichtern
rk tfrren sinkt Ausnahme de utdirtk
ler, der keinerlei Flüssigkeit mehr in sich
zu hoben schien, während sich der grün
.eioeniraaen am vtogen z)a seinek t?al
ti mit einem breiten, dunlleren Rand
umzog) war in feuchten vharakteren d,
Wort: Bier! zu lesen. Bet Herrn Klinecke
allerdina trat der Schweiß sofort zurück,
Ciü er leine Gemahlin nahen sah. Frau
Oberpostsekretär Klinecke sah au, o!
hfbe si jede Hindernis überwunden:
ufchmann In ihrem Kielwafler halte d
Hcssnung aufgegeben, seine Meldung lo
zu werden. Er sagte zwar noch: .tteftat
ten der Herr Hauptmann . . .' Aber es
war vergeblich, denn Frau Klinecke öffnete
lächelnd den Mund und sprach: .Er heißt
Siegfried Meyerheim aul Mainz . . .
ier Assessor: Waih geschrieen.' Verein
zelte Lachen) Beruf: Pridatgelehrtr.'
Kuschmann versuchte mit Strammsteheii
und Llnksumkehrt einen militärischen Ab
gang zu erzielen, ober kein Mensch küm
wert sich um ihn, wie er grämlich dem
Musikpavillon zuschob. Die Herren und
Damen standen eng gedrängt durchcinan
der um Frau Klinecke und lachten wie die
Besessenen. Siegfried . . . Privatgelehr
terl Von den Gesichtern der Männer
rann di durstige Inschrift kugelnd in den
Kragen, ihr Bauch schulterten unter den
btllen Westen oder bunten Gllrtfln und
ihr lachend aufgerissener Mund stand wie
in dunkle Loch in den glitzernden Ge.
sichtjmonden. Sie lachten wi befreit,
und die Eheneänner sahen dalxi ihre
'cchenden Frauen vergnügt an. Alle suhl.
tcn, daß eine gefährliche Spannung zu
nicht verflogen sei und freuten sich wie
C Schneekönig über die Berufsdezeich
nung de fremden Menschen, der einfach,
ol. sei r hier zu Haus, laut seine Bei
fall zu erkennen gegeben hatt und der
jltzt nackt vor ihnen stand, ein lächerliches,
un betiteltes Nicht, ein Privataelehrter
Irgend jemand wikderholte das Wort und
aus' Neue brach in schallendes Gelächter
lok. ,n dessen stolzen Uebermuth außer
ordentlich treffend in strammer Marsch
der wieder vervollständigten Kapelle brach,
Assessor Breuer konnte Marsch und Ge
lächter kaum mit seinem Bonmot über
tönen: .In Mainz ist wohl die städtische
Kanalisation noch nicht durchgeführt, daß
ek dort noch Privatgelehrte gibt. Mit
zwei ?.' fügte in der Fistelstimme hin
Der Scherz kostxte Frau Muschke fast
das Leben. Sie würd blauroth, wi der
Einsatz ihres schwarzen Seidenkleides, und
mußte in den Hintergrund gebracht wer
den, wo sich die kleine Fabrikantensrau um
si: bemühte. Der General markchirt den
Marsch der Kapelle auf der Stelle mit
und sagte scharf: .Ein Kurdirektor müßte
unbekannten Fremden die Führung solch'
eigenmächtiger Titel verbieten. Das kön
pen die verdienten Inhaber richtiger Titel
verlangen!
Ein BeifallZmurmeln entstand, und
Herr von Maaßen, so wenig ihm der
dienstliche Ton de Generals gefiel, mußte
diesem dektchligten Verlangen zuftimmkn
Ek versicherte in gemessenem Ton, daß es
Wunsch und Wille Allerhöchst Skiner
Königlichen Hoheit des Fürsten sei. daß
vu verehrten Herrschasten in Hochstseinem
Bat keinerlei Ursache zur Klage hätten
und werde er nicht verfehlen, falls der
Mensch langer al einen Tag hier ver
wülk . . . '
.Und wenn er heute schon unsere Zim-
mer im Hotel ausräubert?' fragte die
Hofräthin mit erregter Stimme.
Aber liebe Frau Hofrath, Si baden
Ihr Köfferchen doch wohl verschlossen!"
ugte Frau von Maaßen vermittelnd und
legte alle Liebenswürdigkeit in den Dimi-
nutiv. Si erschrak aber nicht wenig, als
die Hofräthin ihr ihren Busen vor' Ge
icht schob und dröhnend erwiderte: .Wir
haben unseren Korb und unsere Reisetasche
verschlossen, nicht aber unseren Karton
und unseren Rucksack!"
.Und auch nicht die Hutschachtel!" er-
ganzie der Hofrath und stand plötzlich
aufrecht neben seiner Frau.
Die Damen stießen einen raschen, ein
timmigen Schrei aus und klammerten sich
dann on ihre Männer. Der Tumult der
aufgeregten Soprane war dumps unter
malt von vielen .Aber Mausi!" und .So
hör' dock?, Schatzi!" aber es wollte keine
Biruhigung eintreten. Der Militärmarsch
schmetterte, der Kurdirektor sah Hilfe
uchend den General an, aber dieser starrte
iemllch unverfroren auf den elementaren
Ausdruck der Erregung, wie er sich in dem j
Blusenausschnitt der Hofräthin zeigte, in
dessen Verurtheilung die Damen einig wa
ren. . Nur rau Klineae stand verbissen
und hager wie ein Marterpfahl inmitten
eines Jndignertanzes Sie liebte diese
Hofräthin nicht, sie genoß diese Verzweif
li'ng, aber andererseits hatte sie noch 'eine
Mittheilung zu verwerthen. Es gelang
ihr. den Wirrwarr mit ihrer Stimme zu
durchdringen: .Er sährt heute morgen
10.M!"
.Bravo! Bravo!' rief der Assessor.
.Tusch!' Und wie auf Bestellung schloß
bn der Marsch mit einer Glanzleistung
KuschmannS und heftigem Auf- und Nie
herfahren der Fiedelbögen. Dies reizende
Zusammentreffen wurde mit lautem Bei
fall begrüßt, und die Gesellschaft applau
dilte heftig. Am heftigsten der General,
der In einem fort rief: ,Ja, unsere Mili
tärmarsche! Ja, unsere Militärmärsche!'
Der Kapellmeister fiel vor lauter danken
den Verbeugungen sast über die niedkre
Rcmpe des Pavillons, und da er dem
freundlich applaudirenden Herrn Meyer
heim ebenso danken wollte, wie der ani
mirten Gesellschaft, beschrieb er mit vor.
gebeuatem Oberkörper immer einen Halb
km!, der in der Richtung gegen Herrn
Meyerheim begann und sein schwungvolles
Ende suf die Herrschaften zu fand. Die
Frauen hatten schon den Arm unter den
ihrer Männer gesteckt, aber wie die Locken
des jungen Dirigenten bei den Verben
gungen so hübsch flatterten, zogen ste ihren
Arm noch einmal zurück, applaudirten noch
inmal.imd ermunterten auch die willigen
Herren lächelnd und nickend dazu.
Eolch km Erfolg verlangte eine legte,
Z,!gabe, obwohl das Morgenprogramm
' Frailchm ist hxanL
Eine lustige keidcnsgeschichte ron )süar ?lngnad.
Murkk. nsec Hund, ein etwas klein
gebliebener, ober sonst ganz rassereiner,
uqi zuirauilcher Terrier. spielt ,lne große
Roll in unserem täglichen Leben. Da
wir keine Kinder haben, so ist r in guten
und schlechten Stunde unser Freudn.
öder Lk'.denlgknesst und darf sich daher
wohl zuweilen twa mehr berautnebmen.
a man sonst ein, Hundes! zugestehen
würde. Damit soll ab durchau nicht
gesagt wkrden. daß r bei un so erhät.
schelt wird. I etiva bet einer veraräm.
tm alten Jungfer der dollg,sressenx f,,i.
xid Mop, wenn von dieser Sorte in
unserer. Nur der Göttin Mode huldigen
den Zeit Überhaupt noch einige Sremvlare
unter der Sonne wandeln. Wenn ich nun
aber einmal unpäßlich der gar ernster
krank bin. so bat unser Hündchen nickt
zu lachen, denn ich bin ein unangenehmer
Patient und dann nicht in Laun, mich
Mit Hundxn zu beschäftigen, und seien sie
noch so drollig. Murks merkt das sofort.
Er meidet mich, wenn ich mich mürrisch
und brummig, unrasirt und ungewaschen.
von einem iosa zum andern trolle, froh,
,n pci.er igeniiich recht beschaulichen Be
Ichaftigung nicht gestört , werben
Vollend geh ich au der Form, wenn
ann r .yerr Rath' kommt und mir
mittheilt. Besorgnis meiner Frau habe ihn
yeroeiziiirl unv ich hatte einen recht .n ed
lichen" Schnupfen. Beides war mir näm,
lich schon vorher bekannt. Wenn dann die
Rathschläge de Medizinmann? befolgt
weroen. erhole ,ch mich meistens, und die
Stimmung im Hause wendet sich wieder
zum Besseren. Jedenfalls al Patient
oin ich ei aia.
Ganz ander meine Frau. Für sie ist
da Kranksein gewissermaßen eine Erho
lung. TUenn Frauchen krank ist. sind sü
Murks Festtage. Das sonst als so bcrech
tigi anerkannte Wort von der schwer zu
ertragenden ffesttagsreihe scheint für sein
yunveieden feine Geltung derloren zu ha
den. Und für Frauchen wohl auch. Das
wurde mir erst unlängst wieder klar.
Eine Morgen weckt mich ein heiseres
Bellen. In der Vkrmuthung, dr Hof
Hund hab mich so unsanft aus dem
Schlafe gestört, will ich an' Fenstck eilen,
als mich meine Frau mit vor Freude hell
strahlendem Gesicht belehrt, daß sie die
urfache der jähen Unterbrechung meine
Schlafes gegeben, sie habe nämlich eine
barbarischen Husten als Begleitufcheinuna
einer gehörigen Erkaltung. Ihre Sprach
klang, als habe sie über Nacht den Ent
schluß faßt, sich allen Ernstes um die
erste Bassistenstelle an unserem Stadt
theater zu bewerben. Ihr Gesicht paßte
zu diesem Eindruck, denn sie sah so glück
na) au, oi fei ihr die erwähnte aus
sichtsreiche Position schon zugesprochen
worden. Mir schien die Aussicht für die
nächsten Tage etwas weniger rosig, we!
halb ich mit bedenklicher Miene meinte.
sie werde wohl für' erste nicht aufstehen
können. Indem sie ein paar Mal recht
energisch ,boll bestätigte sie meine An
cht durch Kopsnicken. und dann fugte sie
mit ihres .Basse Grundgewalt' hinzu:
An Aufstehen ist gar Nicht ,u denken!
Mindestens eine Woche muß ich liegen
bleiben. Meine Erkältung geht so schnell
nicht weg.' die ist gut. sg ziemlich das
beste, was es in diesem Genre giebt.'
Dabei legte sie sich in die Kissen zurück
und blickte mich so selig an. al wäre ich
so leichtsinnig gewesen, ihr den seit Iah
ren sehnsüchtig erharrten Pelzmantel zu
bewilligen. Ich schwieg, um ihr die
Freude nicht zu verderben. Sie sollte
nebenbei bemerkt Recht behalten: e
war eine Erkältung, mit der man wirklich
Staat machen konnte. Sie dauerte sogar
zwei Wochen.
Ich habe nie so vergnügte 14 Tage
durchgemacht! Murk wird mir da be
jnKn ja W"N mt
, !ubt angknehme aste m,,
Mien &'Wm Ä5!
dienen, die nicht nur für mein Nrau
sondern auch für mich und unseren
paar herzliche Wort, üb a TI
mb'V'.'"wo
Bnbo.s"'v " un
n&Säniin
Kleinen f,
fcm ö'mmer kam. Denn an Frauche, ,
Bett waren ,wisch. m!ldt'f,.p
men an Berge von eü&fcW. auh u
pott. von denrn die Kranke, doch X
ä!e Sbs.?! "''uscw. daß Vl
tote Eelbstvertilgung aller dieser Spen
s 1 Lr bringen würde, in
k "a'bgster Weise an Murks händevoll
abgab. Tie ftane Veranstaltung M
Bonbonreaen lüft k,i k...
'5innen lauteste,, Bei
Ucberhaupt herrschte in dem Zimmer m '
er Frau eine Lnf,;,,;, 7 ,. '
if.nk t --!"., Hl krme
d nb w r en mußte au Vden. der ihm
m 'eiiyaftig werden durste. Man
horte dauernd fröhliche Gelächter, da
SlLTJ!1 """de von jenen
2Tl Zl s "wütheten, a,. rt
'ii taue eine B'llinni.j
immhui.g hin vnhJt
fxrir,' Z mUn " ..Gastae
t ' Mf4t '"" war. wie
T Wi' f bei vollständige
SVmm- Wenn d
2 '" Samt meine Frau verließen.
wie N db l" s "was
wie Neid im Herzen trugen, denn sie sag.
en sich, bei einem Rii i nJ.:..
"' viegei
auf dem ttlur: wie angegriffen sehen wir
a von den an un, herantretenden An.'
!. , geschäftlichen Verkehrs,
und wie aesund ficht wt.-n..-,. 7...
'. "i iuiiic au,
die sich be, e.nem rab,a,en Husten erholen
dar f. Sie waren also zu der sich .
scheinend, ja etwa widersprechenden An
ficht gekommen, dab mn ; .f..w
f.; ,. ' " " '"" l unuir
lern kann, al wenn man krank ist- Mit
&niSSmMi Unt f'"i0(n m'ü'n
Al olle hinaus waren, bestätigte Frau,
chen meine Auffassung von' ihrer guten
Laune wahrend de Krankseins, indem sie
sch er bellend meinte: .Warum schimpfen
nur die Leu e immrr nk w
Das hebt doch alle Vflit, ,,k ,1
r um' IllUil 1s U (
U ranker überall auf zar.e Rücksicht
nähme zu chnen. lle Menschen, sogar
der Mann, kommen einem liebeniwiirdig
entgegen, und man bat mit u;n,r mn,.
flU s.in- . - '
UIH, VlUlt.
V
Die in ihren Mor) iw.nv.,.
m:rt tu , . i'""" vuirrt
Pille schluckte ich stillschweigend hinunter
und harrte geduld! hti 7, tv, t..
chens Veranlagung zum Bassisten wieder
einem normalen Zustande Platz machen
wurde. Und er kam. Tos Pflichtgefühl
jicru Iiegie endlich wieder, wie
schon gesagt nach U 2,n üh., iu..
J?eigung zum vergnüglichen Katarrh, und
sie übernahm wieder mit aller Enerd'k
ihre Funktion al flausf,, wu r,. fl
ersten Male wieder in der Küche erschien
hatte unsere Köchin den Eindruck, als
käme ihre Madame von einer Erholungs
reise. B
Sie war ihre Erkältung so kkii, tt.
tch einen verdorbenen Magen. Ich be
hauptete. davon, daß ich nun 14 Tage
nicht von meiner Frau .bekocht' worden
war. sie lohnte mir dil nniint n..,;.
bung mit der rigorosen Ansicht, daß ich
Wohl in der bewußten Zeit nicht mit Ma
ßen beim Maaß gesessen hätte. Wer in
qem streit der Meinungen Sieger ge
blieben ist, das soll hier verschw!, u;
nur soviel sei festgestellt, daß eben ich jetzt'
unpäßlich war. und daß damit für Murks
nun wieder eine freudlose schreckli,
anging. Murks wird mir das bestätigen.
der Damen an eine genauere Einhaltung j scho überschritten war. .Tee Dirigent
klopfte, und zum allgemeinen Entzücken
begann .Carmm", wa Frau Klmecke
chon nach den ersten zehn Takten fest
stellte. Auch Herr Meyerheim horchte auf,
zog aber gleichzeitig mit gefalteter Stirn
die Uhr, ließ den Deckel springen, sah. es
v nahe an zehn Uhr, und erhob sich be
haglich. Er warf noch einen freundlichen
Blick auf die Kapelle, blieb einen Augen
blick an einem flammenden Tulpenbeet
stehen, rückte den Hut auk der Stirn,
denn die Sonne stand ihm im Rücken,
und schlenderte dem Ausgang der Kur
Promenade zu. Die Badegesellfchaft war
verstummt Herr Meyerheim warf auch
auf sie einen ütigen Blick und ging lang
sam durch die Sonnenhitze, wie man durch
en laues Flußwasser geht. So wandelte
?r wie eine Erde, die die Umdrehungen
viel Monde bestimmt: die Gesellschaft
konnte das Auge nicht von ihm lassen, sie
drehte sich ganz langsam, bis er am Aus j
gangsihor angelangt war. Die Musik
spielte den Schmugglermarsch.
Plötzlich übergab der Kapellmeister fe!
nen Taktstock der ersten Geige, drückte sich
zwischen Bratsche und Pauke hindurch und
eilte dem entmandelnden Herrn Meyerheim
in langten Sätzen nach, daß der Sand
stob, wie eben nur ganz Zunge Menschen
durch , die ' Sommerhitze rennen. Herr
Meyerheim drehte sich um und blieb stehen.
Der junge Mann parirte sehr knapp und
mußte nun erst einmal ausschnaufen. Aber
er versuchte, noch eh er zu Athem gekom
men war, zu sprechen: .... heut' zum
ersten Mal Applaus . . . weiß nicht, wie
Ihnen danken . , , zehn Tage keine Hand
gerührt
Herr Meyerheim tätschelte den Jung
ling am Ellbogen und sagte lächelnd: Ist
das wahr? Keiner hat bi jetzt geklatscht?
Aber da, sind Holzböck! Nn, da freut'
mich, daß ich jetzt noch zum Konzert ge
kommen bi, ehe ich abfahr!"
Der zunge Mann war sehr erschreckt:
Sie wollen doch nicht schon fahren?
Mein Gott, bleiben Sie doch wenigstens
noch bis zum Nachmlttagskonzerk. Viel
leicht klatscht heute Nachmittag schon kein
Mtnsch mehr! Wenn niemand ordentlich
anfängt . ..."
Da lachte der Herr Meyerheim: .Ich
srll die Langweil wohl klatschen lehren?
Leider, leider, aber ei geht nicht! In
zwanzig Minuten fährt schon mein
Zug..' ;
. Aber wenn doch niemand klatscht! ?
l"f der verzweifelte Kapellmeister.
.Werden sie schon und, da hören Sie.
sie thun auch.' '
Das Carmen-Votvourrie bnt!, mU h.m
Lied des Torreador geschlossen, und der
Beifall brach begeistert los. Ganz vorn
am Pavillon klatschte der Assessor und
neben ihm die kleine Fabrikantensrau. der
er so viel Galantes zuflüsterte, daß sie im
mer wieder einen Augenblick aufhören und
die Hand verschämt lachend vor' Gesicht
halten mußte. Frau Klinecke schloß sich
zwar vom Klatschen aus (Herr Klinecke
nach einer kurzen Entgleisung, auch), da.
für aber klatschte die Hofräthin umso ver
bissener und sagte zu General v. Müller:
.Und eö ist doch eine schöne Musik!' D
General schielte lächelnd über ihre Schul
ter abwärts und klatschte einen Parade,
marsch. Der Kurdirektor rührte seine
Hände auf's kräftigste und hielt auch feine
uun dazu an, denn er erkannte, hier
se? eine neue Attraktion de! Bades zu un
terstützen. Frau Muschke weinte gerührt
tn den Schweiß ihres Antlitzes, denn
Fräulein Gretlein hatte ihr den traurigen
Ausgang der Oper mitgetheilt. Die Rllh
rung hinderte sie aber nicht, ihren Arbeits
beute! gegen den Ellenbogen zurllckzuschie
be, den Schirm zwischen die Beine z
klemmen und mit den beitesten Handflä
chen zu klatschen. Fräulein Gretlein
klatschte wie geistesabwesend: sie dachte n
Carmen und ihre Liebhaber.
Der junge Kapellmeister starrte wie ein
Traumwandler. Sein Kopf fuhr hin und
her. er war immer in Versuchung, sich
dankend zu verneigen, er machte einen
Schritt nach rechts und einen nach linl!
und rief dann: .Verzeihen Sie ... . also
besten Dank . . . aber . . . Verzeihung . . .
Ich muß . . .
Und schon sauste er über den glühenden
Sand zum Pavillon, verbeugte sich atbem-
lck über die niedere Brüstung und machte
einen letzten, erlösten Bückling, als die Ge.
scllschaft ausbrach und der Herr Kurdirek
tot leutselig zu ihm naufwinkic: .Als?
heute Nachmittag wieder!'
Herr Meyerheim war noch einen Anaen
blick nachdenklich stehen geblieben, hatte
dann draußen den Kutscher geweckt, der
in dem sonnenglühenden Lederzeug seines
Wagens schlief, und war zur Bahn
lü.30 bg'fahrcu
?
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