Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, May 06, 1914, Image 2

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    1
V
'kL
Der HoYo Wosuch.
Vme. lustige Erinnerung aus der Lebenszeit des Erzherzog
Aarl kudwig. von Arthur Lakberllckdt.
Zm kcinMIchcn Sp?z!inmer dil Ho
lei, Parbachtthof wer rt, o'l ich Abends
mit etVjqen Ixtoimien Herren bei vmt
soliden Zarockparkre saß. Ich hatte noch
inern andas,il ttaiunptch endlich ein
natiu. phänomenale Blatt halten.
5hofcUiio mit Trull, aeschlossen bis zmn
Elfer! p Schmunzelnd, vor innere
Freud, ordnete ich d! glückliche Ladung
und erklärte mich schußbereit: Vglal,
meine Herren, mit Pagat Ultimo !"
Meine Partner nickten res,gnrt. lind
da ich Vorhand hotie. wollte ich g'tade
da Cdiel beginnen, all sich die Tbiire
öffnet. Zu unserem grölen Erstaunen
trat ein Hostakai auM dem rzherzozlichen
Schlöffe Wartlzolz in Reichenau herein,
derbeugt sich mit höfischer Manier und
fragte noch einem Herrn Karl yeldbacher.
Mich ritz ei am Tische herum.
Der bin ich,' antwortete ich überrasckt.
Dn erzherzogliche Bote überreichte mir
sin Handschreiden bei Kammeroorsieherl,
bol ich erregt sofort öffnete. E enthielt
die 7!ochricht, dob Seine kaiserliche Hoheit
Erzherzog Karl Ludwig morgen S Uhr
meine Forellenzucht-Anlage im oberen
Paynbachgraben zu besichtigen gedenke
und anfragen labt, ob ich zu dieser Stunde
Zeit hätte, ihn zu empfangen.
Ziemlich aufgeregt warf ich die Karten
auf den Tisch und sagte dem Boten, daß
ich Seiner kaiserlichen Hoheit morgen zur
gewünschten Stunde mit größter Freude
zur Verfügung stehe. Als sich der Hof
lakai mit einer Berbeugung entfernt hotte.
erhob ich mich rasch und entschiildigte mei
nen plöslichen Aufdruck?: Wie Sie soeben
.gehört haben, kommt Erzherzog Karl Lud
wig morgen zu mir. ?, thut mir selbst'
,am meisten leid,' dabei überflog ich weh
müthig mein schönes Volablatt. da
schöne Spiel abbrechen zu müssen.' aber
Sie werden es begreiflich finden, daß ich
noch heute gewisse Vorkehrungen treffen
muß, um den hohen Gast würdig empfan
gen zu können.'
TaZ sahen meine Partner ein. und da
Kartenspiel wurde eingestellt. Hastig er
griff ich meinen Hut und den Mantel. ver
ebschiedete mich von den Herren, und ent
eilte.
Am nächsten Tage, das Datum habe
ich mir bis heute genau gemerkt, es war
der 7. September des Jahres 1891, fuhr
Erzherzog Karl Ludwig bei dem Umgang
zu meiner ffilchzum vor. Er hatte Wet
terglück. Kein Wölkchen am tiefblauen
Himmel. Ein selten-fchöner Herbsimor
gen begünstigte seine Fahrt zu mir hin
auf. Rasch entstieg er dem Wagen. Er
war allein. Sein Kammerdiener trug ihm
den Mantel nach. Nach erfolgt Be
grüßung gingen wir sogleich zu den Tei
eben. Ter hohe Gast zeigte außerordent
lich viel Interesse und besichtigte auch die
eigentliche Zuchtanstalt, deren Einrichtun
gen ich ihm genau erklären mußte. Es
war ungefähr jll Uhr, als sich der Erz
herzog mit den Worten des herzlichsten
Dankes verabschieden wollte.
. Aber . . .. kaiserliche Hoheit werden
mir doch die Ehre geben . . . und auf ein
Gläschen Wein einkehren.' . . . gestattete
ich mir vorzubringen.
Ich wußte, daß der Erzherzog auf einen
guten Tropfen etwas hielt und hatte mich
mit einigen Flaschen GumpöldSkirchner
versorgt.
Meinetwegen dürfen Sie aber keine
großen Geschichten machen,' erklärte in
leutseliger Weise der Erzherzog. Sie
Kissen, ich bin kein Freund großer Form
lichkeiten." Ich verbeugte mich tief.
Ich habe im getäfelten Stübchen des
FisckzerhLuschens serviren lassen. Kaiser
liche Hoheit werden es dort sehr gcmüth
sich finden.'
,Na schön .... da nehme ich Ihre Ein
kadung gerne an, aber . . .' Sem Blick
fiel auf den stramm dastehenden Kammer
dien. Er wandte sich zu diesem.
Ich habe es mir überlegt und werde
den Heimweg allein zu Fuß antreten.
Tragen Sie den Mantel zurück und legen
Sie ihn in den Wagen. Der Kutscher
soll mit Ihnen nach Hause fahren. Ich
komme Mittags hinunter.'
Der Kammerdiener machte die gewohnte
Reverenz und begab sich zum Wagen.
Noch bevor wir das Holzgebäude der
Fischzucht betraten, hörten wir die leere
Zquipage mit bremsendem Geräusche hin-
bsahren. Dann gingen wir hinein.
Auf dem einfach gedeckten Zirbeltisch
Hen rauchte bereits eine blaugesottene Fo
kelle, die von ausgesuchten, in Butter ge
chratenen Kipfelkartoffeln, einer Leibspeise
des Erzherzog, umgeben war. Eine Fla
4& Gumpoldskirchner, ein besseres Wein
zlas und etwas Gebäck bildeten die ganze
boftafcl. , Dennoch erblickte mein hoher
Aast mit fichtlichem Behagen diese kleine
Lorbereitureg. Das Arrangement schien
:l)m zuzusagen. Da muh man ja Appetit
bekommen,'' meinte er schmunzelnd. Aber
lus etwas haben Sie doch vergessen!' '
, Ich wurde beinahe bleich vor Be
ltürzung. , .
91. na . . .. nur keine Aufregung, lie
btt Feldbacher.' ich hörte seine ruhige
Stimme. Er lachte sogar. Auf sich
selbst haben Sie vergessen! Es ist ja nur
nn Gedeck da.', Ich athmete freudig auf.
Aber kaiserliche Hoheit . . ., wie tonnte
h es wagen . . .'
Jla freilich? . .' . Ganz allein soll ich
lese? Riesenforelle aufessen! . . . Nein, lie
kx Feldbacher . . .. machen Sie keine Ge
ichichten mit mir und setzen Sie sich nur
t. Zu zweien wird es mir gewiß noch
icsscr schmecken.'.
Ich ließ sofort ein zweite! Gedeck auf
kg?n und setzte mich, ganz bczaubert von
,er Liebenswürdigkeit des kaiserlichen
Bastes, mit der üblichen .Bin ich so frei'
M linken Seite de Erzherzogs an den
tisch. All Mundschenk fungirte natür
fich ich selbst. Und nun machten wir uns
kide über die Forelle her, die meinem
Sja(!e ßanz vorzüglich mundete.
Fckdbacr . . . , daS !var eine sehr nette
tno de!:kits Ukberrcischung vo Ihnen.
tk ZoreLe ist ganz großartig, -,
Ich schittuilzelte voll innerer Besric
digunq.
AI wir mit dem kleinen Mahle serlig
waren, ergriff ich die Weinflasche
Hoffentlich kein schwere WercoAi?"'
bemerkte der Erzherzog,
.Hohe,! können sich verladen .... härm
lo4 und susfig, Vumpoldtkiickinerlef
vom !r Jahrgang
Na, na.... gar so harmlos wird der
Uvein wohl nicht fein, zwinkerte der
herzog lustig mit den ttunen. t?r befand
sich heut in einer autnchmend guten
Stimmung.
Tann folgte die Kostprobe.
Hm... in der 2ba . .. ein gute,
Zrov wen, Xtefen Worten totale ein
Gaumenschnalzer, der den Weinkenner
verrieth.
Bin überglücklich, kaiserliche Hoheit zu
sriedengkstkll! zu sehen. Auch meine Frau
wird sich riesig freuen.
Ah. die Forelle ist ein Kunstwerk Ihrer
Frau!... üratlire Jemen, ijff,. Held
bacher! So eine Kochkünstlerin hat
mcdt Jeder zur ffeau.
ist Inörfte jetzt seinen grauen Jagcrrock
auf ider iZrzhelzsq war im einsaten Ja
gkkklelde erschienen) und brachte au der
inneren lasche sein äigarrenetui zum
Vorschein, das er mir ohne weitere Um
stände offen hinhielt.
Ich stammelte etwai von hoher Au.
zcichnunq, öhre und tiesstgesuhltcm Tank'
und zog eine Eiqarie heraui. 7i war
eine Upitiann schwerster Torte. Ter Erz
herzog nahm ebenfalls eine Cigarre und
köpfte sie. Tonn setzte er seine Havanna
unter meiner Assistenz in Brand. Alj er
bemerkte, das, ich nicht rauche, wollte er
mir gelier geben.
Beinahe hätte ich den Tisch umgestoßen,
so heftig war ich aufgefahren.
Aber, kaiserliche Hebeit werden sich
doch nicht um mich bemühen!' Und schon
hatte ich die Streichhölzer in meiner Hand.
Gestatten untertbänigft.' Ich zündete
ein Hölzchen an und wollte meine ?i
garre in Brand setzen. Zu meiner groß
ten Verlegenheit bemerkte ich. daß die Ei
garre noch nicht beschnitten war. Ich
wußte momentan nicht, was ich zuerst' nie
beilegen sollte, die Cigarre oder das bren
nende Streichhölzchen. Und mit dem
Munde einfach die Cigarrenspitze abzu
beißen, traute ich mich mit Rücksicht auf
die Gegenwart meines hohen Gastes nicht.
Ich mußte hierbei sebr einfältig ausge
fehen haben, weil der Erzherzog zu lachen
ansing.
Halten Sie Ihre Cigarre geschwind
her.... so...', und bei:sigt knipste er
mit seinem Zwicker daS Mundstück der Ci
garre ab.
Ich stand auf und verbeugte mich jicf.
Tiefe spontane Dankesbezeugung mußte
auf den Erzherzog erst recht komisch ge
wirkt haben, weil er in ein lautes Ge
lächter ausbrach.
Aber Feldbacher,' beinahe wäre er vor
Lachen stielt, , ... was machen Tie den
für Faren mit mir. Da..., jetzt setzen
Sie sich einmal ruhig her und lassen Tie
uns gemüthlich plauschen. So eine ruhige,
gottvolle Stunde wie die heutige habe ich
jelten.
Ein leichter Schatten überflog seine Ge
sichtszüge.
Das Liben eines alten Erzherzogs ist
lange nicht so schon, als Sie cö vielleicht
glauben mögen.'
Ich muhte ihn damals etwas ungläu
big angesehen haben. Er bemerkte es so
fort. Äch ja..., glauben Sie mir. So
eine Stunde, in ungezwungener Plauderei
zugebracht, ist mir zehnmal lieber wie aller
Hofprunk und gesellschaftliches Ansehen.'
Aber Hoheit!... Ihre unrwhbar hohe
Stellung. Ihr sorgenloses Dasein...'
Eine abwehrende Geste unterbrach meine
Worte.
So .... glauben Sie ... , sorgenlos
und unnahbar?... Lieber Fclddacher,
wenn Sie wüßten, wie bitter manchmal
diese St,llun ift"
Er grifs zum Wein.
Beinahe krampfhaft ich auch.
- Was bin ich eigentlich? Sie und
alle Welt wifscn es: Der Ausstellung-,
Hochzeit;, und. Leichenerzherzog! Ein
ebenso prunkvoller als nichssagcnder Be
ruf! Und erst mein Bruder, der Kai
ser! Er ist wahrlich nicht auf Rosen
gebettet und gewiß nicht zu, beneiden.'
. Ich möcht' nicht an seiner Stelle sein,'
entfuhr es mir.
Ter Erzherzog mußte übet meine na?
den und gar nicht hofgenräßen Worte
lächeln.
Würden auch schwerlich entzückt sein,
lieber Feldbacher,' meinte er leutselig und
kostete wieder vom Gumpoldskirchner. Ich
hielt eö sur schicklich, immer dann zu
trinken, wenn mein hoher Gaft trank.
Mußte also diesmal wieder mittrinken
Erzherzog Karl Ludwig rauchte eine
kleine Spanne Zeit schweigend. Dann
bemerkte er: Na .... reden wir von was
Anderem. Was giebt e denn ?ieues in
Payerbach und Reichen?'
Haben kaiserliche Hoheit schon von dem
beabsichtigten großen Bau gehört? Der
soll ja in nächster Nähe Jähret Schlosses
entstehen!'
Habe auch davon gehört. Bin aber,
offen gestanden, nicht sehr erbaut davon.'
Da habe ich kein erfreuliches Thema an
geschlagen, dachte ich mir. Um diese Ent.
gleisung wieder vergessen zu machen, ent
korkte ich eigenhändig ein, zweite Flasche
Gumpoldskirchner. Während de, An
Ziehens mit dem Korkzieher meinte ich:
Machen Sie sich nichts daraus, kaiserliche
Hoheit..., wer weiß, ob der Bau so
groß wird, wie man spricht. Und viel
leicht übersiedelt der Bauherr überhaupt
nicht ständig nach Reichenau,'
Er wird kommen. Und wie ich höre,
soll sein Schloß ein fabelhaft großer und
luxuriöser Bau werden.' Er machte eine
Pause und kostete von der zweiten Fla
sche. aus der ich ihm emgcschenkt hatte.
Selbstverständlich machte ich die Krast
probe mit meinem Gläschen mit.
W,ffen Sie. lieber steldbacher . . ., ftr
srnd alle skhr einfach erzogen worden'.
fuhr mein Gast dann fort, und da de.
rührt e inen peinlich, die Protzenhaslig
keil de Kapital ansehen , müssen.
Noch dazu in meinen gkliebten Bcrzen, in
denen sich ein solcher Monstrebau gar
nicht schön ousnehmen rvied,'
Betörst m die f abwindende gute
Stimmung mein! hohen Sastkt, schenk
ich die Glaser wieder voll.
.Für un bleibt Schlok' Warthol, im
wer die alte kaiserliche Herrschaft, an der
wir alle mit Veib und Seele hangen
Müssen deswegen nicht verstimmt sein.
kaiserliche Hoheit. Gegen solche Sachen
kann man ha nicht machen.'
Dietmal hatte ich scheinbar da richtig
getroffen.
Mit großer ?rei,dk in den Augen bückte
mit Erzherzog Karl Ludwig an,
So. so . . . hat man un hier so
gern?'
Aber, kaiserliche Hoheit!!'
Nun ja . . .. ich will an Jhr Wor
ten kciiielweg zweiseln, U hat mich je
densall sehr gefreut, die ant dem
Munde eine Ansässigen zu hören.'
Und wieder kostete mein Gast.
Und ich auch.
Ich winkte dem Kcllner, der rasch zwei
neue Weinslaschen brachte.
Ter Erzherzog erkundigte sich dann bei
mir über einige Rcichenauer Familien.
Ich war sehr erstaunt, zu hören, wie gut
mein hoher Gast über die hiesigen Ber
Hältnisse infrrmirt war. Beinahe ousgk'
lacht hatte ich, al er von einem alten
Reichenauer erzählte, der einmal der Hos
tasel deigezoaen wurde und beim vierten
Gang, der au Kalbskoteletten bestand,
die Papierschnitzel milaß.
Hat Ihm scheinbar nicht geschadet ,
lachte der Erzherzog in heiterer Stim
mung und stieß mit mir an.
Hoheit sollen leben!'
Sie daneben. Feldbacher, und Ihre
liebe Frau auch , meinte mein Gast n
animirter Weife.
Dann tranken nr beide ex und kneip-
ten plauschend weiter, bis auch die vierte
Flasche zur Neige ging, Es war meine
letzte Flasche. Zum Glücke erinnerte ich
mich, daß vom letzten Silvester her noch
zwei Champagnerslaschen im Keller lagen.
Ein würdiger Abschlug des heutigen Bor
Mittages! Hätte noch eine kleine Ueberraschung
für kaiserliche Hoheit. Aber da muß ich
mir selbst besorgen,' Und schon war ich
draußen und eilte in meinen Keller.
AIs ich mit den beiden Champagner
laschen eintrat, hatte mein hoher Gast
oeben den Rest der letzten Weinflasche ge-
leert.
Nix für ungut, kaiserliche Hoheit . . ..
aber a paar Glaserln Sckampus müssen
wir noch zusammen trinken.'
Feldbachcr, Feldbacher'. drohte der
Erzherzog, lächelnd. Mir scheint, Sie
wollen mir heute einen kleinen Affen an
zen!'
Aber Hoheit . . .. die paar Glaserln,
. für an solchen weidgerechten Jage,
wie Ä,e es sind . ... das it la rein gai
nix.'
No meinetwegen . . .. weil Sie es
sind . ; . und weil es heute so urgemütlich
bei Ihnen ist.'
Ich schenkte ein und wollte gerade einen
chwungvollcn Toast vom Stapel lassen.
als mir der Erzherzog zuvorkam: Mein
lieber, Feldbacher! ... An die heule mit
Ihnen so vergnüglich verbrachten Plau
derftunden werde ich mich stets gerne erin
ncrn. Ich danke Ihnen für Ihre lieben
würdige Aufnahme, für Ihre prächtige
Bewirtung und bitte, mein Lob über die
ganz vortreffliche Kochkunst Ihrer lieben
Gemahlin übermitteln zu wollen. Und
nun ein fröhliches .Prosit' auf Ihr und
Ihrer Frau Wohlergehen. Seien Sie
überzeugt, daß mir unser heutiger Plausch
eine große, sehr große Freude bereitet hat.
wofür ich Ihnen in herzlicher Weise mei
nen besten Tank absprechen möchte.'
Ich war einfach starr nach diesen ehren
den Worten meines hohen Gastes. Dann
ermannte ich mich aber und wollte ent
gegnen, brachte aber nichts als unser
stündliche Sätze heraus. Der Erzher
zog lachte sich krumm über meine Hilf
lofigkeit.
Ja . . .. das Toastiren will geübt
sein, -r- Machen Sie sich nichts daraus',
tröstete jetzt mich der Erzherzog. Tann
stieß er fröhlich mit mir an.
Der Champagner that seine Wirkung.
Wir wurden sehr gesprächig und unter
hielten uns mit Jagdgeschichten.
Mein Bruder kommt öfter aus den
Hahn ins Kreuzberggebiet. Er ist noch
immer ein Meisterschütze und weilt sehr
gern in den hiesigen Revieren.- "
Die Hahnenjagd am Kreuzberg is
aber auch nobel beinand', entgegnete ich.
Die beginnende Alkoholwirkung lockte mir
die gewohnte Mundart auf die Zunge. ,
Bei meinem hohen Gast schien das
gleicht einzutreten. Ich bemerkte es da
mal nicht gleich. Erst nach einiger Zeit
siel es mir aus, daß in seinen Worten
die wienerische Note vorzuherrschen be
gann.
Hörn S, Feldbacher . . .. bei Ihnen
ist es wirklich kreuzfidel. Da , muß ich
öfter hergehen .... da brauch ich noth
wendig . . ., so a bifferl einen gemüthli
chcn Plausch . . . Das thut einem or
dentlich wohl.'
Aber kommen ' nur öfter, Hoheit
. . . i bin ja jedn Tag da.'
Der Erzherzog mußte über meine Be
merkung auslachen.
Das wär zu diel . . ., jedn Tag
Schampus . . ., nein, lieber Feldbacher.
das war zu viel!'
Unter Lachen und Plaudn kneipten
wir auch die beiden Champanerflaschen
leer.
Wir wurde es jetzt schon ein wenig
schwummerig, ober da der hohe Gast keine
Miene zum Weggehen machte, blieb mir
nichts anderes übrig, als mich um neuen
Stoff umzusehen.
Der Erzherzog in ein wenia ins
Freie, um frische Luft zu schöpfen, und
ich benutzte feine Abwesenheit, um dei
Kellner rasch in das benachbarte Wirts
hau, des Weinzettl Michel zu schicken.
Al,,. was Tu kriegt', ertlüctt ich
ihm eilig.
Als der Erzherzog nach einer Weile
das Stüdchen betrat, stand bereits mein,
Kellner beim Tisch und stellte eine Flasche
Klrschenschnaps nieder. Ich kam leider
zu spät, um es in verhindern, Run mußte
ia) flute Miene zum dösen Dpiel machen.
.Der Kellner wollte iure Hoheit mit
einer Schnaptspezialität unserer Berge
surten', sagte ich in entschuldigendem
iotu.
Ah . . . grsßaitig' hörte ich zu mei
nein (Blues ausrufen. Einfach großar
m- .
Ich beeilte mich, ein Glätchen anzufül
ltn. Unterdessen kalte der erzherzog dem
Kellner eine Zehnguldennote überreicht,
worüber dieser in eine solche Fleude ge
riech, daß er laut ousjuchzte.
.Wirft ne still sein', fuhr ich ibn an.
Aber lassen Sie ihn nur', lachte der
Erzherzog. .Sg . . . und jetzt wollen
wir diese Hautgetränk einmal kosten.'
Du lieber Himmel! Ich mute
pflichtschuldigst auch mitkosten. Da ge
schah öfter, und unter untrüglichen An
zeichen unsere bc.iiienden Dusel.
ff war 1 Ubr Mitlag vorbei, al
mein Gast plötzlich auf seine Ubr blickte.
Um ottr Willen, Feldbacher! . . .
So spät ist , schon? ... Ja. wie ist
venn das möglich?'
Stimmt. Hoheit! . . . Viertel zwe
'(''!'
Ah, so was! ... Na. da heißt es aber
zuiammenpacken!
AI wir Ins ssreie traten, kam e blitz
artig Über uns beide.
Der Srzdkroa blieb st eben und mukt
nch am Staketkizaun anhalten. Ich
rampsie heroisch, auf meinen Stock tt-
stutzt, gegen die niederirächliaen Bendel
gesuhlt meines ausziehenden Rausches.
isklddacher . . ., m,r scheint, ich bin
beschwipst." rj.s der Erzherzog, in ein
lustige Gelächter ausbrechend.
.aiserliche Hoheit . . .. i aa!'
Und jetzt lachten wir uns beide eine ae
räume iiieiie oeaenleitia aus.
Da, bängte sich mein hoher Gaft in
meinen rechten Arm und sagte: Feld
bacher. daran sind Sie schuld. Je.t miH
sen Sie mir aber auch bis aus die Höhe
hinaufhelfen. Bit dorthin wird der Tu
fei hoffentlich nachgeben.'
Arm in Arm begannen wir nun den
ziemlich steilen Weg zur Steyerhöhe em
porziisteigen. Das werde ich mein Lebtog
nie vergessen. Der Erzherzog in der fidel
sten Stimmung, allerlei Schnurren zum
besten gebend, konnte nichts als lachen
und wieder lachen,
Nein, so etwas ist mir noch nie in
meinem Leben passirt. Das muß ich al
les meiner Frau erzählen', rief er über
lustig au. Tann begann er gar Gstan
zeln zu singen, die ich mit meiner gröh
lenden Baßstimme begleitete. Ali wir
aus der Steyerhöhe standen, dachte ich
mir: Höher geht's nimmer!'
Jetzt gehen Sie zurück, lieber Feld
bacher'. sagte der Erzherzog zu mir. Ich
kann schon ganz gut allein gehen.' Und
lachend vollführte er einen selbständigen
Gehversuch, der gottlob ganz leidlich auS
fiel. Wenn mein Bruder wieder kommt,
werde ich Sie mit ihm besuchen. Dem
Kaiser wird es bei Ihnen sicherlich eben
sogut gefallen wie mir. Und dann wollen
wir wieder zusammen lustig sein wie
heute.' In herzlicher Weise reichte er
mir seine Hand zum Abschiede.
Mein tiefsten Dank für die große
Ehr'.' lallte ich mit schwerer Zunge. Und
i laß mi dem Herrn Bruder bestens em
pfehln mittlerweil. Er soll nur bestimmt
kommen mit Ihnen, kaiserliche Hoheit....
das möcht mi unbändig freun!'
War es noch ein Rest der Alkoholwir
kung. der dem scheidenden Erzherzog plötz
lich in heimtückischer Art einen Stoß der
setzte, oder kam es wir in meinem Rausch
nur so vor. Ich weiß es nicht mehr.
Der hohe Gast grüßte noch einmal mit
der Hand und schritt dann thalabwärts
seinem Schlosse zu.
Lange sah ich ihm verklärten Blicket
nach, bis er im nahen Hochwald der
schwand.
Am nächsten Tage lief eine merkwür
dige Nachricht durch da ganze Reichen
auertal, von der auch ich Kenntnis erhielt.
Erzherzog Karl Ludwig war gestern
Nachmittag in einer sehr aufgeräumte
Stimmung zu Fuße im Schlöffe Wart
holz eingetroffen und gab dem gesammten
Dienstpersonal sofort nach seiner An
kunft den restlichen Tag dienstfrei!' .
So etwas soll im erzherzoglichkn
Schlosse überhaupt noch niemals borge
kommen sein.
Die Hypothek.
Bon Schül,?.
Jüngst ließ sich ein Herr Rothschild bei
mir melden. Der Name klang so ver
heißungkvoll. daß ich kein Bedenken trug,
den Mann zu empfangen. Meine krwar
tungen schrumpften allerdings bei seinem
Anblick zusammen. Dem Stammhaust
schien er jedenfalls nicht anzugehören: sonst
hätte er einen besseren Ueberzieher getra
gen. Aber immerhin, er war doch ein
Rothschild. Und wenn er auch nur einer
nicht ganz so bemittelten Seitenlinie ent
ftammje ...
Ich dringe Ihnen etwa.' begann er
wohlwollend die Unterhaltung. Nun, das
war doch ein Wort. Sin Wort, das ihm
von vornherein mein Vertrauen sichertr.
Wenn sonst ein Fremder zu dir kommt,
nicht wahr, dann pflegt er dir nichts zu
bringen; dann will er waS von dir.
Wenn du Glück hast, begnügt er sich mit
deinem Rath; doch meisten! hat er es auf
deinen Draht abgesehen. Aber ist es dir
schon jemals passiert, daß einer zu dir
kam, der Rothschild hieß und dir wal
brachte? Solch Fälle sind doch äußerst
selten, und ich meine, derartigen Men
schenfreunden mußte man ihre Ausgabe
nach Möglichkeit erleichtern.
Nur heraus damit,' ermunterte ich als
meinen Besucher. .Was bringen Sie mir
denn?'
Etwas Schönes, etwa Gutes, e!waS
Pikfeine.' versichert, Herr Rothschild;
mir lief das Wasser im Munde zusammen.
Etwas für Kinder und Kindeskinder. Es
handelt sich um filnfzigtauseiid Mark.'
Geben Sie her,' sagte ich gerührt und
erfreut. Denn Geld kann man immer
brauchen, und diese Silmnie hätte mir fl
.ade noch gefehlt, um. dem Zuge meine
ehrgeizigen Herzen entsprechend, i eine
Wct Cteuersluse befördert in werden.
Ich machte also deld, Hände aus. bereit.
die sunszig Bkaunlinge tn Smpsang zu
nehme. Aber so war e nicht gemeint.
Vielmehr stellte I sich im Verlaufe eines
längeren DiskurseS heraus, daß ich die
sünszig Mille nicht bekomme, sonder be
zahlen sollte.
Und das nennen Sie. einem was
bringen?' sagte ich enttäuscht.
Ich bringe Ihnen uch was,' beharrle
Rothschild: Ich bringe Ihnen eine An
läge; eine gute, eine sichere, eine aussichts
reiche Anlage.'
ff wird sich um ein Theater handeln.
das Geld braucht.' dachte ich.
Eine Anlage, bei der Sie ruhig schla
sen können.'
Oder um eine Erfindung: Ersindun
gen sind ja zum Ausbeuten da.'
Eine Anlage, an der Sie Ihre Freude
haben sollen.'
Der Mann verstand es einen in Svan-
nung zu versetzen. Nach weiteren fünf Mi
nuten wußte ich. daß die Anlage in einer
Vhpoiner venanv, die aus einem am
Grönländer User belegenen Grundstück
ausaenommen werden sollte.
Es ist eine Goldgrube.' belehrte mich
Rothschild: Sech, Prozent Zinsen!'
Tann steht sie wohl sehr weit hinten?'
fragte ich.
Freilich thut sie das.' sagse er lebhaft.
Sie kommen an die letzte Stelle. Da steht
niemand mehr hinter Ihnen.' Wenn man
ihn reden hörte, dann war man Über
zeugt, daß es keinen größeren Vorzug gab.
als eine Hypothek an letzter Stelle zu be
sitzen.
Und wenn nun die Zinsen nicht bezahlt
werden?' forschte ich.
Tann.' lächelte unser Freund über
legen, dann kommt erst der wahre Segen
über Sie. Etwas Bessere kann Ihnen
gar nicht passiren. Denn dann kommt es
zur Subhastation' bei diesem Worte
verklärten sich sörmlich seine Züge , und
Sie werden der Erst eher.'
Das Haus ist wohl schon öfter sub
hastirt worden?'
A.ftnnhiA h.rfl .Tl. rn! ft.r TOnll,.
. - ( tf l. ..M,..l llll IVIlf
Ichild: ,cS Hat schon vierm! seinen Be-
sitzer gewechselt, so jung wie ei ist; ober
noch nie oul freier Hand, sondern immer
per Subhastation. Und jedesmal ist eine
hübsche, runde, nette Hypothek dabei aus
gefallen. Auf diese Weise ist es immer
billiger geworden, und Sie können von
Glück sagen, wenn Sie es erstehen.'
Mir war die Vorstellung, ein Haus am
Grönländer Ufer zu erwerben, nicht gerade
sympathisch. Eine so überaus nördliche
Gegend. Man kriegte ordentlich kalte
Füße, wenn man nur daran dachte. Aber
Rothschild wollte das nickt gelten lassen.
Er behauptete, das Grönländer Ufer wäre
eine Gegend, die von Jahr zu Jahr im
Werthe steigt. Das war mir natürlich be
kannt. EI gibt in Berlin keine Gegend,
die nicht dauernd im Werthe steigt. Man
soll mkr mal eine nennen, die zurücksteht.
Einfach ausgeschlossen. Und doch stehen
so diele Wohnungen leer. Und selbst am
GrSiiländer Ufer war wohl die Hälfte un
bksctz!. Herr Rothschild mußte das zu
gebe; allein er hielt es nur für einen vor
übergehenden Mihstand. den er' auf den
Rückgang der Geburten zurückführen zu
sollen glaubte. Wenn erst die ttinderzabl
gesetzlich festgelegt wäre, dann meinte
er würden auch die Wohnungen olle
vermiethet werden.
So sicher schien er sich freilich aus dem
Boden der Nationalökonomie nicht zu sllh
len. wesyaid er denn wieder ins Geschäft
liche zurücklenkte. Und ich sollte doch mein
Glück nicht verscherzen, sondern zuareiken:
denn so eine Gelegenheit biete sich sg leicht
nicht wieder. Und die Zukunft liege, wie
gesagt, im Grönländer User. Und so wei
ter. Nach wenigen Minuten war ich fer
tig. Nicht so Herr, Rothschild. Er redete
und redete. Er redete mich in eine leichte
Ohnmacht, in eine Art von Dämmerzu
stand hinein. Ich sah und horte nur noch
wie durch einen Nebelschleier diesen Men
schen. der mir seine Hypothek auf die
Brust setzte wie eine Pistole.
Al! ich wieder zu mir kam, hörte ich ihn
gerade noch sagen: Wir sind also einig.'
Natürlich sind wir einig.' stammelte
ich voller Bestürzung, und es gelang mir.
de Zipfel seines Paletot zu erwischen;
venn er war 'cyon ,m egrift. sich zu ent
fernen: da ist nur noch ein gewisser
Punkt zu besprechen eine Kleinigkeit
nicht der Rede werth. Sagen Sie mir,
Herr Rothschild: wo nehmen wir denn die
fünszigtaufend Märker her?'
Das hatte Rothschild nicht erwartet.
, Ich denke, die h a b n Sie?'
; Wer sagt Ihnen da?'
.Die haben Sie nicht? Ja. warum
haben Sie mik das nicht gleich gesagt?'
Sie haben mich ja nicht gefragt. Lerr
Rothschild. Sie thaten ja erst so. als
wenn Sie mir wai bringen wollte.'
Dann müssen wir un das Geld der
schaffen. Dann müssen Sie Ihre Papiere
dertaufcn.' bestimmte er: .Sie habe doch
welche?' .
Freilich habe ich welche. Welcher
Schriftsteller hätte keine Papiere? Et fragt
sich nur. ob sie für Ihre Zwecke ausreichen
werden.'
Hier wurde Rothschild böse und sprach:
.Machen Sie doch keine Witze mit mir.
Sie glauben wohl, ich hätte meine Zeit .
pohlen?'
Ob Sie Ihre Zeit gestohlen haben.'
antwortete ich und ofsnete ihm zuvorkam
mend die Thue, .das entzieht sich meine,
Kenntnis. Aber ich halte es nicht für
lligefchlossen; denn Sie haben mir die
meinige gestohlen. Und da ist nicht
hübsch von einem Manne, der mir etwas
bringen wollte.'
Ein Eifenkahnnnglück.
Na, Bill, wie siehst du aus? Ei
blaues Auge und eine geschwollene Nase!
Wo hast du das her?'
.Eisenbahnkatasirophk!''
.Wirklich?', ' .
.Ja; ich hatte im Schlafwagen ein ode
re Bett, rutscht beim Hinaufsteigen aus
und landete mit meinem Fuß mitten in
dem Gesicht des Manne in der unteren
Koje und- dieser Mann war ein
kkoseZioneller Faustkcimxferi' , ., ,
Wein erstes Auftreten. $
von Wladimir von V,r,nstamm.
Einzig berkchtiztt Utbersttzung von vr. Am. Ulono wr. '
Nun war ich also Rechtsanwalt.
Aber Prozesse? . . . Borläufig keine . . .
Und ach! Wie sehnt, ich mich nach Ar
deit!
Ich wohnt noch beim Later. Eine
Tage stürzte unser Faktotum Ulla, ein
in unserer Familie in Ehren ergrautes
Dienstmädchen, ins Zimmer und rüst
themlol vor Aufregung und Freude:
.Wladimir Walerianomitsch. ich habe
einen Prozeß für Sie!'
Wa as? Woher?'
Unsere Nachbarin hier auf dem Kor
ridor hat ihre Köchin Knall und Fall weg
klagt, sie .Tummkopf' geschimpft und
ihr nicht eine Kopeke Lohn gezahlt; acht
Rubel ist sie ihr schuldig. Ich habe
Arinja schon von Ihnen erzählt. Sie ist
draußen in der Küche und bittet. Sie sol
len sie vertheidigen.'
Rufen Sie sie herein,'
Die Köchin Azinja Noskowa. eine ge
wandre. ansprechende Person, kam hereu,
und berichtete auf meine Aufforderung
folgendes:
Meine Dame hat mich rausgeworfen.
weil ich ihr zum Mittag Brot gegeben
habe, das mit Petroleum durchtränkt war,
over icy in ganz unschuldig daran: denn
die Petroleumkane läuft. Ich habe es der
'ame schon langst gesagt, sie müßte ge
löthet werden, oder sie soll eine neue kau
sen. aber die Dame hat geantwortet:
.Stopf' sie nur mit etwa ,u!' Ich habe
die Pktiolkumkanne aus den Küchenlisch
sgestellt. da Loch mit Lappen zugestopst
uno vann ganz daraus vergessen, und
während ich in den Laden gelaufen bin.
um Gurken zu kaufen, ist das Petroleum
aus das abgeschnittene Brot getröpfelt und
hat sich darin festgesaugt wie in einem
Schwamm. Die Dame hat da Brot in
den Mund genommen und plötzlich wie
besessen geschrien, hat das Brod auf den
Boden geworfen und mich Dummkops'
und .Schwein' geschimpft und gesagt, ich
wolle sie absichtlich mit Petroleum ergif
ten. Tann hat s mich rausgcschmissen
und mir für einen ganzen Monat keinen
Lohn gezahlt. Bin ich denn schuld? Ich
habe doch der Dame gesagt, daß die Pe
troleumkanne läuft . . .'
Ich entschloß mich, die Sache zu über
nehmen, quälte mich lange mit der Klage
schrift. nachdem ich in allen .Nachschlage
büchern für Beschwerden' nachgesucht
hatte; denn im Grunde genommen hatte
ich keine Anleitung gehabt. Tr Anwalt,
bei dem ich zuerst arbeitete, war ein aus
gezeichneter Mensch, ein Idealist, der in
den Wolken lebte und fast gar keine Ge
schäfie führte. Natürlich fragte ich auch
ältere Kollegen um Rath, aber da war
erst später ...
Der Tag der Gerichtsverhandlung brach
an.
In großer Aufregung betrat ich das
Zimmer des Friedensrichters. Der war
ein großer, massiver Mensch mit lauter
idiimme, die wie aus einem ungeheuren
Faß herauszukommen schien. Er schrie
die evner und jagte ihnen nen pan,
schen Schrecken ein., aber seine Augen
duckten gut und einfach, die Prozesse in
teressirten ihn . . .
Ich sah im Saale und blickte mich
um . . . Jetzt rief er die Noskowa.' Ich
trat vor . . . Statt der Klägerin erschien
auch ein junger Advokat. Vom ersten
Augenviicke an detrachtete ich ,hn al ge
schworenen Feind. Wie? Er . . ein
Advokat konnte sich zum Vertheidiger
einer Dienstgeberin machen, einer Dienst
geberin gegen ihr Dienstmädchen, dem jene
die sauer erarbeiteten acht Rubel Lohn
vorenthalten wollte?
Was für eine Schande!
Wozu, warum?
Ich sprach zuerst über diese Thema.
Ich zitterte vor Entrüstung. Mein Beg
nnr, anscheinend in sehr gutmüthiger
Mensch, nur ebenso heißblütig wie ich.
wurde durch meine Heftigkeit angesteckt.
Wir begannen i Gegenwart des Richters
zu streiten und erhoben ein fürchterliches
Geschrei. Ich bewies, daß da mit Pe
troleum getränkte Brot keineswegs als
rund zur Auslosung de! B ertrage die
nen könne, daß der Lohn ausbezahlt wer
den müsse. Ich stützte mich dabei auf
eine Entscheidung de Senate vom Jahre
1877. Nr. 144. wo e heißt: ,S ist g.
setzkich nicht zulässig, daß Werthe im biir
gerlichn, Verkehr ohne Gegenwerth der
äußert werden ... und Arbeit ist ein sol
vyer aumi).
TOiin Segnn widerte nun. daß die
Klägerin den Lohn keineswegs de BroteS
wegen nicht auszahlen wolle, sondern weil
,yr mehrere silbern ossel abhanden e
kommen seien.
Nach Aussage der deklaate Arinza er
klärte ich. daß die Klägerin überhaupt nie
im esi vo silberne Löffeln gewesen
wäre, sondern solche aus Nickel gehabt
habe, und daß auch die schon beim vorigen
Stubenmädchen verloren gegangen wärm.
Die Dame hätte ihr da mehrmals er
zahlt.
Und da alle behaupteten wir hartno
ckig. ohn och ine einzigen Zeugen an
gehört zu habe. Beide erhitzten wir uns,
regten un auf und schrien. Der Frie
denkrichter hörte zu. plötzlich aber hielt
er sich die Seiten fest und brach in ei un
bändige Gelächter aus.
.Hören Si mal. meine Herren, Si n
gen sich wirklich s, auf. daß man glauben
könt. Si stehen zum rftcnmal vor Ge
richt.'
Und wieder brach n in laute Lachen
aus. ' .
Mein Gegner schwieg.
Verlegen antwortete ich:
Denken Sie sich, Her, Richter, da ist
wirklich der Fall. ES ist vämlich mein
erster Prozeß."
.Wa ?' rief der Richter fröhlich,
da, ist Ihr erster Prozeß? In diesem
Falle,' wandte r sich an meine Gegner,
.müssen Sie ihn diesen Prozeß gewiunen
lassen. Höre Sie mal. da t sein erster
Prozeß ist. muß er gewianen.'
Und ich soll verlieren?' slchie mcin
Gegner. Da! Brotwar -iodj aber. mit
Petroleum getränkt, und die sild?rne
Lossel sind zweisello . . ."
.Ganz gleich. Hier handelt ei sich nicht
mehr um silberne Lossel . . .. hier ist -verstehen
Si doch! ,n erster Prozeß.
Zahlen Sie ihm sofort die acht Rukcl.
sonst spreche ich sie ihm zu und nehme och
50 Rubel Gerichiskostrn von Ihnen. Den.
ken Sie daran, daß meine Entscheidung bi
aus 30 Rubel ndziltig ist. Erkläre Ei
sich lieber sreiwillig damit einverstanden
und übergeben Sie ihm sofort da Geld.'
Herr Richter, aber da ist ja una"
rech,.'
.Nein," unterbrach ihn der Richter böse.
Sie müssen die acht Rubel hergeben, ff
ist der Verdienst der Köchin, und ich kann
nicht zulassen, daß der erste Prozeß wie
der erste Bissen . . . Wenn der erlauf
sogar derartig wäre, daß ich ihm da Gld
nicht zusprechen könnte, so hätte ich au
meiner Tasche acht Rubel genommen und
sie Ihnen gegeben, damit Sie den Betrag
dem jungen Kollegen aushändigcn. E
ist doch sein erster Prozeß! Schäme Sie
sich. Sie müsse doch mein Gefühl ver
stehen.'
Der Gegner war wie betäubt, er konnte
nicht mehr streiten. Widerwillig fuhr er
in die lasch und bezahlte mir acht Ru.
bel; dabei hatte er ein so niedergedrückt
Aussehen, daß ich sofort Mitleid für
fühlte.
.Nun, Gotkseidanl! Schluß!' rief der
Richter fröhlich. Es ist Zeit zur Bersöh
nung. Reichen Sie einander die Hand.
In Frankreich schimpfen und schimpfen
die Advokaten aufeinander nd bleiben ihr
ganze, Leben lang steinde; bei uns ist es
anders, bei uns sind die Advokaten Feinde
im Prozeß und gehen al Freunde nach
Hau. Das ist eben russische Sitte!'
Ich strecke minem Gegner die Hand ent
gegen; er drückte sie mir, und wir gingen
zusammen hinau.
Als wir dann friedlich miteinander die
Treppe hinabstiegen, saqte mein Gegner
betrübt zu mir: Das Traurigste an der
Sache ist: t war auch mein erster
Prozeß'.' 1
DrdcnsjchnimdlerVranco unter
Vsttcnmordvttdacht.
Gegen den nach Verübung zahlreicher
Ordensschwiiideleikn in Paris verhafteten
HanS Branco aus Berlin ist jetzt der er
dacht aufgetaucht, daß er den Tod seiner
Frau, einer Tochter des bekannt,
tischlermeisters Groschku aus der Lands
berger Strafe 25 26, gewaltsam herbei
geführt habe. Die Berliner Staatianwalt
schast hat deshalb, wie bereit von unserm
peziaiiaoe, gemeldet, an die Pariser da
Ersuchen gerichtet. Branco nach Berlin
auszuliefern. .
Branco lebte in anscheinend glücklicher
Ehe mit der Tochter des Hoftischlermeister
Groschkus. die er gegen den Willen ihre,
inzwischen verstorbenen Bater, geheiratet
hatte. Der Ehe entsprossen zwei Kinder. ,
jn seinem Testament hatte Groschkus be- i
stimmt, daß seine Hinterlassenschaft von
mehreren ihm befreundeten Herren ver'
waltet werden solle; die Hälfte de, Ber
mögen, erbte Frau Branco. Da aber
der Erblasser befürchtete, daß den, Schwie
gersohn da, Geld unter den Händen zer
rinnen werde, hatte er bestimmt, daß seine
Tochter nur die Zinsen der ihr zufallen ,
den Erbschaft ausgezahlt würden. Ferner '
war in dem Testament ein Passus enthal '
ten, wonach Frau Branco ebenfalls testa
mentarisch verfügen könne, wie da, ihr
zufallende Kapital, von dem sie zu Leb
zciten ja nur die Nutznießung hatte, nach
ihrem Tode verwendet werden solle: bin-
zugefügt war allerdings., daß diese, Test.
mein, lucii r, gutiig sein solle, die BIUI
gung der vom Vater ernannten Perms
gensverwalter finden müsse.
Branco war dieser PaffuS bekannt, aber
wahrscheinlich wußte er nicht, von dem
Schlußsatz. Frau Branco begann wah
rend der Ehe zu kränkeln, und Braue
stePe wiederholt im Name.i seiner Frau,
die gänzlich unter seinem Einflui, stand
an die BermögenSverwalter da Ansinnen,
seiner Frau größere Mittel zur Berfü
gung zu stellen, damit sie nach dem Süden
reism könne. Da aber da, Ableben der
Frau allem Anschein nach nahe bevor
stehend war und die Herren nach verschic
denen anderer. Vorkommnissen di
fürchtung hatten, daß Branc da Geld
lediglich für sich selber verwende, wurde
die Auszahlung vnweigert.
Am 28. März Igl2 wußte Branc
seine Frau schließlich ,u bestimmen, in
Testament zu machen, in dem sie ihn al,
Universalerben einsetzte. Wenige Tage
spater, am 2. April, starb sie. Gegen da,
Testament der Verstorbenen erhoben die
s,epamenlsvollstrecre! Einspruch und e,
mußte für ungültig erklärt werden. Bald
ach dem Tod tauchten VerdachtSgründe
auf. daß Branc die Frau um' Leben
gebracht hat, um ihr Vermögen zu erlan
gen, daS bei ihren Lebzeiten für ihn un
erreichbar wor. und das er durch ihr u,
fiamknt für ihn sichert glaubte. Oi
sich wirklich de Morde schuldig gemacht
hat. muß die nunmehr eingeleitete Unter
suchuna erst ergeben. Um diese zu for.
dern. ist ge den Beschuldigte i Pari
da AuslieferungSvtrfahrea beantragt
worden. 1 .... 1 '
Ihr Lo,ik.
.Nun, Herr Doktor, was ist eigentlich
mit meinem rechten Bein lol?' t
Nicht besonderes, Großmutter da
ist da, Alter.'
Da Alter? Reden Sie keinen Un
sinn. Mein linke Bei ist gerade f, sj
f mei rechtes und doch ganz ge.
fund.'
tot ist die Frage.
Rache ist süß!' sagte der Anwalt zu
seinem Klienten. Wir werden den Fall
bis zum bitteren Ende durchkämpfen.'
Sehr wohl, aber für wen wird es ein
b',jires Ende sei, für meinen Gegiie,
oder für mich!" -
)
-tf' .. ' "'S. '