Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, April 25, 1913, Image 6

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    Lilgllche CtnaQa Trlöflnp.
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3m warinen Ttcft.
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V-A
iomin von (?.
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f, Fortsetzung).
.Und Ihre Stimme? Sind Sie ih'
rer so sicher? Wird Ihre Gesundheit
den Anforderungen einer Buhnen
laufbahn aetvachsen sein?
.Wenn der Seist will, muß der
J!:rücr f;!aen."
.Gilfe. ist daS Ihr letzte Wort?
Sie werden kein Gluck finden in ie
nex Welt des Scheins und 1 fla
bttlen. Sie können auch hier der
Musik lelen. Berqessen Sie daS
Wort, daZ ick sprach. Ich will nichts
weiter olS Ihr freund sein, aber
bleiben Sie hier, lassen Sie jene
Pläne von Künstlertum und Buhne,
Ter Lorbeerkranz ist oft ein Dornen
kränz, an dem sich die Empfängerin
dlutia ritzt.
.Kein Wort weiter. Herr Dok'
ior, Sie sprechen vergeblich. Ich
ebe. sobald ich kräftig genug bin.
Doktor Ienssen biß sich auf die
Lippen. Seine Rechte preßte sich
fest um daS eiserne Geländer der Be
randa. Dann machte er eine rasche
Wendung, als wolle er noch einmal
ihre Hand fassen. ?lber er riß sich los
und schritt mit stummem ruß hl
auZ.
Kurze Seit darauf klang vom Ha
fe her der Ton der Hupe, der die vor
übergehenden Arbeiter warnte, die
gerade beim Arbeitsschluß aus der
Zieg'lel strömten.
Ein paar erschrockene große Kin
deraugen starrten ihm nach. Gertrud
hatte in dem Birnbaum neben der
Veranda esessen, und wenn die Glas
wand sie auch hinderte, alles zu ver
stehen, so hatte sie doch genug ge
sehen und gehört, um zu wissen, um
was es sich handelte.
Sie hatt in Aufregung gebebt,
als sie sein Wort hörte: .Mein
Weib!"
Und dann sah sie sein verstörtes
Gesicht, sah seine schmerzlich beweg
jen Jüq.
Gilfe wies ihn ab? Sie wies Dok
ior Jenffen ob. den .himmlischen
jungen Doktor", wie er bei ihren
Freundinnen hieß? War das mög
lich. Ab ja. es war Wirklichkeit: denn
er ging im Zorn. Und dann kam er
nicht wieder, nie. nie wieder! Und
wenn sie nun mal krank würde, dann
würde man zu dem alten Doktor
Kwald schicken müssen: aber Doktor
Ienssen, Kurt Ienssen. kam nicht wie
der. Und sie hatte es sich schon so Herr
lich ausgemalt, wie es sein würde,
wenn sie "auch mal krank werden wür
Und sie hatte sich schon heimlich
ein Krankheit, so eine kleine, un
schutyig Krankheit, gewünscht.
Gertrud glitt von ihrem hohen
Sitz gewandt und leise herunter.Sie
blicktsich scheu um. ob sie jemand ge
sehen habe, denn Klara schalt immer,
wenn sie noch solche Backfischstreiche
beging. Dann lief sie wie gejagt in
den Park hinein.
Sie sank auf eine Bank, und als
gerade noch einmal der Ton der
Hupe herüberschallte, da barg sie ihr
Gesicht in beide Hände und weinte1
bitterlich.
Kindertränen! Und doch nicht nur
Kindertränen. So weinte das erwa
chende Mädchenherz in seinem ersten
heißen Schmerz. j
Ob Klara wußte, weshalb Gilfe
die Vorbereitungen zur Abreise nun
doppelt rasch betrieb? Ob sie muß
te, weshalb nach einigen Tagen Dok
tor Ewald in Vertretung seines jun
gen Kollegen herauskam auf die Zie
gelei. um sich nach Gilfes Befinden
zu erkundigen, um sie noch einmal
auf Herz und Lunge zu prüfen? Er
stellte ihr das Zeugnis aus. daß sie
reisefertig sei. Jedenfalls fragte
: Klara nicht und sprach keine Ver
mutungen aus. Sie betrachtete nur
manchmal ihr Trudchen mit be
sorgten Blicken. Das Kind hatte jetzt
so oft rot gemeinte Augen. Dr
Schmerz um den Vater war nicht
mehr so heftig, wenn sie ihn auch ge
wiß nicht vergessen hatte. Aber diese
Tränen schienen einen andern Grund
zu haben.
Was bewegte sie nur? Die Abreise
der Schwester? Auch das schien Kla
ra nicht wahrscheinlich. So nahe
standen gerade Gilfe und Gertrud
sich nicht. Eigentlich hatte Gertrud
zum Winter in Pension kommen sol
len, wenigstens wenn der Vater noch
gelebt hatte. Jetzt wurde Klara der
bedanke schwer, sie wegzugeben.
2cntt Gilfe auch fort war. würde
sie nun ganz, allein in dem großen
(ause bleiben. Das dünkte sie gar
li schwer und zu einsam. Jetzt war
ji Henning noch hier zu den Ferien,
''itt muhte ja auch bald zurück
cuf die Universität. Und wenn WU
L''nj aufy izkxS herüberkam, so ge
schay ws doch stets nur zu kurzen
tar Augenblicke. '
Soeben stand er mit Klara auf
dcm Hofe der Ziegelei und besprach
ccrhand. Da ging in Mensch vor
der sehr seltsam aussah. Die
'.''wt saß ihm schief auf dem Kopfe
irrn weit nach hinten ins Genick
Ein eigentümlich scheuer
' f.'r UZ den tiefliegenden Au
; Wilhelm Brachmann hinüber.
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Su,
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von inirrskl0'row.
Die Lippen bewegten sich, als ob er
halblaut etwas vor sich hin sprast.
Er grüßte aber den Herrn der Klara
du e nickt, sondern i? daran 0 in
einem Schuppen jenseits der Mauer.
Wilhelm Ärachmann sah ihm Lr
aerlich nach.
.Ich verstehe nicht. Klara, wie du
dir solch' einen Menschen in's Haus
nehmen kannst so einen vollstän
dig Verrückten."
.Nein. Wilhelm, der Emil ist kein
Verrückter: ein armer Blöder ist er.
ein harmlos guter Mensch, dank
bar wie ein Kind für jede freund
lichkeit. Und denke doch, was ich aus
'hm gemacht habe! Schon darum habe
ich ihn lieb."
.Nun ja, wenn ich mir allerdings
vorstelle, was er war. als er mit
seiner Mutter hier ins Krankenhaus
kam. Die Mutier blind und alt.
und er einem Tiere ähnlicher als
einem Menschen. Die Kinder liefen
hinter ihm her. wenn er durch die
Straßen torkelte und mit seiner rem
hen Sprache unverständlich Worte
murmelte. Dagegen ist er jetzt aller
dings halbnxgs" vernünftig. Aber
unheimlich bleibt er mir doch, und
ich versiehe nicht, wie du so einen
Menschen um dich haben kannst."
,OH. er iit ganz verständig. Ich
kann ihn so ant zu allerhand Boten-
gängen gebrauchen. Ich gebe ihm einen
Zettel mit. auf dem steht, was er ho-
len soll, und er besorgt mir alles. Frei
lich. lesen kann er nicht und schreiben
auch nicht. Aber soweit er ein Mensch
werden konnte, ist er's geworden.
Er kennt Arbeit und Tätigkeit und
ist unermüdlich darin."
Soeben kam der Mann zurück.
Er zog einen kleinen Handwogen
hinter sich her, auf dem Kohlen und
Holz lagen.
Klara rief ihn an: Emil, du sollst
nachher noch in die Stadt gehen!"
Wohl, wohl. Madamchen, Emil
gehen, gehen! Du upschriewe. up-
Ichriewe, Zettel migewe!"
.Ja. Emil, ich schreib's auf."
Ter Blödsinnige schob die Mütze
noch ein wenig weiter aus der Stirn
und ging nickend ab. Dabei mur-
melte er immer vor sich hin: .Up-
chnewe, allens upschriewe."
Im Vorbeigehen warf er von der
Seite dem Herrn Brachmann einen
mißirauischen B.'i'k zu, als ohne er,
daß der soeben nicht out von ihm
gesprochen habe.
Es war ja richtig, daß ein beson-
deres Vrständnis für diese armen
Geistesschwachen vorhanden sein muß-
te, um mit einem solchen Menschen
Tag für Tag umzugehen.
Das Seefelder Siechen- und Ar-
menhaus lag am äußersten Ende der
Stadt, wo die Cbaussee nach Klara-
Hütte hinausführte. Klara kannte
den Hausvater und war dort oft
eingekehrt. Sie war auch wegen ihrer
njchen, natürlichen und durchaus
nicht hochmütigen Art immer ein
gern gesehener Gast dort gewesen.
Sie kannte all die armen Kranken,
von denen manche schon jahrelang
dort lebten.
Da war der alte Lenz, auch ein
Blödsinniger, aber eine gute alte,
harmlose Seele. Er war schon als
Kind hier aufgewachsen und jetzt bald
60 Jahre alt. So hatte er sein Le
ben hier verbracht. Auf seinem run
den Vollmondgesicht lag immer ein
Lächeln, wenigstens wenn er satt war.
Er nannte jeden Menschen du" und
hatte eigentlich noch keinem ein böses
Wort gesagt. Er verdiente sich auch
ein Ellen reichuch. indem er im
Garten arbeitete. Kartoffeln bud
delte und allerhand Handreichungen
at. Tann gehörte zum alten Be-
'rand des Hauses die Guste. die der
Frau Inspektor in der Küche zur
Hand ging. Die andern wechselten.
So war vor zwei Jahren der Emil
mit seiner alten Mutter hingekom
men. Aus furchtbarem Schmutz und
völliger Zerlumptheit hatte sich der
Hausvater die beiden auf Verlangen
der Polizei abholen müssen. Die alte,
blinde Mutter war dann bald ge
storben; aber an Emil begann das
Werk der Nächstenliebe, und wirklich
gelang es, aus dem halb tierischen
Wesen einen Menschen heranzubil
den, der zur Tätigkeit, zum geregel
ten Leben, zu einer gewissen Art
von Ueberlegung befähigt wurde.
So lernte ihn Klara kennen, und
als dann die weisen Väter der Stadt
gemeint hatten, nun könne der Emil
sich auch allmählich sein Brot sel
her verdienen, er sei ja ein kräfti
ger, starker Mann von 30 Jahren,
für den im Krankenhause kein Platz
mehr sei. da nahm sich Klara Brach
mann seiner an. Gewiß, er war ge
fund und kräftig; aber er wäre in
kurzer Zeit wieder verlumpt gewesen,
wenn man ihn sich selbst überlassen
hätte. Das fühlte Klara, und das
sagte auch der Hausvater aus seiner
langjährigen Erfahrung heraus. Da
mit nun die Resultate aller Mühe
nicht umsonst gewesen sein sollten,
nahm sich Klara feiner an. Das war
noch zu Lebzeiten des alten Herrn
Brachmann. Der war ganz einver
standen, daß Klara ihren Schützling
hierher brach! und ließ ihr darin
völlig freie Hand. Sie gab ihm Ar
beit im Gcirten und auf dem Hof. und
ließ ihm darin völlig freie Hand.
wenn r auch in der ersten Zeit von
den Ziealern genarrt und gehänselt
wurde, so hörte daö allmählich auf.
Jeder kannte ihn bald und wußte.
daß der Emil unter Fräulein Brach
mannS besonderem Schutz stand, Na
tiirlich war er in dielen Beziehungen
nicht viel anders als ein Kind. So
durft er z. B. kein Gld in die
Hände bekommen. Er hätte e so
fort in SchnapS angelegt, und er
wurde wieder zum Tier, sobald r
getrunken hatte. Wollte Klara ihn
für einen Gang eztra belohnen, so
erhielt er einen Zipfel Wurst, dann
kannte sein Glück keine Grenzen. Sie
kmtte sich jetzt so an seine seltsame
Art. an seine stotternde Sprache ge
wohnt, daß sie ihn fast entbehrt hat
te. wenn er plötzlich verschwunden
wäre.
Sie wußte auch, r hing mit der
Treue eines Hundes an ihr, Ta-
gegen konnte sich Wilhelm Brach
mann gar nicht mit seiner Anme
senheit befreunden. Er verstand ihn
nicht, behauptete auch, der Mmsch se,
hinterlistig und tückisch, und nicht
nur dumm. Er habe stets das Ge-
fühl, als ob ihm e,n Reptil über den
Weg gelaufen fei. ,
Es war wieder einmal ein Punkt,
in dem Bruder und Schwester nicht
übereinkamen. Und nun gar erst
rie schöne Frau Eva! Die nahm
die Schleppe zusammen und machte
iin hochmütiges Gesicht, wenn sie dem
Blödsinnigen auf ' der Ziegelei be
gegnete, und Emil wußte und fühl
te das.
Daa,eqen liebte er die Tochter Wil-
Helm Brachmanns, die holde, kleine
Elfe. Er hätte sie wie ein Hund
lewacht, wenn Klara es ihm auf
getragen hätte. Elfe war ja oft bei
den Tanten auf der Ziegelei, und
wenn Onkel Henning zu Hause war,
dann war sie stets dort. Der lusti-
ae Student tollte und tobte mit der
Kleinen den ganzen Tag herum. Er
schnitzte ihr Schiffchen und oller
Hand Spielzeug. Aber kürzlich htte
er sich Emils Unzufriedenheit zuge
zogen. Da hatte er der Kleinen
eine Burg gebaut mit Aussichtsturm.
Zugbrücke und Kanonen.
Nun wollte sie. auch noch eine
Kriezsausrüstung, haben. So hatte
er ihr einen hölzernen Degen ge
schnitzt, und nun sollte noch ein gro
f.er Speer dazu kommen. Weil
Henning ihn glatt hobeln wollte, soll
te Emil den Stab halten. Emil tat
ks auch; aber als er merkte. waS für
ein Werkzeug das werden sollte,
wurde er unruhig und murrte: Nich
Mord spele, Henning, nich Mord
speke! Lütt Dirn nich Mord spiele!"
Henning lochte und meinte: .Jh,
Emil, weshalb denn nicht? Mord
wollen wir ja auch gar nicht spiele?.
bloß Krieg !"
Aber Emil beharrte dabei: .Nich
'JJiorö jpele ,s nich gut!"
In Hennings lustigen Augen sprüh
ten hundert Teufelchen. Er wollte ge
rade lachend erwidern, daß diese
Holzinstrumente sehr wenig geeignet
feien, einen Menschen zu ermorden,
da sah er Emil verstörtes Gesicht.
Er hatte ganz vergessen gehabt, daß
er einen nichtnormalen Menschen vor
sich hatte.
Jetzt lenkte er begütigend ein: .Laß
gut sein. Emil, wir spielen nicht
Mord damit. Wir hängen die hüb
schen Waffen in unsere Burg, nicht
wahr. Kleine? Und da schmücken
sie die große Wand."
Die Burg war am Ende des Gar
tens an einem großen Kartoffelkeller
angelegt. Roter Wein rankte sich um
das einsame Plätzchen, das Henning
zum Tummelplatz für sich und die
Kleine erwählt hatte. Hier ließ sich's
herrlich spielen. Einige Steinstufen
führten auf ein kleines Plateau.
Tort stand eine einfache ' Holzbank,
die sich vor Jahrm Gilfe dort hatte
anlegen lassen. )trnit sie sich zurück
gezogen hatte, um als Backfisch schon
ungestört ihren Träumen von der
glänzenden Laufbahn einer ' großen
Bühnenbeldin nachzuhängen. Hier
hatte sie gelesen und gedichtet und
sich die ersten Rollen eingeübt.'
Dann stand das Plätzchen lange
Zeit verlassen und leer. Ter prak
tischen Klara lag es zu weit ab vom
Haus, da konnte sie nicht gleichzeitig
ein Auge auf die Wirtschaft haben;
denn selbst, wenn sie sich an einem
schönen Sommertage in's Freie setz
te, wollte sie eine Uebersicht über
Haus und Hof behalten. Sonst hätte
sie keine Ruhe mehr gefunden.
So legte ihr der Vater die hüb
sche Terasse am Hause an. Ta war
sie gleich im Freien, genoß Luft und
Sonnenschein und konnte doch alles
beobachten, was vorging, und war
gleich zur Hand, wenn, sie gewünscht
würd.
Sie war ja auch schon seit langen
Jahren Hausmütkcrchen gewesen.
Und jetzt war sie mehr: jetzt war sie
Hausfrau und Herrin und zugleich
Mutter für all ihre Arbeiter, deren
Interesse sich nicht nur auf die Leute
übertrug, die ibr persönlich unter
stellt waren, sondern auch auf deren
Familien.
' Es war schon zweimal vorgekom
men. daß sie hilfreich halte eingrel
fen müssen. DaS eine Mal war es
im Haus ihres Ziegelmeisters Thie
me. (Fortsetzung folgt.)
Eine Zleberraschung.
Unruhig aina Maadolene im Zm
mer ouf und ab. Wenn sie an dem
llrinM, zierlich arrangierten Teetisch
vorbcikam. rahm sie den Junes zur
Hand, den ihr soeben der Postbote
oebradt. entfaltete den Bogen und
las halblaut immer wieder verwun
dert und erregt folgende Worte:
.Teure reundink Noch einma
muh Ich den liebgewordenkn Aufent
van bet Ihnen um die "ai
Dämmerstunde ausgeben, für eine
kurze Svanne Zeit. 3 wenigen
Tagen kehre ich zurück, ie werden
lich mit mir freuen, ich habe eine
Ueberraschung für Sie. Meine we
ranken werden auch morgen um oie
selbe? Zeit, in der mein Brief in
Ihren lieben Händen ist. bei Jhnkn
sein. Ich vergesse Sie nickt und die
hhor.t Teeitunde. die mir 0 vie
Nubk. Erboluna und Genuß berei
tkt. ja die mir ein Heilmittel ist in
meinem nervenaufreizenden Beruf
Leben Sie wohl, in wenigen kurzen
Tagen bin ich bei Ihnen.
Ganz der Ihre
Edwin Helldorf.
Zögernd steckte sie das Briesblat
in sein? Umhüllung und starrte au
die goß'.n. schöngeschwukigenen Buch
'-ciben. auf die eigenartig charakleri
stische Schritt, die ihr so ganz sein
Wei'n. seine Art wiedergaben.
Monatelang war er zur selben
Zeit ein neuer Gast gewesen in ihrem
stillen Heim, und beiden war vie
Dämmerungsstunde eine köstliche Zeit
der Ruhe, des Genießens geworren
Sie hatte seine kleinen Gewohnhei,
len ihm abgelauscht, hatte in echt
frauenhaftem Spürsinn au das un
bedeutende Drum und Tran erra-
ten. was ihm nach außcn und nach
innen bx Behagen und Freude berei
tete. Das stille Gemach im vierten
Stock des aroken Mielsyau es n
nnern westlichen Vorort der Groß
stadt. durch dessen hohe Fenster die
scheidende Sonne am längsten ihre
Purourstrahlen grüßend hmeinleuch-
tete. wußte sie traulich zu gestalten
ba:te in ihrem künstlerischen Sinn
Teppiche von glatten Farben, Vor-
hange, weiche Lehnsessel so gruppiert.
daß sie trotz ihrer Einfachheit behag-
lich und einladend wirllen, hatte
wertvolle Reproduktiven seiner
Lieblingsbilder so gehängt, daß sein
nudes Auge frohen Eindruck em-
fanaen konnte, , wenn es zufällig
über sie hinglitt. In feinen, fchlan-
'?n Vasen dufteten ihm Blumen ent-
gegen, wie ie vie Jahreszeit vor;
Ueberall zeigte sich, deß die Besitzerin
des bescheidenen Heims nur den
Wunsch hegte, dem lieben Gast die
kurze Tagesrast in der Tämmer
stunde be! ihr lieb und angenehm zu
machen.
Ungleich verging diese Tämmer
stunde oft. Manchmal fand sie die
bud'n einsamen Menschen in leb
baftem Gespräch, im Austausch von
Hedanken, im Disput; oft auch fa
ßen sie schweigend zusammen und
fühlten doch, daß sie beieinander wa
ren in innigem Verstehen, in der
warmen Beachtung und Rücksicht für
einander. Bisweilen las sie ihm
vor, wenn er schweigend einen Band
auf den Teetisch gelegt, und ihre
weiche Stimme schien seine erregten
Nerven zu beruhigen, wie die Stim
me einer Mutter, die ihr müd ge
wordenes Kind leise zu Schlaf und
Traum hinübergeleüet. ,
Sie hatte sich ganz sejnem Willen
gefügt, war ganz in feiner Eigen
art aufgegangen, weil sie ihn liebte,
weil sie nur eines kannte, ihm zu
leben, für ihn zu sein.
Im Leben standen sie beide allein.
Sie hatte sich nach langen Känpfen
und ernster Arbeit einen geachteten
Namen als Pcrtraitmalerin errun
gen. Er gehörte als Politiker einer
Partei an für die er sein ganzes
Ich einsetzte. Fort und fort trieb
's ihn in die Öffentlichkeit. Er war
ein geschätzter Redner. In Vereinen,
in Versammlungen, war er die Ctüt
ze. an der sich alle anderen empor'
:an!ten. Man nannte seinen Na
men in den Zeitungen, seine Stim
me war ein mächtiger Faktor, mit
dem die Allgemeinheit rechnen mußte.
Wenn er mit seinen hastigen Schrit
ten mit kurzem Gruß und festen
Händedruck in ihr stilles Zimmer
tam. dann schaltete er alles aus. was
ihn da draußen im Leben gefangen
h'elt. Nur selten sprach er von sei
ren eigenen Sorgen, von seinen
Hoffnungen, seinen Zielen. Bei ihr
war er nur Mensch, der einfache,
schlichte Heldorf. wie er es vor Iah
ren gewefen war. als sie sich im
Hcule ihres Vaters kennen gelernt.
Sie hatte ihn liebgewonnen vom
ersten Augenblick des Sehens. Aber
sie war zu stolz und hatte ihre Nei
pung wohl zu verbergen gewußt.
Ja. es schien fast, als setzte sie eine
stumme Abwehr seinen werbenden
Blicken entgegen. Dann hatte das
Schicksal sie auseinandergerissen.
Ter Tod des Vaters, das Auf
lösen ihres Heims, ihr Studium im
Ausland hatten sie voneinander ge
trennt. Eines wußte nichts vom an
dein, bis der Zufall sie wieder in
ter Hauptstadt zusammenführte.
Wunderbar war's, daß die Fäden
zwischen ihr und ihm, die, kaum ge
sponnen waren, die daS Leben ge
löst, sich plötzlich wieder um ' sie
schlangen, und sie schnell einander
v.hUt kamen in aufrichtiger Freund
sch:st.
Ihr aber war tat Gefühl mehr
eil Freundschaft. Au! den Tiefen
thk?S Herien kauchke noch etnma
die Neigung zu ihm empor, die sie
mühsam unterdrückt, und ihr Gefuh
für ihn ward heim, inniger, leiden
Ichastlicher alS je. Ihre Sehnsucht.
ihre Wünsche konzentrierten sich nur
ruf die eine Stunde deS Tages, die
t; ihr wtomcie. eoesmal brachte
!e ihm ihr ganzes Sein, ihre Seele,
und hüllte ihn in die volle Wärme
ihres Empfindens. Sie lebte eiaent
lich i dieser einen Stunde und in
der Erinnerung an sie. Wenn si
auch ihren Pflichten nachging, nach
lußen hin beherrscht und ruhig er
schien, so bebten doch tausend ffra
ken in ihrem Innern, rankten sich
, ue Gedanken nur um ihn. und im
1,7er wieder nur um ihn.
Sie grübelte darüber nach in lan
cikn. schlaflosen Nächien. ob seine Un
lesangcnocit ihr gegenüber wirtlich
echt und treu w:r. ob er nicht ahnte
was in ihrem Herzen vorging, ob
fein Leben und der Kampf da drau
l.en in ihm jenes Gefühl getötet, das
i:: ihr bei leden Zusammensein mi
imn bkiker und machtiaer ausllamm
t. Wenn er von ihr Ab ch,ev
tahm und ihr so innig dankte für
die stille Rast, die ihm so viel, so un
endlich viel bot. dann stieg die Hoff
nun iah in ihr auf. daß er nun
endlich, endlich sprechen wurde, ihr
das einzige erlösende Wort sagen
müßte: Ich liebe dich, ich sühle. wir
gehören zusammen. Tu und ich, w,r
sind eins. einS geworden. Nachdem
wir rns gesucht, jahrelang, uns aus-
(ikwichen. hat uns das Schicksal zu-
sammenaesichri. dieses gnadige Ge
schick, das einmal wenigstens, einma
mit heimatlosen, einsamen Menschen
Gutes :m Sinn hat."
Das Wort hatte er nicht gespro
chen. und es kamen Wochen, in denen
,e nicht 'mehr darauf -gehofft hatte
Und nun plötzlich dieser Brief!
Als sie Helldcrf vor einigen Ta-
gkn vergebens erwartet hatte und mit
bangen verzehrenden Blicken lang und
auernd auf den nimmermüden Zei
ger der klein' Wanduhr geschaut,
der Sekunden. Minuten und Vier
clstunden zeigte. ,n denen sie sich in
banger Qual der Ungewißheit der
zehrte, da war es ihr klar gewor
den. daß sie nicht von ihm laiien
konnte, daß er ganz von ihrem Sein
und Wesen Besitz erarisfen. viel-
leicht, ohne daß er es ahnte.
Ihre Unruhe, ihre Angst hatte sich
zesteigert von Tag zu Tag, und ,m-
mer um dieselbe Zeit schmückte sie
den stillen Raum zu seinem Em
ptang und wartete in heißer Sehn-
sucht, in banger Oual, und martert
sich in dem Gedenken: waZ hielt ihn
ern?
Seine Lebensverhältnisse kannte
e oerau: sie wußte, daß es nicht
äukere Anaeleaenheiten waren, die
hn fernhielten. Er sprach sich mit
ihr über all seine Pläne und Ent-
würse aus, und sie las getreulich
jeden Zeitungsbericht zuerst am Mor
gen, um genau unterrichtet zu sein
ber alles, was ,hn und seine Ange
lrgenheit betraf. Denn nicht selten
,'tte sie das Gluck aehabt. ihm einen
Rat zu erteilen, ihn auf Dinge auf-
nerkiam zu machen, die ihm im er-
en Augenblick nebensächlich erschie
ren und doch von Wichtigkeit gewe-
cn waren. Welch ein Stolz, welch
ine Genugtuung empfand sie, wenn
ein leuchtender Blick sie traf, wenn
er ihren Eifer um seine Sache er-
kennte und lobte! Solche Augen
blicke, schien es ihr. mußten sie je
em Ziele naher bringen, das sie
llein erstrebte: ihm Lebensgefahr-
in zu werden.
All diese Gedanken quälten Mag-
rolene heute noch mehr denn je. Ihr
wurde es eng in dem hohen, lufti
en Raum, sie riß die Fenster aus
und atmete gierig die rauhe, feuchte
erbflluft ein. In einigen Tagen
würde sie ihn wiederhaben, so trö-
ete sie sich selbst bangen Herzens,
nd er hatte eine Ueberraschung für
ie. Was mochte es sein? Ihre
heiße Stirn lag, Kühlung suchend,
auf den feuchten Scheiben. DaS
Grau der Dämmerung war dem tie
fen Schwarz der Nacht gewichen.
Blicklos starrte sie in die Finsternis.
is die Eiseökalte durch ihre Adern
rann, und sie, fast erstarrt, das Fen-
ter schloß.
Tie Tage vergingen. An jedem
chmückte sie ihr stilles Heim und
wartete, wartete vergebens. Auch heu-
hatte der ' summende Teekessel
längst sein einsörmig-trauliches Lied
u Ende gesungen, und das letzte
Flämmchen war erloschen in dem
feuchten Dampf des siedenden Was-
ers. als Magdalene müde den schmer-
enden Kopf in oie Kissen druckte
und die Augen für einge Augenblicke
schloß. Da vernahm ihr feines Ohr
Wagenrollen, den kreischenden Laut
der Hupe. Sie sprang auf, riß das
Fenster auf, unten hielt das Gefährt.
Sie sah ihn aus steigen und war im
nächsten Augenblick im Innern des
Geinaches, zog die Vorhänge fest zu
fammen. Er follte nicht sehen, wie
sie auf ihn gewartet, sich um ihn ge
bangt. Ihre zitternden Hände hat
ten kaum die Kraft, die Lampe zu
entzünden. Jetzt war das schwierige
Werk vollendet, die Korridortür off
nete sich. Sein rascher, elastischer
Gang wurde hörbar; noch einige
Herzschläge , lang, n würde die Tür
öfsnen. sie würden einander gegen
überstehen endlich! Magdalene
preßte ihre Rechte fest auf' Herz
Sie fühlte, wie da lut ihr
aus den Adern strömte. Ta war'S
l?lS chörte sie neben keinem Uhtn
Schritt ein paar kleine, unsichere
Tritte. Im nächsten Augenblick ösf
pete sich weil die Tür: Edwin Heil
aorf stand tn deren Rahmen, sei
Arm hatte sich um ein zierliche?
kleines Wesen geschlungen. daS er
vor sich herschob, zu Magdalene bin,
llk. biS in die Lippen erblaßt, fra
gcnd und verwundert zu ihm auf
chaute.
.Grüß Gott, teure Freundin.
sagte er, sonnig lachend; .hier bringe
ich Ihnen die Ihnen zugedachte
Ueberraschung: Maria Feldern, mei
ne Braut.'
MagdnleneS Arme sanken schlas
hinab. Sie fand nicht die Kras
seine ausgestreckte Rechte zu erfassen,
ihre Augen starrten ihn wie nt
s.eistert an. Ein staunender Blick von
ihm traf sie. und im Augenblick ge
wann sie ihre Beherrschung wieder
Sie hieß das junge, kleine Wesen
willkommen und wußte in wohlge
setzten Worten ihren Glückwunsch
darzubringen, und der glückliche
Bräutigam erzählte in breiter Be
baglichkcit. wie ein wunderbarer Zu
fall die Bekanntschaft seines jungen
Glückes veranlaßt. Magdalene such
'.e sich innerlich zu fassen. S: fubl
te. sie mußte sprechen, sie bewegte dr
Lippen, ohne ein Wort zu sprechen
Endlich rang eS sich los. Warum.
sagte sie. .haben Sie mir nie von
Ihrer Braut gesprochen? Ihr Glück
trifft mich so unvorbereitet, eine
wirkliche Ueberraschung!"
Edwin Helldorf lackte, indem er
oas kleine, blonde, zarte Wefen. das
Irwin kaum das siebzehnte Jahr über
schritten, heiß an sich zog: .Kann
an denn über solch suke. holde
l"irtrt nn ,, mm4 tiMh.fni Im
Schoße der Zeit ruhen und ers
itv tiuui, uit WJUI Ull UCIU II III HU
mngsam ans Licht kommen? Ich
habe lange um mein Kleinod werben
müssen. Sie ist noch ein Kind und
rat mich lange, lange nicht verstan
den, vielleicht nicht verstehen können.'
Zum erstenmal währten Maadale-
r.t die Minuten dieser Dämmerstunde
ouaivolt lange. Ter Zeiger der klci
vxn uyr schien nicht vorwärts zu
oehen Dabei bemühte sie sich zu
piauoern. aber es schien ihr. als
wäre die eigentliche Magdalene ge-
storben. und ein anderes Geschöpf.
ohne Herz, ohne Empfinden, redete
Phrasen, Worte, an die es selbst
rmt giauvte.
Helldorf schien von all dem nichts
u merken. Er schien nur Auaen zu
i?aven für eine kleine, rosiae Braut
ie etwas verschüchtert und stumm
ouf dem kleinen Sofa, saß und in
im erkalteten Tee mit dem Tee
öftel rührte. Jetzt begann er dock
wahrzunehmen, daß sich seine fus'e
Marie hier etwas bedrückt sühlte.
Er sprang auf, reichte Magdalene
N i r, . v .. v r . rn 1 ,
.yuiiu uuu jyraaj; .niHl Ivayr,
utve Freundin, ich darf -wieder
i . . . 1 .
icmrncn, uno wenn VJiaut meine
Frau ist, schließen wir einen Drei
bund. und die schönen Tämmerstun
den bleiben mir. wie mir ?lbre
ssrennoschast bleiben wird.
Sie konnte nicht antworten. Er
chien auch keine Antwort ver
langen. Er wandte sich seiner Braut
zu. hüllte mit sorgender Zärtlichkeit
die zierliche Gestalt in den schützen-
sin i . f cm.-i.-r ' .
i'cii jjtuiiici. cagoaiene suyiie iM
aächsien Augenblick eine warme, wei-
che Hand in der ihren, ein vaar lie-
enöwuroige. leere Worte klangen an
hr Lhr. Dann hatte sich die Tür
geschlossen. Ihr Glück war von
binnen gegangen. Das kleine Mäd
chen nahm es mit sich, das nichts
weiter besaß als den einen, vielleicht
den größten Zauber die Jugend.
Bäurrlein Hanusch.
?ä,icrlci,i Hanusch geht im Walde,
Tchmauchcd seine Wcichietpfcisc.
islia zwinkernd mit den Anncn.
Bäuerlcin Hmiiisch geht in Slirgcn,
Het kein Ectilültche j,i der Flasche.
Hat kein Hellcrchen im Beutel,
Äbcr wie ein Junker Echuldc,,.
Horch, was kracht da in den Erle?
Sinais v,,,r.ipp ycr zvrnig zanicno,
Brüllend auS bchaartr Ächle.
Ttnmvsen an ivei Nieienweilier.
Einen Beutel, schiver von Golde,
Hoden sie zur Nacht erbeutet.
u tie fletjchen iljre Hahne.
Hanusch duckt sich wie ei Füchölci,
Tnckt sich unter eme Hasel:
Bäncrlei .Hanusch kennt die Weiber,
Und er wintert mit den Auge.
cr den Beutelt' heult Maruschka.
icbcn Wölfe jüngst rrik A)
Mit den Händen hier, loic Zicklein,
o zcrreig ich dich, aihinlal
Schreit Kathinka: Mir den Beutel!
Einen Bären gestern fing ich.
Bei den Hinterbeinen packte,
Packt' ich ihn mit diesen Händr.,,
scyicuicnt; lyn an ren (jcqen 1
Einen Eichbaum schloinnt Maruschka.
Einen Onarblock bebt jiathinka. . .
Aber Harnisch? Was tut Z'nufch?
ainings aus oem uae imK er,
jammernd wie, ei krankes Häschen:
Weh.achloeyl U?ineMauSI le.,neMauSI
Bäuerlci Hanusch kennt die Weiber:
Hört sie kreischen, sieht sie laufen,
ic ipriunr wie oie envc,
' : , "v f . ....v rti
pir.igui uvcr rls uno aume. . ,
Noch ein Weilchen steht und lauscht er,
Wie die Büsche ferne knacken.
Hebt dann af den schweren Beutel,
Seht behaglich sich ins Grüne.
Tut ein Zücilein aus der Pfeife
Und zählt schmunzelnd die, Dukaten.
Die Brummer.
(sine kigeniriier Zide,it.ivkrbindn
in Jen.
Da! urwüchsige alte, derbe Stu
dtntkiilkben. so wie eS vor ttn 45er
J.ihren Deutschlands höbe t2chi:n
beherrschte, hat sich bis in die k"e
genwart wohl am treuesten im freund
ltchen Jena erhalten, wo sich'S noch
immer, wie die Musensöhne bei ihren
Umzügen singen, ., und gut"
lebt. DaS Fortleben der ursprüng
lichen Studentensitlen und Gebräuche
aus den Anfänge deS heutigen Kor
porationSwefenZ ist dort vor allem
den Burschenschaften zu danken, bereit
Wiege ja in Jena steht. Von den
früheren robusten Gewohnheiten ist
man in allen Muscnstädten Haupt
sächlich abgekommen durch daS Ent
stehen und die Pflege eines mehr of
fiziellen. oft steifen, aber selbstbewuß
ten und in doppeltem Sinne schlag
fertigen StudententumS, daS in den
sogenannten llorps und deren Nach
ahmungen eine geeignete Stätte fand.
Um fo niehr wird man sich wundern,
wenn man hört, daß dieser alte grobe
und uns oft unverständliche Stuben
tcnton, wie er vor hundert Jahren
gang und gäbe war, gerade eine
fruchtbare und originelle Heimstätte
gefunden hat in einer der ältesten
naktivenvereinigung deutscher KorpS
studentcn. bei den .Brummern" in
Jena. Macht einer da in diesem
Bund , der sich übrigens in witziger
Weise den wundervollen Namen
Ncobrommkrakehlia beigelegt hat.
eine Kneipe in der alten Rose" mit,'
dann denkt er unwillkürlich an die
begeisterten Schilderungen von Km
mcrsen derer vor 48. die man mit
unter noch aus dem Munde uralter
.Alter Herren" hören kann.
ie Brummer heißen wahrschein
lich so, weil sie häufig lärmen und
schreien, was den guten Jenaern nicht
weiter unlieb auffällt, weshalb sie
euphemistisch nur von brummen" re ,
den. Sie, die in ulkigen Formen daS
jetzige oft überspannte Studententum
selbst karikieren und die Herstellung
der ehemaligen kraftvoll derben Ge
wohnheiten wenigstens an ihren
Abenden anstreben, haben sich Grün-braun-rot
mit gelber Tcckfarbe auf
altertümlichen Stürmern mit einem
großen Biedermeierschild wie an einer
:ekundantenmutze als nicht zu ver
wechselnde Eouleur erwählt, die na
türlich nur am eichenen Stammtisch.
der mit einqeschnitzten Zirke! und
Namen übersät ist. in die Erscheinung
tritt. Auch sonst herrschen hier hu
morvolle abweichende Gebräuche, z.
B. heißt das Kommando für aus
trinken hier .Einsetzen, Kullenl, Kap
pes". Ueber die Bedeutung von Kav
peS ist man sich nicht recht klar. Ein
lustiges altes Haus aus Köln wird
wohl auf diese Terminologie gekom
men fein. Weil jeder nach dem fest
und eifern geregelten Gang des
Korpslebens hier lassen und tun
kann, was er will und keinem Zwana
unterworfen ist. so heißt der bezeich
r.ende Wahlspruch der Brummer: .Je
der macht Sein's". Jeder, der alS
inaktiver Korpsbursch nach Jena
kommt und in den Verein" aufqe
nommen werden will, muß .fechten".
h. in der Brummersprache Freibier
ausgeben. Da' dieses freudige Er
eignis durch eine aus alten, möglichst
bunten Taschentuchern zufammenge ,
etzte ,xahne, die am Stammtischfen
ter im Gasthaus Zur Rose" gegen
über dem Eichplatz ausgesteckt wird,
zur allgemeinen Kenntnis der Stadt
gebracht wird, so strömen die Brum
mer und selbstverständlich die davon
unzertrennlichen alten Spießer Je
nas herbei, um die Zunahme des
Bundes zu feiern. Ta zu Beginn
des Semersters viele neue Mitglieder
eintreten, so kommt es vor, daß 11
1cgt, ja manchmal vier Wochen die
sthetische Freibiersahne nicht einge-
zogen wird. Drinnen sitzt alles meist
hemdärmelig, ja ohne Kragen, mit ,
aufgekrempelten Aermeln da und läßt
dem Witz und Uebermut die Zügel
chießen. Tritt icinand ins Lokal,
gleich wird er angepflaumt mit dem
Lied: Wer nur kommt, wenn's Frei
bier gibt. Macht sich meistens unbc-
lebt . Sehr eigenartig und inhalt
ich gediegen ist das kernige Bundes
lied, wo der Bursch überlegt, ob er
eine Reiche. Arme oder eine Schöne
heiraten soll und zu dem Philosoph!
chen Ergebnis kommt, daß keine von '
allen das Beste ist.
Auf eigenartigem Weg
gelangte eine Nasenspitze die bei ri
ner Mensur in München abgeschlagen
worden war. wieder an die richtige
Stelle iin Gesicht eines Studenten
Der geistesgegenwärtige Musensohn
nahm das abgeschlagene Stück ein
ach in seine Mundhohle und be
wahrte es darin auf. Dies war ein
ußerst glücklicher Gedanke, weil die.
orperwarme in der Mundhöhle den
Zelltod des abgetrennten Organteiles
verhinderte. In der chirurgischen
Klinik spülte man die Nasensbitze
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sie sofort an und hatte Erfolg. Denn
ie Spitze heilte glatt mit dem üb.
rigen Teil zusammen und vier Wo.
chen nach der Operation bekam der
Student wieder Gefühl dort, womit
der Beweis geliefert ist, daß auch
die Nervenpartien wieder zusammen
gewachsen waren. Solche Operativ,
nen mißlingen deshalb leicht, weil '
die Blutversorgung in dem ange
nähten Teil unterbrochen ist.