Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, January 18, 1913, Image 5

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    Im Sr,a,nezi2::zoeis,
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V
.
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I
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Schnee.
Die Krähen fliegen hin und her
Durch die dichten flocken,
tvena mein Vater in BSuerlei
toix,
lief ich auf den Socken;
SrJÄaäSr'
-
tvenn
ein Bettler wär,
lief ich nnt blauen Zelzen
Und müßt'
in einem dünnen Kleid
von Tllr zu Tür, gehen.
f
;
.
Rindlein, komm an
meine Cstr,
Strumpf und Schuhe
geb' ich dir!
;
Mäi
I V CL
Sei dem Schlitten-Doktor.
$n dichten Flocken fällt der Schnee.
Doch weh, o weh !
fiTJern Schlitten ist zerbrochen.
Geschwind mit ihm zum Zimmer
mann.
Der soll sich sputen waS er kann.
Schnitzen und mit Pochen.
(' 1 '
O cbster bester Meister, seht.
Wie schlimm mir's geht;
Ich bring Euch einen Kranken.
Und mag'S Euch ungelegen sein,
Ich laß Euch nichi und bitt' Euch
fein,
Nur heut dürst Ihr nicht zanken!
Nun fragt Ihr lachend nach dem Lohn:
Den bring ich schon;
Doch daß ich's nicht vergesse:
Nehmt meinen Dank und habt Geduld,
Und schreibt einstweilen meine Schuld
In Eure grob Esse.
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' L&E&i&i. LiSc-Afc
Der große Hnnd.
Neulich ging ein Knabe mit dem
Großpapa;
Aus dem Weg erzählt' er alles. waS
er sah.
Ja. fürwahr, so sah ich hör' ge
nau mir zu!
Ginci Hund, der qröszer war als
eine !uh."
- "
Und eS sprach der Alte: ..Ei, waS
sahest du?
Einen Hund, der grösser war als
- . eine Kuh?
Hör' denn! Eine Brücke liegt von
, hier nicht weit. .
.Und darüber müssen wir in kurzer
Zeit.
cüt mtat
mein Vater
Seht, iiber Nacht giebt's Schlittm
bahn.
Was fang ich an?
Wollt Ihr nicht Hilfe bringen?
Und morgen ist ein Fericntag,
Und auf dem Hügel dort am Hag
Giebt'S lust'geS Schellenklingen.
Ihr winkt mir freundlich wie ich
!eh;
Juchhe! Juchhe!
Ihr ließet Euch erbitten,
Und packt daö erste beste Scheit
Scharf haut das Beil, die Sage
schreit.
-f-
l?svf
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mQ
Wenn du hast gelogen, stürzt die
Brücke ein.
Und dann fällst du mahrlich in den
Fluß hinein.
Als sie näher kamen, ward der
Knabe blaß,
ttnd er sprach zum Alten: Ei. w!e
war doch das?
Hab' ich recht gesehen, oder sah ich
halb?
Nein, der Hund war großer, größer
als ein Kalb.-
Als der Knabe endlich vor der
Brücke stund.
Sprach er: Nein, der Hund war
wie ein andrer Hund."
L
aJfr
Die Zlögel
Lustig ist daö Leben der Vogel
im Sommer. Wenn aber der stren
ge Winter eintritt. Eis die Flüsse
und Bache überzieht und fußhoher
Schnee die Fluren bedeckt, dann
sieht eS anders auS.
Viele der Vögel, um des WinterS
Not zu entgehen, haben unS
verlassen und sind in wärmere Ge
genden gewandert, wo kein Schnee
und kein Frost sie schrecken. Aber
immer noch groß ist die Zahl der
Vögel, die den Winter über zurück
bleiben, nnd groß ist oft deren Not:
denn woher sollen sie auf den schnee
bedeckten Feldern Speise nehmen?
Höchstens sieht hier und da die
dürre Nispe einer Melde oder die
Samenähre des Wegerichs aus dem
Schnee hervor; und Buchfinken und
Lerchen wissen diese kleine Gabe
wohl zu benutzen, denn man sieht
sie fleißig daran sitzen und picken.
Ter größte Teil der Vögel sucht
in der Nähe der menschlichen Woh
nungcn, auf Landstraßen und Mist
stätten seine Nahrmig. An diesen
Orten sieht man ganze Scharen
hungriger Krähen, die mit armieli
gen Bissen ihr Leben fristen. Auch
auf den Eisschollen des Flusses sieht
man sie dahin fahren, um tote
Tiere, oder was sonst von den Woh
nungen am Wasser mitgekommen ist,
loszuhacken. .
Ter Vogel am Fenster.
An da? Fenster klopft es: Pick,
vick!
Macht mir doch auf einen Augen
b ck!
Tick fällt der Schnee, der Wind geht
. kalt.
Habe kein Futter, erfriere bald.
Liebe Leute, o laßt mich ein!
ätsel- und
Rätsel.
i.
Kennst du die Brücke sonder Bogen
1I..S sin tYnrfi hnit 5inmnnt.
llliv '""
Di- iifipr fircifpr Ströme Wocieil
Errichtet eines Greisen Had?
ctr r, fii ins in tvenia Taaen.
Geräuschlos, d bemerkst es kaum;
Doch kann lie lwcre va,rcn iragen
Und hat für hundert Wagen Raum.
Doch kaum entfernt der GreiS sich wieder,
So hupn em Mnstpe sroy oaqer,
Ter reiht die Brücke eilig nieder,
Du siehst auch ihre spur nicht mehr.
s.
ES steht ein grog geräumig HauS
ff im(Ti4hnrn ?,lllen.
ES mistt's und gebt's kein Wandrer auS.
Und keiner darf vrin lernen.
rinom IlkwarissnkN VlaN
M eS mit Kumt gezimmert.
Es steckt sich selbst die Lamve an,
Tie kS mit Pracht durchschimmert
ES hat ein Dach. kriitaNenrein,
Von einen, einVaen Edelstein
Doch noch kein Auge schaute
Ten Meister, der es baute.
M) bin eine dürre Äomgin, .
Trag' auf den: Haupt eine zierliche
5kron',
tts i, ,nir dienen mit treue, CiiM.
.
Tie haben roßeil Lohn.
Meine Frauen müssen mich schön sri
sierv,
Erzählen mir Märlein obne Zahl.
?i. sss-n sein rirnia Saar an nur.
Doch stehst du mich immer kahl.
Spazieren fahr' ich frank und frei,
neht kl, rasck, das nebt so fein:
Nur komm ich nicht vom Plad dabei
?agt. Leute. waS mag da sein?
TA K! .In MnH (infh nrnft flnTS fffin
tin Will llll ,1 ,,.
Bald heisz' ich grob, bald bin Ich sein;
Du siehst mim leer, vemnir, oe,a,r,even.
ar leicht besmubt und abgerieben,
llna kennst mof'l meine Namen alle.
Wem ick im piel auch nicht gefalle.
Der sckickt mich doch in manches HauS
91 U seinen stummen Boten auS.
Durch Stadt und Land, ja durch die
, Welt.
DurchS Meer und durch da Sternenzelt
Reist jetzt noch mancher Passagier
Gefahrlos, frank und frei auf mir.
6.
Kennst du vo munter Blumenmädchen
mm Kickten, immer regen Slzor?
1R
im ZUintcr.
In den Garten durchsticht die
Kohlmeise die öiinde der Bäume und
die Ritzen der Häuser nach Puppen
und Jnsokteneicrn, und dasselbe
treibt in den Zäunen und Hecken
der Zaunkönig. Die Schwarzamfel
mit dem gelben Schnabel durchstä
bcrt die Gebüsche nach gefrorenen
Beeren; auch der Eichelhäher, der
im Sommer mir im Walde lebt,
kommt bis in die Gärten. Baum
samen und kleine Tiere sind seine
Nahrung.
Viele der kleinen Vögel kommen
auf die Straßen der Dörfer und
Städte und finden da wohl am er
ften ein Bröckchen für den Hunger.
Sperlinge, die keck umhcrhüpfcn.
Goldammern, die im Sommer drau
ßm ain Bächlein Hausen, Hauben
lerchen, die mit flinken Schritten
zu laufen verstehen, und einzelne
Buchfinken, die es vorgezogen ha
ben, bei uns zu bleiben, haben sich
zusammcngcsellt. Aber auch ihre
Feinde. Sperber. Habicht und Weihe,
ziehen ihnen nach, und der Svcrbcr
holt sich oft mitten von der Straße
einen Sperling zum Frühstück. i
Aber auch durch Hunger und
Kälte findet manche? der Tierchen
seinen Tod. und reckt schön ist es
von den Menschen, denen es an Nah
rung nicht fehlt, wenn sie im stren
genWinter auch dcrVöglein gedenken.
Will auch immer, recht artig sein!
Sie ließen ihn ein, in seiner Not;
Er sucht sich manches Krümcheil
' Brot,
Blieb fröhlich manche Woche da.
Doch als die Sonne' durchs Fenster
sah. '
Da saß er immer so traurig dort.
Sie machten ihm auf husch, war
er fort.
Spielecke.
Er Kohnt in einem kleinen Städtchen
Von Goldkristall nnt niederm Tor?
Braucht weder Kelle, weder Hammer,
Und baut sich doch das schönste Haus
Mit Zsensteroogcn. Taal und Kammer,
Schaut aber nie zum Fenster 'raus.
Er keltert ohne Fan und Pressen
Und füllt fein Haus mit süße, Most,
Teilt auch mit Gästen dann sein Essen
Und nimnit vorlicb mit fremder Kost.
.
?n meiner Felle, klein und niedlich.
Bin ich beschäftigt Tag und Nacht,
Arbeite mit der Feder friedlich,
Nie wird mein langes Werk vollbracht.
Trittst du heran zu meinem Hause,
So hörst du meine Tätigkeit.
Und durch das Fenster meiner Klause
Siehst du sie stets zur Schau bereit.
li.zu mufj viele ich begleiten.
Den Fürsten wie den schlichten Mann;
5ja. ihre Arbeit mich ich leiten,
ind sie der Ordnung zugetan.
7.
(Viersilbig.)
?hr ersten niehet Licht und Leben
m lmermehiie Fernen aus;
Mit hohem Glanz seid ihr umgeben.
Und ohne euch ist 5,'acht und Graus.
hr andern beiden, hold nnd milde,
jj;n bunte Farben eingehüllt,
chmiieft lieblich Gärten und Kcfilde,
Tie ihr mit siiszc, Duft erfüllt.
So wie Äiagnete nach den, Norden,
Dreht nach der ersten Angesicht
Das Wanze sich; Bild ,st'S geivorden
Bon ihrer Forin und ihrem Licht.
8-
Ein Boael ist es u? rftmrtr
Buhlt es mit eines Adlers Flug;
ein ms uns zerteilt die Welle.
Die noch kein größrcS Untier trug;
Ein E l t f n n i i!i'8. lnrMiir ftTirm
Ruf seinem schweren Rücken trägt:
T . . . ' . V. . .1. " '.,
ti Pinnen irikairnocm Mwurme
ie,air es. wenn es sie ,sne regt.
Und hat eS fest sich eingebisten
Wil I.in.m fhih ff ;f , f...
Itllillll IfflUUI Vlftllllljll,
Tg steht'S gleichwie auf festen Füßen
uno ,rovk rem wukciioen Orkan. .
Lösun der Rätsel in vorig?
RUMMtkk
1. Die Nciaer der Ulir.
2. Der Winter.
3. Die Luft.
4. Der Apfelkern.
si. Die Teick im Winter und Frühling
6. Das Räthsel.
7. Ter Negengu,
Wenn unl die Gegenwart alt Hel
ferin. Trösterin und Führerin nicht!
mehr zu bieten scheint, und die Zu
kunft unl düster und drohend winkt,
dann gibt ei immer noch etwas, wor
an wir unl zu klammern vermögen
da find die Erinnerungen. Wohl
allen, welchen sie ein Schatz bedeuten,
der niemals versiegt!
Erinnerungen! Eine ganze Bleilje
von Empfindungen zittert uns aus
dielem Wort entgegen, und sie um
fassen für un eine ganze, versunkene
Welt. Sie können mit einem Schla
ge unsere Seele erhellen. unS unge
ahnte Kräfte verleihen, oder auch um
gekehrt düstere Schatten in uns
heraufbeschwören. unS mut und ziel
loi machen. Deshalb sollte man sich
nicht ausschließlich an daS. waS unS
aus der Vergangenheit in der Erinne
rung entgegenschwebt, klammern, weil
man dann leicht in die Versuchung
gerät, alleS in der Gegenwart nur von
jenem, sozusagen überwundenen
Standpunkt auS zu betrachten. An
dererseits aber vermögen die fernen
Erinnerungen uns als getreue Käm
pen zur Seite zu stehen.
Die Erinnerung", sagt ein sran
zösischer Ausspruch, .ist ein Spott
vogel. der nur diejenigen Stimmen
wiedergibt, welche uns Tränen ent
locken". Aber dem ist gewiß nicht
so; denn in all' dem Schweren, das
der Lebenskampf den meisten, auch
den Schoßkindern deS Glückes, den
vom Schicksal Verwöhnten dieser
Erde bringt, blitzt immer wieder die
freundliche Erinnerung an glückliche
Tage auf, als etwas Leuchtendes, Be
freiendes, Erwärmendes in dem Dun
kel, das uns nun in der schlimmen
Zeit umgibt. Man schöpft dann neue
Hoffnung, wenn man sich an ähnliche
oder gar noch schwerere Lagen, in
denen man sich befunden hat, erinnert
und sich dabei tröstend sagt: Es ist
damals doch auch wieder besser ge
worden, die Schatten, die mich um
nachteten, haben sich gelichtet ich
habe mich selber durchgerungen, mein
Mut. meine Arbeit haben mir gehol
fen, oder auch andere haben mir in
Freundschaft beigestanden . . . was da
mals war. kann sich auch jetzt wieder
holen. Und siehe da mit der tröst
lichen Erinnerung hat sich sogleich ein
leiser Hoffnungsstrahl in unsere
Seele geschlichen, und so gehen Ver
gangenheit und Zukunft Hand in
Hand.
Zu den Erinnerungen, unter wel
che man wie es viele gern und
sorglos tun einen Strich macht",
dürfen aber niemals die von unseren
Mitmenschen empfangenen Freund-
Äindkrfeindschaften.
Von M. v o n A l t e n.
Neulich belauschte ich ein Gespräch
zwischen zwei Bengelchen von sechs
Jahren, die stolz und wichtig, den
kleinen Ranzen auf dem Rücken, aus
der Schule kamen.
Hans Brenner ist mein Feind,"
sagte mein kleiner Neffe ingrimmig.
.Warum denn V fragte der an
dere Dreikäsehoch sehr interessiert,
worauf mein Heinz die köstliche Ant
wort gab: Weil er mir drei Murmel
abgewonnen hat!" '
Ich mußte zuerst sehr lachen. Aber
dann wurde ich ernsthaft. Entstehen
nicht die meisten Feindschaften der
Großen" auf ähnliche Art. mögen es
nun drei Murmel oder etwas anderes
sein? Und ich nahm mir meinen
Heinz einmal vor.
Du. Heinz, was ist denn das. ein
Feind"?" fragte ich zunächst vorsich
tig und erhielt die nicht ganz befrie
digende Antwort: Wenn ich mit ei
nem böse bin."
So, und warum bist Du denn
mit einem böse?"
Heinzchen besann sich zunächst ein
wenig. Er bohrte die Fäuste tief in
die Taschen und klapperte darin mit
einigen Murmeln, die wohl noch zu
rückgeblieben waren. Mit der Sprache
aber wollte er nicht recht heraus.
Ich mußte also nachhelfen! Du,
Heinz, warum ist denn nun Hans
Brenner Dein Feind?"
Nun kam die Antwort wie aus der
Pistole geschossen: Weil er mir drei
Murmel abgewonnen hat," und die
Erinnerung an diesen Verlust trieb
ihm beinahe Tränen in die Augen.
Ehrlich abgewonnen?" fragte ich
dringlich.
Heinzchen bedachte sich einen Augen
blick. Dann bekannte er widcrstre
bend. aber wahrheitsgetreu:
.Ja-a-a!"
So," sagte ich nachdenklich. Aber.
Heinz, Du hast ja gestern Hermann
Lißner auch drei Murmel abgewon
nen. Ich hab's selbst gesehen."
Ja a a, das hab' ich!"
- Nun ist also der Hermann Lißner
auch Dein Feind?" forschte ich.
Nein aber das das is
auch was anderes!"
O Kinderlogik uralte, ewig
neue! Ganz mechanisch echote ich:
Ja, Bauer, des ist ganz was ande-
Erinnerungen.
lichkeiten gehören. Allein so etwas
wird leider nur zu oft aul dem Er
innerungsbuch gestrichen. El ist
manchem beuqem, in bezug auf alte,
gute Freunde vergeßlich zu werden.
Da hat man zum Beispiel in der
Schule nebeneinander gesessen: den
einen hat im späteren Leben die Wo
g del Glückel und del Erfolges em
porgetragen, der andere hat eS, trotz
redlicher Mühen, nicht so weit ge
bracht. Und nun trifft man einander
zufällig. Freudig ist die Begrüßung
auf der einen Seite, das alte, halb
fröhliche, halb wehmütige: Weißt Du
noch?", mit dem man gewöhnlich dal
behagliche Auffri
Erinnerungen beg
chen gemeinsamer
nnt. schwebt dem
vom Schicksal minder Bevorzugten
!I . 4. II-i I V . -
bereits von den L
ppen, währen'o der
andere erstaunt und lässig den herzll
chen Gruß erwidert, entweder sein
Gedächtnis vergeblich anzustrengen
scheint oder gedehnt sagt: Ach ja.
richtig, nun entsinne ich mich, eS ist
aber sehr lange her!" Der, dem also
geantwortet wird, zieht sich dann
meist verwirrt und beschämt zurück
und bedauert es im stillen, sich von
den beim Anblick deS alten, lieben
Schulkameraden auf ihn eindrängen
den Erinnerungen zu den impulsiven
BegrüßunaSworten haben hinreißen
lassen. Die Erinnerung an dal soe
ben Erlebte wird dann aber gewiß zu
einer der peinlichsten kleinen Demüti
(jungen zählen, die er seinen schmerz
lichen Erinnerungen einreiht. Grog
zügige Naturen werden sich allerdings
durch folch einen, im Grunde genom
men Nichtigen Vorfall nicht deeinflus
sen lassen, es gibt aber ungezählte
schüchterne Menschen, die gerade solch
eine kleine Erinnerung, weil sie eine
Zurückweisung bedeutet, recht schwer
nehmen.
An unfruchtbare Erinnerungen sich
ketten und dem. waS Zeder neue Tag
einem bringt, fein Auge eigensinnig
verschließen, ist ein Unrecht, das man
an sich selber und meist auch an seiner
Umgebung begeht. Wer seine glan
zende äußere Lebensstellung durch
irgend ein Verhängnis eingebüßt hat
und sich dann bei jeder Gelegenheit
auf Vergleiche zwischen dem Einst
und Jetzt einläßt, der an Erinnerun
gen verlorenen Ueberflusses krankt,
wird selten endlich die Kraft finden,
dem Unabänderlichen die besten Sei
ten abzugewinnen und den Nutzen,
den so mancher anscheinend unüber
windlich schwere Schicksalsschlag in
sich trägt, herauszufinden und
wenn auch seufzend so doch im
merhin anzuerkennen. Die Erinne
rung an ein entfchwundenees Glück j
res!" Und dann fiel mir's schwer
aufs Herz, wie unendlich verwickelt
doch so ein Kindergehirn arbeitet, und
wie schwer es ist. ihm die einfachsten
Begriffe vom Recht des anderen bei
zubringen, wenn die kindliche Selbst
sucht sich' so heftig dagegen wehrt.
Diese jungenhaften Feindschaften, die
mit dem ehrlich gewonnenen Murmel
des anderen anfangen und mit dem
besser bestandenen Examen, der besse
ren Stellung, der reicheren Frau usw.
noch nicht enden, die oft noch dem im
Sarge ruhenden den letzten Nachruf
neiden! Auf solche Kinderfeindschaf
ten, die aus Mißgunst, aus Neid, aus
Eifersucht hervorgehen, sollten wir
Mütter außerordentlich aufmerksam
achten. Werden sie nicht in der Wur
zel erstickt, wird die Wurzel selbst
nicht ausgerottet aus dem Kindcrge
müt, dann wächst das Unkraut, wu
chert und überwuchert die Triebe der
Selbstlosigkeit, der Menschenliebe,
durchsetzt die ganze Seele und macht
aus mißgünstigen Kindern kalte, nei
dische Egoisten, denen das Leben nur
eine Kette von Aergernissen ist, die
überall Feinde" haben.
Wie oft begegnen wir doch im Le
ben diesen bedauernswerten Menschen,
die sich immer beleidigt, stets zurück
gesetzt fühlen, denen jedermann Feind
zu sein scheint und die jedermanns
Feind sind. Nirgends blüht ihnen
am 1 Wegrand die Blume Zufrieden
heit, und das Kräutlein Genügsam
keit, das die Wassersuppe sogar würzt
und schmackhaft macht, wächst nir
gends für sie. Am harmlosesten Zu
fall finden sie die böse Absicht, im
gleichgültigen Nachbar wittern sie den
übelwollenden Gegner. Fortgesetzt
sind sie in der Abwehr, im Verteidi
gungszustande. Das sind jene, welche
nie gelernt haben, als Kinder drei
Murmel zu verlieren, die immer nur
an ihr Recht gedacht haben, nie an
das Recht des anderen.
ES ist gar nicht leicht, auf so ver
anlagtt Kinder einzuwirken. Denn
das Recht des anderen will ihnen in
keiner Weise einleuchten. Sie denken
immer nur an sich, als richtige kleine
Egoisten, die sie sind. Aul der
Selbstsucht sprießt ja so mancher
Fehler, ja, sie ist im Grunde die
Pfahlwurzel aller Fehler. Hier treibt
sie als erstes Blatt die Leugnung deS
Anrechts deS anderen auf alle Rechte
aus einem eigenen Äerlust. ,
Ein Kind , muß auch schon- lernen,
vermag ei ganzes späteres Leben zu
verklären und zu vertiefen. ES gibt
aber solche ewig Verneinende, die fce
Häupten, besser nichts besessen zu ha
ben, all ei späterhin zu verlieren und
beweinen zu müssen! Dal ist aber
nicht richtig; denn die Erinnerung
kann einen reich machen, in ihr kann
man sich noch lange, lance in ttwal
sonnen. waS wie ein flüchtiger, ober
beglückender Traum an unl vorüber
gehuscht ist.
In der Erinnerung erst ermißt
man, wie daS, waS einem anfänglich
als eine Heimsuchung gedünkt hat. zu
unserem Besten ausgeschlagen ist. Die
Erinnerungen sind unsere Freunde,
weil sie gewöhnlich in ihnen mit der
Zeit daS Herbe und Harte zu verwi
schen pflegt. daS Gute und Schöne
dagegen leuchtend hervortritt. ES
gäbe ja auch sonst kein Vergessen und
kein Vergeben. In der Erinnerung
schwächt sich der Groll ab. ES ist ein
Unrecht, wenn man glaubt, dieser ver
söhnlichen Empfindung, welche die
verblassende Erinnerung in unserer
Seele wachruft, steuern zu müssen,
und wenn man nach wie vor ängstlich
alles hervorzcrrt. was dazu dienen
könnte, das glimmende Feuer der
Zwietracht nur ja nicbt verlöschen zu
lassen. DaS Wort: Nie, nie vergesse
ich das, was man mir zugefügt hat!"
kommt in der Erregung so leicht über
unsere Lippen. Dann aber gehen die
Tage dahin, ein jeder bringt sein
Maß an Leid und Glück, und ein
jeder wirft unS ein Körnlein Verses
sen zu. und bald wird das, waS uns
so heftig bewegt und aus allen Fugen
unseres seelischen Gleichgewichts ge
brächt hat, bloß zu einer Erinnerung,
über die man doch versöhnlich hinweg,
kommt, weil es Menschenlos ist. im
Leben zu verwinden und zu über
winden. Dazu helfen einem nicht we
nig die Erinnerungen, der Gedanke
daran, wie vergänglich und nichtig fo
manches ist, worauf man unnützer
weise seinerzeit übertriebenen Wert
gelegt, woran man seine Kraft ver
schwendet hat. Es gehört allerdings
ein gutes Stuck abgeklärter Lebensan
schauung. Lebensweisheit und philo
sophischcr Reife dazu, um so weit au
gelangen, daß man auch Herr über
lerne Erinnerungen und nicht in
Versuchung versetzt wird, sich von
ihnen beherrschen zu lassen, ibr Skla,
ve zu werden.
Die Erinnerungen bilden einen
Teil unseres Ichs, sie verbinden uns
im Geiste mit den Teuren, die wir '
nur noch allem in diesem suchenden
Rllckwandern unserer Gedanken zu
finden vermögen.
zu verlieren. Zumal, wenn eS auS
eigener Schuld verliert. So muß
man bereits darauf achten, daß
Spielverluste all der kindlichen Köst
lichkeiten, der Murmel. Bohnen,
Knöpfe, Steine, Schneckenhäuser,
und was es sonst sein mag. heroisch
ertragen werden. Je mehr das kleine
Herz an dem Besitze hängt, um so
strenger muß man darauf fehen; denn
dadurch wird solch eine lindliche An
gelegenheit wichtig und folgenschwer.
Es gibt ja auch Kinder, die leichther
zig alles hergeben. Aber sie werden
später nur zu oft leichtfertige Men
schen. Die aber, deren Herz an den
tausend Kleinigkeiten hängt, die
müssen wissen, daß. wenn sie dem
anderen ein Recht darauf gegeben ha
ben, dieses Recht in jedem Falle auch
geachtet werden muß. So ist's auch
sehr unangebracht, einen kindlichen
Streit zu schlichten, indem man dem
um die entgangenen Besitztümer la
mentierenden Teil sie einfach zurück
gibt, nachdem man sie dem jetzt recht
mäßigen Besitzer weggenommen hat.
Das verwirrt die kindlichen Begriffe '
vom Besitzrecht und gibt dem Kinde
das Recht, auch für sich selbst im
nächsten Falle so zu handeln. Hier
haben kleine Ursachen oft große Wir
kungen, die verhängnisoolle Eindrücke
hinterlassen können fürs ganze Le
ben. Kinderfeindschaften sind also kei
neswegs eine gleichgültige oder gar
lächerliche Sache. Ein Kind, daS alle
Augenblicke einen Feind" hat, ist
entweder ein überempfindliches, oder
ein neidisches, oder ein egoistisches
Wesen. In allen drei Fällen muß'
energisch gegengewirkt werden. Ein
kurzes, ganz knapp geführtes Frage
und Antwortspiel, immc? an fett ge
rade in Frage kommenden Fall ge
knüpft, wirkt oft Wunder. Fast im
mer wird es heißen: .Ja a a.
d a S ist bei m i t auch ganz was an
dereö." Und wenn dann die Mutter
dem kleinen Feind" recht klar maen
kann, daß es durchaus nits ane
reS" ist. dann ist'S sch"n Mi nt-
nen. Freilich nur b!s Z'im nä'""
Mal. So schnell rotf-t "
kraut nicht aus. Aber Wiefcl? ;f
ia Tnaend Mrw'Mrwrct w" ra,.."
und darum Gewöhnung daS höchst,
Ziel aller ErziehungSkunst. ,
Nur konsequent muß , die Mutter
sein und darf keine Kinderfeindschaf
ten dulden, wären sie auch nur um
drei Murmel entstanden.