Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, November 25, 1912, Image 6

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    H
Fremde
Roman von M.
.V"J-ji O
(3. Jortsedung.)
Gcria trar .ü, mio et erste Cm
ssindung aller war die einer großen
Enttäuschung. Frau Hilde, in itzcer
Jugend ein tüchübschei Mädchen,
selbst heute noch als Mutier ihres
grrfn Junqen sin riffvnfc l?tJU,
hztle in fcuqci Kind ihr frühere
Ebenbild vermuthet, 'Jiun sah sie Mi
sich ein kleines, frühreifes Geschöxs
mit dünnem, fahlblondem H:ar, blas
fern Gesicht und einem verschlossenen,
eigensinnigen Zug um den Mund. TU
Kind stand steif wie ein Sied und
rührte keine Hand bei der herzlichen
kBezrüßung. zu der aufquellende Mit.
leid sie zwang. Eerty lieg ti still
schweigend geschehen, daß ibre Tante
sie an sich zog und küßte, ihre Arme
öffneten sich nicht, der kleine Mund
blieb stumm, und mit einem Seufzer
lieh Frau Hildegard das enttäuschende
Mädchen aus ihrem Arm. Sie wech.
selte mit ihrem Manne, der scheu und
ungeschickt daö Kind liebkoste, einen
Llick. Johanne verstand. Sanft fuhr
er mit der Hand über den Kopf des
Kindes. Sie soll es gut bei uni ha
ben, trotzdem, gelobte er sich.
Hon stand bei Seite. Sr war nx
der enttäuscht noch ernüchtert, da er sich
keine Lorstellung von Gerty gemacht
hatte. Ein häßliches Ting. aber roe
nigstens keine Heulliefe, wie die Mä
tcls sonst, war sein Urtheil.
Nein, eine Heulliese war Getto,
nicht, das konnte niemand von ihr sa
gen, auch Krause nicht, der Abends,
als die Kleine zum ersten Mal unter
des Oheims Dch schlief, zum Erstat
ten des Berichts antrat. Der alternde
Junggeselle hatte vor dieser Reise ge
bangt, einzig um Gertys willen, wie
er nun gestand. Es war immerhin die
Heimath, der er sie entführte, in ein
fremdes Land, zu Verwandten, die
sie nie gesehen. Da hatte ihn der un
zerstörbare Gleichmuth des jungen
Kindes in Erstaunen versetzt. Sie ließ
alles hinter sich, ohne eine Thräne zu
Vergießen, sah dem neuen, unbekannten
Leben entgegen, ohne eine Spur von
Neugier zu verrathen.
.Ich glaube, sie hat kein Herz."
schloß der Buchhalter seine Erzählung,
.aber sie ist zäh. Was sich die einmal
vorsetzt, daS führt sie aus, ohne viel
WesenS, ohne Worte, aber bestimmt
und sicher. Ein merkwürdiges Kind.
So soll sie an ihrem Vater mit Leiden
schakt gehangen haben, spricht aber,
seit er todt ist, kein Wort über ihn.
Man mag fragen, was man will, sie
antwortet einsilbig, oder sie schweigt
Frau Flemming schüttelte betrübt
den Kopf. Das hatte sie sich anders
gedacht: Ob ich ihr wohl beikommen
werde." fragte sie zweifelnd. Mir
thut daS arme Ding doch leid. Arme,
kleine Eerty. "
ES schien nicht, als ob sich ihr bei,
kommen ließe. Gerty blieb sich im
ganzen gleich, auch als Jahre vergin
gen. AuS dem häßlichen, jungen Ent
lein wurde zwar nicht wie im Märchen
ein schöner, stolzer Schwan, immerhin
in schlankes, hochgewachsenes, leidlich
hübsches Mädchen, das noch besser ge
fallen hätte, wäre nicht der Zug stillen,
zähen Eigensinnes gewesen, der nie
ganz von dem jungen Gesicht der
schwand. Sonst wußte Gerty sich zu
beherrschen und zeigte aller Welt ei
nen Gleichmuth. der bei so jungen
Jahren verwundern mußte.
' Ob sich das Mädchen damals leicht
der schwer in fein neues Lcben fand,
hätte selbst die besorgte Tante nicht
sagen können, innerlich stand ihr das
Kind noch heut ebenso fern, wie am
ersten Tage, wenn eö auch äußerlich
alle Pflichten und Rechte der Haus
rochier ausübte und beanspruchte. Alles
in allem war das jetzt achtzehnjährige
Mädchen, wie hundert andere ihrer
Art, nur etwas kühler und zielbewuß
ter. Was sie sich vornahm, erreichte sie
stets.
Der Einzige, dem gegenüber ihr
Glcichmuth nicht immer Stand hielt,
war Vetter Hans. Anfangs zankte
LZerty sich mit ihm, dann kam die Zeit
seiner Muftkschmärmerei, Nxgen der er
wit seinen Eltern in ernste Conflicte
cerieth. Von dieser Zeit an stellte sie
sich offen auf seine Seite.
Sie bot alles auf, die Tante zu be
summen, Hans gewähren zu lassen.
Obschon sie sonst leicht etwas durch
setzte, stieß sie hier auf so hartnäckigen
, Widerstand, daß sie ablassen mußte.
Dann ging Hans, um seine Lehrzeit
zu bestehen und Gerty sah ihn nur
Sonntags, wußte es aber einzurichten,
daß sie alleS erfuhr, waS er that und
dachte. Dann hörte man nichts mehr
von dem einst so lebhaft geäußerten
Wunsche des , jungen. Erben. Er
fcicnle sein Jahr in WandZbeck ab und
trieb es dort so toll, wie andere junge
Leute seines Standes.
. Da war es die kleine, kaum beachtete
Cousine, die ihm seine Geige in's Ge
X - ' n i 3 rief; sie , ließ sich vorspielen,
ch über Liszt und Wagner und
durch ihre Unwissenheit in mü?
i, hen Cinen Hansens Spot: her
...I. '.;
Zil verschlug doch nichts, kr kam
doch wieder mehr, spielte und mied die
leset Gesellschaft. Dana kehrte er
zurück. Unlustig zu Allem, zwei Dinge
cwicrnmen. Das waren seine kost
V
Schuld.
PriggkBrvk.
kike Amati und Hassan. sein edleö
Pferd. Mit diesen verdrahte er seine
Zlit. saß. wenn er muß!e. unwillig am
Arbeitstisch und zählte die Stunden.
iiS sein Baier zur 8?8ife fuhr. Tanz
verschwand auch der Schn.
litertt) sah da mit an. scharssinni
gei, als die tluqe 'lernte, vor der Je
hannez Flemmina, seinen Kummer ver
barg. Sie sah das Verbältniß zwi
schen Vater und Sohn kühl, ja fast
feindselig werden, und tiefe Traurig
Seit zog in ihr Herz. Dies Herz, an
dessen Vorhandensein so Wenige glaub
ten, und das doch heiß und liedesu
chend in ihrer Ärust schlug, nur für
ihn. für Hans. Und gerade der ahnte
nichts davon ....
Nun saßen Mutter und Sohn in
dem behaglich ausgestatteten Gemach
der ersteren zusammen. Ihr anfängli
chei Staunen wandelte sich unter dem
Einfluß s:iner Worte bald in bange
Bestürzung.
Heiße Thränen flössen über ihre
Wangen.
.So willst Tu wirklich von unS ge
hn. mein geliebter Junge." sagte sie
zärtlich, vorwurfsvoll, als er endlich
schwieg.
Ich muß. Mama, mach' mir den
Abschied nicht schwer," bat der Sohn.
Sie konnte sich immer noch nicht fassen.
Ich begreife nicht." sagt sie halb
zu sich, halb zu ihrem Sohn gewandt,
.waö nur den Vater bewogen haben
mag. Dich so schnell von sich zu geben!
Gestern noch wußte er nichts davon, im
Gegentheil, er hatte ganz andere Pläne
mit Dir!"
Der junge Mann horchte auf.
.Andere'Pläne. Mama? Sag' doch,
ich bitte Dich. waS könnte das sein?"
Sie kehrte mit der Hand: Laß
nur. Kind, es möchte dem Vater nicht
recht sein, sprich ich das erste Wort,
zumal er vorläufig von seinen Wün
schen abzusehen scheint."
Bin ich denn ein Kind. daS sich be
dingungslos Euren Wünschen und
Plänen fügen muß," brach Hans em
pfindlich aus. .Und dann soll ich nicht
einmal davon wissen dürfen! Ich bitte
Dich. Mama, sage mir, was Du weißt,
ich gehe sonst zum Vater und nöthig
ihn zum Reden."
.Wie ungestüm Tu bist!" klagt
Frau Hildegard. .Wart' doch ab. waS
Dir Dein Vater sagen wird, vielleicht
trifft sein Wunsch diesmal mit dem
Deinigen zusammen."
.Ich wüßte von keinen Wünschen
erwiderte der Sohn unwillig.
Seine Mutter zog ihn dicht neben
sich.
.Wie gefällt Dir unsere Gerty?"
fragte sie unvermittelt.
.Gerty?" Hans Fleming konnte
vor Erstaunen nur dieses einzigv' Wort
hervorbringen. Frau Hilde deutete
seine Verwunderung falsch.
.So also kommt man hinter Dein
Schliche," neck: sie ihn. .Sieh' in den
Spiegel, Hans. Du bist ganz roth ge
morden, weil ich so unvermuthet hinter
Dein Geheimniß kam."
Die Stirn des jungen Mannes hatte
.ch in der That mit tiefem Roth bezo
ien, nur daß der Farbcnwechsel andern
Ursprungs war. als des von der Mut
r geahnten.
.Versteh' ich Dich recht, liebe Mut
ter," erwiderte er jetzt sehr ernst, .Du
glaubtest wirklich, ich interessire mich
für Gerty? Wie in aller Welt kemmft
Du auf die Idee, die mir fast komisch
vorkommen will. Gerty und ich, eS ist
zum Lachen!"
Dein Vater, ich, wir dachten, mein
ten " Frau Fleming sprach unsi.er,
anscheinend betroffen. .Aber Hans."
faßte sie sich wieder schnell. .wär'S
denn ein Wunder oder gar ein Unglück,
wenn Du Gerty liebtest und sie Dich?"
.Ein Unglück kaum, in Wunder
sicherlich. Ich kenne kaum ein Wen
schenkind, das mir so gleichgültig ist,
wie meine kleine, eigensinnige Cousine."
.Und Du warst in letzter Zeit so
freundlich zu ihr."
.Weil sie mich dauert. Sie sieht
doch eigentlich allein in der Welt. Ge
gen mich ist sie übrigens stets gut und
freundlich gewesen, sollt ich da unlie
benswürdig sein?"
Frau Flemming seufzte tief, und
Hans sah feine Mutter fragend, fast
erschreckt an.
Sagtest Du etwas, Mama?"
Ich hätt schweigen sollen," tadelte
sie sich selbst. .Ich hatte Recht, zum
Reden ist's noch viel zu früh!"
Ich zweifle, daß es jemals früh ge
nuz dazu sein wird," versetzte Hans
nachdrücklich.
.Und wenn nunGertrud Dich liebt?"
.Um so schlimmer für sie," sagte
HanS gieichmüthig. .Uebrigens, Ger
ty ist achtzehn Jahre und geht im Wü
ter zum ersten Mal aus. Da lernt sie
andere Menschen kennen, und an Ver
ehrern wird kein Mangel sein, so daß
sie den Herrn Vetter bald vergessen
wird. Uebrigens, was ich Dich schon
immer fragen wollt, ist Gerty eigent
lich reich?"
Verlegen wandte die Gefragte das
Gesicht ab und strich eifrig an den Fal
ten ihres Kleides, die irgendwie m
Unordnung gerathen sein mochten. Sif
sad nicht auf. als sie mit erzwungener
lönliche
Gleichgiltilke!t antwortete: ' ,Ja ge
wiß. di heißt, ich glaube! Oder aber,
ich weiß doch nicht so genau. Tu
mußt den Vater frazen.".
Hani lachte schallend auf.
.Mutterchen. Tu bist ja köstlich, bk
jahj! und verneinst in einem Athem,
um schließlich zuzugeben, daß Tu gar.
nichts weißt. Da müßte der Vater
hören! Ter würd wieder schon über
die nicht vorhandene Logik der Frauen
loSziehen. Mich interessirt die Fice
nich'.. ich meint nur Gert:, wezen."
FrauFlemmina stand auf.Sie schien
Ullötzlich große Elle zu haben.
Wir müssen nach Deinen Sach.'n
fefcn, Kind." sagte sie. der Ausslut
froh. .Wann, sagtest Tu. daß Tein
Schiff fahrt?"
Acht Tage später hielt der Re'.fewa.
gen vor dem EinfahrtSthor des stattli
chen Landhauses. Der Diener schleppt?
mit Hilfe ineS zierlichen Hausmäd
chens, dem von der ungewohnten An
strengung die Schweißtropfen von der
Stirn flössen, die schweren, eisenbe
schlagenen Koffer deS junaen Herrn.
Dieser selbst stand zwischen Vater und
Mutter, hinter denen Gerty sich halb
verbarg, auf der Freitrepp und sah ge
dankenvoll in den sommerlich blühen
den Garten hinab.
TiePferd stampften schnaubend den
Kies. kam konnte der Kutscher sie in
den Zügeln halten, da riß der jung
Mann sich Ioi.
.Leb' wohl, mein geliebte Mütter
chen." sagte er weich. Er schloß die
bitterlich weinende Frau fest in sine
Arme. .Sei ruhig." flüsterte er ihr
zu. .Ich kehre wieder, und dann. Tu
gönnst mir doch daS Glück, einmal frei
und ungebunden die schone Welt zu se
hen." Frau Hilte küßte den Sohn wieder
und wieder. .Reise mit Gott, mein
HanS. und vergiß unS nicht."
Sie schob ihn dem jungen Mädchen
zu. das trockenen Auges, aber mit er
blaßtem Gesicht neben der Tante stand.
.Adieu. Gerty. leb' wohl." sagte
Hans brüderlich. Er berührte dabei
mit den Lippen die jungfräuIicheStirn
und erschrak, denn hastig richtete das
junge Mädchen sich empor und bot den
frischen, knospenden Mund. Ein heißer
Kuß brannte auf seinen Lippen, dann
eilte Geriy ins Haus, ohne sich umzu
sehen. .Komm. Hans. eS wird Z:it."
Herr Flemming. der den Sohn nach
Hamburg begleitete, zog seine Uhr. Er
küßte seine Frau und rief umsonst nach
Gerty, um auch von ihr Abschied zu
nehmen. Sie blieb unsichtbar.
Die Pferde zogen an, ein letzter Blick
auf daS Elternhaus, in Gruß der wei
nenden Mutter, und HanS zog leichten
Sinnes dem neuen Leben entgegen!
Die Belehrungen des alten Herrn
gingen ungehört an seinem Ohr vor
über. In Hans lebte, nachdem die
Trennung überstanden, nur ein Ge
fühl: das der Seligkeit frei zu sein!
Im Grunde seines Herzens war der
einstige Erbe von Flemming und Sohn
ein gutartiger, braver Mensch, dem es
leider nur an der nöthigen Willens
stärke gebrach. Unter dem Einfluß des
viel energischeren Vaters konnte sich die
Eigenart der SohneS nicht entfalten,
er empfand die zielbewußte Strenge,
die Feindschaft des alten Herrn gegen
alles. was nicht Geschäft hieß, fast alS
.Feindschaft gegen sich selbst, und hatte
sich daher ganz in sich zurückgezogen.
öS blieb zu erwarten, nach welcher
Hinsicht der junge Mann dem zu der
ungewohnten Selbständigkeit reiche
Mittel zu Gebote stehen würden, sich
nun ausleben werde. Einen Schutz ge
währte ihm jedenfalls die heißgeliebte
und ach, so vielgeschmähie Kunst. Ter
Vierundzwanzigjährige begriff, wai
er sechs Jahre zuvor mit Entrüstung
von sich gewiesen, daß ein Unterneh
men, wie das seines VaterS, zu ihm,
dem einstig Erben gehör und einst
wohl sein ganze Kraft erfordern wer
de. Daß aber der Vater, auch nachdem
er der Musik endigt, fortfuhr. dieAus
Übung derselben mit mißtrauischen
Blicken zu betrachten, daß er ihm den
Verkehr mit Gleichgesinnten auf's
Schärfst vkrbot. das hatt Hang in
tiefster Seele erbittert.
Kein Wunder, wenn r eno'ich der
väterlichen Tyrannei überdrüssig war
und dn Gedanken an seine Reise mit
Jubel aufnahm. Dazu kam, daß Jo
hannes Flemming auf den Rath deS
Buchhalters hin ihn mit den weitge
hendsten Vollmachten ausgestattet hat
ie; in neus, großes Glück, welches der
Sohn kaum zu fassen vermochte.
Flemming sah seinen Sohn und Er
ben beruhigt scheiden. Der alte Buch
Halter behielt wieder inmal Recht.
Hans mußte fort, es war die aller
höchste Zeit.
Die UetVhtt sollte auf einem der
großen Lloyddampfer vor sich gehen,
die, mit allem erdenklichen Comfort
ausgestattet, den auf ihnen Weilenden
die Reife zu einem Vergnügen gestalten.
Nachdem HanS mit Hilfe deS Vater
feine Sachen in der ihm bestimmen
Kabine untergebracht, betraten Leid
das Deck zum letzlerr Abschied.
Die Menge der Passagiere drängte
einander; fast Jeder hatte noch einen
Angehörigen oder lieben Freund, der
ihm das letzte Geleit gab. Manche
Thräne floß. Auch Flemming war b
nxqt. Liebevoll wie seit lange nicht,
drückt er seinen Einzigen an di Brust.
.Leb' wohl, mein Jung, leb' wohl!"
Man schob und stieß, die laut
Cmolia Tribune. Montn. November 1912.
Ilimm deS Cspitäni übertönte den
arm, r fordert di Gäste auf, daS
5chiff zu verlassen, weil er di Anker
.ichten lass. Man umarmte sich zum
letz'en Mal. die Boot füllten sich, und
ivf dem Verdeck sah man nur noch di
Abfahrenden stehen, die denen im Boot
Arüße und AbschiedSwortk zuriefen.
Unter den Ersten, die das Schisf ver
ließen, befand sich Herr Flemming.
Der Abschied von seinem Sohn war
ihm nahe gegangen, und kr wehrte den
Thränen nicht. Gebeugt saß er am
Steuer deS BosieS und sah nicht, wie
Hank mit seinem Tuche ihm einen letz
ten Gruß zuwinkte. Enttäuscht trat
di'ser zurück.
Da fiel sein Blick auf ine schlank
Madchengestalt, die einsam, wie von
der Welt verlassen, an Bord des Dam
pferS stand. Sie hielt sich dem Lande
abgekehrt und große Thränen flössen
über ein weiches, rosiges Gesicht. Ihr
braune Lockenhaar spielte im Winde,
der weiße Sch.eier, der daS Hütchen
schmückte, war zurückgeschlagen, und
mit der feinen, in geilxm, rehledernem
Handschuh stehenden Hand führte sie
das kleine Tuch an di Auen.
Das jung Mädchen, denn daß sie
jung sei. zeigt der flüchtigste Anblick,
rschien HanS Flemming wie die ver
körperte Anmuth. Einer unwillkürli
chen Regung deS Mitleids gab er nach.
clS er auf die Einsame zutrat. Sie be
merkte sein Kommen gleich, denn ihre
Thränen versiegten schnell. Die Hand
zog schnell den Schleier hinunter und
mit stolzer Geberde wandte sie sich zum
Gehen. HanS sah ihr betroffen nach.
(Fortsetzung folgt.)
Ein ZeitnngS Jubiläum.
Die Londoner Zeitung .Times"
hat jüngst daS Erscheinen ihrer 40.
000sten Nummer durch die Heraus
gäbe einer auf teuerem Papier präch
tig gedruckten Beilage von 44 Seiten
gefeiert. Die Beilage ist eine wahre
Enzyklopädie des Druckerei und Zei
tungsmefens; ihr Hauptinhalt ist die
Geschichte des Drückens, des Zei
tungswesenS und der .Times". In
einem Artikel, betitelt: .Die TimeS
von heute", wird ein interessanter
Blick in daS Leben von Printing
House Square verstattet. Während
der letzten zwölf Monate bezahlte die
.Times" 1924 Mitarbeiter. Außer
dem hat das Blatt in seinem Gebäude
290 Angestellte, die nicht schreiben,
obwohl manche davon Redakteure
sind, und in der Druckerei und Setze
rei weitere 350.
Eine Durchschnittsnummer der
.Times" zählt, abgesehen von den
Beilagen dem Literary, Engineer
ing, Educational und South-Ameri-can
Supplement, die in einem Jahr
einige 2600 Spalten bringen
zwanzig Seiten: der Umfang deS
Blattes schwankt je nach dem An
drang der Nachrichten zwischen einem
Minimum von 14 und einem Mari
mum von 26 Seiten, wobei auf eine
Seite 900010.000 Wörter kommen.
Wie stark die Leistungsfähigkeit der
Druckmaschinen gewachsen ist. zeigt
folgendes Beispiel: 1827 konnten die
Maschinen der .Times" in einer
Stunde 40005000 Abzüge von 4
Seiten liefern, heute dagegen 150,000
von 16 Seiten!
Heute, wo die Zeitung ihre Num
mer 40.000 gedruckt hat. finden wir
in den anderen Londoner Zeitungen
ihr Alter durch folgende entsprechende
Zahlen anaezkigt: Morning Post
43.779, lobe 36.576. Standard
27.534, Evening Standard 27.511,
Daily News and Leader 27,750.
Daily Telearavh 17.903, Daily
Cbronicle 15,777. Vall Mall 14.780.
Star 7627. Westminster Gazette
6018. Daily Mail 5126. Dail Er
preß 3877 und Daily Herald 123.
In Rotterdam wurde
ein Privatbeamtcr, der mehrere in ei
nrm Getreidesilo aufgespeicherte Par
tien Getreide besichtigen mußte, durch
die aus dem Getreide strömenden
Dämpfe betäubt. Drei Arbeiter, die
oi? Gurten hinuntergelassen wurden,
verloren gleichfalls das Bewußtsein.
Ein vierter konnte dem Beamten ei
ren Gurt um die Hüfte schlingen und
wurde dann auch ohnmächtig. Die vier
Arbeiter wurden ins Leben zurllckge
rufen. Bei dem Beamten waren die
Wiederbelebungsversuche erfolglos.
In Hlinsko (Böhmen)
wurde hör Jahresfrist der Landwirt
Praschak in feiner Wohnung erschns
sen aufgefunden. Man nahm damals
Selbstmord an. Jetzt ist es an den
Tag gekommen, daß der Mann tn
feiner Gattin und seiner Tochter er
mordet wurde. Beide wurden verhaf
tet und haben auch schon die Ta'
wegen angeblich brutaler Behandlung
eingestanden. Den tötlichcn Schug
gab die Frau ab. während die Tochter
ihr bei der Vorbereitung zu dem
Mord behilflich war und nach dem
Morde das Gewehr an das Bett
lehnte, um. inen Selbstmord vorzu
täuschen.
In Chambly (Departe
ment Oise) wurden nach hartnäckigem
Widerstand vier Leute festgenommen,
die in einem Automobil Tabak und
Zigarren im Wrt von fllnfzehntau
fnd Frank eingeschmuggelt hatten.
Einem der Verhafteten gelang eö, die
Tür seiner Zelle zu erbrechen und zu
entfliehen. Es , heißt, daß die
CUfwau! VUtaut üäik.
j Berühmte Teppich.
Zt wurden Pl'rnk V?,rga In
j (fiiInl ,rrk.
In Pari bot sich In diesen Tagen
die seltene Ge egenheit. ine Reihe
kostbarer gotischer Wandteppiche zu
bewundern. E handelt sich um die
Teppiche, di Picrpont Morgan ouß
dem Besitz deS Schlosse Kno'e in der
Giafschaft Kent In England als
neueste und großartigst Vervollstän
digung seiner Sammlung erworlen
hat.
Diese Sammlung, sagt Seyour
deRiccl in dei Einführung deS Kata
i Ion, die in kurzer Zeit entstanden ist,
läßt sich 'chon jent nahezu den drei be
rühmten Sammlungen deS spanischen
KönigZhause und dS Brüsseler
Museums gleichstellen. Die in der
Pariser Galerie Seligmann ouqe
stellten Neuerwerbungen, die der Be
sitzer zugunsten der Gesellschaft der
iouvrefreunde für kurze Zeit der Be
sichtigiing freigegeben hat, sind fast
olle flämischen Ursprungs aus der
Blütezeit ft Gotik bis in den Ueber
jgang zur Renaissance. auZic-omiren
zdie soienannte Löweniagd". ein
P acht stück der Flä'chenkunst. da e'ner
französischen Werkstatt zugeschrieben
wird und ine der frühesten Arbeiten
der Sammlung ist. Besonders bemer
kenkwert sind außerdem daS Ecce
Homo". daS in die Schule Roger van
der WeydenS zu gehören scheint. daS
unter den bekannten ähnlichen Dar
stellungen hkrvorragende 15tcilige
.Cndo", daS wobl am frühesten zu
datieren ist. daS .Turnier" und .Die
Ueberbringung des SchweißtuchS nach
Rom", eine in den Einzelheiten Mon
derS reiche Arbeit, die wohl den Dar
stellungen aus dem Leben Johannes
des Täufers in Madrid anzureihen
ist. Außer der .Kreuzigung", die
Bernhard van Orley zugeschrieben
wird und schon den bewegten Linien
fluß der Renaissance iqt. haben alle
diese Teppiche es sind hier 13 aus
l gestellt die Kapelle des Schlosses
Knole geschmückt.
Nun werden sie bald die Neise nach
Amerika antreten, und der Beschauer,
der zum ersten und vielleicht letzten
Male bor diesen Kostbarkeiten steht,
die jetzt, aus ihrer Umgebung heraus
gerissen, nicht mehr Schmuck, sondern
eigenlebende Kunstwerke sind, kann
sich, allen Einsichten zum Trotz, eines
Bedauerns über diesen sich immer
häufiger wiccerholenden Lauf der
Dinge nicht erwehren. Aber noch
etwas anderes kommt ihm in den
Sinn, nämlich die Frage, wie man die
Einreihung solcher Webereien in den
Begriff deö Kunstgewerbes" bearün
den will. Nach der neuen Begriffsbe
stimmunq gehören sie hinein, aber
künstlerisch ist kein anderer Unterschied
zwischen ihnen und den Wand- oder
Tafelbildern der Zeit, als die Hand
werkliche Technik. Sie sind nicht
als Teppiche, sondern als Bilder ent
worfen, und künstlerisch ist es gar
kein Unterschied, ob diese Bilder in
Oel- oder Temperamalerei, in Mosaik
oder Weberei ausgefubrt sind. Es
könnte inders sein, die Sempersche
Materialästhetik will es auch inders.
und die moderne Kunst denkt auch an
ders. ebenso wie antike Zeiten und die
frühe Gotik anders gedacht haben.
Aber diese Teppiche sind einfach Bil'
der, derenFarben weniger der Zeit ge
trotzt haben, als die Temperamalerei.
Der überaus hohe Marktwert der
Tepviche gilt daher auch nicht den
künstlerischen .Vorzügen, sondern der
seltenen Eigenart des Materials, die
allerdings auch ästhetische Besonder
heiten ergibt. Diesen Besonderheiten
muß ihre Aufstellung entsprechen. Es
ist nur ein halber Genuß, sie an den
hellen Wänden einer kahlen Galerie
angeheftet zu sehen. Sie gehören in
einen Raum, der, wenn es nicht der
alte ist, für den sie gemacht wurden,
für sie gestaltet sein muß, und dessen
architektonischer Reichtum so wirken
muß es brauchen nicht gotische, es
könnten sogar moderne Architekturfor
men sein daß diese gewebten
Wände gewebte Wände bleiben und
erst, in ihren Ztveck sich bescheiden
fügend, in ganzer Schönheit wirken.
Englische Kriegslustige.
Die kriegerischen Ereignisse in den
Balkanstaaten haben viele abenteuerliche
Geister in Großbritannien in gewal
tige Erregung versetzt und von vielen
Seiten tft, wie auch bei früheren Krie
gen, versucht worden, sich von der
seinen oder der anderen der beteiligten
Mächte anwerben zu lassen. Die be
treffenden englischen Gesetze künden
einem jeden schwere Strafen an, der
sich von einer fremden Macht onwer
ben läßt, oder andere veranlaßt, dies
zu tun. Dieses Gesetz tritt aber erst
in Kraft, wenn die Feindseligkeiten
tatsächlich eröffnet worden sind. Ei
nem jeden Engländer steht eS jedoch
vor einem Kriege frei, feine Dienste
einem jeden Lande anzubieten,
j Diese Kriegslust ist absolut nichts
neues. Schon Lord Kitchener diente
in dem französisch-deutschen Kriege
uuf französischer Seite, wofür er vor
kurzem erst die Erinnerungsmedaille
für 187071 erhielt. Auch König
Peter von Serbien nahm damals als
Offizier der Fremdenlegion tätigen
Anteil an dem Kriege gegen Deutsch
land. Außer Kitchener waren da
mals noch viele andere britische Offi
Ixhrt niif fMHiänfcfi Geilt,
hm Mittmjler - Mcck.
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I f'w ' . T
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Attraktives Tame.imn.
emulierter Cotton Crcp' in bka und weif, wrde für dieses Dessin beruft,
mit blauem Nep nd -pihki, als Besad. Ta-i Xffiin kann mit langen Aermeln
und gerader Mansck'ktte vrrschen werden. T,e Biilliqkeit kann durch einen Gürtel
beschrankt werden. Ta3 Musicr ist in 3 Wriihen rsclinitten: klein, mittelgroß u
groß. ES benötigt ?i Fards !?si;cn. Stoff für die mittlere ttröße.
Preis des Musters 10 lcnt&
B e st e l l u n g s . A n w e l f u n g e n
SitU Muster werden an irgend ew ?Idrsie aenen Cinscndimg dcl
Preise acscl-ickt. Man pebe stummer r,d rrfce nd die volle Adresse fccui
Ii i und schicke den Coupon nebst dem oben erwSbnten Pr,iS an di
Pattera Department, Omaha Tribüne,
1311 H,ward ZU ,
' ?cr Smaya Wöüm" Fattcril ßoupon.
Ich wünsche Muster No
.... Zoll, Brust, oder XaificnwtiU
(Jahre .... bei Kindersachen.)
Name
No.
Ctraße
Die Schil'Fan'Schule.
,,z?
Eine Pionierin unter den Frauenschn
len de Reiche der Mitte.
Die im November 1911 eröffnete
Cchu-Fan-Anstalt. die deutsch-chincsi-sche
Mädchenschule in Tsingtau, ver
dankt ihr Entstehen der praktischen
Realpolitik Deutschlands. Der Er
kenntnis, daß es einfache nationale
Pflicht ist, die Wahrung deutscher In
teressen durch einen Einfluß auf die
Erziehung und Heranbildung derchi
nesischen Jugend zu sichern. Und
zwar ganz besonders der weiblichen,
von deren späterem Einfluß als Haus
frau. Gattin und Mutter manches,
vieles im Verhältnis ihres Volkes zu
den Deutschen abhängt. Wenn sie
dem deutschen Gedanken, dem deut
schen Sein und Wesen Sympathie
und, was viel mehr ist, Verständnis
entgegenbringen, so wird dies auch
auf die Gesinnung ihrer Männer und
Söhne weitgehendsten Einfluß aus
iben. Ferner hofft man, durch Her
anbildung von Lehrerinnen auf dieser
Schule allmählich dem Mangel an
weiblichen Lehrkräften abzuhelfen, der
vorläufig noch eine der allergrößten
Schwierigkeiten bei der Reform deS
chinesischen Mädchenschulwesens bildet.
Wer hier hilft, wird aller Voraussicht
nach auf dankbare Anerkennung der
chinesischen Nation und, was wohl
noch wichtiger und weittragender ist,
auf mitratende und mittatende Siel
lung bei Ausgestaltung deS chinesischen
Kulturlebens rechnen können.
Der Name dieser jüngsten der deut
scherseits gegründeten deutschchinesi
schen Schulen unter denen in erster
Reihe die deutsche Medizinschule in
Schanghai und die im Oktober 1903
auf Veranlassung des Reichsmarine
amtS eröffnete deutfch-chinesische Hoch
schule in Tsingtau zu nennen sind
entspricht für chinesische Begriffe dem
Ziel der Anstalt. Cchu.Jan. Vor
bild edler Weiblichkeit, wurde jene
Pionierin unter den Frauenschulen
Chinas genannt, weil sie einerseits
die Heranbildung tüchtiger Lehrerin
nen erstrebt, anderseits, weil sie dem
Äveck dillit. Schüluiuma aus, eixu
Stadt
flußreichen Kreisen eine intellektuelle,
ästhetische und sittliche Ausbildung zu
geben und sie in den Geist zeitgemä
ßer, freier, persönlicher Selbstbestim
mung einzuführen, ohne sie aus dem
Volkszusammenhang herauszureißen,
in dem sie stehen und dem sie dauernd '
angehören sollen. Die pekuniären X
Mittel zur Einrichtung und vorlauft
gen Betriebsführung der mit einem
Schülermaterial von 20 aus der Pro
vinz Schantung, das heißt der Pro
vinz der Gelehrten und Schulen, stam
menden Zöglingen als Internat er
öffneten Schule, wurden durch einen
von Hamburg aus erlassenen Aufruf
zusammengebracht.
Zu den .wichtigsten Unterrichtsgc
aenständen des Schu-Fan-Schulpen
sums gehören neben freier BeHerr
fchung der chinesischen Schriftsprache,
Rechnen. Deutsch, Naturwissenschaft
und Geographie. Die Grundlage die
ses Unterrichts, der vom Ausland
hauptsächlich Deutschland in Betracht
zieht, bildet die Heimatkunde. Tur
nen, Zeichnen, Handarbeit und Sin
gen sind ebenfalls in den Lehrplan
aufgenommene Bäcker, wäbrend fin
iiicuciii)iucuciiucic ocr iilkligionsun
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terncht. in klugem und taktvollem '1.
erzicyl aus zeve zwangsweise reli
giöse Beeinflussung, ausgeschaltet
blieb. Man folgt hierbei dem Prin
zip des evangelischen protestantischen
Missionsvereins, der die Anregung zur
Gründung dieser Schule gab, und legt
das Schwergewicht aller Tätigtet
auf die Belehrung, nicht auf die Be
kehrung und siellt bei Vermeidung
jeder einseitig konfessionellen dogmati
schen Propaganda den allgemeinen
Kulturzweck als Leitmotiv all dessen
auf, was man den jungen Chinesinnen
als Errungenschaft menschlicher Er,
kenntnis bietet.
Der Lehrkörper dieser deutsch-chine-fischen
Mädchenschule, die hoffentlich
ein bedeutungsvoller Faktor deutscher
Kulturmission im Reiche deö SohneZ
des Himmels werden wird, setzt sich
aus zwei deutschen Lehrerinnen, di,
die Landessprache vollständig beHerr
schen, einer chinesischen Lehrerin und
mt chinesischen Lebrern zusammen.
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