Tägliche Omaha Tribüne. (Omaha, Nebr.) 1912-1926, October 19, 1912, Image 6

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    rLgllcht Cnufj Triflie,' Ssm?tff, Itn 12. Oktsbex 1312.
BÜ
Das grüne 2luto. .
D
Cp'ionagcÄoman
(2. Fortsetzung.)
In der Mitte dei Zimmer stand,
maeben von dreiTtrohsesseln.ein vier
leint., alter lisch. Neben dem
Cessel. dem Fenster gegenüber, lag
aus dem Boden die Leiche eine jun
et IRanuf, otiiau noch in derselben
i. in der sie aufgefunden worden
war.
Seiner Kleidung nach muhte der
Todte dem Arbeiterstande angeboren
Er trug einen Anzug au grobem
Stoff. Stirn und Hände zeigten den
Schmutz schwerer Arbeit. Ter Todte
lag der Länge nach hingestreckt au
dem Fußboden, der seit Monaten nich
aufgewischt worden sein mochte. Ein
wenig zur Seite geneigt zeigte die
. ? e . - . - i . fi t
azias ein iieinc, runor. jqan
gerändertes Loch.
Im Zimmer waren bloß einige Po
lizeibeamte anwesend, die den That
bestand aufnahmen. D Herren am
tirten mit zielbewußter Ruhe und
vermieden alle unnothigen ffragen
In der Witte de Zimmers stand
Polizeirath Wurz. der Leiter des
Sicherheitsbureauz, ein Mann von
. reicher Erfahrung und großer That
kraft, und traf in umsichtiger Weise
seine Anordnunaen. Ruhig und
aufmerksam beobachtete der Polizei
rath die Situation und verfolgte mi
scharfen Blicken jede Bewegung seiner
Beamten. Man sah es dem hohen,
schlanken Mann an, daß er sich als
Herr der Situation suhlte.
Als Doktor Specht eintrat, wurde
gerade das Protokolls ausgenommen.
Ein junger Konzipist diktirte:
' .Aolk Strebinger wurde durch ei
nen Schuß auS einem Revolver von
neun Millimeter Kaliber getodtet, -
.Warten Sie." unterbrach der Po-
I,ze,rath den jungen Beamten. .Die
feS Loch kann unmöglich von einem
' so groben Vroiektil Herruhren.
Polizeirath Wurz trug den auf dem
Boden liegenden Revolver zur isam
, .Natürlich! Alle Patronen stecken
.
och in der Trommel!'
Er blickte durch den Lauf gegen das
' Licht.
.Au diesem Revolver ist Lberhaup
lcht ae, Äonen worden.
Nun bemerkte er Doktor Specht,
der in der Nahe der Thür stehen ge
blieben war.
.Ab. outen Abend. Herr Doktor
Schöne Bescherung daö! Kennen Sie
apn i EinzelheitenZ'
Der Polizeiarzt vernnnte.
.Um kurz zu sein: Gegen neun
Uhr patrouillirt der Wachmann
Stolzengruber am Fenster vorbei und
i f'r . f ' f.. (rn
liegt zurauig mnein. xjn mana,
iitr vfct todt ist. fifet an diesem Tisch
Eine halbe Stunde später trifft ihn
verseldt Wachmann in erregtem &t
spräche mit einem eleganten Herrn in
seinem Stadtvelz. Und um drei-
viertel zehn hört die QuartierSfrau
einen dumpfen Fall. Sie fährt aus
dem Halbschlummer ans. glaubt, ein
Lechzen zu vernehmen und weckt ilj
ren Mann. . Der klopft an die Thür
des Zimmerherrn. Da keine Ant
wort erfolgt, tritt er ein. Kalte
Luft schlägt ihm entgegen. Im Zim
rn ist S finster. Im schwachen
Licht. - daS von der Straßenlaterne
hereinfällt, lieyt er innen Zjlmmer
Uxtn auf dem Boden.. In der Mei
nunz, ihn habe ein Unwohlsein 6e
fallen, will er ryn zum zen nagen
?kedt erst bemerkt er. daß er eine Lei.
che ftsthält. Nun schlägt er Lärm,
macht Licht, findet diesen Revolver
Czixn der Leiche, schickt sein Weib zur
Eolüet und d konftnrt einen Mord.
Der Mörder ist vermuthlich durch je
nes Fenster, das offen stand, ent-
wischt."
Der Polizeirath wies auf ein Fen
ster, das in einen Garten mündete.
.So, jetzt sind Sie orientirt. Nun,
dorwärts! Also: der Adolf Strebinger
ist nicht ml diesem Revolver erschos
sen worden. Da müssen wir schon
weiter forschen. ' Was sagen Sie.
Herr Pollzeiarzt?
.Ich pflichte Ihnen bei. Die Ku
el muß ganz kleinkalibrig gewesen
sein. Sie drang in die linke Schlä
fe in und trat der der rechten aus.'
.Also, wo ist die Kugel?"
Prüfend schritten die Polizeibeam
len die Wände ab. r ,
Hier!" rief Doktvr Specht und
zeigte aus et och im Bilderrahmen
.Sehr richtig!, Wenn aber die Ku.
eel hier einschlug, muß sie von dort
urzekommen sein.
Der Polizeirath deutete nach der
anderen fcene des Tisches. Einer
plötzlichen Eingebung folgend, trat
er knapp dor das Fenster hin.
.Dacht' ich mir's doch . . . Im
'Zimmer wurde überhaupt nicht ge
flössen. Der Schuß kam von der
Ctraße. Da sehen Sie daö Loch
in der Scheibe."
In der Scheibe war ein kleines
sichtbar, zweifellos der Durch
s.!öq eineS EkschoM.
.Jetzt ist es mir auch klar, daß mag
' ; aus nicht schieße gehört."
..,; weitere Aufnahme des Pro
"1 tzi'Jb noch ein, interessantes
: Ermordeten . fand man
vta Nickelmunzen, einige
von August Weißt. '
geschäftlich Korrespondenzen, et
Nummer der städtischen Nachrichten
vom 12. Januar und ein abgerissenes
Stuck Papier.
Der Pslizeirath betrachtete eS auf
merksam und warf inen überraschten
Blick auf Doktor Specht.
Auf der einen Seite deS Blattes
war die Erinnerung notirt: .Morgen
um halb neun Uhr 23, 5, 2, 27, 70,
17. 32. 11 anru en."
Die Ziffern stellten vermuthlich eine
Chiffrefchrift dar, deren Auflosung
irgendeinen wichtigen Anhaltspunk
bringen mußte.
Auf der anderen Seite stand mi
Tinte folgendes: .... wirklich ent
zückt von Ihrer Eigenart, sehne ich
mich. Ihre persönliche Bekannt chas
zu machen und hoffe, daß Sie mir
nun bald Gelegenbelt geben weroen
diese schriftliche Konversation münd.
lich fortzusetzen. Es empfiehlt sich
Ihnen ,n erzebener Verehrung
Doktor Leo Specht."
.Was ? Leo Specht? Doktor.
da ist Ihre Unterschrift?"
Der Polizeiraih hielt dem Kom
missar das Schreiben hin.
Der Kommissar glaubte seinen Au
oen nickt trauen zu dürfen. Aber
es war kein Zweifel möglich. DaS
Vavler war einer seiner Brieie an
den geheimnißvollen Domino, der ihn
vor einer Stunde erst auf dieses HauS
aufmerksam gemacht hatte.
Was hatte jene vornehme Dame
mit diesem Arbeiter zu thun? Wie
kam einer ihrer Privatbriefe in die
Tasche des Ermordeten?
Der Kommissar zuckte mit den
Achseln und sagte:
.Ja. ich muß zugeben, es ist ein
Theil eines Briefes, den ich dor vier
Tagen abgeschickt habe.
.An wen?"
.An eine Dame, Herr Polizeirath,
die ich heute abend gesprochen habe,
aber von Angesicht zu Angesicht nicht
kenne. Es ist mir unerklärlich, wie
der Brief in die Tasche dieses Man
nes kommt. Zur Orientirung bitte
ich S. Herr Polizei7c.th, einen Au
genblick mit mir auf den Gang zu
kommen.
Doktor Svecht erzählte dem Poli
zeirath rasch, was sich auf der Redoute
zugetragen, und schlon:
.Nach der ganzen Art jener Frau
kann ich nicht begreisen, wie sie mit
diesem Manne, der zweifellos den un
teren Vplksschichten angehört, in Ber-
bindung gestanden fein kann.
.Dafür wird sich wohl eine Erklä-
rung finden. Festzuhalten sind zwei
Momente. Erstens: Der Domino
lenkte Ihre Aufmerksamkeit kluf die
ses Haus mit einem Hinweis auf die
Spionaqeaffare; zweitens 1 1 oer ge-
futVwne Brief ein Beweis, daß Be
Ziehungen zwischen den beiden Perfo
nen bestanden haben. Tiefe An
Haltspunkte werden sich für uns noch
als sehr werthvoll erweisen, denn der
Mann da drinnen schauen Sie
sich ihn einmal genau an macht
auf mich einen ganz merkwürdigen
Eindruck. Und dann der elegante
Herr, mit dem er gesehen wurde und
der so spurlos verschwunden ist? Na,
wir werden ja sehen. Wir sprechen
noch darüber. Jetzt müssen wir hier
fertig werden." -
Der Polizeirath schickte nach dem
Quartiergeber.
Herr Muller, ein Tifchlermeister,
trat ängstlich vor den Polizeirath.
Sie. Herr Muller. als Sie ins
Zimmer kamen, war'S da licht oder
finster?"
Finster, bitte, Herr kaiserlicher
Rath. Aber die Lampen hat noch
g'raucht."
Wissen Sie das bestimmt?"
Freilich. Man hat's ja g'rochen
und ich hab' ganz deutlich den Docht
in bißl glimmen g'sehen. Wie ich
spater bxt Lampen anzund't hab' war
der Cylinder noch warm."
Seit wann hatte denn der Stre-
binger bei Ihnen gewohnt?"
.Da muh ich erst im Meldezettel
nachschauen."
Müller suchte den Zettel hervor.
.Am 5. ist er eingezogen."
.Wann war der Diebstahl bei
Holmhorst?" fragte der , Polizeirath
leise den Kommissar.
Am 4. abends.
Der Polizeirath nickte.
Woher kam der Strebinger?"
.Er war zugereist, hat er g'sagt
.So . . . Bezüglich der Lampe er-
innern Sie sich genau? Der Docht
war also nicht heruntergeschraubt?"
.Nein, bestimmt nicht:
Es ist gut. Sie können gehen!"
Müller verließ das Zimmer.
.Daraus folgt, meine Herren." sag
der Polizeiraih. .daß nach dem
Morde noch jemand im Zimmer ge
wesen sein muß." Es ist ausgefchlof-
en. daß Adolf Strebinger vor seiner
Ermordung die Lampe selbst ausze
ucht hat.- Der Kops muß scharf
beleuchtet gewesen sein, als von der
Straße aus geschossen wurde. Je-
ner Mann, der Zeuge des Mordes
- i l . . . I
maz, oai oie ampe ausgeoiaien.
Vardon.". wandte der Cbek . 'des
Vgenteninstituts Georg Schulz ein.
ist es nicht möglich, daß der Luft,
m beim Oeffnen bei Fenster feit
Lampe ausgelöscht hat?"
.Tann mußte er wohl auch sonstwo
Unordnung angestiftet haben. Uebri
gens glaube ich, daß der Fremde gu
ten Grund hatte. Finsterniß zu der
breiten, he er seinen Weg durch jenes
Fenster nahm. Vielleicht war er in
Komplice des Mördels. Auffällig
ist jedenfalls, daß er aus dem Fen
ster sprang, anstatt Lärm zu schlagen.
Herr Doktor, bitte, verfolgen Sie die
se Spur weiter. (5s handelt sich um
einen eleganten blonden Herrn, mit
Stadtvelz und Monokel, den der
Wachmann Stolzengruber hier im
Zimmer gesehen hat. Er muß Zeu
ge deS Mordes gewesen sein und ent
floh aller Wahrscheinlichkeit nach durch
jenes Fenster. Tort wäre also die
Spur aufzunehmen,
j
Doktor Specht untersuchte zunächst
das Fenster. Er konnte nichts Auf
fälliges entdecken. Tann öffnete er
es und leuchtete hinab. Die Spu
ren des Aufsprunges waren deutlich
sichtbar.
.Doktor Specht wink einen Deiek
iv herb und begab sich in den Gar
ttn. ' Vom Fenster liefen die Spuren di
rNt zum anderen Ende des Gartens.
Das Eangbild zeigte di charakter!
stischen Merkmale eines Mannes im
raschen Laufen. Sowohl das Wer
hältniß des Balleneindrucks zur Tiefe
des FersenbildeS, als auch die Schritt
weite von 135 Centimetern bewiesen
ganz deutlich, daß es dem Unbekann
ten aan, wältig darum zu thun
gewesen sein mußte, möglichst rasch
auS dem Hause zu kommen.
' Doktor Specht schickte den Agenten
zum Ouartiergeber mit dem Auf
trage. Leim kochen zu lassen, da er
inen Abguß des Fußbildes herstellen
wollte.
Inzwischen ging er nochmals lang
sam die Strecke ab. All Spuren
zeigten den Abdruck eines schmalen
kleinen SchuheS mit dünnen Sohlen
und niedrigen Absätzen. Der paßte
ja zu dem Bilde, das der Wachmann
Stolzengruber von dem eleganten
blonden Fremden gegeben, den er im
Gespräche mit Strebinger gesehen.
Doktor Specht suchte nun die Stel
l auf. an der der Flüchtling den
Zaun überklettert hatte und prüfte
das fchneebehangene Geäst sorgfältig.
Endlich stieg er selbst hinüber und
studirte auf dem schmalen Fußwege
die Fortsetzung der Spuren.
Sie ließen sich um das Haus her
um bis zum Seitengäßchen verfolgen.
Von dort liefen sie nicht rechts, der
Grillhoferstraße zu. sondern ,n vie
entgegengesetzte Richtung gegen die
Slldinggaffe. die aus oenVur! mun-
det.
Ecke der Silbinggaffe befand sich
ein kleiner Kaffeeschank. Das Lokal
mußte nicht besonders gut besucht sein,
denn an der Thür stand die Kell
nerin und blickte gelangweilt auf die
Straße hinaus.
Als sie den Kommissar, die Laterne
in der Hand, des Weges kommen sah.
trat sie neugierig auf die Straße
und sprach ihn an.
Haben S was verloren!
Freilich, sonst möcht' ich ja nicht
suchen."
.IS a Geld oder a Brief? Wann'S
a Brief ist der Feuerbursch, der
Franzl. hat' vorhin an g'funden. IS
dielleicht der?"
Doktor Specht gnsf nach dem os
fenen Brief, dessen Adresse er sofort
erkannte. Im Couvert stak die zweite
Seite seines Briefes an den gebcrm
nißvollen Domino, die Ergänzung
des abgerissenen Theiles, den man
bei dem Ermordeten gefunden hatte.
.?la. der Brief gehört mir. Da
haben S' ein kleines Trinkgeld!"
Er gab dem Madchen einen GUloen
und fragte dann:
Kann ich den Franzl sprechend
?!a. freili. kommen S' nur eina!"
Das Mädchen. , froh, einen so frei
gebigen Gast gewonnen zu haben, stieß
die Thür des Lokals auf.
Schwere, dicke, rauchig Lust schlug
dem Kommissar entgegen.
Ein paar verdächtige Gestalten
saßen in der Ecke um einen Tisch her
um und blickten scheu auf. als Doktor
Specht eintrat. Die übrigen Tische
waren unbesetzt.
Heut hast aber lauter seine Gast ,
grölte in tiefem Baß ewr derSchwer
betrunkenen dem Wirth zu. War
ten Sö vielleicht auch auf so an
Otermobil?"
Der Kommissär stutzte.
Halt's Maul!" schrie der Wirth.
Was red'st denn für blöde Sachen
daher in Dein' Schwammer." ,
Der Besoffene fuhr wuthend aus,
indem er ein Glas erhob:
.Wer hat en Schwammer? Viel
eicht Du verstanden? I net. I
waß, mit wem i red. Der Herr is
a kaner von der Polizei.
Sei stad, Poldl, mengte sich m
anderer ins Gespräch.
Doktor Specht ging in den Hinter
gründ der Schenke und bestellte eine
Kleinigkeit, währenddessen daS Mäd
chen den Franzl herbeiholte.
Wann haben Sie den Brief gefun
den?" fragte er.
Um a neun war's. I bin grad
ins G'schäst ngen. In der Sil
binggassen !i er g'legen."
- (Fortsetzung folgt.)
Lehrer: .Weiß einer von
euch, was Seetang ist? He, Frh!"
Fritz: .Am 2. September ist Seda
gle Manovernessel.
Von K. v. Linz.
Hauptmann Giesebrecht nahm de
Quartiermacher der zweiten Kom
panie des 37. Pionierregiments ein
wenig in den Schatten einer Pappel
und redete auf ihn ein: ,'iiien isie.
nach Schützenhoff möchte ich diesmal
nicht gern ins Quartier. Deichseln
Sie daS mal..."
Der junge Unteroffizier verlor
leine stramme Haltung keinen Au
genblick. Aber in seinem offenen
Gesicht stritten Staunen und Verle
genheit miteinander.
.Fzerr iiauvtmann bättcn's da
aber aroßartia. Die Küche ist be
rühmt... Sonst käme nur noch daS
kleine Waldhau in Frage. Wollen
Herr Hauptmann das? Ich habe
mal vor fünf Jahren da gelegen..
Die .tote Krähe" fließt h.irt vorbei.'
Ter Hauptmann hielt sich erschüt
tert das Riechoraan zu.
.Nee. wissen Sie... dann doch
noch lieber Schllkenboff. Ten Ge
stank von dem elenden Gewässer hält
,a kein vernünftiger Mensch aus.
So kam also der Haupt-
mann Giesebrecht doch wieder zu dem
Oekonomierat Tautwitz ins Quar
tier.
Ter alte Herr freute sich offen
sicktlick des Wiedersehens.
.Vor drei Jahren hatte ich schon
mal die Ehre", sagte er gutgelaunt.
.Damals waren Sie aber noch
jber. .. und hatten irgend etwa
mit meiner kleinen kratzbürstigen
Tilde vor. waS ich doch richtig bis
auf den heutigen Tag nicht heraus
gebracht habe."
Geht eS dem gnädigen Fräulein
gut?" fragte der Hauptmann ablcn
kend. Sie ist ein bißchen stachlig und
scheu geblieben. Die Mutter fehlt
ihr. wissen Sie. .
Der Hauptmann seufzte, ohne ein:
passende Antwort zu finden. Und
der Oekonomierat fuhr fort: Kaum
zu glauben, was sie hier in der Ge
gend für einen Spitznamen hat."
" Giesebrecht tat. als studiere er mit
großem Eifer die schiefbeinigcn Ja
ger und langgereckten Hunde auf der
schadhaften Tapete des Herrenzim
mers.
.Für junge Damen ist sehr leicht
irgend ein Schmeichelname gcfu.i
den", meinte er dann hastig.
.Da irren Sie sich gewaltig, be
ster Hauptmann", lachte jetzt Herr
Tautwitz... .Irgend ein Schand
maul hat sie die .Manövernessel" ge
heißen, weil sie sich zu diesen Zeiten
nicht gerade von "ihrer liebenswllr
digstcn Seite zeigte." Ueber daS
frische Gesicht des HauptmannS fuhr
das Rot der Verlegenheit. Sollte
er die Gelegenheit beim Schöpf er
greifen und reuig erklären, daß er
ihr im Kreise der Kameraden die
sen Namen gegeben, weil ihm da
mal vor drei Jahren das kleine
Malheur mit ihr passierte. . . Nee. . .
so dumm war er denn doch nicht!
Aber blitzschnell zog das G'fcheh
nis noch einmal an ihm vorbei.
Seine Kompanie war zwei Stunden
früher nach Schützenhoff eingerückt,
wie eigentlich berechnet war. Der
unerträglichen Hitze halber war ein
Abkürzungsweg genommen worden.
E'. war vor dem Park stehen geblie
ben und hatte ihn durchquert, weil
ihn der Schatten der Rüstern und
Edeltannen lockte. Dabei geriet er
auch in den Obstgarten, blieb unter
einem reich gesegneten Pflaumen
bäum stehen und weidete sich an dem
Anblick eines kaum den Kinderschu
hen entwachsenen Mädchens, das m:t
nackten Fußen, kurzem roten Rock
und schlichtem Kopftuch die runden,
appetitlichen Früchte einsammelte.
Er meinte, noch nie zuvor so etwas
Liebliches und Taufrisches wie die
kleine Hofdirn gesehen zu haben
Die zarten Wangen lachten ihm wie
Pfirsiche entgegen... und Pfirsiche
waren nun einmal von zeher seine
Lleblmgsfpeise gewesen.
...Sie sollte ihm aber diesmal
herzlich schlecht bekommen!
Wie eine Wildkatze war ihm die
Kleine ins Gesicht gesprungen. . '.
und drei Stunden spater wußte er
es, daß ihm nicht etwa eine der klei
nen übertrieben sittsamen Gutsarbei
terinnen alle Naschhaftigkeit ausge
trieben. .. sondern des alten Taut
witz einziges Töchterlein, das ihn
während des notwendigen Beisam
menseins einfach übersah.
Die beiden Tage in ihres VaterS
Hause waren ihm damals furchtbar
peinlich gewesen. Er versuchte mit
allen Mitteln ihre Verzeihung zu er
langen. Allein. . . sie würdigte ihn
keines Wortes und Blickes. So
war er denn, ohne ihre Ver
zeihung zu erlangen. geschie
den . . . und hatte gemeint, den
kleinen Vorfall sehr schnei wieder zu
vergessen. Seltsamerweise aber war
ihm das bisher nicht gelungen. Von
den jungen Dächsen hörte er zuwei
len, daß sie spröde und unnahbar
wie eine KaiserinWitwe sei und
dabei doch das reizendste Geschöpf
chen. das es überhaupt geben könne.
Das mußte er ihr bestätigen, als
er ihr jetzt beim Mittagsmahl gegen!
udersaß. Sie erschien ihm nech viel
sköner wie einst. z Mt keiner Miene
verriet sie das Erinnern an die un
angenehmen Ereignisse' der Bergan-
genheit. Nur als es der Zufall
wollte, daß sie beide einen Augenblick
aukin m dem hohen viaai zurua
blieben, wechselte sie aus auend v
Farbe. . . Hauptmann Giesebrech
wollte die günstigen Nugenblicke au
nützen und begann sofort ziemlich
überstürzt: .Gnädige Fräulein, ich
bitte edt nochmal aufrichtig zer
knirscht um Perdon... E lastet
wirklich auf mir... Wollen Sie mir
vergeben."
.Nur ein Wort" bettelte er.
ein kleines Zeichen, au dem ich
mir meinetwegen allem die Antmor
zurechtmachen kann. Diesmal gehe
ich nicht wieder ohne da fort.
Aber vorläufig , mußte er e doch
tun!
Ter Oekonomierat kam nämlich
mit dem Tabak herem, schob seinen
Arm unter den de Hauptmann und
sagte im Vorwärtsgehen: .Also
Sie werden morgen nacht eine Brücke
über die tote Krähe schlagen, .damit
die blutrünstige Sudparte, die sorg
lcse Nordpartei meuchlings überfal
len uns niedermetzeln kann.
Hauptmann Giesebrecht vergaß
vor Staunen über diese Wissenschaft
den Mund zu schließen.
.Woher in aller Welt wissen Sie
daö, verehrter Herr Oekonomierat?
.Eiqentl'ch ist da wieder eine
Art Geheimnis, aber na. Sie wer
den a wohl nichts ausplaudern. Er
zllenz. Ihr Leitender, ist ein Duz
freund von mir. . . Gestern beim
Sekt ist er so'n bißchen redselig ge
Wesen...
.Ja, morgen abend zehn Uhr
wird begonnen , sagte der Haupt
mann.
.Schade, daß ich bis spät abends
aus der Viehausstellunq ,n Tiersche
bad zu tun habe. Sonst hatte lch
Ihnen sicher was abgesehen.
.In Augenschein nehmen können
Sie unser Wunderwerk trotzdem
Vor sechs Uhr am nächsten Morgen
wird es nicht abgerissen...
DaS versprach der alte Tautwitz
denn auch mit dem größten Interesse,
Aber es sollte anders kommen.
Hauptmann Giesebrecht war be-
reits um neun ,Uhr an besagtem
Abend mit den Mannschaften zur
Stelle. Nur die Wagen mit dem
gesamten Material erwiesen sich als
unpünktlich.
Als um elf Uhr indes noch immer
keine Spur von ihnen zu sehen war,
geriet er ,n Schweiß. Wie ein Po
lizklhund lies er hin und her, bellte
alles an. was ihm in den Weg kam.
Mitternacht war nahe. Die Ver,
zweiflung stieg zur Wut.
Wenn m spätestens dreißig 2Ja
nuten nicht alles , zur Stelle war.
konnte der Bau nicht mehr ousge
führt werden. Die Brücke mußte ja
gerade unter dem Schutz der mond-
schemlosen Na ', gezimmert sein,
Die letzte halbe Stunde verstrich,
ohne daß . sich irgend etwas Bemer
kenswertes ereignet hatte.
Da sagte der Hauptmann Giese
brecht zu dem ältesten Leutnant sei-
ner Kompanie: .Laufen Sie doch
mal nach Schützenhoff ruber. Viel
leicht sind die verd Kerl
da. . ."
Aber auch hier war ihre Spur
nicht zu finden!
Nur die großen treuen Hunde auf
dem Gutshos schlugen so laut an.
daß Tilde Tautwitz endlich aus dem
Oberstock ihr Fenfterlcin öffnete und
herunterrief: .Was gibt's denn da?
So erfuhr auch sie von dem Un-
gmck.
Zehn Minuten später stand sie an-
gekleidet mit einem sehr entschlösse
nen Gesicht vor dem Leutnant und
redete eifrig auf ihn ein. Der nickte
ein paarmal mit dem Kopfe und
sagte voller Bewunderung :,Wahr
haftig, gnädiges Fräulein, eS ist das
einzige, was unL zu tun übrig
bleibt...
... Die blutrünstige Südpariei
kernte nun doch die sorglose Nord
Partei meuchlings niedermachen, ob-
schon die Wagen mit Seilen. Pfah
len, Balken, Rampen usw. anstatt an
der toten Krähe" an einem anderen
naheliegendei minder übelriechenden
Flüßchen, .die roten Rehe" benannt,
h:enen. ..
Tilde Tautwitz hatte nämlich ln
aLer Eile vorgeschlagen, an Stelle
der zur Unmöglichkeit gewordenen
drucke., sämtliche dörflichen und gut-
bczirkllchcn Feuerleitern und Back
tröge für einen Uebergang über die
schmale .tote Krähe zu benutzen...
Exzellenz waren von der Geistes-
gegenwart seines Häuptlings so be
friedigt, daß er über das sonderbare
Mißverständnis sogar lachen konnte
. . . und bei den Kameraden galt
Giesebrecht für einen zweiten Da
rius.
Mit dem Gesicht -eines Siegers
pflegte er in der Öffentlichkeit dar
über zu quittieren. . . nur im inti
men Kreise sagte er später zuweilen,
wenn die Rede darauf kam: .Ach.
wissen Sie. wäre damals die liebe.
kleme Manovernessel nicht gewesen,
müßte ich längst mit dem Zylinder
an der toten Krähe spazieren gehen."
uns wenn darauf ein Widerspruch
laut werden wollte,, stand er auf und
rief zuweilen in das Nebenzimmer
hinein .:TiIde, komm doch mal ein
wenig her und erzähle uns die Ge
schichte..."
Und Frau Tilde Giesebrecht gebo-ren-
Tautwitz tat ihm dann auch
regelmäßig : mit leisem Stolz den
Gefallen.
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Kostüm ans schwarz und wkirm Ratine
chivancndaimcn getragen, die sehr gut
Ivcmcm Broadclotb und schwarzem Tamt
eine der örtrenie in Tam"-,Nronen, die Saiittk.ilten, aus rrnew die Krone beitclit,
rdcckcn beinahe den TchmanendaunenBesatz deö NandcS, Ter separate Kragen
!urn schwarzem Tamt iit mit Iveikcm Tatin gefüttert und mit chwanendauiien
cbgcnäht. Tcr Envclope"-V!iift aus barmoiiiercndcm Material enthält eine
( 5kt,.. ;;:...... ...: i.
.uiiiyt ui ..uiu;i umij, i'iuciuuiiiii';iiM
2a$ erste große Manöver.
Ter erste Krieg im Frieden vor über
200 Jahren.
In diesen Tagen der großen Ma-
nover ist eine Erinnerung an den
Ursprung dieser Einrichtung, ohne
die wir uns ein modernes Heer kaum
denken können, von besonderem In-
esse. Im Jahre 1698 faßte man.
wie der Saulois erzählt, in Frank
reich den Beschluß, um die militari-
che Erziehung des zungen Herzogs
von Bourgogne zu vervollständigen,
einen Krieg im Frieden zu führen
und ein Bild der Belagerung von
Compigne darzustellen. Eine Ar
mee von 60.000 Mann, Infanterie
und Kavallerie, wurde unter dem
Oberbefehl des MarschaNs de Bouff-
ers aufgestellt. Das Lager wurde
auf dem Hügel aufgeschlagen, der die
Stadt Compigne beherrscht. Die
Truppen waren in zwei Tressen in
Schlachtordnung aufgestellt. . Auf,
beiden Flügeln in der ersten Reihe
hielt die Kavallerie, im Zentrum die
Infanterie. Auf dem rechten Flögel
befand sich die Reserve und auf bei
den Flügeln Läden und Kantinen. Im
Hintertreffen stand die Artillerte; bei
hr war daS Quartier des Königs.
Da in jener Zeit die Einrichtung
der Militärattache's noch unbekannt
war, wurden die Gesandten eingela
den, die sich natürlich beeilten, dem
Schauspiel beizuwohnen, das als
glänzend, blendend und zugleich er-
chreckend geschildert wurde. Die
Truppen führten eine Reihe militari-
eher Operationen und Bewegungen
auS. die Ludwig XIV. geradezu be
geisterten. Auch Mme. de Mainte
non wohnte in einer Sänfte dem
Manöver bei. Der Manöverplan
war die Belagerung von Compigne.
daS von M. de Crinan verteidigt
wurde. Nach der Belagerung nahm
der König die Revue über alle Trup
pen ab. Er war so entzückt von dem
großartigen militärischen Schauspiel
und dem glanzenden Verlauf des
Manövers, daß er jedem Hauptmann
ein Geschenk von 600 Livres und dem
Marschall de Bouffler da hübsche
Sümmchen von 10.000 LivreS bewil-
:gte.
Zur Altertumsforschung.
Die Grabuna des MinisierreNden-
. D. ftrbrn. Mar v. Ovvenbeim
auf dem Tell Halaf in Zentral Me
sopotamien bat auch in der iünasten
Zeit wieder bedeutende neue Ergebnisse
gebracht. Bor allem ist eine große
Toranlage herausgekommen, die zu
der äunern Burgmauer aekiörte und
durch die man aus dem Innern der
-taöt zu den aus dem Burghugel
befindlichen Gebäulichkeiten gelangte.
In fast gerader Linie ging durch die
feS äußere Tor eine breite Strake
auf den fchon früher freigelegten het
titifchen Königpalast zu und führte
durch daS von den gewaltigen
iteinblöcken mit den Skorvion-
menschen flankierte Nalastek auf
einer aufsteigenden Rampe in das
Innere des Cschiosses. An dieses au
ßere Tor schlon sick ein gleichfalls in
der Zeit herausgegraieneS gewaltige
LeZmzieaelmassiv 'an. das bock oben
em Backsteinvflaster trua. Dieses ae
hörte aller Voraussicht nach zu einem
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mit ben RcvcrS und Manschetten au
am packet darmoniercn. Tt JÖnf int
uili i?L'Ul'luunmiIC.
Aufnahme von Göttersymbolen wur'
den noch am Platze gefunden. Am
Fuße des Lehmziegelmassivs . wurde
eine große, wahrscheinlich fürstliche .
Gruftanlage aufgedeckt.
Inzwischen hat Frhr. v. Oppenheim
wahrend des Frühlings dieses Jahres
mit einem Teil, seiner Her
n von Tell , Halaf aus
eine Forschungsreise in die mei
scpotamische Wüstensteppe weit nach
dem Süden und Südosten ausgeführt
um die noch gänzlich unbekannten wei
tcrn Umgebungen der in dem Tell be--grabenen
alten hetiitischen Residenz zu;
untersuchen. Die Reise war sehr be'
schwerlich. Sie ging durch ganz was"
serarmes Land, das nur von Bedui-'
nenraubzllgen durchschnitten wird.'
Fast 14 Tage lang kam die Erpedi-
tion zu keiner wenn auch nur zeltmä-!
ßigen Niederlassung.' Zunächst wurdet
das Dschebl Abd el Asis Gebirge,
das sich jm Süden des Tell Halaf
don Westen nach Osten hinzieht und
das Frhr. v. Oppenheim als erster
Europäer im Jahre 1899 betreten
hatte, genau durchforscht. Dann wur-.
bc die im Süden des Dschebl Add el'
Asis bis zum Euphrat belegen Ebenem
im Zickzack auf alte Ruinenplätze wi"
tcrsucht und schließlich der Chabur
überschritten, worauf sich die Ezpedi
tion zu dem Dschebl Sindschar wand-,'
tc. Unterwegs wurden nicht nur eine
große Anzahl unbekannter RuinenhiiV
gel aus zweifellos hettitischer Zeit
sondern auch mehrere römische La'
gerplätze und einzelne zum Teil noch,'
vortrefflich erhaltene mittelalterliche
arabische Burgen festgestellt. Jetzt ist
diese , ganze Gegend unbewohnt und '
unbebaut. Jm Dschebl ; Sindschar
hatt Frhr. v. Oppenheim Gelegenheit,
mit den dort hausenden Jesiden, den
sogenannten Teufelsanbetern, welche
neben dem guten noch das böse Prin
zig als Gottheit verehren, in Verkehr
zu treten und manches Neue über ihre
Religion und Sitten zu erfahren.
Darauf wurde die Reise über Mosul
nach Kal'at Scherkat - Assur fortge
setzt, wo die Expedition mehrere Tage,
die Ausgrabungen der Deutschen Ori- '
ent Gesellschaft studierte. Alsdann
ging es zu der, in der mefopotamischen
Steppe gelegenen Ruinenstadt Hatra
aus der parthischen Kulturepoche und
dann auf das linke Tigrisufer, um die
andern assyrischen Königspaläste zu
besuchen: Nimrud, Balawat, Kujund
jük (Ninivi) usw.
Die Rückreife wurde von Mosul
aus durch die Wllstensteppe nach Ne--sibin
und über die gewaltige römi
sche Grenzfeste Dara sowie den Tell
Helif nach dem Tell Halaf ausge
führt. Der Tell Helif ist bekanntlich
der Endpunkt der westlichen mesopo- .
tamischen Teilstrecke der Bagdadbahn,
für die vor einigen Jahren bereits
die Konzession don der türkischen Re-
gierung erteilt wurde. Er ist nur ein'
ganz kleiner Ruinenhügel und hat
mit dem Tell Halaf. auf dem die
osten don leßterm. Frhr. v. Oppen,
heim stattfinden, nichts zu tun. Er
liegt etwa drei Tagereisen im Nord
osten von letzterm. Fehr. v. Oppen
heim hat auf seiner letzten Reise ir
Ergänzung seiner früheren Expeditio,
nen, 'die sämtlichen größeren Ruinenr
Plätze aus hettitischer und assyrische,
mien befinden, festgestellt und aufge
sucht.
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