Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 13, 1918, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-Matt des
staats -aneiger und Herold
Zus- Jus-i ist-. O sum-u «
pkrtcisigkgantmauu
Von Julius Deutsch.
Inm- Ineiek e- ser —- Fuchse-?
chiift .en grat« —- idren Reifenden in
e Lande l isten, damit er in wie-i
mender Wei e den Kunden Wollen
ftaffe und Flanell offerierg so rii
M eine ziemlich reizt und auch paei
fielofe Angelegenheit. Kein Schine
Irer von Nomantit umstrahlt die
wahlgeschniegelte nnd gediigelte Ge
stalt des redegetoandten Derar, der
auszieht, ini Namen und für die
sechnuns von Meter ef- Levn. um
die Lande zu erobern.
Welche Gefahren drohen denn auch
dem reifenden Bannertriiger des gut
attreditierten Tuchgefchiiftei. wenn er
draußen »auf der Tour« seiner würdi
gen Ehefs Interessen in wohtstilisieri
ter Begeifterung verfichti Er rollt im
Eifenbahnwagen —- der schließlich
selbst bei der österreichischen Sübbadn
« noch lamfortadler ift als ein alter
Postwagen unseligen Angedenlens —
und gedenkt voll Jngrimms der Wur
zerei in den Hotels, oder er bliat za
gend in die Zukunft, die ein Donner
wetter eines unzufriedenen Kunden er
warten läßt, over ihm bangt vor dein
nächsten Briefe feiner Firma, der, wie
gewöhnlich, ein unstiimes Drangen nach
mehr Aufttiigen enthält. Das alles
sind Dinge, die dem reisenden Kaus
inann von heute in vollendetster Uner
auiettichleit erblichen, aber schließlich
Gefahren, so rechte, richtige Gefahren,
sind es halt nicht. Und wer sich nicht
in Gefahr begibt, den tann auch nie
die Gloriole der Ramantil umgeben
Also ist heute das Reifendengefchäft
ein fedr unremakitifched, recht pro
saisckz - reizlases Geschäft geworden.
A er früher, fa var hundert Jah
ren, da war eE anders. Damals war
der Kaufmann, der durch die fernen
Lande zag,einiei;r wehrh.1fter Gefell.
Sein friedliches Geschäft hatte mit
unter einen ganz triegerischen Beige
schmack.
Ich aber bin ein Handelsmann
dab man-betten Wahr bei mir stan«
Wurd, Mias, Thuch, Wolln un Ein-by
Sammet, Seiden, onig und Wachs.
Und ander Wah. ie ungenannt,
eDie führ ich enn nnd an dem Land,
Mit großer sorn und gehrlidktejh
Wann mich quet, osfr das uns-net reit.
Der Kaufmann des sriihen Mittel
alters mußte in der Regel selbst rei
en, er hatte noch teine Angestellten.
ie die Mühseligteiten und Gefahren
einer Reise sür ihn hätten übernehmen
können. So zog er selbst aus« schon
in feinem Aeußern bekundend, daß
ihn «sorg und gsehrliehteit« nicht tx
schretien vermögen. Sein Reisetleid
war grob und dauerhaft, aus festem
Leder die roten Schuhe. Den Rock
hielt ein starter Gurt zufammen, an
dem die Geidtnsche hing und ein tan
ges Messer. Es fehlte aber auch nicht
das ritterliche Schwert. Dieses zu
tragen war ihnen in Deutschland
schon von Friedrich l. gestattet wor
den. Jn der Regel trugen sie es um
giirtet wie die Ritter, seltener hing
das Schwert am Sattel des Last
pferdet, das den Kaufmann begleitete
Denken wir uns zu dieser Austiistung
noch den Sehnt-, die die Kaufleute
ebenfalls zu führen gewohnt waren,
dann haben wir das ungefähr Bild
eines reisigen Kaufmannes, wie es
dte damalian Straßen betet-te
Der Kaufmann brauchte feine trie
gerifche Ausrüftung nur zu oft. Jhn
rumdriuten mannigfache ernjte Gefah
ren. Die Straf-en wnren vielfach von
wüften Wegelagerern beherrfcht. Die
Ritter ftiirmten von ihren Burgen
herab, den Kaufmann anzuhalten und
ihm zu rauben, ums man fortschleppen
ionnte. Aus dem Hinterbali der Wäl
der brachen tückifcbe Räuber hervor,
bie wohl unadelig waren, aber zu rau
ben und morden verfinnden wie die
Adeligen, und die Landftrnfzen nicht
minder unsicher machten als diefe. Da
hie es wohl auf der hut fein und
S ild und Schwert bereiizuhaltem
Die Kaufleute sonsten ni t mehr
einzeln zu reifen· Sie fchlojfen fich
zu großen Karnwunen zu ammen.
Aber auch vie Kncawonen waren vor
Ueberföllen nicht gefeil. Um all dem
zu entgehen, pflegten die Kaufleute
«Geieitfä;uß« anzunehmen. Sie fchlof
fen mit dem Territotialyerrm durch
dessen Gebiet fee zogen, einen Vertrag,
daß fie unter dem sicheren Geleite ei
nee Schar Bewaffneter das Gebiet
Mist-tm ionntetn .
ei Geleite toftete die staufleuie
kit- «I:ei Stimmchen Geld. Sie
m es aber data-neben wollten
Uns-l i Gut und auch ibre gefun
n , elstietem »denn webe,
tvemt ch Mitw, den vorforgs
liche- ui des fes-eben Ritters oder
de Munva Purstttw
m sen un
der Kauflegte im Ingenilis ein wil
der Raudrittersnianm der stahl nnd
Minder-te tote irgend einer. Das Ge
leite war so recht eigentlich ein et
presferischee WegzolL Läßt du dich
von mir nichtdeschiihsm dann gnade
dir Gottl
Gehen iotr einmal ini Geiste einen
Tag im Leben der Kaufmann-stam
ivane durch.
Nin stiihen Morgen wird von der
herbei-ge auf edrochen. Die Knechte
schieden die gen hervor, sponnen
untet Schimpfen und Scheiten die
Pferde ein, packen aus« was noch an
Weggehknng slst Mensch nnd Tier
mitzunehmen i ; endlich geht es dann;
los. An der pine des Zuges reiten«
begleitet von einer Schar ioohlbenyasss
neter Diener, die Kausheereir. Jni
einer langen Reihe folgen die schwer-.
depaclten Fuhrwetlr. Den Schluß;
bildet wieder eine Unzahl Kaufleute?
mit Beweisfnetem
So geht es dahin mit hii nnd hott,
mit großem Lärmen nnd ltästigeim
Fluchen. Bald bäumt sich ein bott-;
beiniges Pferd und iit trotz allem Zu
reden nicht von der Stelle zu bringen.
Da wüten die Knechte, es knallen die
Peitschen, bis der eigensinnige Wider
stand des Tieres gebrochen ist« Doch
bald stockt es wieder. Ein Waren
lnllen ist von einem der Wagen ge
stürzt. Die Knechte eilen herzu und
heben und fiemmen, nm die Bepnctung
wieder in Ordnung zu bringen. Die
iianflente werten zornig, ne eilen her
bei nnd schelten die, denen sie die
Schuld an dem neuerlichen Aufenthalt
beimessen.
Nun geht es aus schlechten Wegen
durch feuchten Grund. Schlammige
Pfützen, rieselnde Bäche werden ge-»
lreuzt. Die Pserde damper unter
der schweren Last. Ein Wagen bleibt
stecken. Wieder das alte Spiel lä-: j
menden Otdnurigsrnachetrs. i
Ernster ist der UngliirtssalL wenni
einer der schwer bepadten Wagen um
tippt oder wenn ein Wagens-ad bricht.!
Dann dauert es Stunden, bis deri
Zug wieder weiterziehen kann
Gegen Mittag zu macht man Rast.
Die Wagen bleiben aus offenem Feldei
stehen«-in ihre-n Schatten lauern srchi
die Männer, urn einen kleinen Im
diß zu sich zu nehmen. Sind dann
auch die Pferde gesiitterl und aus
geruht« seht sich schwerfällig die Kara-.
walte wieder in Bewegung. i
Wenig. Leuten begegnet man anf
der Landstraße. Da und dort einein
Bauersmanrn den seine Geschäfte über
Land silbern, einein wanderndenk
handwertsbsrschem der stöhlich seinerl
Wege zieht, oder »fabrenden Leuten«,!
Komödiantem Schnurrenmachern und
Schwarzliinstlerm wohl ab und zu
auch einem Krämer, der feine habe
aus dem Rücken, neidischen Blickes
dem reichen Kaufmann-sage folgt.
Mit einern Male taucht eine Staub
wolle dor den Blicken der an der
Spitze Reitenden auf. Die Sonne
blitzt gleisnerisch auf hellsuntelnde Ge
genstände; der Troß kommt näher
man vermag schon deutlich das Ge
llirr von Waffen zu hören. Die Kauf
herren wechseln besorgte Blicke, sie ge
bieten idrem Zuge halt und greifen
zu den Schwertern. T
An der Spitze der Bewiisineten
sprengt ein Ritter mit geschlossenen
Visier daher. Nun hält er. Laut und!
vernehmlich klingt seine Stimme iiber4
das Feld:
Ob die würdigen Herren — nsts
Bamber? oder Fürth aus Augsburg
oder Um, oder woher sie kommen
mögen — ihm, dem edlen Herrn von
Soundso, wollten geziemende Abgabe
teisteni
Der älteste der Kausherrn wechselt
einen Blick des Einverständnisseö mit
seinen Genossen und erwidert hier
aus dem Ritter, daß ihm von einer
Abgabepsticht nichts bekannt sei, daß
er und seine Freunde aber wohl ein
übriges tun würden, so ihnen der
edle herr ein sicheres Geleite gäbe.
Nach einigem Ieilschen hat mnn sich
sgeeinigt Friedlich tann die Kora
lwane am Abend in ihre herberge ein
iziehen . «
J Manchm.il geht es aber schlimmer
taus. Die kleinen Adeligen, die nicht
jso leicht hossen diirsen, als Geleite
langenommen zu werden, die aber nicht
minder geldgierig sind als die gro en.
Hiibersalien an einer geeigneten S elle
den Kausrnannszug Jm dunklen
’Walde, aus einem schtuchtartigen We
e oder an der Furt eines Flusses er·
cheinen sie plöhlich wie aus dem Bo
n gestampst und greifen an. Jn
das Gewieher und Stampsen deri
Pserde mischen sich nun grelle Kom
mandoruse, das Mirren der Schwer
»ter, das Splittern der Lanzen, das
jKrnchen der Aexte. synzwischen wim
mert das Stshnen per-« Verwundeten
ttnd das Rechten der Sterbenden.».
s We den Kansteutem die in diesem
Hain e unterliegent Sie verlieren
»das st, dos sie rnit si siihren. Oe
seaten Le- in Gesungen chnst, dann
s
sinitsen Angehörigen noch ein er
tleckltches Löfeqeld zahlen, vorausse
eht, die Räuber ziehen es nicht vor,
e gleich niedersusioßen oder im
urmderltes elendiglich verfchrnachten
zu lassen. s
Ein ehrlicher, gründlicher Da
trennte die Kaufleute und Ritter. Ge
lang es den Bürgern, einen adeligen
Strahnräuber zu fangen, dann wan
derte er unwetgerlich an den Galgen.
Das toar die ausgleichende Gerechtig
leit.
Die Udeligen betrachteten es als ihr
Fridileg die Kaufleute auf den Stra
en zu brandfchahen Ja sie konnten
wütend werden, wenn ihnen das un
adeli e Straßenräubergesindel eine
ernfi fte Konkurrenz machte. han
Sachs, der groer deutsche Volks-Fort
des fechsehnten Jahrhundert-, erzählt
da einen allerliebsien Schwant, der
trefflich diese Gefühle des frommen
Adel-i charakterisiert:
Zu Frankfurt am Main ward eines
Tages hoZnotpeinlichetl halsgericht
gehalten. um Galgen führte man
einen jungen Reitetsmann, der auf
den Straßen Kaufleute überfallen und
beraubt hatte. Der junge Räuber
war von angenehmer Gestalt und fei
nem, höflichern Auftreten. Jn der
Stadt waren gerade viele Adelige an
wesend, die untereinander einen« Ver
trag schließen wollten. Als vor dem
Wirtshause, in dem sie zusammenge
lommen waren, der Delinqueni spor
iibergefiihrt wurde, da packte sie ein
großes Mitleid. Sie lyielten den
Räuber für ihresgleichen, und wohl
mancher von ihnen fah sich fchon im
Geifte gleich ihm zum Galgen mar
fchieren.
Da hielten sie schnell Rat und gin
gen dann zur Obrigkeit der Stadt,
um demütig Gnade zu erflehen fiir
den Jungen. Nicht ehrlos arn Galgen
sollte er sterben, sondern durch das
ritterliche Schwert.
Der hohe Rat war den Bitten der
Adeligen nicht abgeneigt. Ja er tat
noch ein iibriges, fchentte dem Räuber
fogar das Leben und verurteilte ihn
nur zur Verbannung. Gleichzeitig
teilte er aber den Adeligen mit, daß
der junge Räuber felbft nicht adelig
fei. Da packte die edlen Herren ein
groß’ Entsetzen
Wie? hat geraubt-i dieser Nin
Tie Nanileut schon eins dem Epeiiart
lind er iit doch nicht edler art
Tas hal- loir nicht geluuszt vorhin
Terhalb nur ehlents nnt ihm fln
llnd last Bin nur sein Kopf ab ihn-gen
Welt der avrentnecht in den tagen
Sich mit Nnnb anss dem Spessart nähen,
Welches doch nur rissteht mit ehrn
Dem frommen Adel alter mass-ni. . . .
Der «srommen Adel· aller mnssen"
wurde gar wild, so ihm ein anderer
ins handwerl psu chte. Rauben und
Stehlen war sein Privileg, nnd als
eine tränkende Beleidigung wurde es
empfunden, wenn ein ganz gewöhnli
cher Bauernsohn sich eriiihnte, dem ed
len Ritter gleich zu rauben nnd zu
stehlen. Nur hin mit ihm zum Gal
gen.... Brandschahem das ist alle
zeit die Sache der Mächtigen im Lan
de gewesen« Und, das war der from
men Herren edler Wunsch, so soll es
auch in Zutunst bleiben!
Hans Sachs zieht aus diesem
Schwanl die Lehre, wie gut et doch
die Kaufleute hätten, die ohne Sorge
vor Uebersall sriedli ihre Straßen
einherziehen könnten. Jn unserer
Zeit haben es die Kaufleute und ihre
Klassengenossem die gewerblichen Un
ternehmer, bereits seit langem so gut.
Nichts droht ihnen mehr von den
feudalen Räubern. Friedlich ziehen
sie dahin, den Sack voll Geld, das
herz voll satter ufriedenheit. Dasiir
sind-die Knpita isten selber zu einer
Art Brandschätzer geworden.
Jn alter Zeit mußte der Raus
rnann, bewehrt mit Schild und
Schwert, ausziehen, das Glück zu er
jagen. Mit dem Einsatz der ganzen
Persönlichkeit galt es, des Mannnons
Scheide zu erringen. Ach, wie anders
ist es da heute. Der Kapitalist setzt
nicht mehr seine Persönlichkeit ein,
sondern die der anderen, die er utn
bares Geld getauft hat. Auch das
Reisegeschiist, um so vieles es doch
bequemer geworden ist, besorgen Ange
stellte. Der Reisende reist, der here
verdient. So merlt man auch am
Unterschied zwischen dem reisigen und
dein reisenden Kaufmann den Wnn
del Zeiten.
W
— Nichts tiir ihn. Herr-:
»Dein ist ein großes populäres
Konzert in der Tonhallcx wollen wir
mal dort hingebe-up
Lebensann: »Ach —- musikalische
Voltdtiichck
—- Ste hat sich verlau
ten. »Warum honlft Dis denn to
iiinmicrlichc Mädel7«
«Oiilpiibul scabt Jhr nicht hier
lzerum meine Mutter ohne ein klei
nes Mädchen ges-heuc«
ffmj ffv v
Die Æhles ,
Dorfbild von Hemmnis Läus.
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Mitten im bunten Wiesenlande,
aber von allerlei Bäumen so verdeckt.
daß taum ihr Giebel In sehen ist,
liegt die Mühle.
Der Miiller heißt Kassen; seit
dreihundert Jahren stden die Kassen
Uf der Mühle. Soweit man zurück
drnten kann, haben die Kassenl alle
einen Elelnamen gehabt. Der Vater
des Müllers hieß Tjawohlja, denn
meist sagte er nichts anderes als
»Tjawohlja«.
Sein Sohn, der jetzt die Mühle
hat, spricht mehr. Zu Hause spricht
er nicht viel, aber in Gesellschaft ge
nug, meist aber lauter halbe Sätze.
Deswegen heißt er QuasseL
Den meisten Unsinn redet er,
wenn es sich um ein Geschäft han
dkeltz je wichtiger das Geschäft ist, um
s mehr Korn und Kasf redet er dann
Hercheinander. Er redet die Leute
sank nnd elend, und wer ihn zum
ersten Male hört, hält ihn für un
tlng, zutnal er hinter jedem halben
Satz wie albern lacht, alle Augen
blicke eine Prise nimmt und sich eine
Weile mächtig schneuzt.
»Gib mir"·einen Schnaps, Schim
melmann,« sagt der Viehhändler
Meyer-stritt und trocknet sich mit sei
nein roten Taschentuche die Stirn;
»ich bin ganz alle. Jch habe Quassel
eine Kuh abgetaust. Gott soll mich
strafen, wenn ich es wieder tue. Der
Mann redet einem die Stiebel von
den Füßen und das Hemd vom Leibe«
Einen Stuß redet der Mann, nicht zu
sagen, nnd hinterher- ist man der;
Tumme- Gib mir noch einen»
Schnitt-, Schimmelmann!« s
Unterressen siht der Müller vorj
der Türe, in der Hand die halblangeT
Pfeife. Die Rosen dufteu, dies
Nachtigall sschliigt im Ellernhnsch,
lie Forellen im Mühlenteiche geheni
stach Ahendftiegen anf, nnd Kassen!
ist zufrieden; er hat den Viehhäntni
irr matt und tniirde geredet und die
Kuh zu einem guten Preise losge
schlagen.
Er weiß, wie ihn die Leute nennen.
aber er lacht darüber. Der eine macht
sein Geschäft damit, daß er llug re
det, Rassen-redet dummes Zeug und
kommt dadurch ebenso weit. Wenn der
Lohörster Baron den Namen Kassen
hört, bekommt er einen roten Kops und
slucht in sich hinein. Als das Dorf
und der Baron Bruchland austauschs
ten, ließ sich der Vorsteher trank mel
den und der Müller mußte in das
Vordertresfen.
«Lieber Tesel,« sagte die Freisrau
zu ihrem Manne, »was hat der
Mann blos sür einen Heringssalat
zusammengeredet. So etwas habe
ich mein Lebtag noch nicht gehört. Jch
habe ja nur wenig gehört, aber das
war ungefähr so, als wenn eine
wilde Sau Eicheln sucht; hü und hott
durcheinander!«
Jhr Mann niclte mit dem Kapse:
»Ja, mein herze, er hat soviel Kraut
und Rüben durcheinander geredet, bis
mir selber dumm zumute wurde
Das Schlimme dabei ist nur« daß er
sich selber nicht dössrg quasselt. Das
ist ein Leimsieder. Er weiß ganz
genau, warum ich gerade die alte
Sauerwiese haben muß, die für ihn
gar teinen Zweck hat, aber ich habe
sie teuer bezahlen müssen. Ueber
haupt die Kassensx der Teufel«soll sie
lotweise holen!'«
Das hatte der alte Baron auch
schon gesagt, denn die Mühle hatte
ehedem zu Lohorst gehört und die
Rassen-Z waren nur Erbpüchter ge
wesen. Sie behaupteten zwar, ur
sprünglich wäre die Mühle ihr
Eigentum gewesen, was schon allein
daraus zu entnehmen wäre, daß aus
dem Torbalten der alten Mühle nicht
das steiherrliche Wappen, sondern die
Kassesche hausmarle eingehauen war,
und Tjaivohlja sagte, sein Vater habe
ihm heilig und teuer versichert, die
Lohtiifter herrschaft habe sich durch
Lug und Trug in Besitz der Mühle
gelebt.
Das half ihm aber alles nichts;
jedes Jahr am Jakobitage mußte et
nach Lohorst und die Pacht abliefern.
Zu Fuß mußte er kommen und bar
hänplig die Schloßlteppe hinauf
gehen, denn so war es in dem Ber
ttage bestimmt, und wenn auch der
Gutshect ihn auf der Treppe abfing
und ihn nötigte, sich zu bedecken, är
gern tat es ihn doch, daß er wie ein
hökiger Mann ankommen mußte
Etfagle aber nichts. denn geschrie
ben ist geschrieben. Er zählte die
Pnchlsumme in-Gold und den neuen
Groschen und den roten Pfennig, Ivie
es in der alten Schrift stand, hin,
aber das doppelte Butterdeot und
den großen Schrien-T der ihm file den
,
Weg zukom, nahm er nie an, sondern
sagte jedesmal nur: «Tjawohlja,Herr
Baron, aber ich habe schon gefriihs
stückt, tjatoohlja.« Wenn der Gutsherr
aber nachher am Gutskruge vorbei
kam, dann saß Rassen ein jedes Mal
vor einem frisch angeschnittenen
Schinlen vor der Türe und trank mit
dem Krilger eine Flasche Rotwein zu
zwei Talern.
Der alte Baron war kein beson
derer Landwirt und überließ die
Landwirtschaft ganz seinem Jnspel
tor, und was der ihm riet, das tat
er. Da nun der alte Kassen und der
Jntpeltor gut Freund waren, so tam
lei, daß der Müller das Wiesenland,
Idol bei der Mühle lag und das der
herrschaft gehörte, nach und nach
auslaufen konnte. Dann klagte er
darüber, daß er, seitdem die Land
straße gebaut wäre, einen so schlech
ten Zuweg zu der Mühle habe undj
»daß ihm der Weg das Land zu sehri
zerschneide und schließlich verkaufte
ihm der Baron den Weg, und Kassen
legte einen neuen Weg an, der durik
die Wiesen fiihrte. Und dann stat
er.
Er starb an einem eingequetsch
ten Brache, den er sich beim Schützen
ausziehen gehoben hatte-. Als er sich
legen mußte, weil er schreckliche
Schmerzen hatte, mußte sein Sohn
heimlich den Arzt holen lassen, und
der Alte war sehr unzufrieden dar
über, denn er hatte in seinem ganzen
Leben noch teinen Doltor nötig ge
habt. Der Doktor takti, untersuchte
den Bruch und sagte: »Ja, Kassen
vadder, das hilft nun nichts; Jhr
miißt in die Stadt nach der lilinit
Ausonsten werdet Jhr nicht wieder
gesund« Der Müller, der sich vor
Weh im Bette bog, fragte ihn:
»Tja1oohlja, Herr Doktor, aber kann
ich hinterher denn noch wieder Arbeit
tun?« Der Arzt schüttelte den stopf.
»Dann bleibe ich, wo ich din!« sagte
der Müller.
Kein Zureden hals. Der Pastor
lam, der «Vorsteher,tmn, die Baronin
kam, aber Kassen schüttelte nur den
Kops und sagte: »Als ein Krüppel
will ich nicht leben; ich mäßte mich ja
vor mir selber schämen, tjawohlja.«
Vier Wochen quälte er sich hin und
biß einen ganzen Lederriemen, den er
sich hatte geben lassen, in Stücke« weil
er nicht schreien wollte. Wenn nber
die Schmerzen von selber nachließen,
oder weil der Arzt ihm Morphium
eingesprin hatte, dann lachte er
manchmal hell auf und nickte seinem
Sohne lustig zu, und so traurig dem
zu Sinne war, er lächelte doch, denn
er wußte warum sein Vater so oft
auslachen mußte, und daß der das
nicht tat, weil er vor Krankheit al
bern geworden war, wie der Pastor
gemeint hatte, als er ihm Trost zu
sprach und Kassen mitten im Beten
loslachtr.
Er starb bei hellem Verstande mit
dem Lederriemen zwischen feinen
langen, gelben Zähnen; als er schon
halb hiniiber war, sah es ans, als ob
er noch lachen wollte, nnd als er toi
war, hatte er ein halbes Lachen nm
den Mund, so daß es im Dorfe hieß,
er würde einen ans der Familie nach
holen. Es war aber lein Lachen ans
baldiges Wiedersehen, das er nm die
Lippen hatte, lein feliges Lachen und
auch kein tiiaifches, es war das Grie
nen, das der Alte an sich hatte, wenn
er den Viehhändler angeschmiert hat
te. Ein Vierteljahr später wußte
man im Dorfe, warum er über
das Gebet gelacht hatte, und alles
lachte mit.
Nur der Baron lachte nicht, und
noch ein Jahr nachher schimpfte er
Mord nnd Brand, wenn von der
Mühle die Rede war, und nannte
alles was Kassen hieß, aus-gemachte
Halnnten und in der Wolle gefärbte
Leutebetrüger, bis das dem Müller
zu Ohren tamz da mußte der Baron
vor Gericht und sich mit ihm ver
gleichen, was ihm zehn Taler in
Gold, einen neuen Groschen und
einen roten Pfennig kostete, und nur
mit Rücksicht auf feine weißen Haare
stand der Müller davon ab, daß der
Gntsherr ihm das Geld selber in das
lhans bringen mußte. Hinterher
lachte der Freiherr zwar über die
ganze Geschichte, aber wenn er an
der Mühle vorbeifahren mußte, dann
drehte er den Kopf nach der anderen
Seite.
Berdenlen konnte man ihm das
anch nicht, denn der alte Rassen hatte
ihn schön hineingelegt. Als der
neue Müller dem Baron die Pacht
fumme brachte, tam er ganz gegen
den Gebrauch zweifpännig vorge
fahren, behielt den Hut auf der
Treppe auf und zahlte die Pacht
nicht in Gold, sondern in Silber,
legte auch feinen neuen, sondern
einen abgegriffenen Groschen und
einen Pfennig hin, der schwarz nnd
schwierig war. Darüber wurde der
Freiherr fal ch nnd sagte ihm, von
nun an mii e er eine höhere Pacht
-q-——sp »--, »A»
szahlenz alles sei teurer geworden,
und die Mühle bringe das Zehnfache
von dem ein, was früher damit ver
dient wäre.
,Tja, Herr Baron,« sagte Rassen
darauf, nahm eine Prise und
schneuzte si ausgiebig; »tja, here
Baron, das agen Sie wohl so. Aber
daß die Löhne teurer geworden sind
und dann das mit dem Pochwassers
schaden und überhaupt die vielen
Aergernisse, wo doch alle Zucht aus
den Leuten ist und tein Gottesglaus
ben, indem daß so ein Geselle all
tags Tobak taucht und die Dirns ich
wer weiß was auf den Leib sie en
und womöglich aus purer hoffart
jeden Sonntag ia die Kirche wol
len, und was meine Frau ist, die
lann das Melken machen, und dann
ist noch zu bedenken, was die Kas
sens aus der Mühle alles gemacht ha
ben, indem daß es früher doch mal
eine Klippmiihle war und nun eine
ordentliche Mühle mit Doppelbe
trieb, wozu die Herrschast nicht einen
roten Pfennig zu beiaetragen hat,
und deswegen sollte sich der Herr
Baron das doch erst noch überlegen
mit der Pachterhöhung denn was ich
bin, ich lann darauf nicht eingehen,
los-il es-« eine Unbilligkeit ist und eine
Härte-«
»Na, denn man zu," sagt der
Gutsherr; »dann sage ich Ihnen
hiermit auf Kassen; ich kriege wohl
noch einen anderen Pächter.«
Der Müller nahm eine Prise und
schneuzte sich: ,,Tja, Herr Baron,
tja, das ist wohl möglich, es gibt ja
Müllers genug, und die Mühle ist
gut, bloß daß ich meine, wenn der
neue Pächter lein Hexenmeiste: ist
oder sich daran versteht, mit einem
Luftballon zu fahren, denn so möchte
ich wohl wissen, wie er nach der
Mühle hintommen will?" Der Ba
ron zog die Augenbrauen hoch:
»Kassen, was reden Sie da? Wie
soll ich das verstehen?« Der Müller
machte sein diimmstes Gesicht: »Tia,
Herr Baron, das ist doch ganz ein
fach, wo Sie meinen Vater selig den
Weg verkauft haben, der uns so un
bequem war, und wir uns den Zu
weg durch unsere Wiesen gemacht ha
ben, indem daß nun alles Land rund
um die Mühle unser ist und kein an
derer Mcnsch ohne unsere Erlaubnis
nach der Mühle hinlommen iann an
derg als durch Zauberei oder mit ei
nem Luftballon, was doch zu umständ
lich ist und zu kostspielig-«
«Einen Augenblick,« sagte der Ba
ron, »ich habe etwas vergessen.« Er
ging zu dem Jnspettor und lilinmelte
den ganz furchtbar herunter wegen
des Vertauses des Wegen, und nach
her muszte der Kutscher anspannen
und sden großen Spiegel nach der
Stadt fahren, weil mitten darin ein
mächtiges Loch war, und eine Kri
jtallschale lag in tausend Scherben
aus der Erde, und als Kassen fort
war, dröhnte das ganze Schloß, so
sluchte der Freiherr, und der Jnspeb
tor ging herum wie ein Hund, der
de Stanpe im Leibe hat.
Als das Jahr sich wandte, larn
Kassen nicht wieder an und brachte
die Pacht; er hatte die Mühle von
dem Baron gekauft« und er hatte sie
billkg gelaust.
— Schlan. —- Eisenbahnschasss
net (znm Neisenden, der ihm ein gu
tes Trinkgeld gegeben hat): »Setzen
Sie sich nicht in den letzten Wagen,
mein Herr, wenn ein Zusanimenstoß
stattfinden leidet der Wagen am inei
Neisender: »Ja. warum lassen Sie
ihn denn nicht ganz wegli«
—- Jm Resultan Gast:
,,Kellner, der Fisch ist aber gar
nicht frisch!«
»Aber, ich bitte Sie, Inein- Herr,
er tonnnt doch ans dein Eis.«
Gast (iirgerlich): »Dann ist das
Eis eben nicht srischl«
—- tltealistisch. »Ist es wahr
daß in dem neuen, realistischen Stiick
dein Hanptdarsteller wirklich ein
Zahn gezogen wird?«
»Natürlich isw wahrt darum
mird ja das Stück bloß drei Mal
aufgesiihrt, weii er nur noch drei
Zähne hatt«
— Ariner Kerl. —- »Sie schei
nen unzufrieden, lieber Freund, nnd
sehen übernächtig aus! Was fehlt
Jhnen denn?«
»Ach, es ist hart, so schwer arbei
ten zn müssen; von früh sechs Uhr
bis abend-Z um sieben.««'
»Sie Aerinstert Wie lange tun
Sie denn das schon?«
,,»Jch fange morgen ant«
— Ahn nnd Onkel. Gras
Xheini hat in heißem Kampfe die
Abreise seiner Schwiegermutter
durchgeseht. Stolz tritt er in der
Alsnengalerie vor das Bild seines
Ahnherrn: «Siel)st Du. Ritter Sinne,
jetztt habe ich auch einen Drachen be
sieg .«