Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 25, 1918, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-blau du
StaatS Anzetger und WANT-—
Web-Dem
- —».-—-«-sp-«
Kunstgaka
Von Georg Basses-Palme.
Mein Gastgeber, der Gutsbesitzer
Fredn Feldberg, war gerade dabei,
mit mir einen Morgenspaziergang
einzutreten, als sein Diener mit allen
Zeichen der Bestiirzung meldete, daß
eben Herr von Sen-it angebracht
würde: als ein irn Duell so schwer
Verwundeter, das der Arzt die tleine
Strecke weiter nnch seinem eigenen
Hause sparen und ihn zunächst hier
behandeln wolle. Als wir aus der
Treppe standen, schwentte der Zug
schon in das Gut-tot ein. Ein Wald
orbeiler nnd der alte Letoitzsche Kut
scher trugen aus einer srischge immer
ten Bahre einen Mann mit londem
Pollbart und gelblicheni, unlebendis
gern Gesicht. Der junge Arzt schritt
nebenher.
.Die Treppe hinaus tragen nilr
tbn selber, Doltorl« sagte Iredy
Feldberg.
Mit zarter, unendlich vorsichtiger
Bewegung schob er seine Arme unter
Daupt nnd Mitten des Kranken,
während der Art den Untertörper
ebenso zu he n suchte.
Do schlug Lewi , der anscheinend
in tiesster Besongtlosigteit gelegen
hatte, plöglich die schweren Lider aus,
sah den iiber ihn gebeugten Feldberg
groß und tlar·an und sagte sehr
leise, aber so schnell und ohne Zö
gern, als ob er dainlt einen Gedan
kengang sortsege, den er vielleicht im
Augenblick seiner Verioundung ge
habt halte:
·Du, Frele dentst du noch an die
Kirnipshiihnei«
Ein Lächeln zuckte dabei uin seine
Lippen. Aber gleich daraus fielen
seine Augen wieder zu. hinterher
erzählte Feldberg dann, was es rnit
dieser Frage fiir eine Bewandtnis
hatte.
. . I
Lewis und ich waren in unserer
ufend die rtlichgen Kameraden·
a urfreunde rch lut und Erzie
hung, war es unsere Tischer Knaben-«
luft, barbeinig auf den Wiesen um
her uftreifen und in den Tümpeln
Jst-sche, Molche und Salamander zu
angen. Auch das Aufsuchen don
Vogelnester-n das Sammeln des er
ften Kiebitgeleges, das wir in der
Küche abliefern durften, und die täg
liche Beobachtung des hundertfältigen
Bogeltehens urn uns her gehörte zu
unseren schönen und harmlosen Freu
den.
Aus dem Gymnafiurn der Kreis
stadt schlossen wir uns womöglich
noch fester zusammen, verkehrten mit
anderen fast gar nicht und lebten fo
als Zweibiindler von reinstem Waf
ser bis in unser siebzehnles Jahr
hinein in volltonnnener Eintracht,
bis schließlich doch ein Dritter in
unsere Abgeschlossenheit eindrang.
Bei Beginn der Pfingstferien trab
ten wir aus zwei alten Politis, Ali
Baba und Kham die uns unsere El
tern nach der Stadt geschickt hatten,:
fröhlich der heimat zu. Der Kirch-»
turm des Lewihfchen Gutes tauchtes
schon breit und behöbig hinter dem
Nadelhols aus« als wir uns plöfflich
angerufen hörten.
»He, hallo!«
Es war eine junge, frische Mäd
chenstiknme, und unsere Köpfe flogen
wie auf Kommando zur- Seite.
Da sahen wir ein fchmales, hoch
ewachsenes Möbel von etwa sechzehn
gafften in Matrofenbluse und halb
langrrn Bartfifchtleid vor uns stehen,
das uns mit neugierig blihenden
Augen ansah.
.Wer von euch ist Iredy Feld
bergs« fragte die Fremde. »Der
Schwarze dorts fas« (
Als ich bei-thie, am sie rnt ausge
flrectter Band aus mich su.
»Seit-us, Betterl" rief sie lustig.
»Und das da ist dein Freund Leu-ist
Nicht wahrs«
Tit peiieriiche Anrebe überraschte
mich nicht wenig, nnd ich stand nicht
an, ihr meine völlige Untenntnib ih
rer Person ein-zugestehen
,Ach io,« antwortete sie erstaunt.
»Ja, ich bin Anna Joiefa Roiiin aus
Petri-am und für ein paar Wochen»
bei euch su Besuch. hat bir beineT
Mutter benn gar nichts gefchriebenJ
sinds-P
«Iiein!« iagie ich verwunderi. —
.Odec doch. Richtig: sie schrieb mie,
day ich eine lebendige Ueberraschung
vorfinden Mier Aber ich dachte —
,«ctu hast eine Dobie ober eine
Ein-take erwartet,« unterbrach sie
Iris-, Jenb biii ietzt enttöuicht. Sei
sie nicht bös. baß ich nur eine junge
der-ne bitt'
Mit rotettem Lächeln fah sie uns
Ied- Iberrniitig an.
Fehl-« ich euch wenigsten-V
W
Sie war ein sehr hübsches Mäd
chen. Das Auiiiilligsie an ihr war
das starle, lupsersarbige haar, das
durch einige Schildpattlämme und
eine dunlelrote Seidenschleife nur
locker zusammengehalten wurde. Das
schmale. rassige Gesicht sah im Rah
men dieser schweren Flechten lleiner
aus« als es wirklich war, und der
große und volle, dabei aber abson
derlich blalle Mund brachte eine Un
regelmäßigkeit hinein, die ihm einen
ganz eigenartigen Reiz gab
,,Wahrhaftigl« iagte ich nach die
ser Musierung, auf ihren launigen
Ton eingehend, «belser als eine Eich
lahe geiällsl du mir schon!«
Damit war schon die halbe
Freundschasl geschlossen. Karl und
ich slie en von den Ponyb, nahmen
Anna osesa in die Mitte nnd legten
den librigen Weg mit ihr zu Fuß
zurück.
Währenddem drängte Ali Baba
neugierig schnuppernd seinen Kopf an
ihren Arm.
.O dul« rief Anna Josesa halb
erschrocken und halb amiisierl. »Sa
gen Sie, herr von Lein, tun das
hier bei Jhnen sogar die Pserdei Bei
uns versuchen höchstens die Herren
manchmal so teet zu werdens —
Aber hört mal, um eins muß ich
euch leich von vornherein bitten,"
fuhr ife nach einer lleinen Weile fort.
»Wenn ihr euch beide in mich ver
lieben solltet, so verzanli euch darum
nicht allzusehr. Jak«
Lewitz und ich warfen uns einen
erstaunten Blick zu. Was war das
siir eine sonderbare Bittei
Aber da sprach sie mit scherzhast
zerlriirlchlem Gesicht auch schon wei
ter:
«hr müßt nämlich wissen, has
geh nnr immer so. Deswegen hat
mich Mama ieht grade fortgeschickt.
Denkt nur-, in Potsdam haben sich
zwei Primaner meinetwegen fast die
Hälse gebrochen. Weil ich dem einen
eine Haarfchleise geschenkt hab’,
glaub ich.« eDann wurde sie feuers
rot. »Das dsirft ihr aber nicht weis
tersagen!«
Nun, das versprechen gaben wie
gern. Gleichzeitig erkriirte ich ihr
Iaber auch lachend, daß Lewig und ich
uns gewiß nicht berzanien würden
.Zwei Freunde wie wir, Kusins
chen.
Eine Selunde lang fah sie mich
!ftarr an, mit einem Gesichtsausdruch
Her mir beinahe gelriin tt vorkam
; So!« sagte sie gedehnt. ,Nicht
wahr, Freth dein Freund ist älter
als du? Nichts Ach was! Aber
erwachsener sieht er schon ansi«
Sie wandte Letuih ihr Gesicht zu.
Da sah ich, wie er errötete und in«
einer-Verlegenheit, die mir sonst
fremd an ihm war, nicht zu antwor
ten vermochte. Ein banges Gesiiht
der Beunruhigung stieg in mir aus.
i ·- -
Von nun an war Anna Josefa
täglich in unserer Gesellschaft und
zeigte sich größtenteils auch als gutes
Gefährtin. Angesteckt von unserer
Naturschwärmerei. iam es ihr gar
nicht darauf an, sich ebenso wie wir
ihrer Schuhe und Strümpfe zu ent
ledigen und mit hochgefchiirztenf
Stöcken aus der Molch- und Sala-’
manderfagd in den Tümpeln herum
zupaddetm Leider hatte sie dasiir
aber auch eine Eigentümlichkeit, die
weniger schön war. Sie war nämlich
nicht nnr sehe eigensinnig, sondern
auch von einer fast krankhaften Be
gierde, immer tm Mittelpunkt unse
rer Aufmerksamkeit zu stehen« Alle
ttiinfte weiblicher Gesxilsucht konnte
sie zu diesem Zweck spielen lassen.
Sie vergasz nie, daß sie als weib
lichez Wesen zwischen zwei männli
chen stand, und versuchte alte-, uns
gegenseitig eisersiichtig zu machen.
Wir sianden fa beide in dem ge
fährlichen Alter, in dem die erwa
hende Männlichkeit sich zu regen be
ginnt und Anna Josesas Anmntvers
fehlte nicht ihre Wirkung. Wenn sie,
vom Recht der Verwandtschaft Ge
brauch machend, nntimtet in hellem
llebermut einen Arm um meinen
Hals schlang, machte ich mich wohl
unwillig los, aber nur« weit diese
Liebtoiung durch ihre Form und Of
tentundigteit den Ctmmttek des’
Eknfthnften völlig einbüßtr. Gunst
bezeigungen dieiee Akt waren ge
wöhnlich auch mehr auf Lewitz be
rechnet, als out mich. Er machte
dann immer ein finstetes Gesicht,
ichob dte Unterlippe vor und drehte
iiich schroff ad, bis sie sich wieder an
ihn heranichmeicheltr.
So entstanden zwilchen mir und
Letvih eine Menge tleinek Reibeteien,
die untere Kameendlchaitlixteit lang
sam und unmerklich locker-ten· Und
da es mit nicht entgangen was-, das
sie die meisten absichtlich aus reinstem
Uebermut hervorrief, to sagte ich ihr
das einmal klipp und tlat qui den
Kopf su.
IM
«Du willst uns mit Absicht der
zaniem Denkst du. ich merke nicht,
was du fllr ein Spiel treibsi7«
Anna Josefa hatte die Hände aui
dem hinterlon verschränit und sah
gleichgültig blingelnd durch das Wein
blattdach unserer Laube in den
AbendhimmeL
»Warum läßt du dich denn der
zanten, wenn du es mertsti« gab sie
ruhig zur-Antwort
Eigentlich hatte sie recht. Warum
ließ ich mich denn gegen meinen
Freund aufbringeni Hätten wir nicht
ebensogut iiber Anna Josesa lachen
können, wie wir es bisher noch iiber
jeden anderen getan hatten, der zwi
schen uns getreten wars
Verwirrt sah ich sie an, fah den
vollen, leise zitternden Mund, die
«lchillernden Augen und den schmieg
fam hinteniiber geneigten Körper-, und
blutheiß schoß rnir zum erstenmal die
Erkenntnis in die Stirn, daß sie auf
unseren gespannten Jünglingsnerven
spielen konnte, wie sie wollte, weil sie
ein Mädchen, ein schönes Mädchen
wart
Alles, was bis dahin nur dumpses,
nnllares Gesiihl gewesen war, sprang
mir mit ienkm -Male llar und scharf
umriiien vor die Seele.
«Weil du sehr schön bist!« antwor
tete ich ihr. "
Anna Joseia ließ ihre Zungen
spißr befriedigt über ihre Oberlippe
ltillsclstr
«Siehst du," sagte sie dann nach
denklich, »wenn ich euch gleichgültig
wäre, wilrdet ihr euch nicht zanten.
Wenn ihr euch aber meinetwegen
zantt, dann ieh’ ich, daß ihr euch fiir
mich interessiert. Und sag’ mal,
Zudri, ist das eigentlich nicht auch
ein Kompliment für euch, wenn ich
das gern seh’?"
Kurz daraus, als wir drei, Anna
Jcsesa, Lein und ich, eines- Abends
von einem Spaziergang heimtehrten,
tahen wir eine Schar hiihnergroßer
Vögel in teilfiirmigem Kettenflug
uber uns dahinschwirren.
»Unsere Vurrhiihnel« riefen Karl
nnd sich wie aus einem Munde.
Freudig erregt und im Bann einer
gemeinsamen Erinnerung ganz wie
der die Freunde von früher, einigten
wir uns schnell dahin, die Nistpliiße
dieser sonderbaren Vögel schon mor
gen aufsuchen zu wollen. Wohl ein
Jahrzehnt hindurch hatten Karl und
ich das in jedem Frühling getan,
so daß uns unser Vorhaben als das
Selbstverständlichste von der Welt
erschien. Nur an Anna Josefa hat
ten wir nicht gedacht. Getränkt fah
sie uns an.
«So! Und was habt ihr mir ver
fprochen?«
»Wir hatten vorher verabredet, am
anderen Tage einen Salamander siir
ihr Aquariuin zu sangen. Nun ver
suchten wir vergebens-, sie zu über
zeugen, daß unsere Vögel hundertmal
interessanter wären. Schließlich bo
ten soivohl Lewih als ich ihr aus un
seren eigenen Sannnlungen einen so
sort lieserbaren Ersatz an. Aber sie
wollte nicht« und ich merkte wohl,
daß es ihr gar nicht nrn den Sala
Inandez zu tun war, sondern daß sie
nur wieder ihren Einsluß aus uns
erproben wollte.
»Nein, Josesa!« erklärte ich schließ
lich. »Diesrnal seht du deinen Ei
gensinn nicht durch. Was. sher
Anna Joseia drehte sich, aus dein
silber treisend, zu Min "
«Verstiindigen wir unsi« ries sie
hastig, ehe er mir noch antworten
konnte. »Wenn Itedh durchaus will,
mag er morgen nach seinen Vögeln
schen, und zwischendurch gehen wie
beide allein an den Teich! Kann
das nicht hübsch werden, Leu-ist«
Sie lachte dabei, aber es war ein
Lachen, das rnir wie ihrn die Röte
in die Stirn trieb. Natürlich hatte
sie ihr Spiel gewonnen· Wo wäre
auch der junge Mann, der nicht sei
nen Freund verließe, wenn fein
»Schwarm« ihm einen Spaziergang
zu zweit anbietet! Ein Chor-s von
Gefühlen in der Brust, sttoichie ich
tngs darauf allein der Wiesengegend
zu. Die richtige Freude empfand ich
gnk nicht mehr« trotzdem nber suchte
ich nach den Vögeln mit glühenderemi
Eifer, all ie zuvor. Nur um frei
ichneii zu finden nnd schnell zu Jo
feia und Karl zurückkehren zu tön
nen. Denn in mir brannte etwas,
was ich bis dahin nicht kannte, —
die Eifersucht!
Ich hatte noch nie ein besonderes
Bedürfnis empfunden, mit Anna Jo
ieia allein zu sein, wie meine Ver
iiebtheit ia überhaupt noch ganz in
grüner Knospe gesteckt hatte. Jeht
aber schlug der Gedanke, daß Letvih
es mit ihr wor, wie eine Geieriralle
in mein Gehirns Der Tag war heiß.
ichon die Vormittagsionne brannte
greu, nnd der Frühlingsbrodem, der
L
aus der Erde stieg, war so schwer
und schwül, daß mein Blut immer
dumpfer und erregter wurde. Noch
nie zuvor war mir ernstlich die Ver
mutung gekommen, daß sich zwischen
Karl und Josef eine unziemliche
Vertraulichteit e wickeln könne. Jeht
aber wurde ich von hundert Vorstel
lungen gequält, die ich nicht beiseite
schieben konnte. Fast zum Greifen
deutlich sah ich es in visioniirer Er
regttng vor mir, wie Anna Josefa
ihr nacktes Füßchen zierlich in das
Wasser schob, wie lKarl Lewiß hin
ter ihr ihren Arm berührte, die band
scheu und heiß auf ihren Nacken legte
nnd dann einen Kuß darauf drückte.
Und mir wurde hei dieser Einbü
durig so weh und wild, daß sich
meine Finger unwillkürlich lang aus
streckten,sals ob ich sie mit Gewalt
auseinanderreißen wollte. Aus dein
einfachen Knabenzorn darüber, daß
Karl mich so unlaineradschaftlich irn
Stich gelassen hatte, wuchs ein dein
Hasse verwandteo Gesiihl irefsender
Misgunst und die sinnlose Furcht, et
was ilnersehliches zu verlieren.
Mißtrauisch betrachtete ich beide,
als ich ihnen endlich die Nachricht
brachte, daß ich die Nistpläfze ausge
tundschaftet hätte.
Anna Josefa trug ihr harmlosesles
Gesicht. Zwei gesungene Salaman
der zeigte sie inir in einer Glasflas
sche. Dann liefz sie ihr Zünglein
über die Lippen tanzen.
»Wir haben uns auch faknos un
terhalten,« erklärte sie vergnügt.
«Karl war so spaßhaft.«
Mit rotem Kopf und sichtbar ver
legen sah Lewitz zu Boden. Er hielt
die Knospe einer wilden Rose, die ich
friih an Anna Josefas Bluse gefe
hen hatte, zwischen den Lippen. Und
unt dieser Rose willen til-ersah ich,
daß er durchaus nicht die Miene ei
ties beglückten Jüngliiigs zeigte.
Es war ein böser Blick, den ich
chm zmwnsi mw n nwwnk chn
nicht freundschaftlicher. Trohdern
war er sofort einverstanden, als Ansi
na Joser nun vorschlug, den Resti
bei-Vormittags gleich den glücklich;
gefundenen Kampfliiufern zu nnd-i
men.
Unterwegs plauderte sie unermüd
lich, sichtbar in strahlender Laune
»Also taufen tun sie immer, diese
Burrhähne, oder wie ihr sie sanft
noch nennt? lind um die Weibchen?
Nein, das muß wirklich hübsch feint«
«Ob sie sich grade wegen der Weib
chen kaufen, ist nicht gewiß,« erklärte
ich ihn »Frrittch, sietun es nur
»-vährend der Ysistzen, aber ihr gan
zes Gebahren ist eigentlich völlig
innrios. Und dn Lsribchen tümnurn
fkch augenscheinlich auch gar nicht
darum.«
»Ach die,« meinte Anna Josesa
::lttlug, »die tun nur so! Gern wer
ten sie es doch haben!«
Karl Lewitz, der schweigsam neben
ihr hergegnngen war, bückte sich Und
riß einen von der Sonnenglut halb
verdvrtten Halm ab, den er mecha
nisch um den Stengel seiner Rose
wickelte. Er wnr hochrot im Gesicht,
und der Schweiß stand ihm in tlei
nen, hellen Perlen aus der Stirn.
»Warum ist das so natürlich Jo
sesa?« fragte er.
»Weil eg den Hühnern wahrschein
lich fv gehen wird, wie uns Mädchen
mitunter,« sagte sie, ihre Matt-blen
bluse noch sester in den hellbraunen
Ledergiirtel schiebend. »Kann es
nicht vorkommen, daß man einem
von zweien gut ist, aber nicht genau
weiß, welchem? Da haben’5 eure
Vögel dann so hübsch bequem. Bei
denen ist’s immer der Stärkere!«
Unwilltiirlich sah ich zu Stein
herüber nnd begegnete seinem Blick
Jus halbem Wege. Auch in seine
Zeele wnr das Wort gefallen. Anna
Josesa nber sah mit verhaltenem La
chen von einem zum andern.
Einsilbig, jeder seinen Gedanken
nochl)öngend, schritten wir weiter,
zwischen hulbreiiem Getreide hin
durch, iiher die Hadeltviese bis un
eine kleine, mit irutnmen Weiden be
ivachsene Anhöhe, hinter der ich die
Vögel gesichtet hatte. Dort warfen
wir uns zu Boden und krochen vor
sichtig hinaus. Anna Josesa einen
Schritt vorang, neben ihr Leivitz
und ich Schulter an Schulter. Wir
wollten den Tierchen so nahe wie
möglich kommen.
Wir hatten auch Glück. Jn der
;Mulde vor uns standen sich grade
vier Kampslänser fertig zum Angriss
gegenüber. Ein Zittern lies durch
ihr bräunliches, gesprenleltes Ge
fieder. Das Zittern wurde stärker
Endlich wurden nuch die bis oben
hin nackten zierlichen Steigen davon
ergriffen Und mit einem Male
sprangen alle vier gegeneinander los,
hurtig wie kleine Teufel. Mit den
ipihem langen Stechern siießen nnd
Ifchlugen sie blindlings drein. Jn fo
Isinnlofer Wut, daß der Eindruck
Iehres Gebarend bis in das Unheims
liche und Spukhafte wuchs.
Anna Jofefas gleichmäßig liihlek
zGesicht färbte sich duiiller, und ein
kheißer Schimmer trat in ihre Augen.
»Das nenn« ich noch Ritterl« fliis
fterte sie mit löchelndetn Munde.
EUnd dann unterdrückte sie mit Mühe
feinen Aufschrei.
- Einem der Kämpfer war es gelun
gen, feinen Schnabel so geschickt in
den feines Gegners zu stoßen, daß et
die Zunge zu faffen bekommen hatte.
Nun zerrte er ihn daran hin und her
und fchleifte den sich verzweifelt
Sträubenden eine Strecke mit sich.
Es fah fcheuleich aus« aber als der
Gefangene sich endlich wieder befreit
hatte, sprang er, ohne zu zögern,
feinen Vergewaltiger wieder an.
Lewih und ich hatten in folchen
Zweilärnpfen nie mehr als ein in
teressantes Schauspiel gesehen. Aber
heute erregte es mich und Lewih
wohl ebenfo. Ob das die grelle
Sonne und Anna Jofefas Nähe tat,
— mein Blut gärte und pulfte mit
jedem Atemfchlag hihiger .....
Ein glatter, schlichter Schnepfen
lopf ohne Kampflragen und Daube
tauchte hinter einem Gräfeuvall auf.
»Ein Weibchen!" rannte Anna Jo
fefa. »Sie fehen doch zu! Wer der
Stärkere ists
Und mit grausamen Augen zu uns
herüberfehend:
»Wer ist denn von euch der Stär
terri«
Stein und ich lagen Schulter an
Schulter, wie wir durch unfer ganzes
junges Leben bis dahin Schulter an
Schulter zufammengegangen waren
Aber jetzt troch feine Hand zu mir
herüber, und feine Finger umspann
trn mit fchmerzhafteni Druck Jnein
Gelenk
»Das bin ich wohl!« fliifterte er
heiser. Seine Augen hingen an Anna
Jofer.
Dann wandte er sie mir zu. Ein
gezwungenes Lächeln entstellte dabei
ieiri Gesicht, als ob das nur Scherz
fein sollte, während doch jede Miene
en ihm mich zum Widerstand auf
rief. -
Mit heftigem Ruck riß ich meine
Hand in die Höhe. Und dann —
lieber Gott, ob ich ihm dabei in das
Gesicht gekommen bin, oder ob die
von Anna Jofefa genährte Nerven
ipannung einfach mit uns durchging,
ich weiß es nicht mehr! Erbar
mungslos mit den Fäusten aufeinan
ker loshämmernd wälzten wir uns
am Boden.
Als ich mich siir eine Selunde srei
fühlte, sprung ich blitzschnell aus.
Jch fühlte, daß ich im Gesicht blu
tete. Lewitz sah auch ganz zerschla
gen aus-. Aber ohne Zögern hätten
wir uns zum zweiten Kamvsgnng ge
stürzt, wenn Anna Josesus Stimme
nicht wie ein lnltet Wasserstmhlzivii
schen uns gefahren wäre. Sie schüt
telte sich vvr Lachen«
»Ihr seid ja noch komischer als
enre Bitrrhijhnel Seht nur, da stie
gen sie!«
Unwillliirlich folgten wir ihrem
Finger. Mit leisem ,,Kal-lal-lal«
flogen sie, ein ganzer Schwur-n, iiber
die Hovel nus das jenseitige User.
s I I
Fredh Feldberg trat nn das Fen
sier und ttonmielte mit den Finger
spitzen an die Scheiben.
»Sie muß übrigens gleich hier
sein« Frau Anna Josesa von Lunis-«
geborene Rollin,«« iuhr er dann sort.
»Wir hatten sie fast vergessen, als
Lewitz sie vor vier Jahren in Berlin
aufs neue kennen lernte. Du heim
tete er sie dann. Das erste Jahr
ging es auch gut. Die ganze Nach
lnrschast verkehrte bei ihm. Hinter
her nur noch junge Herren. Es hieß
nämlich, dnsz sich die Lewi schen Gäste
alle untereinander die ätfe vrächen
Na, jetzt hnt er selber dran glauben
Iniissen.«
»Sie meinen also, dnß Anna Jo
scsn auch hier Dusljintekstcdts«
»Ich weiß e5,« antwortete er bit
ter. »Deinen Josesn hatte von Ansaan
un die Jnsiinlte eines Weibes der
Urzeit, das sich selbst nur nls Kampf
obiett zwischen Männern zu schätzen
weiß. Und glauben Sie etwa, dnsz
solche Anlage in der Reise schwächer
wird? Unsere Prügelei von daman
war die Knospe-, ans disk siir Loniisz
heute die Frucht brach. Erst eine
blutige Nase, dann eine zerschossene
Lunge. Das ist die Entwicklung.«
»Nengierig bin ich, ob er auch seine
Frau irngen wird, ob sie noch an die
chsmpslöuser denkt . . . .«
Das rasche Rollen eines Wagens
ilang vom Dose heraus. Eine schlanke
und hochgewnchsene Dame sprang vor
der Treppe herab. Sie hatte sehtl
dieses, kupsetsgkbiges Haar-. Ob sie
schön war, konnte ich vom Fenster
aus nicht beurteilen.
»Jmmer hinterhek!« sagte Feldberg
snrtnstisch.
Dann ging er hinaus und führte
Anna Josesa zu ihrem sterbenden«
Gatten.
———
Bescheidenheit der Großen.
Als in Gegenwart Bliichers er
selbst als erster kFeldherr gepriesen
n-itrde, wies er das Lob ab, indem
er den General Gneisenan als den
ersten General bezeichnete-. —- Fried
rich der Große bezeichnete seinen
Bruder, den Prinzen Heinrich, als
den einzigen, der im siebenjährigen
Kriege feinen Fehler gemacht habe
nnd sandte in seinem Greisenalter
an den General Washington einen
Degen mit der Jnschrist: »Der äl
teste Feldherr dein größten« »s
:llls Prinz Engel: während seines
Aufenthalte-s in London bei Lord
Volinabrote speislth dnrch dessen Jn
trignen der grosse Marlborough das
stoinniande verloren hatte, brachte
sein Wirt den Toast ansi: »Dein
größten Feldhkrrn in Europa!«
Prinz Engen aber antwortete ihm
sogleich: »Wenn ich ek- bin, Mhlord,
so haben Sie niich dazn geniachtl«—
Der berühmte Nationalhelo der
Holländerx Prinz Morih von Nassan,
gab einer Prinzessin von Jiilicl,-, die
«on ihm den grösste-i Feldherrn wis
sen wollte, die wenig bescheidene «
Antwort: »Mndnine, General Spi
nola ist der zweite« (er hatte densel
bu. nämlich eben in einein Gesechte
liesiegt), »denn«, siigte er lachend
hinin ,,rien ne rit qne le snccesl«
(nnr der Erfolg lacht!). —- Ebenso
ioenig bescheidet-. nmr der gesangene
Altar-schalt Tallord, nls er noch der
verlorenen Schlacht bei Höchste-M
vor den Sieger gesiihrt, sagte:
,,:llkarqnis:i, Sie haben die tapfer-steil
Trinnsen der Welt besiegt!« woraus
dieser schnell antwortete: »Sie neh
nten doch die Sieger iilier diese Tap
sersten ausl«
W
Emocy Watson, oer zehn
Jahre alte Sohn von Herrn und Frau
Watsom Nr· 24008 Uotettn Avenne.
Baltimore, wurde aus seiner eltetlis
chen Wohnung entführt doch gelang
es der Polizei von Alexanprim Va»
sowohl ihn, als auch seinen Ent
sijhrer, H. H· Cninpbclt, daselbst zu
verhaften Einory hssitekläesz in sei
iresn Zimmer ein Schreiben, in wel
chem er seinen Eltern meldete, onsz er
sich aus eine Woche nach unbekannten
Regionen begeben habe, doch tiirntnets
ten sich diese nicht Darum, int Glau
ben, daß es sich um einen dummen
Jnngenstketch handle. Als aber Entom
am Abend nicht zuküätehrtsz benach
richligten sie die Polizei und diese
sandte eine Beschreibung des Knaben
nach allen Windrichtungen aus. Herr
Watsou begab sich nach Alexasmkia,
um seinen Jungen nach Hause zu
bringen, und ndasss diesseits passierte
nachdem er jin elterliclsen Heim au
aelangt war, wissest alle diejenigen
die ähnliche Erfahrungen durchgemacht
hübsch
W
-—- Erster Gedanke-. »Ka
sinchen, Du solltest doch aneh Izu-Z
studieren !«
»Glanbst Tu, daß mich das
LIltntStosliun kleidet-«
—- Jtn Eisen »Wie tönt-en
sich die Herrschaften unterstehen,
lner ans der Straße zu tatc«3ett?«
Hen- ieinhultenwt »Dinineriuets
tei· in, nsir waren doch in der Tanz·
niinde».., da hat der Tiiiizlehrer
nennst wieder die Tiir offen gelas
ien!«
—- Gut gesagt. Lebemann
tiiiiskeiteiid): Schließlich heute, alle
Ilngenhlicle innß ich ioiedei in eine
Zeiienqiisjcy ichen Schnitt-r, Schnei
der nnd dius Lieieinngen in den
Wen geionnnen, heilte das reine
Hindert-ist-eitel!l
— Ein st e n ster. »Aber Herr
Nut, liiie tonnnen Sie dazu, meine
Niinie tot.ziijchies;eii«.-'
Soniitimcijiiuer: »Ach, entschuldi
nen Eie, ich gliinlstiz es- iuären wil
de Viigel!«
»Wie konnten Sie das glanbenl
Dann hätten Sie iie ja gar nicht
getroffen«
—- Iiltg Prattifchr. .Wo
geht Jhr heute abend hinf«
»Ja Tannliänter.«
»Ach was!, wir gehe- tiebet in —
Mietshäuser-R
P i· o i e ft Afiikaieiiendert
»Sie können sich von der fürchterli
khen Oede nnd L eic einer solchen
Wiifle keinen Beqriff machen, Herr
Miillei·.«
Gericlstwollzieber Miiklen »Na,
na — wo ich last all- Jage cnif ’nt
Studente-aime- komme-ff