Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 18, 1918, Sonntagsblatt, Image 11

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    Ätmgg Ein-.
M m s- dass-.
(4. FortfesungJ
Dies seltsame Begehren, ein ganz
neues Leben als ganz neuei Mensch
u filhkem tout gerade noch Io ilokl
in ist wie um Hochzeitstag. —- Wee
ltilified uns ichäkfet eilt vie, die uns
jung lanntenf Wie iindetn uns uns
wachsen in neue Formen hinein. Jene
Keim ver Jugenogenoiien Linden sich
nicht« Sie ist iiichl entwicklungs- und
wandlungsföhig. Sie niisell den
Menichen immee auf keine Ausspru
chie, Fehlen Unvollkommenheit-n der
Jugend fest
Ulnnn ichloß jehl ihre Gednnlens
teihe ab. Denn ve- Diuiee meldete
die beiden Komiessen
Anna ninchle Ielvil ien Tee und
bevienie vie Damen. So vauecle es
noch einige Minuten, Js man in
Ruhe zu dein um das Tischchen oot
dem Kuniin ins-.
Ein tiefengioßet holzlloh ver
ichmälle darin. An sein«-i schwarz
lohllgen Leibe enlliing lief zuweilen
ein Ieuiiget Funkenokanv und pei
loich. Der Reil von Glut war nicht
statt genug, das llobige Dolzilucl zu
lichtet-oben Flammen zu enlzunvem
sie lonnleii nicht entbrennen, oder
nuch nicht ganz ersterben. Manchmal
zunie ein gelves Züngiein unlet dem
ichwutzen Ali-J heraus
hekdele war iich veirußl, daß oie
zu- veipkechentsen Jtiigeii iiiii großem
Toll zu behandeln lesen. Die junge
Fiqu ivnt nun doch einmal die hei
tin. Sie liaile zu veiehlen Sie oukIte
nie heulen. daß ihr vie allen Schwei
geiinnen ins Megnnenl oiuichen woll
len.
Aber Anan suchte wirklich nicht den
Reiz ihrer Stellung darin, eiierslichs
trg aus ihre Vanilrauenrechle « po
chen. .
«Jch weiß ja gar nicht Bescheid.
Fehl-txt nach nicht uns Sommerhagen
gewesen. hallet ei nur, wie es nn
rner gehalten worden ist. Und wenn
ich muten-nagen unterschreiben muß
—- legt sie rnir nur vor. Ader lieber
tst es nur. Bursharv tut es selhsl,'
erklärte sie.
«Diedrnal lind aber auch deine
Herrn-Innres und Freunde zu heilt-t
xrehtiqerh nud zwar in erster Linie
ollle dein Betei...«
Beil emee Dandheioegung unter
brach Inna die älteste "Schcvcigerin.
»Pap- tann einmal tout-nen, wenn
w-. allein sind." .
.Unp dein Bruders«
»Ich werde an Donat schreiben, ob
et Ostern torncnen will.«
.Unp natürlich Wolf und llrsche
Weder von-Paulus. Burchard hat
nsich besonders daran erinnert,« sagte
Den-ele. .et hat sie sehe gern und ist
Moll ja auch noch innig vanlbar.«
«Jhe tut Wolf teinen Gesellen;
wenn rhr ihn rnit der Gloriole meines
Lebenseelterz umgeht«
Jllu, hol geschieht ja auch nicht.
Es soll sa nicht übertriehen werden.
Vielleicht hätten sich die Pferde von
sellnt matt gelausen, oder du hättest
herausspringen tönnen. Immerhin
rislierte er viel, als er sich so ent
schlossen den Iüchsen in den Wes
tiellte.«
.Gut, also Wolf und l’rsche. Sie
werden mit Jubelgeschrei entrücken-"
«Ja, eine herzerqniaend «.aioe Fa
milie," schaltete Renate ein, aber in
einein Ton, ver ihr einen schau Blick
von peroete eintrag. Anna ging dar
über hin.
.Uno dann?« fragte sie.
Herdete nannte zwei Familie-h die
mit ven Generi derichwagert waren,
und eriaaterte jede. Sie schloß: »Das
wären alle.«
»und etephani« sragte Renatr.
»Gott, ja Stephan —- das ist io
eine Frage!« sprach herdete zögernd.
War Anna daraus vorbereitet, daß
der Name sauen würdet Oder hab ich
mich damals getauschti Sie zuckt
nicht mit der Wimper.«iiebtigens hat
sie das Licht im Wiesen« dachte Re
unte.
Laut sagte sie: .Warum ist das
denn aus einmal so eine Frage ge
tdrårdent Or war doch sonst immer
a- tetentet dieii dachte Anna.
Sie saß teyi aufrecht nnd starrte hin
ad m an Aaminössnung und aus den
hol-ihm ter nicht brennen tonnte
und nicht erlöschen wallte. Sie hielt
ihre Dände unbeweglich im Schos ge
sattet. Sie waren eiitutt.
cerdeie wollte ihre geheimen Grün
de, aus denen sie Stephan Rotmann
nicht eingeladen u sehn wünschte,
nicht preisgebem or Anna —- sa,
wenn es sich einmal so machen sollte
das man unter vier singen darauf
vertraulich zu sprechen inm. Vor sie
nate «- nre; denn das hiese, dem lie
ben angen, siir den herdete eine
nasse prochene Schwäche hatte, das
Leben sauer machen. Zögernd sprach
: «sreiiich —- tdens man hassen
Inte, dass der In e sich in Ue
siela den allein dert e —- eder we
nigstens nsshe, evaö r ’ne sasnose
an das siir ihn qäde... Und ihr
d« sichs so bald und halb enge
,OOOI
' »wun- d- dau- imd nnd- spae »
Insoqu o feist es aus deutsch, daß
tu es « to erweise heilig ver machen
,Uenntei«
« detel«
. n, hebe Bienene, du mußt auch
endete nicht Immer Io reizen,« sagte
.nnn.
Dienste stand aus und wars den
KHPL gut-Hel
· sas ist startt Eine junge Dame.
dit meine Tochter sein könnte, gestat
tek ch. mir Lehren zu get-ein«
« as wollte ich mie nicht erlau
ten,« sprach Annn.
«Genug. Jch liebe leinen Streit.«
Und sie ging mit rnutchender
Schleppe »und hoheittvoll erhobenem
Haupt hinan-, ihre langgestiette
Lorgnette in der band haltend. als
sei sie ein Szepter.
«M—siin Gott« sagte nnna bestürzt
,Beruhige dich nur,« sagte hervete
lachen-; qunter dem Vorgehen, daß
sie seinen Streit liebe, ficht- Renate
sich durchs Leben. Menschen und Völ
tet, die vie! von ihrer Iciedenctiebe
reden —- die hoben meist die schärf
sten Massen. Kannst du dir merken,
wenn du willst.'
Es war Anna aber doch sehe un
angenehm.
Und Fu ihrem eignen grenzenloien
Erstaunen bemerkte sie, daß sie sich ein
wenig vor ihrem Gatten ängstigte we
zen ofeies Bot-falls
»Wenn fBurchard nun gtauvh ich
sei tletntsch und ziintisch gewesen«
Es wäre zu beschämend für mich,«
sprach sie
und rann mußte ne lachen —- em
wenig neroös und unfrei . ..
»Nein —- es sieht ja beinahe aut,
als hätt’ ich Angst vor Barchard,"
rief lie.
«Angft nicht« Aber gottlobl offen
bar den Respett, den er wie von elblt
herausfordert. Wer möchte sich des
halb lchömenl" lagte Herdele und
umarmte die junge Frau. »Aber du
hast jaileine Schuld, und Burchard
tennt Renaie.«
« Sie feste sich wieder, nabm ihre
Tasse und malte lachend ani, wie
Renate nun hinter den Vorhangen
laute, bis Butchard angefahren tvms
Ine, um .hn dann sogleich tiir einen
Augenblick in ihr Zimmer zu bitten,
wo sie ihm vorlamentieren werde, daß
seine junge Frau sich unter Verdeiens
Einfluß habe hinreisen lassen, ihr
weile Lehren in erteilen, und wie
Burchard dann feelenruhig antworten
werde, fie solle-nur ein Brauiepalver
nehmen.
Nachdem lie dies alles herausge
lprudelt und in der Nachahmung oon
Renaienb Majeltät nicht sparsam ge
weien war, fiel ihr wieder Stephan
Itrrman ein. Von dem war man ja
ganz ahgeiommen.
.Du halt im hochfommex damals
Stephan ptvrmann intim tennen ge
lc1n2.»«
«Jntimi"' unterbrach Anna fie,
»ich hin ihm einigemal und lehr
Ivrmlich begegnei.«
Jlta —- zu meinen Zeiten wurden
wir mit den Leutnanto Lntim be
freundet, wenn sie acht Seage bei uns
in Quartier lagen. Acht Manövers
lage — iit mehr, als ein Duhend
Jahre auf Ballen und Qinero sich
treffen. Gott —- Landsehr und ich
sprechen noch manchmal davon, wie
er damals auf Sommerhagen in
Quartier lag! Und verliebt waren
wir ineinander! Eininch rasend Na
turlich —- eo war nur lo ’ne Som
merlieoe, mit Lachen ohne Trauern
Und in einer Woche überwunden
Aber die heutige Jugend hat eben zu
viel Selbstbeobachtung und Zügel.
was aber tein Tadel lein ioll. .« Ja,
aber am nicht immer und immer Cle
der von Stephan abzulommem du
haii ihn und Uriche doch genug iu
iammen gesehen, um beurteilen zu
l tonnen . . .«,
»Bei titsche m das auch nur Ia
’ne Somntertiede gewsen,'· sprach
Anna tait. ·
«Nein, da irrst du nun. Jhr Vater
deutete an..· ihre eignen Tränen...
turz und gut: wenn's was würde,
war's mir tied. Stephan sollte heira
ten. Und Ursche ist aus nuervesier
Familie ·- und dann ist Ursche, was
man so nennt: ein guter Kerl. Ehr
lich, beste Seele, gewiss samose haus
frau, und Mitgift au der höhe der
Weber von Pallau. nnehtnbar —
tnehr sogar: erwünscht in jeder qIe
giehung.«
Nun hatte Derdete sich so hineinge
smgert in den Plan uni- die Mög
lichkeit seiner Erfüllung, daß sie alle
ihre geheimen Bedenken gegen Sie
phans Anwesenheit aus Satan-erda
gen ais grundtos ansah, und nun
its-lad
.Atso tvir laden Stephan ein und
spielen ein bißchen Vorsehung, da
mit er und Ursuia sozusagen immer
wieder sich nebeneinander sinden.«
( Mit einer seltsamen, sast harten
Entschiedenljeit sprach aber die junge
Frau seft schrossx
»Dein leihe ich meine band nicht.
Mag here Leutnant Narmann einge
laden werden. Gui« Aber Ursche i
die leite, die siir ihn paßt. Sie i
nicht hiidsch und nicht graziiis genug,
und er kann ganz andre Ansprüche
machen. Jch werde nichts dazu tun,
ihm ineine Freundin anzuhängen«
Die seindieiig sie spricht, dachie
herbeie nnd stand vor einem Waisen
So ein rißrhen Ehektiften unter stoet
lieben Mensche-, die lehr oerniinitig
Ineinander passen märden — du«
dar Hoch itntner oergntiglich und hier
beionders danlenstoern Annas !
Schlußrdorte gaben tht dann die:
Idee, daß die junge Frau olelleichtl
aus Feingefiihl nicht eingreifen wollteJ
weil siehe eben unt ihre nachste
Freundin handelte. Das verstand
hervete schon. Und sie bei-blos ihrer
seits desto umtichtiger odriehung su
spielen.
Einen Tag nach diesem Gespräch
teilten die beiden alten Damen schon
ad. Graf Burthard hatte sie darum
gebeten. Es loar das erste Mal, daß
Anna den Stammfth der Familie he
treten würde. Er wünschte deshalb
ieitliche Vorbereitungen, die nicht et
toa dein Jnspettor oder gar der Die
nerirhaft uverlassen bleiben sollten
Und abermals einige Tage später,
an dein Freitag vor Palmfonntag,
fuhr Graf Butthard Geher Init ieiner
jungen Frau in irilhetter Morgen
Itunde zum Bahnhof.
Sie mußten den Schnellzug nach
Stralsund nehmen und dachten von
dort ohne Aufenthalt .hre Reife nach
Somtnerhagen fortzusetzen. Die Geh
ers waren ein Rügentches Geschlecht,
und ihr Stamtnstg lag im Nordosten
der Insel. Graf sourchard pflegte den
Frühling und Sommer dort zu ver
leden und begab sich erst «utn Herbst
nach Oftrau. dem Gut, welches den
natürlichen Mittelpunkt der Gehers
schen Betthungen in der Neumart und
Borpomntern bildete.
U- war eine heroe Deut-zuglei- in
der Lust. Sie schien vorn Straßen
damin auszusteigen, der, duntel und
naß vom nächtlichen Regen, sich zwi
chen den hellen Mauern der häusers
ronten hinzug. Und anr Ende jeder
Straßenzeile stand bläulicher Dunst
und verschleierte das Stückchen Aus
schnitt dont Stadthild, das da sonst
sichtbar gewesen wäre.
Anna sror, und diese sriihe Ah
reisestunde war ihr schrecklich Sie
hatte sich sest vorgenommen gehabt,
ihrem Gatten llar zu machen, daß
ihr diese Reise eine Last sei, und ihn
zu bestimmen, zwei Tage daran zu
wenden.
Nun saß sie im Wagen und Ioar
ärgerlich üver sich selbst. It tvar nicht
zu glauben: sie hatte einfach ihren
Wunsch nicht laut werden lassen mö
gen. Gras Burchard hatte ihr den
Reises-tun so bestimmt, so heiter, so
liebevoll mitgeteilt. Jhr Verstand
satgte ihr ja auch, daß es so richtig
e.
Und ganz unertliirlichertoeise fehlte
ihr die Courage, ihre Laune zu
äußern. Er hatte so eine Art man
würde sich geniert haben« nur seinen
erstaunten Blick aus sich zu fühlen.
Run, dachte Anna, in Kleinigteis
ten sich schweigend fügen, ist auch ge
wiß klug.
Es war Mittagszeit, ais sie aus
der großen Dampssähre saßen, die
von Stralsund nach Rügen hinüber
ging.
Mimi. die Jungfer, Campell, des
Grafen Kammerdiener. nnd Werner,
der Zimmerdiener, reisten mit der
herrschast. Sie hatten all das hand
fepäct zwischen sich und plauderten,
sicherer hörroeite von ihrer Herr
schast. leise miteinander. Werner war
erst seit zwei Monaten in Geherschr.t
Diensten und noch nicht mit aus
Sommerhagen gewesen, dessen Reize
und Schrecken ihm seine Diensttollei
gen nun beschrieben
»Es ist halbe Verbannung," sagte
Campell, »in-in ist von jedem gebil
deten Berlehr abgeschnitten.«
«Das ist nicht wahr. Wir haben
Besuch in hülle und Fülle.«
«Wir! Das heißt die herrschast
Un«d das iißt Arbeit Jn Berlin
tann man sich in seinen Mußestunden
doch alit Mensch siihlen aus Som
merhagen ist man immer »Dauer
schast«.«
»Ja, als Sportsmann und nobler
Lord tann man sich da sreiliT nicht
ausspielen. Und die ileinen —amen
vorn Zirtusballett muß man da auch
entbehren,« sagte Mimi anzugliche
»in M Dorsern der Gegend weiß
man eben. wer wir sind.«
Ueber des Kammerdieners glattras
Ziertes Britengestcht mit der. großen,
hellen. talten Augen ging ein hoch
miitigrr Zug. »Man hat nicht nötig,
sich als Lord auszugeben, wenn man
das Autsehen und die Alltiren eines
Gentlentan besiItR spra? er stolz.
»Den Jang und die altung von
unserm Jrasen kriegen Se doch nich
’,raus« spottete Mimi.
,Und Sie nicht die Manier von
der Gräsin, einen so von ober- her an
ztsguriemn
Dazu tviire Fröniein Mimi sa
auch zu zierlich« mente Wernee, aus
dessen ehensalls rasiertern Gesicht man
die dunklen Schatten der Varioerans
lagung sah.
,,,«Gott sagte Mimi und blickte et
was totett mit ihren masserblauen
Augen in die braunen Mauer-, »Sie
nelzmen mi immer so nett in Schuxz
da iir lob« ch Sie auch bei der Er s
sin, wenn Gelegenheit ist, bit tiber
die Puppen-«
,Tun Sie doch nicht, als hätten
sie Gelegenheit. Die Greisin spri i
mit unsereinem nur« was sein mu.
Und dabei . . .«
»Nun, Enmpelli Und babeii« stos
te Uimi schars.
W
»Man M, als sei rnan von Geburt :
eine töntgliche Prinzessiih und dabei
weiß alle Welt, daß bei ihr gu Dau
nicht viel los tvar. Keine stand-sae
mäße Ledensstihrung nd auch tern
imponierendes Vermögen. Und wenns
ich bedenke, daß wir die Prinzekllink
von Bergenldatde hätten haben ·n-i
nen! Eine Reichsunrnitteltsare!« E
,Die häßlich und alte Jungfer
war,« sagte Mimi, «.oiihrend meine
Gräfin die schönste Frau der Welt
ist! Und welch ein Paarl --guckt rnat
bloß ’riibeti«
,Ob sie ihin wohl treu bleibti«
fragte Werner.
»Dies« ries Mimi begeistert, »die
ist so stolz nnd unnahbar, wie sie
schön istl« -
»Na, na, na,« machte Campellz
»die hauptsache ist, er wird io tlug
sein und auspassen und zu verhüten
wissen, daß sie zu jungen Kavalieren
hinüberschielt.«
»Und dabei dent' ich, es werden
mehrere junge beeren Jei uns erwar
tet,« sagte Werner.
»Was zwei. Die zählen nicht. Der
eine ist« wie ich so au- den Gesprä
chen bei Tisch erriet, brüderlicher Ju
gendsreund der Gräfin unl- hat ihr
so halb und halb das Leben gerettet.
Der andere ist ja aber unser Leutnant
Nortgann.«
-L-fls
»Warum sahn orrm orr tut-hu
seagte Werner.
»Unser here ist sein Pslegeoater.
Der Leutnant Normann hängt pein
niiir vom Grasen ad. Das wäre sreis
lich tein Hindernis... im Gegenteilt
Aber was andres: der Leutnant hat
'ne Liebe! ’Ne ganz dramatische!«
«Unsinn!« sagte Mimi.
«Wahr ist es doch,« sagte Campeli.
»Ich hab« ihn selbst mal gesehen —
im Walde mit der Sophie Schuler
—-. und ich glaube, unsre Komteß
herdete ist au dahinter getommen.
Na, unser Gra würde schöne Augen
machen, wenn er das toiißtet Dieses
Fräulein Schüler ist die Tochter von
einem Arzt, der sich aus der Welt
zurückgezogen hat, weil irgend was
aus seinem Namen sitt. Jedensalls
lebt der Mann einsam unt paar-re
Wenn der Leutnant da ernsthaft ans
Heiraten denkt . « o se, das tann was
geben«
»Da würde unser Herr ihn wohl
enterben,'« meinte Werner.
«Leutnant Normann hat nichts
vom Grasen zu erben,« belehrte Cam
pell seinen Kollegen, »stammt von
einer Gener, welche die lehte einer
Redenlinie war. Was der Gras tut,
ist steies Geschenk. Und so weit wiirde
ja wohl die Großmut nicht gehen,
daß er dem Leutnant noch ein Kom
mißvermögen in die Tasche steckte,
wenn der ein armes Mädchen ohne
Familie heiraten wolltet«
Während die Dienerschast so die
Angelegenheiten und Lebensverhälts
nisse ihrer herrschast durchsprach,
ging die Dampsersahre "n schwer teu
chender Fahrt weiter und weiter.
Rückwärts stand, vor dem blossen,
klaren Frühlingshimmeh das rot
braune, altertumliche Stadtbild von
Stralsund. Die oielkantigen Kirch
tiirme mit ihren gotischen Dächern
erhoben sich würdig und väterlich aus
dem unruhigen Gehoete der Häuser.
Sie sahen darüber hin und aus den
breiten Meeresarm hinaus, der sich
blank, dunkel, in großschuppiger Be
wegung zwischen Stadt und Jnset
drängte. Sie hatten schon die Schwe
denzeit gesehen. Jahrhunderte und
Leben gingen an ihnen vorbei, als
wären sie nichts. Was da unten her
utn zu ihren Füßen auch wechselte
und sich änderte: ste, die Kirchen,
gkiebetn Und ihr Nachbar, das Meer-,
ieb. ,
«Steh zurucc," vat wrat Burchara
feine junge Frau, »ich sage es nicht
aus einseitigem heimataefiihl, aber
wenig landschaftliche Bilder in
Deutschland tommen diesem gleich.«
Anna hatte ein wunderbares Ge
fiihl dasiir, wenn eine zustimmende
Antwort von ihr erwartet wurde.
Und so sagte sie denn auch jeht:
»Seht schön, wirtlich sehr lchön.«
Und sie blieb so sitzen, das-, ihr Ge
sicht dem Bilde zugewandt war, das
nun langsam serner rückte und kleiner
ward und dadurch nur noch an Reiz
gewann, weil die Ganzheit des Ein
druas nicht mehr durch diese und jene
moderne Einzelheit des Vordergrun
deö gestört ward.
»Seht schön,« sagte sie no ein
mal und hielt vielleicht aug das
sliichtige Wohlgefallen, welches ihr
das Küstenhild eine Selunde lang ge
währte, für einen «Et:idruct«.
»Ja han« sprach Graf Durchs-id
»dasz du dich von unsrem Besitz in
deinen Erwartungen nicht enttäuscht.
findest.« i
»Es ilt dein Stammsih. du bist
dort geboren, du liebst den Plas«
Dies genügt, ihn mir wihtig zu ma- j
chen,« sagte Anna mit liebenswürdi-«
gem. Lii ein.
Er druckte ihr dankbar die Hand.
Sie hatte nicht gelogen. Es erregte
ivirlltch ihr großes Interesse. Dort
auf Sommerhagen waren alle Fami
lienhilder der Seher-, dort redeten
alle Wände, das ganze Schloß Fami
liengeschichtr. Und während Anna mit
ihrer Phantasie immer erwartend her
umschweifte und von all den Erleb
niisen träumte, die ihr das Leben in
der großen Stadt bringen sollte
silhlte sie sich. doch zugleich ganz und
i
)
l
gar ats eine Gehen Ihr sing es, wie
et Fittfients tern ehen mag, die niit
der heirat hr ateetanv wechtetn
und dann mit allen ihren Gesinnun
gen, fa fogar mit ihrer Sprache in
das neue Lager überlaufen müssen,
aber dennoch tief im geheimen ihr
eigentlichstes Wefen inveränderlich
T bewahren.
Es gati nun noch, fiir den Grafen
Burchard und feine junge Frau, eine
Fahrt von anderthalb Stunden irn
Eifenhahnzuge zu machen. An ver
Station Sagard auf vJasinund, vDem
nordiifttichen Feken des uietzerrissenen
Rügen, erwarteten die Wagen fie; ein
Lanoauer dir Herrfchuh ein Break
vie Dienerfchaft und oas Geräth
Die Sonne fchien ttar unr- bleich.
Es ma: tesne rechte Kraft in ihren
Strahlen, weit der frische öftliche
Wind sie kühlte
Ueber Bodrnfeniungen hina» hin
auf an fteigenvern Gelände ging wech
felooll die Fahrfiraßr. Evexescheni
bäume ftanden zuweilen an ihrem
Rain. Die fahtgrünlichen Knospen
der Blatihüllen an ihrem Gezweig
waren zum Zerfpringen geschwenk
Jhre Kronen fchienen vom ewig strei
chenden Wind zurechtge:orint, und
oiete von ihnen gtichen qlecht gebun
denen titeiferbefen, die auseinanderzm
fallen orohren.
und oom hohen, geoicieuen unau
der Jnsel tah man hinab au das
linls und fern in der Tiefe chine
mernbe metallische Blau bei Boot-ens
«Von Sommerhagen aus, das aus
einem der höchsten Puntte von Jas
mund liegt, wirst du beides sehen:
den Bodden und das offene Meer,"
erzählte Gras Burchard.
Anna nber dachte Ichon an bie
Empfangsfeierlichteitenz denn sie
nat-m an, daß ihr Gaste diesen Cin
zug nicht tlanglos vor-übergehen las
fen werde.
Wenn nur niemand auf die un
gliialiche Jdee mit Böllerschiissen tat-i.
Jn diesem Punkt war Anna nerood
geworden. Obschon sie- dumats nach
zwei Tagen reisefähig gewesen uni
teinen Schaden davon getragen hatte,
außer einer tleinen Stirnnarbe, die
sich oom haar oerfteeten ließ, mochte
sie nicht an jenen Vorfall an ihrem
Hochzeit-sing erinnert sein.
Nun führte der Weg durch einen
Wald. Es war ein Buhemvald, und
in seiner Tiefe war ein warmer röt
licher Farbenschimmer oon den
schwellenden Knospen. Hie und da im
Unterholz leuchtete grünes Gesprentel
—- da hatte irgend ein Vuichwert
doreilig schon Blättchen entfaltet,
oder das tletternde und hangende
Gaisblatt zeigte fein junges Laut-.
Moos und Rasen aber hatten schon
leuchtende grüne Tone .ott saftigen
Glanzes, wo die Sonne ihre Licht
ftecten hinwarf.
Die Straße stieg wieder mehr.
Graf Burchard unb Anna wrren bei
de still.
Er hielt, innerlich bewegten als ei
sich gestatten wollte, zu zeigen, die
hanb der jungen Frau. Er fühlte es
in diesem Augenblick so tmr; fein
Würt, seine hoffnung, oie Zukunft
seines hauses saß an seiner Seite
oertörpert gleichsam in dieser schonen
jungen Frau.
Er bildete sich nicht ein, sie schon
ganz zu kennen. Sie war verschlosse
ner, als er gewähnt hatte. Sie ver
stand zu sprechen, ohne sich mitzutei
len. Aber jeder Zug, den er bis jetzt
hatte beobachten kennen, schien ihm
vornehm, beherrscht, weiblich gewesen
szu sein.
er ivar zu iange vem Verkehr mit
jungen Frauen und 't.tiätchen ent
wachsen und hatte seit Jahren leine
Erfahrungen mehr in dieser tttichtung
gesammelt. Bei seinen veiheirateten
Freunden sah er Ehen, die schon aus
Hillen Garangsperioden sich in den
Zustand reinen Glücks oder stiller
:lltesignation hinübergetänpk hatten
Sv siel es ihm niemals aus, daß
Anna sich nicht eigensinnig, unver
träglich, launig zeigte. Daß sie gar
nichts von den gelegentlichen Torhei
ten des noch werdenden Charakters
an den Tag legte, nahtn er vielmehr
als ein Zeichen ihrer armontschen
Veranlaguitg.
Von ihrer geistigen Regsamkeit
durfte er befriedigt sein. Lie zeigte
durch Fragen über politische Person
lichteiten und Verhältnisse eine ziel
bewuszte Lernvegier. Sie war offen
bar bestrebt, seine Tätigkeit zi begrei
sen und noch viel mehr: das Leben
der Gegenwart zu verstehen.
Aber Gras Burchard sragte sich
manchmal, ob sie rechte tiesi Wärme
habe.
Er empsand, daß es ·n ihrem We
sen lehte und geheime Dinge gab, zu
deren Erkenntnis er noch nicht vor
gedrungen war.
Vielleicht war das, was er siir
Kühle hielt, nur der Zwang, den das
Leben mit den drei um so vieles öl
teren Mens en unwilltitrlich ausübtr.
Deshalb reute Gra Burchard ich,
daß Anna bald ihre ugendgenosiem
sowie ihren Bruder und seinen Nes
sen Stephan um sich hat-en werde.
Im Verkehr mit der Jugend würde
lie sich sreier entsalten. Und was an
hrein Wesen noch tiihl und geheim
nisvoll schien, würde sich enthüllen
hvsfentlich und vielleicht nur als eine
unbewußt vorgenommene Matte, die
sie der neuen und so. würdigen Stel
lung schuldig zu sein geglaubt.
Nun zeigte sieh das Dass RW
ten-. Attr- doe den ersten höiilertt
bog ein Fahrweg r is a . Ueber seit
rötlichen, braunen inseln der tits
spenden Suchen hin ethsdxch die
weis-graue Krönung sittes time-.
Sein Mauerzacleneand Rand in sätt
betlich regelmäßigen Ausschnitten M
dein blauen himmel.
»Nun sähest dtt in dein Königreich
ein,« sagte Gias Burchatd schreiend.
Zehn Schritte ootaiis überm eine
Ehrenpsorte den Weg. Sie inne von
Tannengirlanden umwunden Reben
ihren beiden Pseilekn standen Pian
nen aus niedern. dreisiiszattigen, ntii
Tannengrtin veetleideten Untergesieis
len. Trotzdem es lichter Tag war«
brannten Pechfetiek in diesen« alten
Opferschalen nicht untihnltchen Pfan
nen. Der Wind jagte oie Rauchfan
ien seitwärts und zetsuseiie sie dann;
Das war stimmungsvoll und ina
lerisch.
Neben der Ehrenpiorte stand auch
eine Dandooll Männer: Aaerlnechie
und Taglöhner
Und als der Wagen nun im
Schritt unter dent giuncn Bogen hin
tuhr» wahrend Gras Bnkchard den
yut lüstete und Anna sich lachelnd
ortiieigte, um aus die «Ouicas" sit
antworten« tnallte plotzlich ein Schuß,
oann noch eitler und nich einen
Der Kutscher war daraus vorberei
tet ge«»elen; oott seinem hpyen Sitz
erfay er auch den ji«-um« wo die
zwei Männer, vie weiter zutiia am
waidsauni standen, oic lletnen Völ
.ei ab.cl;tes,en wollten.
ist qui- eine feste Musi, ttnd die
oeioen Etappen zuaten taum
Deiinocli aber itieß Anna einen
Schrei aus.
Uns irn Weiterscihien sagte sie
otftcg
»Das ist eine übte VorbeveutungX
JAvet Anno!«
Izu, seit iiieinein Dochzeitstage bin
ich »it)etgtiiiidiscls.o
»Ich bitte sich, Anna. Das war
ein unsall, hervorgecusen puich Do
nnts Ungeschict. Dieser unsau hat
iiictst die geringsten Folgen geht-ist«
»Das können rvik noch nicht utiets
sehen. Wer weiß oast .iitseii set-leicht
iiii Finstern. und nun wieder Diese
pchießereiP
Gras Burchntd sah ihre ernstliche
Jersiiniinnng. er seivst iuiii aus sei
ner Heiterkeit unv schonen Geiniitss
»eivegiing gerissen.
So souten sie in Sommeryagen
einsiihrenk
«ieoniin, Anna, laß uns vie ietz
ien tsunoert Schritte g: hei.'
»Mit Zum-ein« sagte sie.
Der Weg zog sich iiiii wuivezsanin
Hin. Gras durch-no siiisrte eitiiiu an
siinein Arm uno ertiurte ihr, oiiß
-iis Schloß mit Den cis uiiigeueiioen
einlassen sich aus einein yaioiiijeis
aniiusen Putz erhebe, )er sich in den
wiiiv txinein erst-eite. Daher sehe in.in
»n- Gevauoe erst, sovtho ins-n an vie
-ein Masse yinschceitr. einni. san cis
«ig voraus, uin ivocnisqncts »unt, den
evato hindurch Mauern schien-nein
sii sehen. Ader vie oictrii weiss-sinnen
ouciseiisiijiiiine stimer in itsiexn Pin
ier- und Durcheinnnoei als noch un
.«i-..cyokingliche Schranke Davon
Born, zioiscyen ihnen oeiuegte M eine
Gestatt. Dies taiii siehet. Der
siyniiiie Mai-, aus dein sie zu schrei
ten schien, mitnoete aus oen Weg am
eviiidsuuiih
»Am junge Dame, agte Anna.
Da das grastiche staat und die
Qaiiie einander eiitgesieiiiaisien, in
dem sede- seinen Weg dersdlgie, tdiins
ie Anna sich die eciiiiine spazier
giingeriii ansehen und tat es mit
gibt-ein Interesse, weit Dunst-lud iyc
sugestustert hatte:
»Viel) sie dir an, ich sag’ dir nach
uei, wer es ist."
Die junge Dame war schlank und
i«iitcigrasz. spie trug ein eiiiiaases
duntetdlaues Blusentleid und ein
schwarzes Matrdsentzutchen von
stritt-· Trotz der Kuyle der Apriltai
ges hatte sie teine Juni an. In .hier
Hand hielt Iie einen großen Strauß
«ii Hierdluinen und spitnieln Ihr
Gesicht war länglich, zart don
schnitt, siist bleich oun ifardr. Dun
telblaue, etivaö schwermiitige Augen
standen darin. Das duntetdlonde
paar schien sehr reish zu sein.
Gras Burchiird grußte. Die innge
Baute erwiderte den Gruß und erro"
tete sehr tief.
»Eine wunderschöne Person,« tliis
sterte Anna, »aber wie seltsam, so zu
errötenl Und vor diri Was bedeutet
pack
»Das bedeutet nicht eiiva," sprach
Gras Burchard, »daß Fräulein So
phie Schüler sich in irgend einer
Weise vor mir oder vor sonst jemand
speziell zu geniereii brauchte. Der Va
ter von Fräulein Schüler ist aber ein
Mann in unsreier Lebenslage, ein
Mensch, der gleichsam in unsicherer
Beleuchtung vor den Augen seiner
Mitmenschen dasteht, nnd obenein mit,
sich zerfallen· Und ich glaube, daher
kommt dem braven. ichonen Kinde
immer das Erröten. Vieuicht geniert
sie sich vor aller Welt.'
(Fortlesnns folgtJ
— Verzeiblicher sprach-«
fehlen Fremd-r tim Ebenso-)
»Kellner, Isesoraes Sie mir ein
Glast«
Kelliicr: »Ein blas Wer-W
Fremder: »Neh, ei- ccas Ohr-X