Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 14, 1918, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-statt de
StaatS -7Anzeiger und Ren-old.
Dir Strom-. .
VII G. Hort-steilen
Reich einer Siyung des XII-sen
Friedensrichterpienumg hatten sich die
Richter im Berntungszitmner der
iannnelt, um ihre Amtjtenchi abzasi
lesen. sich einen Augenblick zu erhosx
ten und dnnn zum Mittagessen nnchi
Hause zu fahren. Der Prasident des!
Wenn-vix ein ietzt stattlicher Mann
mit imsnzigern Biräendnrie, der der
einem der soeben zum Austrag ge
brachten Prozesse »der einer Separat«
meinnng« verdtteven war, sosz am
Tische und schrien eilig seine Mei
nuns nieder. Der Bezirtksriedenis
richter Mittiiy ein junger Mann mit
rnntteni und meinnchomchem Gesichts
ausdrnet ifr galt fiir einen Philoso
phen, der mit seinem Wirkung-kreist
unzufrieden sei und sich einen Le
benszweci suche), stand am Fenster
und blickte trudsinnig auf den Hos.
Der andere Besittsfriedensriryter
und einer der Ehrenskiebensrichter
traten schon weggegangen Der noch
nnivetende Ehrensriedensrichteh ein
aufgednnsener, an Ateinndt teidender
Dictnvnst, und der Staatsanwalt-Z
geisilse, ein junger Deutschek,—dern
man den Magentatarrh am Gesichte
ansah, saßen aus einein lleinen Sosa
und warteten, his der Präsident init
seiner Schreiberei sertig sein würde,
uni dann mit ihm zusammen zum
Mittagessen zu saht-eri. Vor ihnen
stand der Selretar des Plenuint
Schilin, ein kleines Männchen mit
kurzem Backenbait bei den Ohren und
mit einem Ausdruck von Gluaseligteit
aus dein Gesichte. Er blickte den
Dicken mit einem honigsiiszen Lächeln
an und sagte halblaut:
»Wir alle hohen ein Verlangen.
baldigst zu essen, weil wir müde ge
worden sind und es schon oier Uhr
ist; aber das ist noch nicht der rich
tige Appetit, inein teuerster Grigori
Sonnenlich. Der richtige Walsshiiw
ger, wobei man wohl sogar seinen
leiblichen Vater ausfressen konnte
stellt sich nur nach körperlicher Bewe
gung ein, zum Beispiele nach einer
Hegiagd, oder wenn man so ein
hundeererst mit Bauernpserden ohne
jede Unterbrechung eilig zurückgelegt
hat. Auch die Denltatigieit ist dabei
dcn großer Bedeutung. Wir wollen
mal sagen, Sie fahren von der Jagd
nach hause und möchten gern mit
Appetit zu Mittag speisen; dann
bliesen Sie nie an etwas Klugez den
ken; kluge und gelehrte Gedanten be
einträchtigen immer den Appetit. Sie
wissen selbst: die Philosophen und
Gelehrten bilden, was das Essen an
belangt, die iiiedrigste Meiischentlasi
se, und schlechter als soiche Leute —
Sie verzeihen —- sressen nicht einmal
die Schweine. Wenn man nach hause
söhrl, so muß man sich Mühe geben,
daß der Kops nur an die Litorslai
sche und an die Borspeisen denlt. Jch
machte einmal unterwegs die Augen
zu und stellte mir ein Ferkelchen niit
Meerrettich bor; da bekam ich vor
Appetit geradezu einen hysteriJchen
Unsall. Und wenn Sie dann bei
sich zu hause aus den hos gesahren
tkmmen, dann musz ei gerade aus
der Küche nach so etwas dusten, wis
sen Sie. . .«
«Gii·tiiebraten, — das ist der
schönste Dusti« sagte der Ehrensriei
den-richter, schwer atmend.
«Sagen Sie das nicht, mein teuer
ster Grigori Sannvilsch; die Ente
und die Belassine sind der Gans dar
indedeutend über. Ja dem Odeur
der Gans liegt nichts Bartes und De
lttales. Arn startsten riechen jun-ge
Mel-ein, —- roissen Sie, wenn die
iester so anfangen braun zu braten
und durch das ganze hauj Fischen
verstehen Sie wohl. Na, wenn Sie
dann also ins haus hineintotnmen,
muß der Tisch schon gedeckt sein; so
bald Sie sich hingesetzt haben, stecken
Sie gleich die Seroiette in den hals
lragen und reisen ohne hat nach
der Liiörslas e. Und Sie gie en sich
das liebe Labsal nicht in ein Spi -
gläichen ein, sondern in so einen a -
tertiisnlichen silbernen Becher vorn
Großvater her oder in so ein bau i
ges Gefäß mit det Ausschtisl: « o
, was trinken selbst Mönche«, sind Sie
uinlen nicht sosort, sondern atmen
zuerst mal ties aus, reiben sich die
Hände, blicken init Gieichmut nach
der Zins-nndan führen hieraus ganz
langsam das Schnapöchen an die
Lippen, nnd im selben Augenblick
prilhen Ihnen oocn Magen aus die
unten nur so durch den ganzen Mir
den«
M sit e Gesicht des Sei-eise
W den usdruel der höchsten So
lisleil an.
Juli-by sunlenP wiederholte er
und veiictte dabei die Augen gn. »So
nne Sie aber getrnnten hat-ea, inni
Ien Sie Wort etwas von den Bor
ipeiten geni en.«
»Höre-r De mat,« tagte ver Prä
sident, indem er aufvisnte und den
Setreiiie ansah, »iprechen Sie etwas
teiiert Jeh verderbe Jhretivegen
schon den zweiten Bogen.'«
»O, bitte um Verzeihung, Peter
Ritoiaitiehl Ich werde ganz teiie
eeden,' erwiderte ver Setretär nnd
fuhr hatbinut iliilternv fort: aAtier
auch oie Bortpeiien muß man niit
Verstand essen. niein teueester Giigori
Sowie-nich- Man muß wissen, weiche
Gerichte man all Vortpeite zu ge
nießen hat« Die heite Vor-speise iit,
wenn Sie es wissen wollen, der he
ring. Haben Sie ein häppehen he
tin mit Zwiebet und Senuouce ver
speist, dann, mein Wohltaten müssen
Sie, solange Sie noch vie Funken im
Bauche verspüren, Kaviar essen —
ohne etwas dazu oder, wenn Sie
wollen, mit Zitrone; hierauf etwas
gewöhnlichen Rettich mit Salz, dann
wieder Hering; am besten aber, mein
Wohltäter, eingetatzene Reiner, fein
esehnitten wie Kaviar, und s-— ver
stehen Sie wohl — mit Zwiebeln und
Provenkeöi. . . das ift eine Detitas
tesset Aber gne Quappeniebek. . . .
tin-ist wahre tPoesieth
»Ur-sat- stimmte ihm oer Uhren
friedensrichter bei und lnisf die
Augen zu. «Gut als Vorspeise sind
auch noch die Dingriche. . . die ge
schmorten Steinpilze.«
»Ja, ja, ja, . . . mit Zwiebeln,
wissen Sie. und mit Lorbeerblättern
und allerlei anderen Jngredienzien
Wenn man die itasserole aufdeckt, so
kommt ein Dampf aus ihr heraus,
ein Pilzdust . . es treibt einem
manchmal die Tränen in die Augenil
— Ra, aber weiter; sowie nun dies
Fischpastete aus der Küche gebracht
wird. muß man sofort, ungesäumt,
wieder einen trinken-«
’ «Jwan Jurijitsch!'« sagte der Prä
sident in weinerlichem Tone. «Jhret
»wegen habe ich seht den dritten Bogens
oerdorbeni« - s
«Weisz der Kuckuck! Er denkt doch
auch bloß ans Essens« brummte der
Philosoph Milkin und schnitt eine
verächtliche Grimasse. ,Gibt es- denn
teine anderen Lebensinteressen als
Pilze und Pasteten?'«
»Also oor der Pasiete muß man
einen trinken« fuhr der Selretiir
halblaut fort; er war schon in eine
solche Verzückung hineingeraten, daß
er, wie eine singenoe Nachtigall, gar
nichts als seine eigene Stimme hör
Htr. »Die Pastete muß appetitlich
Hund schmuclloö in ihrer ganzen Nackt
heit daliegen, um zu loaen. Man
ztvinlert mit einem Auge nach ihr
hin, schneidet sich einen tüchtigen Bis
sen ab und macht in überströmens
xdem Gefühle mit den Fingern so eine
trillernde Bewegung über sie hin
lWenn man anfängt, sie zu essen, so
Itropst von ihr wie Tränen die But
Jter hinab und das fette, saftige Füll
«sel mit Eiern, Getröse, mit Zwie
ibeln. . ."
s Der Selretiir verdrehte die Augen
Hund zog den Mund nach der einen
’Seite schief bis ans Ohr. Der Ehren
;friedensrichier ließ ein Grunzen ver
Inehmen und trillerte, wohl in lebhaf
ter Vergegenwärtigung der Fischpai
stete, mit den Fingern in der Luft
umher. s
«.hol der Teufel das Geschwiiszl«
murmelte der Bezirlsfriedensrichters
und ging weiter weg nach einem ansj
deren Fenster-z « — — « A «
»Hu-ei orvennmie pappen qui mnns
also gegessen und sich einen dritten
zur Kohlsuppe ausgehoben,'· suhr der;
Setretiir begeistert fort. »Sobald Sie
nun soweit mit der Postete serti sind,
lassen Sie sofort, damit der t ppetit
nicht ins Stocken gerät, dieKohlsuppe
Mittagen . . Kohlsuppe muß heiß
sein, glühend heiß. Aber das Aliersz
beste, mein Wohltäter, ist eine dass
tleinrussisckke Art aus gesäuerten rosi
iten Rüben und Schweinefett getochtei
Sappe, mit geräuchertem Schinien;
und Knndwiirstchm Dazu ivird soures
Sohne und frische Petersilie mit Dill
gereicht. Etwas Prachtvolleö ist auch
eine Suppe aus smtren Garten. Ge
iriise und jungen Nieren; tvenn Sie
aber gern Bouillon mögen, so ist die
beste eine solche, die ganz vict ist von
Wurzel-wert und Grünzeug: Mohri
riiben, Spargel. Blumentohi und
allerlei solchen Chiianen.«
»Jo, das ist etwas GrofnrtigesH
bemerkte dee Präsident seu send, in
dem er von seinem Schriftstiict qui
sabz aber er besann sich ieich wie
der und stiibntex »Sie. sollten sich
was schäment Aus diese Art be
Ioentnen ich in meine Sepnrntmeinung
bit zum Abend nicht stetig geschrie
bent Den vierten sogen verderbe ich
ichs-Il« '
»sc- bin ia schon still . . . ich bin
so eben still. . Bitte um ver ei
lten-ji« entschuidigte sich der re
C
tiir und steht sliisteknd sort: «So
bald Sie nun die Suppe oder di
Bonillon aufgegessen haben. lassen
Sie sogleich den Fisch bringen« mein
Wohltaten Von diesen stummen
Geschöpfen ist das beste: gebratene
Kakrausche mit saurer Sahnez nur
muß man, damit sie ,nicht nach
Schlamm riecht und einen seinen Ge
schmack bekommt, sie vierundzwanzig
Stunden lang lebend in Milch hal
ten.«
»Gut ist auch ein tleiner Steriet,«
sagte der Ehrensriedensrichier und
schtoß dabei die Augen. Aber im
nächsten Augenblick sprang er, siir
alle ganz unerwartet, von seinem
Platze in die höhe, machte ein Ge
sicht wie ein wildes Tier und schrie;
dem Präsidenten zu: »Peter Niloq
latisch tommen Sie bald? Jch kann
nicht länger warten! Ich tann es
nicht!« ;
«Lassen Sie mich nur die Sache
erst fertig machenk «
«Na. dann ahte ich allein! Hat
Sie der Lucia-ji«
Die Dicke machte eine Oandbes
wegung, als ob er sich um nichts
mehr kümmern wolle, und lies, ohne
Adieu zu sagen, aus dem Zim
mer. Der Seltetiir seufzte; dann
beugte e: ch zum Ohre des Staats
anwalthe ilsen hinab und fuhr halb
»Auch sonder oder Karpfen mit
einer Tomatens und Pilzsauce ist et
was Schöne-. Aber von Fisch wird
man nicht satt, Stephan Franziitschz
das ist kein substantielles Essen: die
hanptsache beim Mittagessen ist nicht
der Fisch und nicht die Saure, son
dern der Braten. Welches Geflügel
mögen denn Sie persönlich am lieb
sten?«
Der Staatsanwaltsschaitögehilfe
machte ein saures Gesicht und erwi
derte seufzend: »Leider kann ich da
nicht mit Jhnen empfinden; ich habe
einen Magentatarrh.« .
»Wer-en Sie nicht so etwas, bester
herr! Der Magenkatarrh ist eine
fErfindung der Aerztr. Meistens
ztommt diese Krankheit von der Frei
geisterei und vom Stolze her. Denten
fSie einfach nicht daran! Wollen mai
jsagen, Sie haben teine Lust zu essen
oder es ist Jhnen nicht gan wohl
dann ist das beste, Sie lasfen das
ganz unbeachtet und essen Och.
Wenn Jhnen als Braten, wollen mal
sagen: ein Pärchen Doppelschnepfen
ausgetragen wird und noch ein Reb
hithnchen dazutommt oder ein Pär
chen feister Wachteln, da werden Sie
allen Magentatarrh vergessen, —
mein Ehrenwort als Gentleman.
Und wie sieht's mit einer gebrate
nen Pate? So eine hübsche weiße,
fette, saftige, wissen Sie, wie eine
Nixe. . .« ·
»Ja, das ist gewiß sehr wohl
fchmeclend,« sagte der Staatsan
waltschaftsgehilfe mit schivermiiti
:gem Lächeln. Pute äße ich viel
leicht.« «
,,herr Gott« und Ente? Wenn
iSie eine junge Ente nehmen, die so
eben bei den ersten Frösten ein bis
chen Eis gefchnabbelt hat« und sie
auf der Pfanne mit Kartoffeln zu
sammen braten, aber die Kartoffeln
müssen recht klein geschnitten sein nnd
braun werden und sich mit dem En
tensfett durchtriinien und. . .«
Der Philosoph Miltin machte ein
grimmigeö Gesicht und wollte anschei
nend etwas sagen; aber plötzlich
schmante er, wahrscheinlich bei der
lebhaften Vorstellung von Entenbrai
ten, mit den Lippen, ergriff ohne ein
Wort zu sagen, von einer unbekann
ten Gewalt getrieben, seinen hut und
lief hinaus.
»Ja, vielleicht äße ich auch Ente,«
bemerlte der Staatsanivaltsgehilse
seufzend.
Der Präsident stand aus« ging ein
paarmal aus und ab und setzte sich
wieder hin.
»Der Braten sättigt den Menschen«
und dieser gerät dann in eine won
nige Benommenheit«, suhr der Sekte
tär sort. Während dieses Zustan
des fühlt sich der Körper wohl, und
die Seele ist von einer Art Rühruna
erfüllt. Zur Labung können Sie
etwa drei Gläschen Gewürzbrannts
iwein zu sich nehmen«
’ Der Präsident ächzte und strich den
Bogen durch.
»Ich verderbe den sechsten Bogen,«
sagte er ärgerlich. »Das ist gerade
zu gewissentos von Jhnent"
»Sei-reiben Sie nur, schreiben Sie
nur, mein Wohltäterl« sliisterte der
Setretär. »Ich werde Sie nicht mehr
störent Jch werde ganz leise reda
—- ch lnnn Ihnen aus mein Gewis
sen n en, Stephan Iranziitsch,« suhr
er in aum hörbarem Flüsterton fort,
»ein im eigenen hause selbstsabriziers
ter Getvitrsbranntwetn ist besser als
aller Champagner. Nach dem ersten
Gläschen tvtrd sozusagen Ihre anze
seele sum Geruch-organ; es so gt so
ein Zustand halbtonchen · Träumens,
un Sie haben die Vorstellung, als
sii en Sie nicht bei sich zu Hause im
Lehn .nt)l, sondern irgendwo in Au
stralien aus einem ganz weichen
Stinuszr. . .«
»Ach, wollen doch nun fahren, Pe
ter Nitolaitschi« sagte der Staatsan
roaltschastsgehilse und zitterte oor
Ungeduld mit dem Beine
«Jn, also,« suhe der Seiretör
fort. »Wähkend des Gewittzdannts
meins ist es zweckmäßig, eine Zi
atre zu tauchen und Ringe auszu
ftoßen Dabei tommen Jhnen dann
solche Träumereien in den Kopss als
wären Sie Generalissimus der Ar
mee, oder als wären Sie mit der
schönsten Fau der Welt verheiratet
und diese Schöne schwomme den gan
en Tag lang vor Jhren Fenstern in
so einer Art Goldsischdassin herum.
Sie schwimmt, und Sie sagen zu
ihr: »Mein Herzchem komm und tiisse
mich!«
»Nein Ritolaitsch!« stöhnte der
Staatgantoaltschastogehilsr.
» »Ja, also,« fuhr der Setretiir fort.
»haden Sie nun ein Weilchen ge
taucht, so nehmen Sie die Schoße
thees Schlafrocks in die Höhe, und
heidit zum Bette hin. Sie legen sich
so ans den Rücken, mit dein Bauche
nach oben, und nehmen ein Zeitung
in die Händ-. Wenn einem die Au
Ilsen beinahe zusammenlleden und die
sächliisrigleit den ganzen Körper
liihmh dann ist eö oergniiglig von
Politik zu lesen: hier hat esters
steich einen Bock geschossen, siehst
ldu wohl; da hat Frankreich es je
smandern nicht recht gemacht; da hat
der römische Papst sich tvidekhaarig
gezeigt, — man liest das und hat eine
höchst vergnügliche Empfindung da
von."
Der Präsident sprang auf, schleu
derte die Feder beiseite und griss mit
beiden Händen nach seinem hntr.
Der Staatsanwaltschnstsgehilse, ver
seinen Magenlntarrh ganz vergessen
hatte und vor Ungeduld außer sich
war. sprang gleichfalls auf.
»Wollen fahren!« ries er.
»Peter Nikolaitsch, wie wir-MS
W aber mit Ihrer Separatmeii
klung?« ries der Selreiär erschrocken.
»Wnnn werden Sie die ..ieoerschrei
ben, mein Wohltäter? Sie müssen
Ha l·nn sechs Uhr nach der Stadt fah
ten."
Der Ptäsident machte mit der
Hand eine Bewegung, die etwa be
sagte: Mir ganz gleich! nnd stürzte
zur Tür. Der Striatsiinwriltschasts
gehilse machte eine ähnliche Geste,
nahm sein Poetesenille nnd ver
schwand mit dem Präsidenten zu
gleich. Der Selretär ieuszte, blickte
vorwurssvoll hinter ihnen her und
niachte sich daran, die Alten wegzu
»raumen.
’ --—--0.o---—
Senderbare Laufbahn·
Zu Anafng der nennziger Jahre
Tdes is. Zahr·lninderts-gnb eiI in
Rom einen armen Tensel, der sei
Hnen Lebensunterhalt stiften-, indem
er sich täglich ans der Pinzza di
Spagna nnislelltc nnd sich dort den
Fremden als Führer antrng Eines
Tages geschah es, daß der ver tur
zeni angelonnnene sranzösische Ge
sondtschaitssetretiir sich von dein
Mann in Rom hernnisiihren ließ
nnd dabei schien es ihm-, als hiitte
er ein gefiigiges Werkzeug siir seine
Pläne gesunden. Diese Pliine gin
gen nämlich dahin, die Römer —
ntit Hilfe der vom stonvent znr Ver
iiignng gestellten Geldniittel —- var
sichtig ans.znimegeni, so oasz oer sur
chenstaat gewissermaßen sriedlich siir
die smnzösische Nepnblik erobert
wurde. Der Lohndiener ging ans die
Absichten Monsieur Bassevilles eiiH
nnd täglich einpsing er nun eine
Snnnne Geldes-, nm das römische
Volk zn bearbeitein Das Resultat
war, daß Basseville eine-J Tages er
inordet ionrde nnd bald darans der
Lehndiener ein —- Banigeschiist er
össnete. Jin limgang mit einem
Siaatstsniann schien er sein Genie
entdectt zu haben, denn ans dem
kleinen Banigeschiift wurde bald ein
großes, dem verschiedene Mitglieder
der Familie Bonaparte, zahlreiche-s
Aristokraten nnd der König oonl
Spanien ihr Vermögen oder doch
lbeträchtliche Teile desselben anver
zteantein So kam ein Tag, an dein
ider Mann von der Piazza di Sinig
na zum Granden von Spanien er
nannt wurde, nnd ein anderer, an
dem er den Titel eines Herzogs von
Veaeeiano erhielt. Von seinen beiden
Söhnen vermählte sich der ältere
mit einer Fürstin Ssorza und der
stingere mit einer Fürstin Doria
Der ehemalige Lohnbedienstete, der
Torlonia hieß, war Herzog gewor
den und mit den fiel-essen Familien
Italiens verwandt. So viel kann
man erreichen, wenn man das Geld
richtig zu behandeln versteht.
« Die f Erde-.
Naturkräfte, die uns ihr Entstehen
nnd Vergehen eimoirkrn.
Ueber Entstehen und Vergehen nn
serer Erde ist zu allen Zeiten viel ge
predigt und viel geschrieben worden.
heute lehren die Natuephilosophen
daß sie aus seurigem Aether entstan
den nnd daß sie sich dereinst wieder,
sei es in die Sonne stürzend, sei es
mit einem andern Welttdcper zusam
menprallend, in feurigen Aether uns
lösen nnd sich nn dem ewigen Werde
prozeß der Welt aus-Z neue beteiligen
werde. Mit solchen Hypothesen wol
len wir uns hier nicht besassen, son
dem nur mit Tatsachen rechnen, die
sich täglich vor unseren Augen abspieJ
len. ,
Die Kräfte, welche as. der Umge
staltung der Erde arbeiten, könnens
ivir in zwei große Gruppen iondern,:
in Kräfte-, die aus dem Jnnern der’
Erde heraus wirken, und in solche,
welche dem unerfchöpfliehen Wärme-H
reservoir der Sonne ihre Entstehungi
verdanken. Die ersteren arbeiten e-I
waltige Massen aus deii Tiefen er
Erde empor, die letzterer streben, denl
Zustand, den jene schaffen, iininer
wieder zu zerstören. Welches wird
das Endresultat dieses gegenseitigen
Kampfes sein? Wie wird sich unter
dein Einfluß dieser Kräfte die Ober
fläche der Erde nach Jahrtausenden,
nach Tausenden von Jahrtausenden
gestalten? Folgen wir, uni diese Fra
ge beantworten zu können, dem Wir
ten der genannten Kräfte. Durch
Vullane wird glühendes Gestein,
Säulen von Asche und Sand empor
geschteudert· Die Winde trageni
die Asche ineilenweit davon ja, wies
beim Ausbruch des Kralatau in der!
Sundastrasze, über ganze Erdteiles
und Lzeane hinweg. Ungeheure, bis-I
weilen Tausende von Zciitnerii schwe
re Blöde werden herauegeivorfen
Schlainmassen oder Lavaströme bre-!
chen hervor. die Abhange des Berges
und ganze Täler augsüllind — Das
Wiriiingsgebiet der Vultane ist je
doch ein beschränktes. Viel gewalti
ger sind die Uiiiwiilziingen, ivelche
durch iontinentale Hebungen und
Sentungen verursacht werden. Hier
arbeiten im Jnnern der Erde Kräfte,
welche Kontinente und Ozeaue von
einander scheiden nnd die Grenzen
zwischen dein festen und flüssigen Ele
mente immer aufs neue verschieben
Länder, wie Standinaoien, find Hun
dexte von Metern aus aein Meere ein
porgestiegen und steigert noch empor,
andere, wie Gröiilaud usid Nord
Deutschland, sinken hinab. Wo einst
Meere sich iiuggebreitei, da dehnen
sich iinadfehbare Steppen und Wü
ften, iiio einst Länder in üppiger Ve
getation geprangt, oa wälzen sich die
Wasseruiasseii des Ozeans iiber
Schlamm und tote Sediinente. Aehn
liche Vorgänge wiederholen sich aiif
den Kontineiiten selbst. Durch Fal
tung der allmählich erstarreiideii Erd
riiide sind Massen-« und Retteiigebirge
in die Höhe getrieben worden, Erd
schichten, in deren Lagerung dasMeer
Jahrhunderte in Ruhe gearbeitet hat,
werden zufamiiiengepreßt und zu
Berges-riefen einvorgestaiit. Vulianis
sche Gebiete und Gebirgsliinder sind
auch die Stätten, welche zugleich
durch Erdbeben fortwährende Um
wälzungen zu erleiden haben.
Die aus dem Jnnern der Erde
herauswirtenden Kräfte haben zu
meist die Tendenz, der Erde in großen
Zügen allmnlich eine forincnreiche
Bodenplastik zu schaffen. Bei dieser
Arbeit tominen sie in stonflitt mit
Kräften, deren Einzelwirtungen un
bergleichbnr geringer sind, sich aber zu
einem ebenbiirtigen Endeffctt sum
miren· Die Träger dieser Kräfte find
Wasser, Luft und Eis. Durch Ine
chanische und cheiniscbe Vertvitterung
wird ihre Arbeit vorbereitet Das
durch Verdunstung einporaebobene
Wasser strebt zurück zur Tiefe. Es
folgt dem das Weltall beherrschenden
Geseße der Schwere. Kleine, von
Böschungen herabriefelndc Adern ver
einigen fich zu größeren, es entfteben
breite Knniile, schließlich Flüsse.
Das herabfließende Gewäsfer arbeitet
sich immer tiefer in den Boden ein,
bis der Kanal die Gestalt einer be
stimmten Kurve angenommen hat
Hat sich der Fluß eine Längslurde
gearbeitet, dann ftiirzen die Ränder
nach, der Kanal wird verbreitert.
Lockere Erde, verryitterte Gesteins
massen werden abgewafchen und durch
die Kanäle fortgefiihrt. So entste
hen Täler. Derselbe Prozeß wie
derholt sich an den Gehiingen eines
Tales. Es entstehen Nebentiiler mit
Nebenflüsseen die sich bis sur Sohle
des haupttales hinab uarbeiten stre
ben. Felsen auf Felsen, Berge aus
Berge stürzen herab und werden soci
gefiihrt. Immer weiter nagen sich
die Flüsse nach riiaiolirtg in die Ge
birge ein, Stromschnellen und Größe
des Riagarafalles verschwinden,
Wasserschriden werden- durchbrdchen,
alte Strombetien geleert und neue ge
füllt, in denen die Flusse ihre zerstö
rende Arbeit unter neuen Verhalinisi
sen beginnen» Wo Berge ftanrrn und
ununterbrochene Tafellander sich aus
dehnten, da wälzen sich Ströme, wo
Ströme fluteten, da bliiht die Kultur
in friedlichen Tälern.
Wie wird sich unter dem Einfluß
all der Kräfte, die Oberfläche unserer
Erde in einer fernen Zukunft gestal
ten-s Während es die Tendenz der
einen Gruppe von Kräften ist, fort
während Ungleichheiten in der Bo
denplastit hervorznrusen, hat die an
dere Gruppe fortwährend die Ten
denz, diese llngleichheiten zu nidellies
ren. Jhre Arbeit ist somit in erster
Linie ebenfcills Zerstörung. Ein end
loses Entstehen immer neuer Formen
ist die Folge, niemals wird ein Ruhe
zustand eintreten. Nehmen wir aber
an, daß sich durch immer längere
Wärmeausstrahlung die Erde mehr
nnd mehr nach der Tiefe zu abliihlt,
fo daß die aus dem Innern der Erde
heraugivirkenden Kräfte nach und
nach verstuminen, so wird das End
ziel der Nivellierung eiu allgemeiner
Gleichgewichtezustand aus der Erde
sein. Alle Höhen und Tiefen tvers
den ausgeglichen, keine Unregelmä
,ßigleiteu aus der Oberfläche des Erd
balles vorhanden sein. Freilich mits
sen wir niit ungeheuren, jede Vor
stellung übersteigenden Zeiträumen
rechnen. Die ganze Geschichte der
Menschheit ist in der Geschichte der
Weltlörper nur eine Episode. Wol
len ivir gar voraussehen, daß die
Erde durch tosmische Ursachen Ver
änderungen ihrer Eigenbeiregung er
leidet, wodurch sich zugleich die ge
samten tlimatischen Verhältnisse auf
der Erde verschieben müßten, oder daß
sie einmal durch äußere, tosmische
Kräfte in neue, den Erdball zugleich
ausläsende und neugestaltende Revo
lutionen versetzt werde, so müssen
wir aus eine Beantwortung der Fra
ge nach der Zukunft unseres Erdballz
verzichten.
W—
Bekehrtrr Bahnscind.
König Friedrich Wilhelm lll. von
Preußen war, lvie auch sein General
Lllostineister von Nagler, ein entschie
dener Gegner der Eisenbahnen, letz
terer wohl nur deshalb, lveil sein Kö
nig es war. Die Eisenbahn von
Berlin nach Polsdam lvar zwei volle
Jahre bereits un Betriebe gewesen;
der tibnig machte aber nach wie vor
die Tone nnch Polsdam nur zu Wa
gen. Nun handelte es sich um das
schlesische Eisenbahnunternehnieu,und
die Abneigung des Königs mußte
überwunden werden. Die Staats
riite von Duegberg der spätere Ober-;
priisident von Westsalen, und Gras
von Piickler, der spätere landwirt
schaftliche Minister, unterzogen sich
dieser keinesfalls leichtenAusgabe und
lösten sie (wie von ihnen gelegentlich
eines Diners in Münster erzählt
wurde) in folgender Weise. Aus
einer Conr bei Hase stellten sie sich
in nächster Nähe des Königs in einer
Fensternische hinter dte Vorhange
nnd führten, so daß der König es
hören mußte, nachstehendes Gespräch
,,91ber wag mag nur der Grund sein,
oasz Se. Majrstät niemals mit der
Eisenbahn fährt?« —- ,,Das Voll
meint, es wäre Furcht vor einem Un
glüdssalle.« —- »llnm·o«glich, ein Kö
nig, der in der Schlacht bei Kulm
t-nnmandiert hat, tennt teine Furcht.«
—- »Aber was lann denn sonst der
Grund sein«-« —- ,,Jch glaube, daß
Le. Majestai schlecht beraten ist und
snieint, die Eisenbahnen würden den
Staat mit zu vielen Schulden bela
sten.« —- »Dann ist es allerdings die
höchste Zeit, Sr. Majestöt eine an
bere Meinung beizubringen.«— »Das
dürfte Herrn von Nagler gegenüber
schwer halten« Am anderen Tag
verwunderte man sich in Berlin nicht
wenig darüber, als man in der
»Staatszeitung« las: »Se. Majestiit
sind heute morgens 11 Uhr mit Ex
preßzug von Berlin nach Potsdam
gefahren-« Seit diesem Tage machte
der König die Tour nnr ausnahms
tveise zu Wagen. Er söhnte sich denn
auch gar bald mit den Eisenbahnen
völlig aus und bewilligte sogas in
seinem Testamente eine Million Taler
siir eine Verbindungsbahn zwischen den
östlichen und westlichen Provinzen.
Diese Summe ist später der west
siilischen Bahn zugute getoinmen.«
W
— Ein Evikuröer. Sie:
»Na,Vatter,was mache Inir zuerst,
wenn mer in Stadt eini kinnnaf«
Erz-i «Friihstiirken.« «