Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 31, 1918, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntags-statt de
Staats Anzetger und Merold
ffcum-»Ist »Wir-»J: net-im den
Drei blaue Dritte
Ssizze von Paul Miit-nd
l
Nun hatte er sie schwarz auf weiß.
die ehe-ne Gewißheit, dafz man fei
ner Dienste fernerhin nicht mehr he
anrfte. Der blaue Brief. Gibt es
Grausameres auf Erden als diese
viindige Erlltirung: du oift nun eine
erledigte Sache, ein toter Manns
Dies also das Ende, der bittere
Abschlisiti
f Kalt gestellt, in bester Kraft. Hatte
er das verdient?
Ein ileberflieger war er nicht, das
Joufzte er sehr wohl, aber seine Schul
vigleit hatte er ftets getan.
Wie mochte seine Zukunft sich ge
statten? Hier bleiben wollte er tei
nesfalts —- otnoohl er den Ort liebte
—- gerade weil er ihn fo liebte. O·
Gott, wie hatte er sich gefreut, als er
vor drei Jahren das hiesige Regirnent
bekommen hatte —- hier, in der alten
Jugendheimat —- als gute Vorbei-eu
tnng hatte er es angesehen — törich
ter Wahn!
Rein, nein, heraus aus den alten
Verhältnissen — unverzüglich Jn
irgendein harzftiidtchen Blanken
hurg fiel ihm ein· Dort fand sich ge
wifz ein billiges Grundstück mit Gar-»
ten. "Spargetlultur? Rosenzuchti
Warum nichts-O Aeußerft sriedlieheö
Dasein. Er suchte Reiz in diesem
Gedanten ·in finden. Vergeblich. Al
les Gute, Schöne, Herzerhebende was
aufgewacht, vernichtet durch das
grausarne Papierblntt dort. Alles?
Ein lichter Gedanle durchzuckte
sein Hirn. Aber nein. Das war
erst recht ausgelöst-L Sie —- miti
ihren stolzen Träumen? Vorbei, alles
tsrtei.
Da trat Hans, sein Aeltefter,
ins Jnimer. Der Zehnjiihrige tvai
ihm chon wie An kleiner Kamerad.
Fragend schaute das atttuge Ge
sichtchen zu ihm empor. Papa« Er
regung entging dein Kleinen nicht«
lind Wittfteot fühlte plötzlich das
Bedürfnis, einen Anfang zu mache-nf
den ersien Fuß in das neue Leben
hineinzufekem
»Dans, trittst du toatt Neues wis
send-« begann er in möglichst fris ern
Ton, »wir ziehen im Frühjahr ort
von hier, nach Blautenbnrg am Harz,
Ia es euch lehten Sommer so gut ge
el.«
«Iort von hier-« Hans rifz er
ftnunt die Augen auf.
»Ja. Jch nehme meinen Ab
schied-«
»Du, Papa? — Aber weshalb
denn?«
»Weil Seine Majeitai est will,
mein Sohn«
Donnerwetter, ja, das tviirgte ihn
doch in ver liebte.
Ein flammendes Itot übergoß das
Knabengesichtchen »Der Kaifcr will
es? Abtk diliö isl jil «- dils — lsl
weshalb will er es Ienn?"
»Da-taki) haben wir nicht zu fra
gen, mein unge. —- Go, und nun
saß mich all in.«
Beini Abenbessen wurde die Sache
schon an der Familienlafel bespro
chen
Die Kleineren fanden die Aussicht
auf Abwechslung entziiitenb
»Aber Tante Gilf.ich H lommt die
dann auch mit nach Bl.inienburg?«
fragte vie lleine Lotte.
«Schäfchen,« verwies hanö die
Schwester-, »was foll Lie wohl in
Blantenburg machen? Die bleibt na
tiiriich hier."
«Ach nee — aber dann —- —« Be
triibt fentte Lotte das Köpfchen
lind ihr Papa ftiirzte eine febr hei
se Bisse Tee hinunter.
«Iriinlein« aber fah zu ihm bin
iiber, und ein Seufzer heb ihre flache
Brust
Witfledt hielt « räulein« fiir eben
io ein ältig. wie e reizlos war.
Sie aber fah fchiirfey als er
ahnte. Längft hatte sie gemerkt, wie
es um ihn ftand. Und baß die tchönes
Baronin Oilfach nicht ans reiner!
Kinderliebe fo unermüdlich «gute"
fee« bei den Kleinen spielte, war ja
o
nnenllar. ;
Aber nun wiirbe fle fich bedan
ten. Als Gattin eines bürgerlichen
Oberften a. D.·i —- Rinimernnlfr.
«Fräulein« war fehr zufrieden mit
der Wendung ber Dinge. Sie begann
Die-kosten- Unb Widbstedt redete ben
ganzen Abend lein Wort mehr.
Vie paar notwendigen Formalitiis
ten waren bald erledigt.
sittsedt Inietete ein häuschen mit
gutem Garten in Blankenburg.
Dann machte er feine Ablchiebsbei
M Kur fchnell fest —- fchnell alle
en abbrechen:
. Miit alt' III I lich
Wie-« nu- M Mr «
id«
dem Eisen. Schon- der nachlässigerr
Gruß der Untergebenen - sie hatten
wohl gar nicht dir Absicht, aber es
tam von selbst. Ganz anders waren
sonst die hände in die höhe ge
schnellt.
Und diese gewisse Besangrnheit un
ter seinen Ostizierew Wenn er nur
ins Kasino trat — gräßlich. Ach
Gott, er kannte ja das splles so genau,
von früheren Fällen her, diese scho
nende Riiäsicht, diese getünstelte
harmlosigteit.
Er war jeht empfindlich geworden
wie einer, dem die oberlte Hautschicht
sehlt. Zu ties hatte die Verabschie
dung sein Selbstgefiihi getrossen.
und W endlich — dek sub-l
schiedsbesuch bei ihr s— der guten Fee
seiner Kinder.
Das hatte er sich bis zuletzt ans-:
gehoben. Denn das war das Schwer
ste.
Gut vielleicht, daß es so tommen
mußte; die eine bitterste Deiniitigung
;blieb ihm nun doch erspart·
s Er hatte schon angefangen, törich
"te Lustschlösser zu bauen. Die waren
nun gründlich eingestürzt.
Er mußte an ein Geivrtich zwischen
ihr und seiner jüngsten Schwester
denlenk das er einmal als junger
Hauptmann wider Willen belauscht.
»Macht, Einslußxein Leben im gro
ßen Stil'«, hatte sie geschwiirmt, die
schöne Annalise, damals noch ein
Baasisch an Jahren, aber sriihreis
und sriih gefeiert, ,.we:szt du, was
mein- Jdeal ist? Einen hochgesiellten
Staatsnmnu zu heiriten, eine politi
sche Rolle zu spielen Kbstlich ausre
gend mus; das sein·«
Wie weh sie damit» dem jungen
Mann im Nebenzimmer getan, ahnte
sie nicht, ihm, der sie .inbetete, scheu
und stumm. Nie hatte seine Liebe
sich hervorgewagt· Jhre grosse Schön
heit, ihre Triumphe hatten ihn ein
geschiichterL Dann war "«e die Gat
tin dee öltlichen Kammerherrn ge
worden«
Und er hatte in der serneu Garnis
son seine riihreude tleine Leim ge
sunden.
Nun lebte die schöne Gilsach als
Witwe wieder cnit ihrer Mutter zu
sammen — geseierter denn se. Viel
ernster war sie geworden und schwerer
zu durchichsuen Eine Sphinx-, eine
diinwnische Weibnatur nannte man
sie und witterte Romane in ihrem Le
ben -—- sehr zu Unrecht. Wittstrdt
sand sie gar nicht diiknonisch trotz
ihrer dunklen Schönheit, nur unbe
schreiblich einziehend —- das Siiszeste
auf Erden «
Die Nachmittagsteestunden in ih-«
rein hellen Gartenialon, durch dessen
breite, hohe Glastiirea im Sommer
die Rosen hereingriißtsn im Winter
die schneebeladenen Zweige —- diese
Stunden hatten die Poesie seines Le
bens bedeutet. hier hatte er ein tie
fes Gliick empfunden- ein noch seli
geres geahnt.
thiqelchtossein Vorbei. Kops oben
behalten! Gut, dnß er so spät
erst zn ihr tamzv Nun hatte sie schon
Zeit gehabt, ihr Mitleid zu verarbei
ten.
Er trat in das wohlvertraute lnus
schige Zimmer mit den zierlichen
Molkagoniltühlen noch englischem
Geschmack nnd den hellen Borhängen
mit stitisiertetn Narzissenmuster.
Annnlise erhob sich
Diese wundervolle Gestalt voll
Mnjestät nnd Weichheit, eins seltene
Vereinigung!
Traurig sah sie ihn an mit ihren
warmen, duntelsnmtenen Stietmiit
terchennngem Anssallend bleich er
schien iie nnd schmal iewoedem Na
türlich its-It Pappenheini bei ihr, der
preiifzische Gesundte an dem kleinen
Hof
Jedermann wußte daß er sich
mn die schöne Gilsnh bewarb —
ein sympathisch nubsehender Viersis
ger, etwas ausgeblasen mit dün
nem Scheitel und seinen, mähen Zit
gen
Dei-wächst solle er einen neuen
Posten in Lissabon antreten.
Und er erzählte to viel und in
teressant von den portugiesischen Ver
hältnissen, wie mnn sie ihm geschil
dert- dnsz Wittstedt gar nicht nus
lein eigenes armes Schicksal zu spre
chen inni.
Nur dass er übermorgen reisen
wollte, erwähnte er.
Und in dem gleichen Augenblick
wurde die schöne Annalise noch um
eine Schnitiernnq blosser.
" Oder hatte er sich nur «ge
ltiiuich ti
Gewiss Sie hatte heute nnr ihren
Zienden Ing.
Pappenhetm sprag weiter von sei
ner bevorstehenden eereise.
Und Annnlise lauschte ihm stillver
innken. Dem andern Vesucher schenkte
lie nur hin und wieder einen einstens
Seinen-lich «
Natürlich, die Seereise mußte lie
in interessieren. Ausstand ihr ja
,«dinnen kurzem alles feldfi vevor.
Nun bekam sie ja, was fie wollte,
das Leben einer Diplomatenirau.
Endlich nahm Pappenheim Ab
schied
: Der Blick, der feinen handlufz de
;gleiteie, fprach fehr deutlich —- ent
ffehlich tlar.
»Auf Wiederfehen, Gnädigste.«
Und dann wollte auch Wittfiedt
gehen. Eine Angft vor dem Allein
fein mit Annolife ergriff ihn.
So wie sie sich Ieftanden hatten,
war ja nun eine Erörterung feines
Gefchicts kaum mehr zu vermeiden»
Und wozu —- wozus f
Ader sie hielt ihn zuriiet f
Und fnß dann ihm gegenüber,
stumm und verlegeti.« All ihre Welt
.damensicherheit fchien sie verlassen zu
haben
Er erzählte allerlei von den Kin
dern —- ziemlich gleichgültige Dinge.
»Und übermorgen reifen Sie wirt
lich?" fragte fie mit matter Stim
me
Er nicktr.
»Aber mein Gott, weshalb eigent
lich fo fchnell?«
»Aönnen Sie mir das nicht nach
fiihlent Man hängt nicht am Schau
platz feiner Niederlage.«
»Auch nicht an feinen ireueften
Freundeer«
»Ja, fehen Sie, verehrte — liebe,
guädige Frau, das ift nun — das ift
freilich schwer, aber -- hm« —
Jetzt mußte sie doch lächeln, wäh
rend ihr Blick die breiifchultrige-Ge
ftalt iiverflog und das gute, dunkel
geröiete Gesicht
Wenn er fv nach dem gefchictten
Ausdruck rang —- den er nur felten
fand! — dann traten die Stirnmuss
teln iiber den blonden, bufchigen
Brauen immer fo wunderlich hervor,
als ob sie anlchwöllen von der geisti
gen Anstrengung
·Höllifch fchroer, ja, wahrhaftig.«
—- Ein tomifch fchnoufender Ton. —
»Aber es muß gehen. »oui« doch
fchon einmal durchgemacht als junger
Kerl und —«
.Schon einmal —-Iie?" Jhre
Augen blihtem während sie sich zu
ihm vor-beugte·
Aber er reckte sich hoch aus. »Las
sen wir die alten Geschichten. — Sieh
da, die schöne Küstenlandschast." Sein
Blicl streifte eine aus dem Tisch lie
gende Photographie. »Ist das etwa
—- LissabonW
Sie nickte errötend.
»So, so. Das hat er Jhnen ge
bracht, damit Sie — Ja, übrigens,
nun wird es Zeit, daß ich gehe-" Die
Eifersucht hatte ihn derartig gepackt,
daß er seine Selbstbeherrschung zu
verlieren fürchtete. »Prachtvoll muß
das sein dort unten. Sie denken
es sich gewiß sehr schön, nicht
wahr? Sieh Lissabon und stirb,
heißt’o ja wohl, genau wie von Nea
del-«
Annalise antwortete nicht.
»Mir-un —«
Eine alte Dame mit lnngrieselnder
schwarzer Seidenschlepoe und silber
grauen Scheiteln trat ein, kühl
sreundlich und vornehm.
Sie spendete dem Scheidenden ein
wohlwollend-s Abschied-stockt Und
Linnalise reichte ihm stumm ihre eis
talte Hand.
Dann eilte er fort
— »Ja, ich kann nur immer das
eine.rviederholen: ich begreise dich
nicht,« seufzte Annalises silbergraue
Mama nach einein sehr langen und
inhaltreichen Gespräch, das sie weni
ge Stunden später mit der Tochter
gesiihrt »hatte, »die schönste Chance
bietet sich dir, und du greisst nach
der Misere. So nenn ich es und
nicht anders. Nun bitt ich dich
bloß: was sesselt dich an den Manns
Sein Exterieth Jh diichte —'«
»Nein-" Lächelnd schüttelte Anna
lise den Kopf.
»Sein Geists Unmöglich.«
Wieder das träumerische Lächeln.
Ach nein, sie erkannte deutlich die
Grenzen seiner Begabung. Früher
hatte sie ihn siir einen hervorragend
tüchtigen Ossizier gehalten. Und die
Erschiitterung dieses Glaubens hatte
ihr weh getan. Nun war auch diese
Enttiiuschung überwunden. ’
»Und all das übrige vollem-«
Nein, auch das ,,iibrige« lockte sie
nicht. -
Aber das schwamm ja alles nur
aus der Oberfläche. Das, was sie
band an den schlichten, tchiversiilligen
Mann. was sie innerlich an ihn ge
bunden hatte schon seit stilhen Ju
gendjahren, das war nicht zu erhe en
durch die Leuchte des Verstandes
das ruhte in der Tiefe ihres We
sens, still und unwandelbar, unbe
riihrt von den wechselnden Einflüs
sen des Lebens —- das lag im Gebiet
des eheimnisvollen, ein Teil ihres
zselb , das Echteste, Reinste, was in
ithe lebte. —
E Warum Iliirb jsiiiitiit «
Von F. Here-gez s
Jüngst traf ich die Tochter meines
Onkel-Z, meine kleine Kusine Lusti, in
Tränen. Sie saf- auf einein kleinen
Scheinel in der Fensternische liinter
dein Vorhang und schluchzie so heftig,
daß ihre hübschen Augen in Tränen
schwammen und ihre Lippen manch
mal zuaten, wie von oerhaltener Bit
terkeit. Eine dicke tleine Niobe, wie
aufgelöst iii dein unendlichen Ozean
ihres Schinerzes. Jin übrigen war;
mir das Schauspiel nicht iien. Insl
tenne meine Unza. Jch sah sie fchoii
mit aitsgelöstetii Haare iveyitagend im
Haufe uncherlausen, weil die Köchin
das Biigeleisen der geschritten blage
hatte aus den Schwanz fallen lassen,
und ich ioar Zeuge ihres herzzerreis
szendeti Jammers-, als der Rmarieiis
dogel an einem Hanslorn den »Pip5«
bekommen halte und sich ioie iii un
endlicher Weltderachtung iiiisblies,
bis er einer stiigel glich. Ich glaube
Luzas Gesundheit erfordert es, disk
sie sich einmal wöchentlich wenigsten-·
griitidlich einstwean Findet sie ke:-·
nen anderen tltechtstitel dii,iii, so sticht
sie die ältesten Jiilirgänge der »Jll:i
strierlen Blätter« hervor und liest —
tver toeisz zum idieoielteii Male! —
»die letzten Stunden des tlaiserg von
Mexiko« oder »den Untergang der
Elbe«.
Ihre feiisible Seele hindert sie aber
durchaus nicht, bei Tisch eiiieii ganz
gewaltigen Appetit zn entioiaelii, ja
selbst niit den Knaben hier nnd da
einen kleinen Strauß nicht zu ver
schmähen. Das aber nur so nebenbei.
Also ioie gesagt, ich fand Liiza weis
nend in der Fenster-titsche Ich fragte
auch nicht erst viel, denn ich ioufzte fo
fort, daß nichts anderer-S als jene-S
roteingebundene Buch, das nus ihren
Knieen lag, die Ursache ihres Schiner
zes sein tonnte. Die letzte Seite wer
aufgeschlagen Jch nahm e- aus nnd
überflog das letzte kurze bit-intel
l«is·ll. Kapitel.
Ein-Jahr später...
Wir sind wieder im alten Schlosse
der Grasen Robo3. ..
Jrn Turm der Dorsiirche erklangen
aufs neue die Psingstglottrin Jhre
schwermiitigen Attvrde glitten leise,
Tanbenschwärmen gleich. über die son
nenbegliinzte, blumenduitende Flur,
bis an die Spitzbogenienster des
Schlosses.
Friede und Ruhe überaltt Nur in
dem zauberhasten Dunkel des meer
griinen Bondoirs ist tein Friede und
in dem Herzen des schlanten bleichen
Mädchens, das nnter Fächerpalmen in
hitzigem Fieber liegt, ist keine Ruhe. ..
Grasin Jsanrat Nein, nicht Jsanra,
nur Jsanras Schatten ihr Antlitz
ist wachsbleich und durchsichtig wie die
Apfelblüte, die der Reif getroffen: der
Reis der Enttiinschung...
Der ttlang der Glocken erweckt sie
aus ihren sieberhasten Träumen. lsin
schmerzvolles Lächeln erschien ani ih
ren seingeschnittenen Lippen und leise
stiisterie sie: »Sie-nett Elen:er!«
In diesem Augenblicke ging die
Tiir aus nnd aus der Schwelle er
k. .—«:3—-—-—- .-».-.
,.Pai1a, ein visilchcnblanrr Brit-i
der tommt von Tante Jilsache hui,
wie der wieder prachtvoll riechi!«
rieien Hans und Lotte, gegen Abend
in ihres Vaters Zimmer stiirmend.
Sie kunnten das Billettpapier und
das zarte Veilchenparfiint ihrer guten
üer.
Aber diesmal erregten sie nicht
die gewohnte Freude. Wittstedt er
schraek. Eine seltsame Joeentombis
nation. —
Noch einmal ein blauer Brief, sehr
verschieden sreilich von den nüchternen
Aiiverts, wie das Militiirlabinett sie
versandte, aber —- vielleicht nicht min
der leidbringendf
Ein törichter Gedanke eigentlich,
daß Annalise ihm noch schnell vor sei
ner Abreise den Todesstoß versetzen
sollte — die Mitteilung ihrer Verlo
bung -—- aber Wittstedt war jeht im
mer aus das Schlimmste gesaßt. Mit
liebender thd erbrach er das Pries
chen. Und als er es gelesen, stürzte
er auf seine Kinder zu, drückte die
beiden Blondiöpse ans Vers und eilte
dann hinaus, strahlend von Glück.
Das Briefchen enthielt nur wenige
Worte.
.,Lieber Freund, der Eintritt mei
ner Mutter hinderte mich heute mor
gen, Jhnen aus eine Frage zu ant
worten. Ob ich mir Lissabon schön
dächte, wollten Sie wissen·
»Ja, wundervoll.
»Aber einen Ort aus ver Welt den
te ich mir noch tausendmal schöner.
Und der heißt: Blanlenburg am
Var-.
Unnatise.«
-
schien ein sonnengebrännier stolzer
Mann.
» »Jsanra!'« ries er, »ver.zeih’ mir!«
» Die Antwort war ein leise erster
"l)enver Seufzer, leicht wie der Flügel
sehlag eines Schmetterlings: »Jh
verzeihe dir«.
«Jsäura!«
Jsaura war nicht mehr. Ihre schä
ne Seele schwebte bereits in lichten
Höhen.
Der stolze Mann wars sich aus die
Kniee und schluchzte heftig. Zum er
stenmal in seinem Leben weinte er
Hell klangen die Psingstglocken.
Aus Der ötitppel des Grasens schlosses
aber erschien eng nnd feierlich die
seidene Jtauersa e wie ein ungeheu
rer Rade-.
Es wi Pfingsten Friede nnd
Ruhe al berall. Nur der Mann, der
in dem rneergriinen Bondoir ans Dem
Eisbärsell lnieie, srug sich unter herz
zerreißendem Schluck-sein »Warnm?«
I s I
W:shrhastig, das-Z war mehr als
ana vertragen lonnte· Alles ließ sich
so schön an! Psingstem Sonnen
schein, Blumendust. Herrschaft-We
Parte niit schnnrgeraden Vauinalleen,
Marmorgöttern nnd hohen Schlös
sern. Herzoge, Markgrafen nnd ge
wöhnliche Grasen, die reiten, uin hun
oert Flaschen Champagner wetten
und ihr Wort alg Evelinann geden.
Dann er! Gras Elemerl Eben war
er aus Asrita zurückgekehrt Um eine
Kopfes-lange iiierragt er vie iitirigen
und wenn er spricht, so rotet sich vie
Narbe ans seiner Stirne. ?
»Herr Baron, Sie sind Z«eig!«' sagt-i
er oder »Am Ende des P rtes wes-,
ich einen ruhigen Platz, wo wir ein
Paar dingeln wechseln tonnienl" Dann
trifft er Jsaurat Der stolze Eteiner
die eigtalte Jsanral So seindtiche
Blicke werfen sie sich zu nnd so tnlt
sprechen sie nnd boeh merli man gleich.
Dasz sie sich lieden. Dann tomcnt ir
gend etwas dazwischen, lFleiner geht
nach Afrika. Jsanra geht in ihr
meergkunes Boiidoir. Luza aber tri
chelt still vor sieh hin. Denn Luza
ist trotz des miitterlichen Verbotes
eine ersahrene Romanlzserin und
weiß, daß. wenn auch das Antlitz
Jsauras von Tag zu Iaq oteicher nnn
bleicher wird, Eleiner ja doch zuriirts
kommt, vielleicht gerade wieder am
Pfingfttage, und dann röten sich bald
wieder die Wangen Raums
Und da, plötzlich! Was ist das?
Ah, jener Blitz aus heiterem Himmel.
Erst den«-un sie entsetzt den Deckel
des Buches anfznlratzea ob nicht viel
leicht ein paar Blätter oort tleben,
dann sank sie erschiitteri, vernichtet
nnd wie gebrochen zusammen. Grä
sin Jsanra starb! Statt-. als-l der
titonian am interestitesten geworden
wäre. Starb gegen jeden Brand-; nnd
jede lieberlieseriiiig, start-s niirllirn nno
unwiderruflich, starb« ein srhmerjool
les Liickseln aus den seingesiljnntenen
Lippen. Und Graf tsrlemer lniete jetzt
dort in dem meergriinen Bontoin
ana aber in der Fensternische nnd
beide fragten selilnrbzend: »Warnln’-’«
Jetzt verstanden sie beide erst den Ti
tel des Romaan jene-:- unfaxeicsbxire
nnd docb so mit-lis-fclnoerer»ttijarain?«
»Bist-, sei gescheit! Du musjt die
Dummheit nicht ernst nehmen. Das
ist ja alles nicht wahr, der Verfasser
hat daö einfach so znsaniinengefchries
ben«.
»Wenn er es zusamnieugelogen hit,
war-m hat er nicht anders gelogen?
Warum hat er’s nicht so zasannnenges
logen, daß sie aliicilich werdens
Warum ?«
. i .
»Luzer, meine tleine biete Ln3a,
l)ör’ mir zu, ich will dir erzählen,
warnm Griifin Jsaura starb, »ein
schmerzvolles Lächeln auf den feinges
schnittenen Lippen«.«
Der Schriftsteller, der Verfasser von
,,Warum?" vinicrte einmal bei seiner
Tante und nach dem stasfee sagte er«
»Ich will schreibe-il«
Jm Zimmer wurde es plötzlich
mäuschenstill, die Alten sahen sich viel
sagend an. Marisla aber idrang ans
nnd sagte: .,Jn meinem Zimmerl«
Jn fiins Minuten hatte sie alles
vorbereitet. Anf denslleincn Schreib
tisch legte sie zwanzig Blatt fenes
weißes Papier und einige neue « lu
ininiumfedern. Auch ein Glas fri
schen Wassers stellte sie hin nnd in die
Majolilavase, neben der Biifte eFoleth
Grads-, steckte sie einen blühenden
Fliederztveig. Die Kinder wurden in
die Nachbarschaft getrieben und der(
Vogeltäfig mit einem Taschentuche besJ
deckt. Eine so heilige Ruhe herrschte»
irn ganzen Hause, daß man das Sum
men jeder Fliege, ja selblt die letsen
Schritte der Muse hätte hören tbnnen "
Der Schriftsteller sehte sich nieder·
dachte ein wenig nach und schrieb
»Liebee here Löwht Wenn Sie
glauben, mich mit der Psändung zu
schrecken, so irren Sie sich gewaltig.
Wenn Sie aber noch sechs Wochen
warten wollen, bekommen Sie Jhr
Geld bis zum leßten Kreuzer. Jch
sagte Jhnen bereits« daß ich an einern
»Warum?« betitelien Romane arbeite,
von dem die Hälfte anch bereits fertig
ist« Meine Herausgeber, die Firma
Fuchs und Co» beharren leider dar
aus, nichts zu besagtem bevor der Ro
man nicht beendet ist. Dazu brauche
ich aber noch etwa sechs Wochen
Warten Sie also.geduldig, lassen Sie
mich in Ruhe arbeiten, dann bekom
me ich mein Geld und Sie das
Jhre«.
Den Brief schloß er in ein Kuoert
nnd schob ihn in die Tasche. Mart-ä
ta wartete mit vor Neugier glänzen
den Augen in der Tür.
»Schon aus? So wenig hast du A
aus meinem Tische geschrieben?«
Sie hätte gerne geh-Lin wenn ihr
Kusin einen ganzen Roman auf itz
rem Tische geschrieben hätte. Dieser
aber meinte: »Ich lgatte nur einen
Einfall, den ich auszeichnete".
»Ein LiperxsnP erklärte Marish
den Alten.
Die Kinder begannen später vor
den Nachbarstindern zu prahlen: Un
tser Onkel tann Aperizus schreiben,
eurer nichtt
» »Luz-««, willst dn wissen, was fiir ein
Mensch dieser liebe Herr Löwy war-«
Er war weder ,,lieb« noch »Herr«.
Ein taum vier Fuß hoher, alter run
zeliger Kerl, der immer in Schwarz
ging. Sein rechter Fuß war um ei
nen Zocl lürzer als der linke, deshalb
trug er am rechten Schuh eine zott
dicte Sohle-. Sein tiopf war ganz
Stirne, das Gesicht war ihm irgend
wie bis zum Kragen herabgerutsclzt
nnd wo andere Leute den Mund ha
tten, dort hatte er die Angen; wo an
dere das tiinn haben, dort trug er
den Mund.
Das Aperizn hatte bei Herrn Löan
die Wirtuiia, daß er riui nächsten Tag
in Begleitung einiger amtlicher Per
sonen mit seiner llapperndeii Holz
sohle in die Wohnung des Vers sserxs
von »Warum« hinanslaiii und Pflän
dung hielt
Dein Schriftsteller war von all-n
seinen irdischen Gütern nur sein Frart
leid. Nicht als oh er von seinen übri
gen Habsetigteiten stiesiniitteriieher ge
dacht hätte. nur weil er den Fraet mit
Riiclsicht ans den nahen Frisching
dringend brauchte. Herr Löivn aber
ivar unerbittlich nnd versprach nur.
den Fraet erst zuletzt dranzunehinen.
Die Pfändnng dauerte eine Stunde·
bis dahin konnte man sich nach Geld
nnisehen.
,,Lu«3a, du fragst, was den Frack
der Tod der Griisin Jsaiira angehe?
Lusti, der Fract tötete Gräsin Isari
ral Als der Schriftsteller mit sin
sterer Miene so ans nnd aus ging,
nahni er das nniertiae Manutlrivt
von »Wariiin«t« in die Hand. Ha,
wenn niiin ietzt den Roman rasch lie
eiiden löiinte!
Damals taiii ihm die Idee, Jsaura
zu töten nnd so turz und lsiindizi den
Roman (id»iii7chliesieii. Er tiiinpsie
lange mit sich. ttzen sollte er opferm
Griifin Jsanra oder den Find-? Er
liebte deine. Jsanra ioar :inia, schön
und edel. Biber auch der Fiait ioar
noch ganz gn:, ineiiii auch ruht neg
liesoiideris das Futter ivar Trlon etiviäki
abnexvent
Lum, der Israel sie-ite. Während
gerade die akzrii Hanf-erei- nin den
larierten Blieaeiiniantel handelten, irg
te sich der Schriftsteller nieder und
schrieb das l«i"ll. trapiieL Dann
nahm er einen Wagen, snhr zu Fuchs
nnd Co. nnd iilserreichte ihnen das
illianuslripn Die Herausgeber staun
ten zivar ein irrnig, daß aer Roman
so kurz geworden, dann aber rechneten
sie aus« idie viel ihm siir jeden Bogen
komme, nnd bezahlten das Honorar".
Liiza. die sich siir litterarhistorisehe
Daten sehr interessierte, fragte: »Und
rettete er den Frarl noch? tiain er
noch zurecht?-'«
»ana« arme Lusti, sei ans das
Schlimmste gefaßt. illls der Schritt
steller das Geld in der Tasche spürte
ging er gar nicht nach Haus«-, sondern
meinte bei sich: »Was brauche ich den
eilten schädigen Frath Jm Winter
lasse ich mir einen neuen machen .
sein und elegant, aus glänzendein
Kammgarn mit Villiiösiittec«. Als
aber der Fasching tain, hatte der
Schriftsteller leineii Frael, ivedee
neuen noch alten, der Verleger hatte
einen schlechten Roman und Löer
hatte nicht einmal die Pfäiidnni ein
getrieben. Die arme Griisin Jsanra
aber mußte sterben, in der Blüte ihres
Lebens. ein schinerzvolles Lächeln aus
den seingeschnitteiien Lippen, und nie
mand wußte «ivarnin«?«
—0-.· —
-- Die Schineigianie iiir
Katseetriinzrhem Hat die
Frau Nat uns mich nur eine Neuig
teie erzählt? Nicht dass Geringste
läßt sie uns ioisseiil
s Sie haben recht, Frau Qiiasfelt
IBicher hat sie nichts siir die Wissen
itchasi getani