Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 24, 1918, Sonntagsblatt, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    LiciVHkquut
Roman von III-lud stets
(11. FortfeyungJ
»Mittlich reizend, vorhin...,« tag
te sie in mühsam unterdeiicktem Zorn
«Wenn Du Dich schon danach lehnst,
mit Leib unt-Seele Franzafe zu wer
den, dann gewöhne Die auch wenig
stens die französische Ritteeltchteit an«
— auch gegen die eigene Frau! Statt»
daß Du mich unter meinem eigenen
Dach beschimpfen läßt! Wahrhaftig:
man mag über Alpbonse sonst denken,
tote man tritt — abet ek hat tm flei
nen Finger mehr Takt und Fänge
fttht als Jht alle zusammen!«
Karl Ieddekfen hatte kaum zuge
hött. Er nahm mit totgenvollek Miene
ein paar Depeichen aus der Juckt-i
fche. Sie beobachtete es gereizt.
»Sei to gut. Charley, und dlasse
noch einen Augenblick Deine Kurie,
wenn ich init Dir redet«
Er riiusperte sich. « -
Jst sind teine Geschäftsunchrichtem
Margotl Sie betreffen Dicht Jch muß
es Dir se t ersssnem Dein guter Va
ter ist ni gang wohlt«
Was i«
»Bei-denen hat er Dir schon nicht
selbst geschrieben, sondern Deine-n
Bruder dittiert. Seitdem hat es sich
leider verschlimmert!«
Sie schie aus:
»Und das sagst Du mir erst seht?«
.Aus sein eigenes Geheiß, Margotl
Er hat rnir telegraphisch das Ehren
wort auferlegt, es Dir erst nach Be
endigung der Taussestlichleit mitzu
teilen! u kennst ihn doch besser als
ich! Er will ja nie stören-« nie zur
Last sallen.. . auch nur anscheinend.«
Nein! Das sah Papa ganz ähnlich.
Sie drückte bleich und erschüttert die
dände ineinander-, um ihre Angst
niedergulärnpsen Jhr Mann suhr
stockend spri
«Gerade nor Tisch ist das legte Te
legranun getonnnem Man bittet Dich
nach Berlin. Am besten ist es, Du
nimmst den Abendng in zwei Stun
den.'
Sie antwortete nicht. Sie eilte mit
gusatnmengebissenen Zähnen in ihre
Gemächer. Sie tiingelte der stammer
iungser und hals ihr selbst beim Pal
ten· Atemwsi Wahllosi Wie es tum.
Dann stand sie reisefertig vor der
Wiege ihres Kindes. Dort drüben, in
nächtlicher Ferne, nhnten, fürchteten
ihre umflorten Augen eine Bahre. An
sang und Ende des Seins — der,
der ihr das Dasein gegeben — der
hier, dem sie ed geschenkt —- sie in der
Mitte zwischen Leben und Tod...
—
is.
«Jesus meine Zuversicht.« —- Von
der Entpore der Berliner Invaliden
lirche llang der Sängerchor, die Or
gel brauste, unten im Schiss saßen
dieht gedrängt, Kopf an Kaps, die
Unisarmen Varne die alten Geneeaie,
die Wassengesährten des nun entschu
senen herrn von Teussern — stren
ge, gesurchte Gesichter, aus manchem
ein Sinnen: Wann fährst auch Du
zur großen Armee? Hinter ihnen die
Abardnungen der Truppenteile, die
Verwandten und Freunde des hauses«
die Regimentstaineraden der Söhne,
dazwischen, in das Bunt eingestreet,
die schwarzen Trauerslore der Ossis
giersdamen
Vorn vor dem Altar stand der
Sarg. Voll Blumen und Kränze.
lieber den weißen Handschuhen lag
ver Degen. Der Geistliche fiillte mit
kräftiger Stimme die Kirche. Er
sprackz von den Teussern, die seit
Jahr underten immer bereit gewesen,
wenn die Hohenzollern riesen, und es
ging wie ein Wehen durch die zu bei
den Seiten niederhiingenden, ver
morschten und vergilbten preußischen
Ruhmeszeichen wie ein feines Echo:
,Friberieuzd Stier-, unier iiiinig und
el —
Wir seh ztgen den Teufel siir Dich aus
dein Felds·
ein Rauschen durch hie Zeiten, Treue
um Treue·
Einer der Generale hob den schlech
toeißen Raps und musterte eine Setuns
be hie Familie in der Loge links —
hie Witwe, die Kinder, die Schwie
gersiihne und Schwiegertöchter. Vorn,
neben ihrer Mutter saß Margarete,
das Tuch vor den Augen . . . Ei war
ihr wie ein Traum... Die Reise
durch die Nacht hierher . . . das Ster
bebett... der Vater hatte sie noch er
innnt. .. iie nngelchaut . « nrit seiner
Danks die ihre gesucht... so, als ob
er ihr noch etwas sagen wollte —
gerave ihr vor allem — es lng wie
eine Angst aus seinen eingefallenen,
giitigen Zügen -— ei blieb unausqei
Zitka . Er nnhm ee mit sieh hin
hiniiber... Papa war immer da
qeweien... man wußte überall sein-.
Nähe und hilfr. Seine stille Art wirt
te in einem nach, auch wenn man ge
strennt von ihm war. Selbst in Paris.
Margarete mertte ietzt erst, wie iie
dort immer noch ais Gegengewicht zu
ihrem Jedversenschen Leben ben
siiickhait in ver heimat gesiihlt hatte.
Sie spürte, wie bat hier Geist von
ihrem Geiste war. Und wie ein Wiss
derhnti der Erkenntnis let-los obenl
. vie Stimme bei Predigen- «Sei ge
treu bts in den Tor-, so will ich Dir
die Krone des Lebens geben!« Und
Degen und heim qui dem sarze
- Des-them ,dier ruht ersiiilte Pflichtt«
W
und qui den entsinnen Senat-ku:
aller alten nnd sinngen Offiziere lag
ein Ubslanz diefes »Ich dien"·. »
Der Sarg hob sich. Es war ein
Trauerzug iiber die Straße in den
nvalidensikchlfpf einein auf dein
chon fo viele preu ifche Krieger ruh
ten. Die Leute auf dem Bürgerficig
blieben flehen. Viele lüfielen dcn
Hut. Ueber das letzte Sommerlanb
an den Bäumen. Noch fangen vie
Vögel. Fern dröhnie Berlin. Der
Geistliche breitete die hände aus«
All die funkelnden helme fanlen nie
der.·. mit bloßen Köpfen standen
»die Gener.1le, die Leutnants... ,Va-«
Hier Unser, der Du bift im himnsel
Damper Schollengeloller auf
idem Sarg... ein Händedruck nach
fdem andern neben dein offenen Grab.
Margarete fland allein. Ihr Mann,
der fie nach Berlin begleitet, hatte
dringender Gefchiifte wegxn noch vor
der Beifetzung heimreifen müssen. Sie
hörte, wie einer der alten Herren
halblaut, mit verbissenen Tränen, zu
dem anderen sagte:
»Ich hab' ihm amalö noch die
Fahne aus der ha d genommen, bei»
Mien, wie ihm die Kugel durch die
hand ging . . ."
.Jck hal)f et niimlich in der Zei
tung selesen,« sagte er zu sitt-albern
»Da bin ick von Ebers-runde herüber.
Jck war mit dem herrn Hauptmann
bei Mars-la-Tour!"
Die drei Söhne drückten ihm, einer
nach dem andern, stumm die Rechte.
Auch dem Krugwitt aus einem marki
schen Ders, einem einstigen Burschen
des Herrn Obersten. Vom Verein ehe
maliger Angehöriger des alten Teuf
sernschen Regiments war eine Ader-d
nung erschienen. Biidere Bürger-. Die
Exzellenzen ertannten darunter Leute
ihrer früheren Truppenteile. Sie be
grüßten sie mit Handschlag Es war
wie eine Verdriiderung am Grabe.
Kein Unterschied der Stände mehr.
Preußen selbst, da- Volt in Waffen,
trug den General von Teuifern zu
Grabe.
Und ein Bild erschien vor Marga
rete... die Taustasel in Paris...
vor wenigen Tagen . .. die satten Ge
sichter... das skeptische Lächeln...
der Streit iiber die Knrse... Sie
sröstelte... ihr war, als tiime sie
aus einem Psuhl. ..
, Sie schaute um sich. Die Trauer
iseier war zu Ende. Die Leidtragenden
»verloren sich in Gruppen. Weit da
lhinten stand ein einzelner Herr, brei
schultrig. im Zhlinder u. dunleln Pa:
letot, wie absichtlich abseits. Sie hat-«
te ihn bisher nicht bemeklt· Er mußte
sich während des ganzen Begräbnisses
in den letzten Reihen gehalten haben.
Er tam ihr vertraut vor. Nur etwas»
störte sie. der kurze. blonde Vollhartd
Den trug er früher nicht. Sie zuckte
izusammem Er war es doch. Es tvar
iMorih Liinemann. «
i Er sah gereister und männlicherx
aus. Es lag ein iiiitvilltiirliches, et-!
tvas schwerfälliges Selbstbewußtsein
in seiner Haltung. Eben wandte er"
sich um. Er wollte sich ossenbar un-!
bemerkt zurückziehen So machte sie
ihn nicht gehen lassen. Am heutiger-s
Tage nicht. Jhr herz war weich· Sie»
ging aus ihn zu und reichte ihm die!
hand. Er ergriss sie stumm, mit der
Linien den hut lüstend. Er wartete,
Hvaö sie ihm zu sagen habe. Er ver
zinied die herlömmlichen Beileidsphrm
;sen· Es war eine turze Pause. Dann
iversetzte sie: i
s f»Ich danie Dir, daß Du geiommen
bi t.«
Es erschien ihr natürlich, ihn Du
u nennen, hier im Angesicht des
odes. Er erwiderte turz:
»Ich war es ihm schuldig! Jch hab«
zu viel Hochachtung vor ihm gehabt
.. . immer . · ."
Sie verstummten nnd schauten aus
den Kieo zu ihren Füßen nieder.
Dann hob sie den Kopf und srug lei
se: »Wie geht es Dir denn?«
«Danie, sehr gut!«
»Du hast den Abschied genommen?«
»Schon vor mehr als zwei Jah
ren."
»Und bist zustiedesii«
»Man ist mit mir zusciedenl Also
bin ich’i auch!«
Wieder schwiegen sie. Er iam ihr
nicht um einen Zoll breit entgegen.
Er sprach nicht eine Silbe von sich
aus. Er srug sie nicht ein-nat, wie es
ihr ginge· Sie bot ihm zum Abschied
die Rechte:
»Leb wohlt«
,,Leben Sie wohl!«
Als sie dann vom Begräbnis heim
subren, Mutter. Schwestern und sie in
dein geschlossenen Wagen, sie alte in
der überniichtigen, zersallenen, leeren»
und matten Stimmung, nach Erstic-!
lang der lebten Pflicht, sprach aus»
dem trüben Schweigen heraus ihre«
Schwester Sosie von selbst von Mo
rih Liinenranm
»Er macht Karrierei« sagte sie. »Er
ist in der Jabrit die rechte Hand des
Generaldireltors Malloney. Jch hab'
neulich ehöri: er verdient schon säus
zebntaufend Mart int Jahrt«
Nach Feddersenschen Begrissen war
das nicht viel. Es tot Margarete weh,
dass sie halb unbewußt diesen Ber
gieich zog.vDas war der Geist von
da drüben —- dat war ihr Mann . «
Nein, hier mußte sie siir sich sein —
unter denen, die ihres Blutes waren
. ihres-«Namens... ibrei Gei
stes...
Am Abend saßen sie alle beieinans
der in der Wohnung der Eltern-I
lleber der lag noch der Sterbehauch «
. ..
Man ging unwistttrlich aus den Fuß-i
.sptien, man sprach nur halblaut —s
ei war, ais sei unsichtbar immer ei
ner mehr im Zimmer-, bitte, was man
redete, wisse, was man dachte. . . Die
Ehrfurcht vor seiner Nähe spiegeite
sich auf allen blossen Gesichtern.
Man hatte das Gesiihi, daß tiefes
Schweigen das Beste sei. Aber es
tvar eine Erlösung. daß man Jeden
mußte. Von den uiichstliegenden, all
Jtiiglichen Dingen, die mit dem To
sdessall zusammenbingen Mtrgarete
,sasz etwas abseits von den anderen.
FES war selbstverständlich. daß sie, die
lMillionörim von vornherein aus jede
Erbschaft verzichtetr. Sie wunderte
sich nur, wie ruhig und vornebm
diese geschäftsungewobuten jungen
Männer und Frauen, die doch alle
im Punkt des Geldes nicht aus Rosen
gebettet waren, miteinander verhan
delten, einander entgegentamen
ängstlich jeden Schein mieden, als
suchten sie einen Sondervorteil. Die
Besprechung dort dauerte nicht lange,
der alte Herr hatte seine Angelegen
heiten in musterhaster Ordnung zu
rückgelassen· Er hatte seinen Tod
geahnt nnd in stoischer Ruhe erwar
tet: er schrieb es selbst in einem Ab
schiedsbrief an seine Söhne und
Töchter, einfache, giitige Worte. Er
dankte ihnen siir ihre Liebe. Er
war mit sihnen zufrieden, er gab
ihnen seinen Segen anf den Lebens
weg
Sie hatten diese Zeiten« mii der
Aufschriit »An meine guten Kinders«
zuoberst in einem Fach seines
Schreibtisches gesunden- Daneben
hatte ein zweiter Brief gelegen. »An
lmkiuk ner-e Gut-« stand mn zittert
ger Hand darauf. Der älteste Bru
der gab ihn ihr. Sie nahm ihn
stumm und ging hinüber in das Zim
mer ihrer Mutter. Dort stand sie
allein für sich neben der brennenden
Kerze und last
»Meine geliebte Tochter!
»Du bist dasjenige meiner stin
der, dem es am besten geht, und das
einzige, das mir wirkliche Sorgen
machte
Tie anderen brauchen meine Er
mahnungen nicht« Sie gehen ihren
Gang. Zu beiden Seiten haben sie
Schranken. Sollten doch einmal ei
ner nicht recht vorwärts tönnen, so
sind genug bilsreiche Hände nm ihn
herum, die ihn weiter führen.
Du aber stehst sern von uns, allein
its. einer schwindelnden Höhe »
wenn man Reichtum Höhe nennen
ioll. —- Um Dich find Menschen an
Iderer Art, als ich sie kenne. Ich
sweiß nicht, wieviel sie Dir sind. Mir
haben sie, als ich bei Dir war. gar
nicht gefallen. lind Du, meine gnie
Grete —- Dn mnszi bedenken, ich mi
sche mich nicht bei Lebzeiten in Dei
ne Llngelegenheitem ich spreche jetzt,
nach meinem Tode, hier noch einma!
als treubesorgter Vater zu Dir —
Dn auch nicht! Deswegen bin ich
nicht xoiedergekomemn
Du hast Dich in Paris verloren,
Grete —- das verloren, was wir Dir
ins Leben mitgegeben haben. Du
hast dafür Fedderfenschen Geist und
Feddersensche Weltanschauung einge
itiilschL
» llnd denke: wenn es Krieg gibt.
innmal muß er wieder kommen
zWir sind zu reich und froh. Wir
haben zu viel Neider Dann gibt es
teine Deutsch- Nussen und Deutsch
Franzosen mehr, sondern nur noch
Deutsche und ihre Feinde Jn wel
chem Lager bist dann Du? Zerreißt
Dir der Gedanke nicht die Seele, daß
Dein Sohn dann die Wassen ge
gen das Land siihren soll, das Dich
gebar?
Kind. . . Es ist mein einziger
Kummer-, den ich noch habe. und
meine legte Bitte ist die: Bleibe im
Geist uns treu! Denke deutschl
Mache Deinen Mann wieder deutsch!
Du hast Macht iiber ihn. Er liebt
Dich. Jch habe Dich beobachtet.
Glaube mir: Du wirst doch nie ganz
so wie die Leute dort: Dazu muß
man von Jugend aus zu ihnen ge
hört haben. Dir geht viel zu sehr
Dein Elternhaus nach! Das magst
Du zehnmal verleugnen, Du wirst
es doch nicht los. Du warst doch
immer so stolz, mein Kind! Jch an
Deiner Stelle würde schon aus
Stolz so bleiben, wie ich bin. Und
eben dadurch den anderen auch Ach
tung abnötigen und. .
hier brach der Brief ab. Der Ge
neral von Teussern war ossenhar ge
stört worden und hatte nicht mehr.
die Zeit zur Vollendung gesunden.
Margarete las die Zeilen andöchtig.
Dann lehrte sie zu den übrigen zu
rück. Sie war den ganzen Abend
still. Sie wollte am nächsten Tage
heim. Sie durfte den tleinen Char
leI-Jwan nicht länger allein lassensp
Es ging ihm gut. Jhr Mann schickte:
ihr jeden Morgen ein Bulletin übers
sein Besinden. Am Nachmittag vor
der Abreise stand sie mit der Mut-s
ter noch einmal vor dem Grab. Sies
hörte ihr Schluchzen. Sie dachte«
wie verlassen sie nun sein würde, und
bat sie:
»Komm doch zu mir nach Paris,
Mamal«
Jn Frau von Teusserns vom Wei
nen geritteten Augen las sie sast ei
nen Schrecken über diesen Vorschlag
Daran hatte die Generalin noch
nicht gedacht. Das konnte sie nicht.
Sie zog nach Potbdam zu ihrers
.;,-.
Idort wohnenden verwitweten Schnee-«
stet.
,Nein, Grete,'« sagte sie. »Ich dan
ie Dirl Aber zu Euch passe ich nicht
lhinl Das weißt Du auch selbst am
sbesten!« Und ihre Tochter schwieg mit
seinem triiben Lächeln und drang nicht
weiter in fie.
f Als sie dann, von ihrer Kammer
liungfer fiir die Nacht verfvrgi, allein
lin ihrem Abteil des Luxus-pages saß,
als die Räder unter ihr eintönig tast
los rollten, selten einmal in dem
bleiernen Daniel vor den Scheiben
lein verlorenes Licht vorüberglitt, als
nach all den Aufregungen und
Erfchiitterungen dieser Tage plötzlich
tiefste Einsamleit sie umgab, da sagte
sie sich: Der arme Papa spricht in
seinem letzten Brief so zu mir, wie er
mich vor fünfviertel Jahren gese
hen hat. Seitdem hat sich vieles in
mir geändert. Jch brauche Rat nnd
hilfe jeyt nach weit nötiger als da
mals in dem ersten Rausch. Jetzt
ist die Erniichterung gefolgt. Ich sehe
»Ak·
Eine Stelle des Briefes stand ihr
vor Augen: »Du hast Macht iiber
Deinen Mann. Er liebt Dich. . .«
Sie hob in miider Hoffnung den
Kopf· Das war wahr-. Karl Fed
dersen liebte sie in seiner Art. Wer
noch geliebt wurde, brauchte nicht zu
verzagen. Er hatte noch den
Schlüssel zu feinem Schicksal in Hän
den«
Unter ihr donnerten die Schienen
auf einer Briiete über einen unsicht
baren Fluß. Er riß sie fort durch
die Nacht, aus der zerstörten Heimat
weg. Sie hatte jetzt nnr noch eine
Zuflucht aus Erden —— bei ihrem
Mann und ihrem Kind. Reue erfaßte
sie aus einmal. Sie warf sich dor:
ich war lieblos gegen Eharleyl Er
ist doch nun einmal mein Mann. Jch
muß ihn nehmen, wie er ist. Jch
hab’ ihn nicht zu nehmen verstanden.
Zuerst hab’ ich zu leidenschaftlich um
feine Liebe geworden, dann,sals er
das nicht begriff, stieß ich ihn durch
Gleichgültigleit zurück. Jch muß ge
duldiger sein. Jch muss immer dar
an denteu, daß er mich liebt. Dann
werde ich die beiden, den großen
,Eharley und den lleinen Eharles,
ldoch noch in Wirklichteit mein eigen
nennen. nd -— wer weiß —- sie
Ivielleicht d , wie es der Vater will,
Funmertlich hinüber-ziehen in meine
-Welt. . .
Sie hatte jetzt aus den Schaueru
der Sterbeftunde, des Begräbnisses,
lder Nacht vor den Fenstern ein
schmerzliches Sehnen nach dem, der
dazu berufen war, sie im Leben zu
schützen und zu geleiten. Die Ein-·
samteit war wie eine Mahnung in
ihr. Sie war in einer weichen, ver
föhnlicher Stimmung, als der Zeugin
Paris einlief·
l Karl Feddersen holte sie am Bahn
hos ab und brachte sie nach hause.
Sie fing bei Tisch dn, von dem Be
Hrräbnig zu berichten —- von den vie
;len Offizieretn den Reginientsabord
jnungen, den Veteranen, der Predigt,
sdeni Fahnen neben dem Altar. Er
lhatte ausmerlfani, aber ohne eigent
stiiche Teilnahme zugehöri. Plötz
lich brach sie in helles Weinen ans.
Er legte erschrocken den Arm um sie.
»Was hast Du denn, Margath
»Ach nein. . . nein. . « Sie
ltrocknete ihre Tränen, »es ist nur
; so. . . «
s »Nun, Daisys«
»Es ist dort aller- so andere- wie
hier-«
l »Wiesos«
i »Ich weiß selber nicht. . . das ver
steht Jhr hier nicht . . . Dass tut ei
nem so weh. . «
Das reizte ihn schon wieder.
»Friiher hast Du Deine heimischen
Verhältnisse nicht so belvundert!« sag
te er trocken. Sie nickte.
»Nein! Aber bei solchen Gelegen
heiten mertt man doch, daf-, Inan
ein Soldateniind ist! Es steckt in
einem!«
»Nun. . . es freut mich, daß die
Feier so würdig verlief. Wie steht
es denn mit der finanziellen Lage
Deiner Mutter? Jch bin natirlich
gern bereit. . .'«
»Dante sehr. Papa hat fiir alles
gesorgt!«
Jhre tnrze Antwort verdros: ihn.
tfr versetzte ziemlich scharf:
»Du scheinst die Gelt-frage gering
einzuschiitzem nach Deinem hochmüti
gen Lächeln zu schließen. Jch nicht
Jch gehöre nicht zu Deinen Herren
vom bunten Tuch, jenseits des
Rheinst Ich bin Kaufmanns Man
tann das Geld verachten, ma chcirel
Aber dann sollte man es auch richt
annehmen nnd mit vollen Händen
ausgeben!«
Sie zuckte lzusammen. Es toar
eine Pause. Endlich sagte sie lang
semi:
»Du hast recht! Ich lebe ia hier
von milden Gaben! Ach. . ich
hab’ solche Angst. . Charley
um Gottes willen, hilf mir doch
sei mir doch einmal in meinem Le
ben nah.'«
Sie lvar anfgesprungen. ·«lnch er
erhob sich verwundert.
»Was möchtest Du, denn, mon en
sant’i« frug er nachsichtig, halb lä
chelnd Sie ahnte schon förmlich
seine Handbewegung zum Portefeuille
in der Fracktaschr. Sie streckte ab
wehrend die Rechte aus.
»Has; nur diesmal Dein Schock-f
shach stecke-» Chqkteyx Das ist es’
»nicht!«
«Sondern?s«
) «Gib mir einen hnitL . . Schnu.
swie mir zumute ist . . . Denke Dich
Ein mich hinein. . . ich irrlichtere da
Ihin und her! Mertst Du das denn
Igar nichts-«
»Nein-«
Sein erftnunter Blick bestätigte es.
Es lag Mißbilligung darin; Er woll
lte nach Tisch seine Ruhe hoben. Er
Izündete sich im Solon eine Zigarre
inn. Er wartete, daß sie weiter spre
chen wiirdr.
»Was ist denn nur passiert?" er
kundigte er sich, on sie schwieg.
»Nichtö!«
»Ob« was soll denn passieren?«
»Auch nichts!«
»Allons! Tout vn hieni. . .
Was willst Du denn noch, mein
Kind?«. . .
»Mein Leben möchte ich! Es zer
rinnt mir fo! Jch tnnn es nicht fas
sen!. . . Es ist so ein schrecklicher Zu
stand . . . Ich möchte dnsitzen und
«iveinen. . . nicht über Papa, sont-ern
·iiber mich. . . Jch weiß nicht, was
aus mir werden soll, wenn das so«
weiter geht«
Er rang nun ernstlich ungeduldig
die Hände.
«,,Waö denn weiter geht? Margot
— man muß auch nicht undankbar
sein! Du hast wirklich alles, was
eine Frau ,oom Leben erwarten
kann. » Mann und Kind. . . Reich
tum nnd eine glänzmde Position!
Zur Kaiserin von China tann ich
Dich freilich nicht machen!«
»Aber unsere Ehe könntest Du an
ders machen! «
»Wie denn?«
»Jnniger, Chaelet). . . einfacher· . .
herzlicher. . ."
,,Einsacher't’ Sollen wir etwa
am Sonntag nachmitlag nach St
Cloud ziehen?. . · Du schiebst den
Kinderwagem ich trage das Netz mit
Eßsachen . . Oder wie denkst Du
Dir das?«
Sie kannte seine Ari, Gespräche,
die ihm nnbeqnem wurden, ins Lä
cherliche zu ziehen. Es zurtte um
ihre Lippen.
»Ich bin schon still, Cl)arley·« sagte
lsie. »Es ist ja alles vergebens! Du
bist blind und tat-bl«
»Wenn Du mir nur endlich verra
ten wolltest, wag Dir eigentlich
sehlti«
»Ein wenig Wärme, Elsarlcn, wei
ter nichts! Jch sriere so zwischen
Euch! Jhr seid so takt. lind mir tut
Kälte so meh.«
Er ging ungeduldig in seinem
Zimmer aus nnd ab.
»Ach. . . verschone mich mit diesen
Zentimentalitäten von jenseits der
Vogesen. Sie kommen gerade heilte
so unglücklich wie möglich. Komm
mal her, Daisy. . . Jch will Dir was
erzählen!«
Sie folgte seiner Aufforderung
lkr legte ihr die Hand unters Linn.
»Deswegen kam ich heut’ in so gu
ter Stimmung nach Hause, ma pe
tite! Es ist ja nur eine Aenszerlich
teil, aber siir mich doch sehr wertvoll.
Mein Naturalisierungsgesnch ist beut’
vom Minister unterzeichnet, von jetzt
ab sind wir —- Du, ich und Chorus
Jwan —— Bürger der französischen
Republik.«
Sie erwiderte nichts. Ihr Gesicht
lblieb unbewegt. »
,«.
14. - k«
»Lieber Eharleh!
l Du schreibst, dasz Deine Geschäste
Dich noch ein oder zwei Wochen in
lParis festhalten! Ich hab mirs
gedacht. Eure Geschäfte dauern hin
terher immer doppelt nnd dreimal so
lang als Jhr zuerst glaubt. Du
meinst, ich möge mir inzwischen die
Zeit in Biarritz nicht lang werden
lassen. Doch, Charley — die Zeit
wird mir hier zu lang! Ich habe
sSehnsuchi nach Cl)«.irleg-Jnmn, nach
Hinsereni beim, nach Dir.
’ Auch nach Dir! Das wird Dich
wundern. Aber es ist so. Jch
lhabe in diesen Tagen viel iiber mich
nachgedacht, iiber unsere Ehe, über
haupt, wie so alles gekommen ist.
sMan glaubt ja immer man tut im
Leben, was man will Aber hinter
her merkt man, daß einen irgend et
Hvas von hinten unsichtbar gepackt
nnd geschoben hat.
So bin ich Deine Frau geworden
»Jch möchte mich einmal brieslich mit
Dir aussprechen, ehe ich mich tnrz
entschließe und dieser Tage aus eigene
Faust zu Dir nach Paris tocnme.
Ich habe mir die Frage vorgelegt:
»Wenn es nnn vier Jahre zuriick wäre
’und Du wärest wieder Margarete
Teusern —- was würdest Du ein
zweites Mal tun? Würdest Du wie
der Ja oder Nein sagen? Und ich
habe gesunden, daß es daraus gar
leine Antwort gibt. Denn det, der
sich das vorher überlegt, ist ein ganz
anderer Mensch als der, der vorher
die Entscheidung tressen soll. Mit
anderen Worten: man tann nichts
inn, als sich mit dem Gegebenen ab
ssnden und die Folgen seiner Ent
schliisse tragen. Die sind ja nicht im
mer sroher Natur. Unsere Ehe ist
nicht so geworden, wie sie hätte sein
sollen und hätte sein tönnenr Wir
gehen nebeneinander her. Wir sind
einander milde. Du kannst ruhig
Wochen ohne mich in Paris verbrin
kgece ich rede hier Hunderte m stei
ilen von meinem Mut-. Wie miisen
fang vlel näher kommen. Charletyt
; Das hab« ich in fchon oft versucht
;—— aber, wie mir fet tlar ist« auf
ffalschem Wege. Jch be immer nnr
lvon Dir-« alles erwartet, Hatt III-F
mal mich selber zu priifen.9 »Beste«
hab’ ich jetzt hier allein nnd in frem
ldem Lande Gelegenheit gehabt unt-«
habe es in ver Woche feit Deiner
Abreise fchonungelos getan. Da hab'
ich erkannt, daß auch an mir viel
Schuld an unserer trüben Ehe liegt
Jch habe eine Verftandebheieat ge
schlossen. Ich habe leine Liebe, fon- «
dem Selbstsucht mitgebracht Du
warst mir nur der Gebentm der
Schliiffel zu äußeren Dingen des Le
bens, und haft es Varan wahrlich nie
fehlen lassen, und ich habe sie ais
selbstverständlich hingenommen. Und
wenn ich versucht, die Liebe durch
Pflichterfüllung zu ekfeyety —- ja
Jhr habt mir ja nie Pflichten aufer
legt. Jhr nnhmt sie mir sog-n- aus
den Händen: Jch darf noch nicht
einmal vie Temperatur im Zimmer
meines Kindes- felbft beftilylen Jst
bin rein ein Luxusgegennnnn uno
was das Schlimmste ist« ichsDirbexMich.«;,..
darin wohl gefühlt. Das-sticht sich
jetzt an mir. Mein besseres vTeil wird
unruhig. Es fordert ein«-Ieicht Es
muß es haben. Es gerät-sonst ein
mal auf Abwege. Denn schlafen wie
bisher tann es nicht nichts-«
Wenn ich jetzt; ohne Dich erst zu
fragen, zuriicllehre, Theilen-. mußt
Du in mir mehr sehen ais bisher.
Du mußt mir einen Wirkungskreis «
geben, der meiner würdig i.st,,"ern«ste" i·
Obliegenheiten. Jch will von setzt
ab Charles-Jwan tatsächlich und in «
jedem Sinn eine Mutter sein. Wir
beide. feine Eltern, wollen unt pri- s
samtnen einleben in eine wirtliche
Freundschaft. Denn tvir sind doch
aneinander gebunden, Und ich brau
che einen Halt. Kein Mensch sann Mif
die Dauer ganz allein fein, am we-.
nigsten eine Frau. - (
Warum ich Dir das alles i reilse
und nicht lieber sage? Lieber Linn-«
leh, ich siirchte Dein ironisches Lä-«
chem! Vor dem erstirbt mir van
Wort im Munde. Jch bringe nicht
die Hälfte von dem heraus, was ich
iietzt niedergeschrieben habe. Jch
Iflehe Dich an: Lasse von nun an dies
ILächelnl Sei gut zu mir, sei ernst
Hu mir! Ehre Deine Liebe u mit
lindem Du mich von nun ab iir voll
inimmst und nicht als ein Spielzeug
ibchandelst Sich nicht nur mit Wo l- .
igesallen mein bischen Aeußereö ib ,
sDir Mühe-, auch einmal in meine ·
Seele einzudringen. Vielleicht ist da
mehr. Ich will es Dir lohnen. Jch
will Dich lieben. Dann werden wir
gewiß noch recht, recht glücklich zu
samtnen
Jeh werde schon, wenn Du mich«
auf dem Bahnhof erwartest, nn Dei· «
nein Gesicht sehen, ob Du mich ver
standen hast« dasz dies eine Abent
wende für mich bedeutet. Eine Wen
duug zu Dir. Jch flüchte mich zu Dir.
Jch muß es. Jch schicke diesen Brief
heute als Boten voraus nnd reife
selbst morgen von hier ab. Von Den
oahe telegraphiere ich noch genau mei
ne Ankunft in Paris. Auf Wiederse
hen! Lies meinen Brief genqui Eies «
ihn lieber zwei- oder drei-nei, bis er
Dir alles sagt, was er sagen soll.«
Kiisse Charlesstan von miri
Margarete.«
Sie hatte eine Abschrift dieses sti- «
ten bei sich und übuslog sie·npch ein
mal ernst und gedankenvoll, with-end
der Siid-Erpreß sie langsam, aus ges -
riiuschlos rollenden Rädern nach dein
eigentlichen Europa trug.
Die liamuiersrau steckte den Kopf
durch den Tiirspalt und erkundigte -
sich sliisternd, ob Madame etwas .
brauche. Margarete Feddersen der
urinte. Sie schloß die Augen und .
lehnte sich in die Polster zurück Sie .
war froh, daß sie nun bald schlafen
konnte. Als sie ani nächsten Morgen
den Vorhang zurückzog, werf- est-schon
spät. linerniüdlich surrten und san
gen unter ihr die Rädern Draußen
glitt Frautreich vorbei ——· abet nicht
das lacheude Hügelland wie sonst.
Dieser lahle Saudboden, diese tub
losku Kiesernloälder des Departe· «
mentg Landes erinnerten an die Hei-· «
mat . .. an den Grunetvald... an die -
IDiisterleit zwischen den Föhten —- ,
ldas Rot der Sonne iiber der Hohei- ;
wie sie es so ost in ihren Mädchen- ·
sahren gescheit . . ..
Seltsam: bei dieser Gedankenw ;
binoung stand Moriß Litnemann vor T
ihr. Sie hatte lange nicht mehr an J
ihn gedacht. Es hatte Monate-g e-« ·
ben, lvo er ganz aus ihrem Bewu i- "
sein geschwunden gewesen lvat. Jth E
aus einmal lebte er wieder. Sie wuß- ’
te selbst nicht« wie das lam.
tFortietznng solgt.)
—......C- - -
—- S-eiliältitisch.—- Wie san-.
ge fahren Sie schon zur See als z
)Schisssarzt, Herr Doktor-?
i --— Etwa sieben Seemestetl
i
—- Vor dem Nennen-Renn
stallbesiyer (zum Jockey): Williams
Sie sind zu schlvet; können Sie denn
inichts ablegen?
« Jocley: Jch habe ja schon meinen
leichtesten Anzug an und habe den
ganzen Tag nicht-Z gegessen.
Rennstallbesitzert Dann gehen Sie
wenigstens und lassen Sie sich rast-(
ren. -
, , Izu-f Lkpy
»
« N