Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 06, 1917, Sonntagsblatt, Image 10

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    LMädcin
Waldk.
Von Peter Roscgget.
Kluger muß er fein, der entlegene
Gebirg-ebenen vielseitiger gewandt
und tätig muß er fein, ais der
Kirchweihe-.- und vollends als der
Städter —- er muß! sanft kann er
nicht leben.
Der Städte-: dass leicht; wenn er
Schreiben kann, oder rechnen, wenn
er z. B. die Lederfabritalion ver
steht, oder eine Suczereiyandlung
leitet, oder gar, wenn er spekuliert
und sich auf das Kaupdnichnetden
verlegt —- fo hat er alles, was er
braucht; und was ein Stadtmenich
alles braucht, das weiß jeder, der
einer ist. Was in den Stadien
durch die Teilung der Arbeit tau
send Köpfe, Hande nnd Rader ve
jokgen, nämlich das Bedürfnis des
Leben-L das muß der entlegene Ge
birge-hallet in feinem engen Kreise,
mit feinen kleinen Mitteln «iir ilch
ganz allein machen. Er ist antr
prodnzent, Fadeitantx B ntler
und Konsument Zum Stück
das er ißt, hat er vor einein Jahre
mit eigener Hand das llocn in die
Erde geworfen; sur den Speck, den
er zum Kraut genießt, hat er mit
den Rüben, die er auf eigenem Bas
den gebaut, das- Schwein gelniislet
Der Schuh, den er trägt, ist aus
der Kuhhaut, die er selbe dem Tier
vom Leid gezogen und gegerdt hat;
die Wolle zum Ledenkoa hat er jeis
nen eigenen Schafe-l adgefchoren,
hat sie gespaltnen, gen-eben und ge
waltt. Sein Hemd fah er im vori
gen Sommer m der blauen Blüte
des Wachse-s lcyuuntekn ans sonni
gent Felde, und der Llceltzuber, in
den jeiue Kuh die Milch rinnen
läßt« nat vor einein Jahre noch in
einem Fichtenftantm jeiues Waldes
gesteckt. So könnte ich in tanaer
Reihe Dinge auf-zahlen an denen
der Bauer fein eigener Züchter,
Gärtner, Mütter- Biictm Schmied,
Santer, Zinnnernmnn, Weder-,
Wagner usw. sein muß. Und eine
Wirtschaft, in der das auees zusam
men auszuüben ist, braucht nach gar
nicht sehr groß zu ieiu, es- ist das
gewöhnliche Baucrnyang in den
Bergtiitern, in weiche die tat-schlu
ftige Welt noch nicht ja recht zu
dringen vermochte
Ov ein solcher Bauer nicht einen
Kopf brauchtt Wdht ist auch dieje
stepf Eigenvatn und das ist gut,
denn der Oausierjndh der allzeit ve
reit ist, etwaigen Bedarf um gute-z
Geld aus den Siödten zu vermit
teln, könnte ihn tantn besorgen.
Heute wird auch das ander-; aber
seit zwischen Stadt- und Bauern
haus das bare Geld jo wichtigtues
riich hin- nnd herrollt, hat der
Bauer feine rechte Luft mehr an fei
ner Wirtschaft, in der er immer fiir
andere arbeiten foll. Dazu braucht
er ja nicht in der Einöde zu sitzen,
das kann er draußen auf Pacht
gründen und in Fabriten ja viel
besser-, er verkauft oder ver-wirtschaf
tet seinen Besitz und zieht dein Gelde
nach. Und jetzt erst ist der dumme
Bauer dai
Es ist eigentlich gnr nicht notig,i
daß man derlei sagt, weil es ja in
unserer gesellschaftlichen Entwicklung
der natüriiche Laus ist und nicht ans i
der-.- gis-acht werden tann —- mich;
dass Hans meines Vaters-·- — von!
dein ich etwas erzählen will —- eine «
Wirtschast gewesen ist, in der ieirz
sost aller-, inni- ioir brauchten, selliitl
erzeugt haben. lind doch iznt uns-l
schon damals der-J Geld einen Streich i
gespielt. Mein Vater verstund iich
besonders gnt ans das werben der
Häute, aus die Weberei, Aliiillerei
und aus dass Leinöleressen Bei
letzterem wcir ich til-J eton zelnisulss
riger Knabe ihm oft recht wacker
behilflich, indem ich mit einer
Schnitte Weißbrot ins Oel tauchte
das«aus der Kluft der Preßbiiinne
rann, und dann mit der gelbglänsl
senden Schnitte in meinen Mund
fuhr. I
Während solcher Beschäftigung
trat eines Tages der Holzliiindler
Element-Z in die Preßiammer. Der
war einmal Waldmeister in Alt-el
qewesen, hatte sich aber im Holzhan i
del so beidenmäßig viel Geld erwor
ben, daß es ihn in unseren Bergen
nicht mehr litt, sondern ins breite
Miirztal binaushrytr. wo er ruhe-i
los tätig war, sich mehr und noch;
mehr Geld zu erwerben. Er wars
bei dieser unerquicklichen Beschäfti
guna ganz mager gewordentm «
übrigen aber immer noch leidlich bei
Humor. lFiker Clementg fragte nun
ass er in der Holxiinlde das Rie
seln hörte, ob der Most snß wöre7
- Er sollte ihn vorkosten, lud mein
vBester ein: aber als der Element-.
i
Dir viel gute Snch’ in's Daux nnd
Du tust mir so was anl«
.Du bist mir such der Erste, der
den Mach-wein nicht magl« sagte
bietet-is mein Vater. »Ist ja richtig
wie ein Wein, se qaldsarbiq und
klar. Und für die liebe Gesundheit
kannst du gar nichts Besseres finden.
Jch bin den setzten ein paar Och
sen schuldig worden, und dennoch
tät’ ich heuk tief unter der Erden
liegen, wenn der himmlisch· Vater
das Leinöl nicht hött' wachsen las
sen.« —
»Und weil du, Guttlob, noch über
der Erden stehst, Waldbauer, so
wirst halt Geld brauchen«, säbelte
der Elemente ein, «schan, mich bat
dein Schwengel hergeführt, ich
bring’ dir eine.«
»O mein du«, versetzte hieraus
der Vater nnd legte sich mit sein-er
ganzen Schwere über den Hebel
daß der Ueintnchen in der Presse
noch seine letzten Tropfen lassen
mußte, die aber in ein besonderes
Töpslein funken, weil solcher Rest
nicht ganz so klar und ntilde war
als die erste Abrunnr.
»O mein du", sagte cr, »das
Geld hats ich freilich wohl zu brau
chen, aber trage nnr wieder fort
ich weiß, was du dafür haben willst.
Du willst die sechs alten Fichte-n ha
ben, die bei meinem Haus stel)en.
Es gebt nnr deute um ein groß’
Trumnt schlechter-. als vor einem
Jahr, wo du dich der Bäume wegen
lsast ungefragt, aber ich bab’ dir
feine andere Antwort, als wie da
zumal: die sechs Bäume neben dem
Hans die sind ein Angedenken von
Alters, und wenn ich Acker nnd
Wiesen verlaufen muß und das
Vieh au- dem Stall: die Bäume
bleiben stehen, nnd wenn sie mich
ohne Truhen ins Grab legen sollten
müssen; die alten Bäume bleiben
stehen, bis sie unsers Oerrgotts
Blitz spaltet oder der Sturmwind
bricht.«
Tie letzten Worte waren schnau
fend gesprochen, und mit denselben
war nun auch der letzte Tropfen
aus dein Leintreder.
Der Clenients aber sagte: »Wald
bauer, du wirst keinen steter vertan
sen, und tein Etiiel Vieh aus dein
Stall; du wirst eine Truhen aus
weißem Eschenholz kriegen; Gott
geb·, daß du sie noch lange nicht
branchestl Du wirst auf der Welt
noch gute Tage haben. Tu wirst
nicht die alten Fichten, aber du
wirst aus deinem Wald die schlag
baren Härchen vertausen, die drin
nen stehen. Hast deine Brieftasche
bei dir, so halte sie ausl«
Jch erschrak, als ich die "sser der
Bantnate sah, die der Versn r jetzt
aus seinem Leder gezogen hatte und
nnt zwei Fingerspitzen wie ein
Fähnlein var den zuckenden Augen
meines Vaters hin- nnd herflattern
ließ. Das Mißgeschick hatte bei uns
dem Holzhändler gut vorgearbeitet
nkir konnten all’ dag, was wir unser
zehn Köpfe und Mögen bedurftei-«
nicht mehr aus den achtzig Jechen
Berggrnnd herausziehen; der Arzt
schickte uns Briefe, die ich nicht weich
nnd sanft ·genug lesen konnte, das
sie dein Vater erträglich wurden:
»Der Waldbauer wird hiermit aus
gesordert, binnen vierzehn Tagen
widrige-ifails...« »Da meine
Geduld endlich gerissen, so habe ich
bewußte Angelegenheit dein t. t.
Gerichte übergeben, und wird, wenn
nicht innerhalb acht Tage... die
Psändung...« Derlei sind so ziem
lich die ersten Sätze gewesen, die ich
in unserer lieben hochdentschen
Sprache zu lesen besann Auch das
»Stistbiischel« mit seinem »Datuni
der Schuldigkeit« und »Damit der
Abstattnng ließ mich ahnen, welche
Kraft in« der Sprache Schiller-Z und
Goethes verborgen liegt.
Es war ein leibhaftiger Hunder
ter, den nun der Holzhändler mit
den zwei Fin ern an der Ecke hielt
Qb in demslben Augenblick nicht
ein kaltes Schuttern durch's Ge
unpsel der Härchen gegangen ist, dies
dtanszeit einzeln zerstreut im Fich-;
tennsalde standen! Ob nicht ein ban-;
ges Ahnen die kleinen Lsogellierieiil
angewelit hat, die in seiten Winseln
ihre Nester gebanti —- Mein Vater »
streckte die Hand nicht aus nach dcrns
Gelde, aber er verbarg sie auch nicht
nn Kleide- er beschästigte sie nicht
mit dein Hebel, er ließ sie — wie
er svon der Arbeit crschöpst so da saß
—- halb essen- wie sie die Natur ge
bogen, aus seinem Schoße ruhen.
Ter Element-Z senkte das seltsame
Papier hinein, da triimmten sich die
hager-en Finger sachte —- instinktiv
— und hielten es sest.
Die Lärchen waren verkauft.
»Mir muß ich mir noch eine Be
dingnna machen«, sagte der Holz
tiändter, da er wußte, daz arme
Bäuerlein lag bereits ins Banne des
»Selbes, .im Spätherbst, wenn ber
Schnee kommt, lasse ich die Bäume
schlagen Du wirst dich verwun
;bern, Walbbauer, wenn ich bir sage:
jäher deine Lörchenbäume wird ber
ssaiser fahrenl Jn, sa. ztnn Eisen
sbaliiiliaite brauchen wir sie. Meine
thbiiistmq istbte ,basi meine Holz
MW sp tätig M M« »F
ers, is its u n
Hirten-«
s
ksp kbesiiiiiiskd meisitsters
« L Hist-Jesus
et ihnen unter meine-n Dach gntq
Genua W«
Welch ein Unheil wurde rnit die
sen gutmütigen Worten liber nnser
sittsan Baldhaus herausbeschwas·
ren -
Der Clements schenkte mir noch
ein sehr glänzendes Gröschlein und
ging dann munter davon.
Jch erinnere mich ;nach, daß ich
mich darüber wunderte; die Mun
terteit war doch offenbar unsere Sa
che. denn wir hatten das Geld. Der
Vater trug das seine in den Dach
baden hinaus nnd verbarg es im
Gewandtasten; es wird sa bald wie
der auswandern Dann gingen die
Tage bin, wie sonst, nnd im Walde
standen die Pärchen und schanlelten
tm Winde ibre langen l»Beste« wie
sonst, und wurden ini Herbste gelb.
wie sonst, und setzten an den Zwei
gen fiir ein nächste-s Frühjahr an
wie sonst.
»Die wisseii’s anch nicht, daß sie
schon so bald sterben sallenl« sagte
mein Vater einmal zn mir, als wir
von der Wiese heraus durch den
Wald gingen. Jed- tröstete micy
aber rnit der Hoffnung daß der
Holzhandler Element-J, der draußen
ini lustigen Mützznschlag lebte nnd
gar nicht mehr in unsere Gegend
kann ans die Pärchen vergessen wür
de. Meine Mutter, der ich das
heimlich ansspracl1, rief laut:
»O, Kind, der vergißt ans seine
Seel’, aber nicht ans die Härchen!··
Und eines Tage-S, als der Erd«
baden schon fest gefroren war, als
das Moos unter den Füßen kni
sterte nnd brach, da hörten wir im
Walde das Rauschen der Sage. Wie
wir über die braunen Zichtenwipsrl
hinschanten, sahen wir aus denselben
die gelbliche Spinsänle eines hoben
Lärchenbannies ragen. Tas Rau
schen der Sage verstummte-, die
Keilschliigc tlangcn, da neigte sich
sachte die Spiesxiulcy tauchte nieder
nnd durch den Wald ging ein Dan
net.
Am Abend darum hatten wir die
Heiztnechte im Hans-. Es waren
nur zwei, und als wir sie indem ge
fielen sie uns allen· Ter eine war
schon betagt, hatte einen langen roten
Voubnrt, eine Glatze und eine scharf
krummgebogene Nase. Tie Beug
1ein des Mannes schienen sehr klein,
weil die roten Wimpern und
Brauen von der Hantiarbe kaum
abstechem aber in den Lieuglein war
viel Spaß und Schaum-it Ter en
dete war wohl tnu zwanzig Jahre
jünger, hatte ein braunes Börtleiti.
war aber ionit im Gesicht etwas
blaß und schmächtig; wer jedoch fei
nen strnmmen Nacken und feine
breite Brust veachtete, der hielt ihn
für einen echteren Holzknecht als
den Roten, der nur feines Bartes
wegen so martialiich aussah, sonst
aber weit kleinbeiniger wer ais der
Blasie. Beide hatten steife Schutz
felle uin und rochen nach Harz nnd
Odlzlpänen
Zur uns war bald abgelocht, le
überließ ihnen die Mutter den Herd.
lind wahrlich, die verstanden ihn
zu benützenl Was sie da lachten,
war nicht das bekannte Holztnechis
Wildpret, als Oirschen«, Erschien-,
Epnhens und dergleichen Nacken,
wie nian lie aus Mehl und Fett zu
bereitet; das war wirklich Fleisch
nnd Speck und Braten, nnd das
ichmorte und tnatterte in den Pfan
nen, daß unsere Mögen, welche nnt
einer Brotinppe und Erdäpfeln ab
getan worden, in höchste Aufregung
gerieten. Aber der Note zerriß unt
den Fingern ein ganzes Speckftiich
nnd wir sollten kosten· Einen mit
Stroh nnnvundenen Zuber hatten
sie bei sich, daraus tnt einer und der
andere lange Züge. Der Rote lud
meinen Vater ein, ihren Wein zu
versuchen. Er tat’5, und dabei er
ging’5 ihm noch schlechter als dein
Elemente bei der Leinölmulde: ini
Zuber war liölliicher Branntwein.
Jenl wars Tag für Tag, daß
die Holzhauer in unserem Haufe
praßten Uns Kindern verging die
Luft an,unlerer täglichen Kost, weil
wir den Uebertlnß und das Wohlle
ben sahen. Wir wurden unzufrie
den, und unser Gesinde, das alt-J
zwei halber-wachten n Tieniltncigden
nnd einer halt-blinden Einlegerln
bestand, tat manchen liefen Seufzer
Doch der Rote wußte uns zu ergöt
zen. Er erzählte von den Städte-i
und Ländern, denn die beiden Mön
ner waren viel bei-umgekommen und
hatten in großen Ins-eilen gearbei
tet. Dann gab er Schwänke und
Schaut-eilen zum Besten: in den er
sten Tagen auch Mittel und drolliae
Wortlviele, bei denen die Mädchen
viel lieber-ten- Vater und Mutter
ftilllchwiegen und ich nicht recht
wußte, was ich mir denken sollte.
Dann kamen Liedchen, in welchen
zum inneren Entzücken unter-isi Ge
stades das ländliche Arbeit-ben in
allen feinen Gestalten zu klarste-n
Ausdruck kam Mir uns Kinder
war's da allemal Zeit. ins Bett du
sehen. aber unsere Strohan
befanden M eben in der Stab-, in
welcher die låltlnen Plane vergin
sen. sie Wesen wohl die Ins-in
nnd II Mk Miå sen selten
M « doch die M
Der til-He Geist-teilst war stiii
und ordentlich, enn- dez ahead-il
auch nicht so lange in der Stube·
sondern suchte stets dei Zeiten seine
Schlaistelle auf, die draußen inis
Oenstadl war. Diesem gesitteteii
Beispiele konnt-Zu doch auch die Mädsl
;chen nicht na
Roten schwatzen nnd verloren sich
reden, sie ließen den
Mein Vater bemerkte einmal guts-!
Roten, dass der Junge gescheiter
wäre als der Lilie. woraus der Role
fragte, ob dem Bauer·etwa die lus
stigen Liedlein nicht recht wären; er
wolle dann fromm sein nnd beten.
s Und er hub an, im Tone des Vater
unser-s Spottspriiche herznsagen;
stieg ans den Herd und verhöhnte
in der Predigernianier eines Kapu
ziners die heiligen Apostel, Mär
tyrer nnd Jungfrauen, so dasz meine
Mutter mit ausgehodenen Händen
vor meinen Vater trat: »Ich bitt-:
dich tausendmal Lenzeh wenn dn
mir diesen gottloan Menschen nicht
bei der Tiir hinauswicssh so tu« ich
es selberl'«
»Weißt-L tn’s selberl" tief der
Note, sprang vorn Herd herab nnd
wollte die Mutter packen nnd lieb
kosen. ,
Das war unerhört In unserem
Hause-, wo jahraus jahrein kein nn
anstiindiges Wort gesprochen wurde
pldtzlich solche Sachetti Mein Va
ter war schier gelähmt vor Erstaus
nen, die Mutter alter faßte den ski
volen Holzfnecht am Arm nnd ries:"
»Jetzt gehst, Schandtnauli nnd in
mein Haus lonnnit niik nimnierl"«
Nicht einen Zoll liesz sich der
Holzhauer vom Fleck rückem !
»Wenn die Walddaueriileut' schon
so fromm sind«, sagte er immer noch
im Predigerton, »daß sie vergessen,
was sie unserem Herrn versprochen
haben, so geh' ich deswegen döch
nicht ans diesem Dach hisians· Wei
ber nnd nasse Fetzen jagen mich
nicht."
«Vielleicht jagen dich Männer undl
cseiischeiter«, sagte ietzt mein Vater
nnd riß mit einer Schnelligteit und
Entschwssenhcit, die ich an dem
sanftmiitigen Manne bieher nicht et
lebt, ein Holzscheit von der Asetr
Der rote Hotztnecht siel ihm wü
tend in die Arme, sie tanzen. Die
Mutter suchte den Vater zn schützen,
meine Geschwister in Stroh und
Windeln erhoben ein Zetergeichret,»
ich sprang im bloßen Hemde zur
Tiir hinaus und ries die Mägde um«
Hilf an, die wohl schon sriedsam in
ihren Nestern ruhen mußten. Die
fBlinde tam als die erste glücklich
»iiber den Hof gehumpelt, während
leine der Sehenden über den Schwei
netrog stolperte. Und die Jung
rnagd kletterte ans mein Geschrei
nnd den Lärm im Hause, des
sSchreckens voll, die Sprossenleiter
sherniedeh die vom Oenstadl in den
sts herabsiihrte. Ohne damals ST
sTragweite dieser letzteren Tatsache
lzu erwägen, stürzte ich wieder ins
iHaus, wo die beiden Männer im
Ihestigen Kampfe schnaufend und äch
zend in der Stube von Wand zn
Wand suhren. Der lange Bart dei
Halzhauers hatte sich in wilden Fet
zen utn das Haupt meines Vaters
geschlungen: dieser schien doch die
Oberhand zu gewinnen; da tam der
junge Halztnecht, blas in Heind nnd
blauer llnterhose zwar, aber mit der
ganzen Wucht seines Körpers. Die
Weiber taten, was bei solchen Aus
tritten ihres Amtes ist, sie schlugen
die Hände zusammen nnd jammer
ten. Meine Mutter nur, als sie
sah, es wäre alles verloren, ersaßte
aus dem Herd einen lodernden
Feuerbrand, ries: »Ich will Euch
nach hinausireibem ihr Räuber-z
leut’, das weiß ich qewiszl«' und
suhr mit dem Brande an den Bret
ten-erschlag
,.Die Furie will uns verbrennen
mitsamt dern Hansl« se treischten
die Holzknechte und stürzten durch
den wirbelnden Rauch zur Tür hin
4
ans-.
Wir waren von den nnfliitigen
Minder d. Welt iIn Walde 5—5
Gesellen befreit, aber die Flammen
ziiugelten lustig die Wand hinan
Mit heißer Not —- ich weiß heute
in der Tat nicht mehr, durch welche
Mittel -—— gelang ers uoch, die
Feuersbrunst zu ersticken·
So ist derselbe Abend — der
schrecklichste in meinem Leben — in
eine stille bange Nacht übergegan
gen. Die Haustür hattest rvir ver
riegelt nnd verraciinielt,« und-als
wir das Kienspanlicht Möge-lösend
spähte der Vater noch an den Fen
stern, ob sie etwa noch draußen
Elt blieb still, erst cun nächsten
Morgen kam der junge Holzknech:,
um seine und seines Kameraden Ge
räte mit sich zu nehmen. Sie haben
sich dann im Walde ans Holzschwari
ten nnd Baum-luden eine Hütte ge
baut, in welcher sie den halben Win
ter über wohnten, bis die Lärchens
stiicnme verarbeitet waren.
Wir waren jedoch überzeugt daß
sie Böses gegen uns spinnen muss
ten, woraus aber die Jungmagd
einmal M klug bemerkte, das Be
ste wäre doch, mit solchen Leuten
sich stets tn sittlicher Welle zu ver
tragen
.Dn hast leicht reden, Diesi- da
sitt-« W Ist-kni
Auf ein Solches —- Wiss str.
Da hatte ich zur Helden seit et
nen neuen Schrei-. Qui Begierde
die qontoien wes-um doch noch ein
mal zu seyen und zu beobachten, ad
ihnen bei ihrer Holzarbeit nian et
wa der Teufel luechtliche Art-seit
leiste-, lngte ich eines Taqed verttJ
Waldtvege aus durch das Dickicht
auf ihren Arbeitsplatz hin. Da san
ich, daß sie Totentrulzen machten.
Ich derichtete das zu Hause und
riet damit eine große Erregunq der
vor.
»Wie ich lag', sie haben noch was
im Sinnl« jagte meine Mutter.
Der Vater vermutete: »Gut-, du
wirft wieder einmal beim hellichten
Tag geträumt haben. Nachschanen
will ich aber doch gehen-«
Wir gingen in den Wald. Meist
Vater guckte durch das Dickicht zu
den-Holzhauern hin —- und da sah
ich, wie er blaß wurde. »M) Halb
uarrl«· lachte er ächzend, »die graben
nnd Bauern von ganz Alpel em!"
Jn ganzen Stdizens waren die
Totensärge ausgeianchtet und noch
immer hackten ne mit Ihren Betten
an neuen yet-um« — Wir schaffen
davon, um alsogleich dem Ort-stich
ter, der auf dem Berge jenseits des
Engtalee fein Hans hatte, die Mit
teilung zu machen von dem, was
wir gesehen. Unterwegs dahin ve
gegnete uns der Zimmermann Mi
chel, dem jagte mein Vater, er möge
all feine Harten und Messer bereit
t)alten; es hat-e den Anschein auf
schlimme Zeiten. Die fremden Mäu
ner, die in feinem Walde arbeiteten,
täten nichts, als Tatentruhen ma
l
l
then
»Ja", antwortete der Michel, »ich
hab's auch schon gesehen, ein Gliick
ist nur, dafz diese Truhen nicht hohl
sind«. Hieran belehrte uns der er
fahrene Mann über die Form der
Eisenbahnschioelleu, die geiobhulich
zu zweien aus dem Block gehauen,
bevor sie auseinander geschnitten
wurden, mit ihren sechs Ecken einein
Sarge glichen.
Wir lehrten alsogleich um, und
als mir auf dem Feldraiiie hingin
gen, wo der Raseuweg glatt und
hübsch eben mar, sagte mein Vater
zu mir: »Jetzt hätten wir schöne
Zeit, daß wir uns selber aus-lachen
tönnten, sonst tuu«o andere. So
geht’.·:-, wenn man wem feind ist«
des Schlechtesten zeiht runu ihn und
ist fo verblendet, als hätte einein der
bös« Feind die Hinuer ui die Augen
gestoßen. Am Ende find auch die
zwei Holzhacker nicht so schlecht, als
sie ansschauen. Wie der Will, ich
toerd’ froh sein, wenn sie beim Loch
draußen sind. Und das weiß ich:
der Element-I lauft mir keine Lär
chen mehr ab.«
,,Weil Jhr keine mehr habt«, tvar
meine Weisheit draus. Der Vater
schien sie nicht gehört zu haben.
Die Holzluechte waren endlich
fortgezogen und mit ihnen die Lär
cbenschwellen. Die rötlichen Brunn
stöcke blieben zurück und auf den
Poren derselben standen helle
Tröpflein des Hat-ges. »Daß sie
teine Christen waren«, bemerkte
mein Vater einmal, »steigt sich schon
darin, daß sie nicht iu einem einzi
gen Stock das Kreuzel eingehnat
haben.« Jm Walde mark- nämlich
damals noch Sitte, daß die Holz
tnechte in jeden Stock, sobald der
Baum gefallen war, mit dem Beil
ein llreuzleiu eingkubeu.
Und das ist die Geschichte von
den fremden Holzerm den Kindern
der Welt, dia wie ein erster Wellen
schlag aus dem hochbewegteu Meere
der Welt in unseren entlegenen
Waldwinlel gedrungen waren. Wie
klein war dieser Wellenfchlag, nnd
wie viel Unruhe, llnzufriedenheu
und Aergerniö hatte er herange
fchwenimtl Nach und nach waren
die fremden Elemente-wieder ver
gessen, selbft die Mutter war ihrer
Entrüstung endlich Herr geworden.
——s Neues Schlachtvirt;.
Bäuetlcin (ln cinccn Großstndtkcs
ftanmnt): »Ich tnöct)t’ was Ulan
- Kellnch ,,Vlel!cnln ein Pns
pkitnschnitnsl gestilltka
»Ja, ja, immer lnsr nllt!« (T.l3
Schnin läßt etwas lange ans sich
warten, nnd dnis Bäuerlcin wird
ungeduldig. Plötzlich dröhnt us
durch das ganze Lotul): »Zum Don
ner-wettet noch tnal — der Papkita
wird wohl erst geschlacht’t'.-«
—- Zn icha de. Köchin Nachdem
sie einen Brief an ihren thsnadter
vollendet l)at): »Diese- Vkief ist
mir ganz wunderbar gelungen; ob
ich ihn nicht lieber onst-ebe- bis ich
was Besseres kennen gelernt l)abe?«
—- Philippico. Langjährige
Braut (elnes Schriftstellers): »Ja
Deinen Nomanen und Novellen
wimmelt es von Hochzeit-Im aber
Du selbst machst keine Anstalten.
Da steht man wieder mal den Un
terschied zwilchen Theorie« und
Praxis-! .
— Oesonotniich. Bunnnlckc
Cum «Kollegen«): »Wollen wir den
alten Müller nicht wieder mal an
ichs-streut«
»Ich, der gibt uns wieder lum
ptqe paar Kröte-is
»Un- lvtmt schon. Ich lebe nicht«
th- Wirte lhmdle M
fis-w
ass
Dir Ykskgrum
Von Wilhelm Echmidtbonn.
! S.
s sur seiden Morgenstnnde schrit
ten sie dont Berg zur Stadt her
suiiter, aus verschiedenen Wegen,
lohne daß einer voin anderen wußte.
. Der Groß mit langem Prophe
terihaar ging die Häuser entlang,
rasch, mit klingenden Schritten.und
schrie die Menschen ans der ande
’ren Straßenseite an: »Der Friede
.ist dal Jch bin Jesusi Von Gy
arsandt." «
Der zweite, klein, mager, von
serii sast ein Knabe scheinend, wäh
er nah ein schon zeriurchtes Gesicht
zeigte, schritt mitten durch die Stra
ßen. Die Wagen alle hielten an,
uni ihn nicht zu iidrrsahren. Er
’schieti sie festzuzaulierii. Er schritt
unentwegt und stumm einem Ziel
zu. Man erwartete-, ihn im näch
sten Augenblick gegen die Wand
eine-s Hauses schreiten zu sehen,uiid
die Wand wiirde sich offnen
Ein Polizist brachte ain Nachmit
tag den Großen zum Jrrenarzt.
Das Zimmer ist gestillt niit Bil
dern, Figuren, Teppicheu aus Ja
pan, von seriien Siidinselii. Vom
Licht eines eurouiiischen Fenster-s
getrosseu, scheinen aue diese Dinge
zur Sonne der Heimat sliehen und
einen mitreiszeii zu wollen. Der
Arzt, ein Mensch, im verzerrtesteii
Mitmenschen das Gotteshild suchend.
Weim. seine Stimme ausklingt,
richten sich verdrehte tllugen zu sei
uer Stirn aus ,iu Jossnuna Hier
sieht man fein Stethostop, tein
,Messer, feinen Operiertisch Hier
wohnt ein Jiinger Jesu. An der
Tür iniißte man statt des Doktor
schildes sehen: Kommt her, alle
Jrreudenl
Der Große, Bärtige rnst schonkz
in der Tut-, uugiitig, ungedulding
»Der Friede ist dal« s
Der Arzt, ihm einen Stuhl ans;
weisend: »Wie laun der Friede oai
seiii?« Der Jrrex »Ich mache deii
Frieden. sch hin Jesus. Von Gott
gesandt-«
Wir alle sehen besiiitzt in das
Gesicht. Trompeten des Himmels
scheinen irgendwo auszulliugeiu
Jni selben Linnendlict hat ein
zweiter Polizist den kleinen-Mage
ren gebracht, dessen Augen in ei
nein tieseii, blauen Feuer verbren
Hieri. Der Magere sagt, vor den
sGroszen hintretend, staunend. schon
verzeihend: »Wie? Du? Jch bin
idoch Jesiis."
s Der Große taiiinelnd, schwer be
snreisend; dann schon voll Hohn:
»Wie kannst du Jesus sein, da ich.
sJesus biii't«
s Der Magere sieht zur Decke des
sZiiiiinerö aus, össnet den Mund,
imsagbar nnirdisch, hiilt sein esicht
sschriig einer unsichtbaren St hluiig
thin. Er spricht stimmt mit seinem
stdimmeh und wir halten den Atem
»an.
Der Große schreiend: »Ich! Jchl
schi« Er saßt mit den Händen die
Brust au, will die Brust össneii und
uns die Tiefe zeigen, darin die
Stimme gesprochen hat«
Der Arzt, unter seiner Ruhe er
grisseii, herrlich gütig. als ob er
selber eiii dritter Jesus sei: »Wie
sollen nun wir wissen, wei- von euch
der richtige-ist? Vielleicht seid ihr
es beide nicht. Jch werde euch in
eiti gutes Haus bringen lassen, ioo
man euch zu essen gibt und ein
Bett. Inzwischen wird man iiher
euch iiachsorscheii.« Der Llrzt macht
sich daran, die nötigen Papiere aus«
zuiiillein -
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»i- «
I Ter Große, plovlteh schwach nnd
snst weinend: »Wie soll Friede kom
men, wenn ihr tnich In ein Hing-S « j
schließtW
Der Kleine, innnee aleich aiitig
und uonqeheiinenwicht ungestrehlt:
»Ihr könnt mich hinter hundert
Mauern verschließen-. Ich sihe da,
nnd es wird Frieden«
Tie beiden Irren wurden in
einein genieinimnen Wimen fortge
brcicht. To saßen ne, der Große
hielt die Augen geschlossen vor dein
bestürzenden Bild des anderen. Tie
ser sah gegen das- Tcnh des Wagens,
starr und uerziiiit, als sehe er da
den geöffneten Glanz des Hint
niels· Vor der Absolut entstand
eine kleine Vetzögeriiiig, da der
Magere das Pferd nndnninnen und
selber den Wagen ziehen wollte, sa
gend: »Du Tier sollst nicht Mühe
haben um rnich. Friede anch den
Tieren."
Man mußte sie fortbringen, die
zwei Kranken, die in diese Welt
der Ordnung sticht hineinpashn
Wir Gesunden aber, die draußen
bseibetn schießen weites mit Gratia
tm.
— Jch erlebte diese-s Venebnis in
einer Schweizerstndt, vier Tage vor
Pfingsten.
—- Aus dem Standesarnt
Standesbeamter lzu einem Witwen
der innige-sacht bestellt): »Sie wa
ren also schon einmal verheiratetf«
DE .. müssen die sonstigen Vot
elm mä angesehe- wa
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