Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 02, 1917, Sonntagsblatt, Image 9

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    Staatss Art-zeiget und Nin-old
MWM
Gr audss anv, M» Dokmersmwdei
Dir Kett-.
Erzählung von Ort-meint Wagner.
K
Es ist acht Uhr morgens. Er
schläft noch, wie es überhaupt seine
Gewohnheit ist, früh lange zu schla
fen, während er vie Nächte, oft bis
in den Morgen hinein, dazu heniiht,
zu lesen. Sie rüttett ihn an der
Schulter.
»Seht nuf,« sagt fie
Sie ist schlechter Laune und ver
birgt has nicht. Sie haßt das lange
Liegenbleiben Sie geht schon um
neun zu Bett und erhebt sich früh
um sechs. So hat man sie erzo
gen.
»Wie stät ist es·i« fragt er.
»Halt) neun.«
Er schließt nochmals die Augen.
»Na-, wird's; endlich," drängt sie
uns sieht ihn bös nn. mKein Mensch
schläft um diese Stunde. Natürlich
—- d.s.r—.:n, daß Du arbeiten mußt,
dentf Tit nicht. . .·«
Er streckt die Arme, gähnt und
sicut sein-reifen .1uf.
,,G!eich, gleich," sagt er.
Sie wirft noch einen Blick auf
ihn und geht drinn. Die Türe fällt
unsinfi zu. Das gin einen häßlichen
on. —
Während er sich zum Frühstück hin
fcst, geht sie im Zimmer umher,
wischt den Staub auf, putzt hie Mä
bel, schiebt vie Stühle von einem
Platz auf den anderen· Es wird
dadurch unruhig und ungemütlich
im Zimmer. Ein Mädchen zu hal
ten». verbieten ihnen ihre Verhält
time.
istgentiich hat er keinen Appetit.
Zögernd gießt er fis den Kassee
ein. Das Brötchen, as sie ihm
hingelegt hat, zerbröctrit er mißmu
tig.
«Brrr. . ." er schüttelt sich, »der
Kcksfee ist miserabel«
Sie unterbricht ihre Arbeit und
sieht aus. Jhre Lippen zucken
«So.« sagt sie, »wir hat er sehr
gut geschritectt.«
»Er ist nicht frisch. Ueberzeuge
M, er ist ganz lau.'·
»Natürlich-« sagt sie, »wenn man
m zehn Uhr aussieht»
»Ich habe Dir schon hundertmal
. erklärt, daß ich frischen tinssee ver
lange!«
, Sie stellt sich vor ihn hin ist atem
los und stemmt die Arme gegen vie
Hüften.
»Und das Geld? Frngsr Du da
nach, woher ich das Geld dazu neh
mei«
»Dir ist es nur um vie Mühe zu
tun,'« sagt ei und schiebt heftig vie
Tasse von sich.
s »Und Dir ums Mitgean re
pliziert sie, «nichts macht man Dir
recht. . .·«
Sie wäscht und putzt weiter, nur
noch nerodser atr- zuvor und mit mehr
Lärm cis nötig wäre.
Er erhebt sich, nimmt Ueberrock,
Hut und Stock.
»He-te tiichtig ein," sagt er, »ich
tveroe arbeiten. . .«
»Du gehst sort?« fragt sie, mit ei
nem that aus das Friihstiick.
»Hast Du oerstaiioen't« sagt er,
ihre Fraae :gnorrierenv, »ich tin nicht
wieder frieren . .'«
fv
Die Ttir snllt trticheitd zit. ——s
Als er zuriictlomini, siiidet er dirs
Linn-irr iit Ordnung. Alles liegt tin
seiner-it Mate. Aus seitteiii Schrein
tisch ist nichts tinxtiriilirn Dur-ins ver
steht sich seine Frau.
Er lett nir, wechselt die Schuhe,
zieht seine ceqtteiite Hatte-inne nn.
Alle-J tsi derett, er braucht es niir zu
ergreifen. lliid das srettt ihri. Auch
das- er tilleiit ist. sreiit ihn. Er ist
beinahe zufrieden.
Er geht langsam im Zimmer itits
und tin. Seine Gedanken sind bei
seiner Arbeit. Dann tnd wann lehnt
er sich en den Ofen, wärmt sich die
Hände. Er deitriigt feine-Mille.
Seine Frau ist in der liiiche beschäf
ti3i.
Endlich begibt er sich an den
cchreidtisch Er legt das Papier zu
sicht, taucht die Feder ein, setzt an. —
Sei findet er mit einem Male, daß
es doch nicht warnt genug ist. Jhn
srdstelt
Er erhebt fis-, lnöpsr seinen Rock
zu und stellt sich an deit Dien.
Seine Frau steett vorsichtig den
Kot-Hur Tür herein. iWenn er ar
beitet, respektiert sie ihn, denn von
dein Extra-ge seiner Arbeit bestreiten
sle ihr Leben. Sie Hört ihn nicht
sitts
.Jst es warnt Imagi« fragt sle
besdei den«
Cis- lisilt qui ein« ichs-ph- III-.
tennung. dg sie mit den Kohlen wahr
lich nicht gespart hat.
»Nein«, sagt er derbittert, »es ist
knit.«
Sie kommt herein, sieht ihn un
gläubig an und macht eine beteuernde
Geste.
»Aber. . .« sagt sie.
Er schneidet ihr das Wort ab.
»Es ist lalt,« sagt er bestimmt,f,,ich
tann hier nicht sitzen.«'
»Aber. . . ich dersichere Dich. . .«
«Du sparit eben an den Kohlen,'
sagt er gereizt.
»Dort-Haus nicht. Und überhaupt
. . . ich finde, dnsz es hier sehr warm
ist. Fast unerträglich warm.«
Er steckt seine hiinde in die Ho
sentaschen und sieht seine Frau höh
nisch an.
»Und ich bin wohl blödsinnig,
wiet ? Ich unterscheide wohl nicht
mehr, wns warm und was tatt
ist«-«
Sie weicht dem Streit aus. Sie
fchuttelt nur den Kopf.
»Du bist einfach trant,« sagt sie
und geht.
Er seufzt.
Dann zieht er seinen Ueberrer an
und setzt sich wieder an den Schreib
nich
Während des Mittagessens bessert
sich seine Stimmung ganz erheblich
Da er nicht gesriihmiat hat« hat er
seht Hunger. Auch versteht es seine
Frau, vorzüglich zu tdchen.
»Willst Du noch Suppe3« fragte
sie, erfreut darüber, dasz es ihm
schmeckt.
Er sagt »Dante«, nimmt aber trog
dem noch einen Teller.
»Was gibt es sonst noch?« fragt
er.
«Zchnihet mit Zpinat."
»Und dann-«
»Dann gin es nichts mehr.a sagt
sie.
»Weisz Gott,« sagt er unv lacht,
»ich have einen umnenschlichen Hun
ger."
»Dvch.« erklärt sie, «eö gibt noch
Kassee.'·
kMit Kachenk fragt er.
Sie nickt.
»Heute ist schöne-, trvckenes Wel
ter," siiblt er sich verpflichtet zu sa
gen, während er vng Fleisch zer
schneidet.
»Ja, nnd vie Sonne scheint
hübsch warm,« pslichtet sie ihm
vei. Jin stillen dentt sie bei sich:
mi. selten komme ich ans dem
Hauses « s
»Aber Lalt ist es —- viehisch toll,«
sagt er.
»Gott —- Dn hast ja Deinen Pele
wendet sie ein.
Er sieht sie nn.
,,Wvllen wir spazieren gehen-«
sragt er.
»Wenn Du willst s—?«
»Abgemacht, wir geben« entschei
vet er.
Sie springt aus, sie ist voller Freu
ve. Sie verbirgt vas hinter ver Ge
schäftsgteit, mit Der sie sich über das
Geschirr her-nacht.
»Was soll ich aber anziehen,
Dir-"
Er unterdrückt diesmal seinen Aet
ger iiber diese Frage. Er zuckt nur
mit ven Schulter-n
»Gott, was Du willsi.«
»Das braune Kostiimi« srngt sie
»Bas braune Uvstiirn,«' sngt er ge
lassen.
ote giesst its-n den Iriistee ein.
Dies-nat ist er frisch nnd dustet. —
Die Lust draußen ist eisig. Doch
on ver Wind nicht geht nnd die
Sonne nittv scheint, enitssiiwet nmn
das nicht so sehr.
Er ist in seinen Pelz gehüllt die
Muse tsnt er bis iiver vie Ohren her
ubgezogeti. Jhr genügen, wir sie iibs
geyartet ist, Von und Musi. Die
Lust hat ihre Wangen gerotet. Das
macht sie frisch und hübsch. Sie
gehen nebeneinander, nicht allzu
schnell, ohne viet zu reden. Die
htittser oer Stadt liegen schon hinter
ihnen. Das braune ttctertiinp is«t be
reift, ver Boden gefroren. Die jun
gen Kiiittittien zu veiden Seiten des
Weges starren mit ihren nackten Ae
ste.t tote große Mitten gegen oen hint
inei.
»Sieht pas nicht grotest aus, « sagt
er, »eine Allee von Rate-t. «
»Wiet« fragte sie, tm sie nicht ver
steht, was er meint.
»Ich meine ote Hätt-tief
s »Schön. . .i«, gewiß. . . es ist kei
Jean
r »Und erst der Dimatet,« fährt sie
sich »wir blau. . .
- »Wie gematt,« tagt er ironisch
.Wie getntitt,« vetriiitigt sie leb
hatt.
Da unterdrüdt er seinen Spott
und sieht zur Seite. Aber sie meett
es noch und toteo unsicher. Sie
tchioetgen eine lange Weite.
’ Da wird es ihm ptöytiets warm im
Herzem und es ist ihm, als müßte er
auch sie erwärmen können. Nur den
richtigen Ton, scheint ihm. hat er bis
her nicht getroffen. Unk- zu wenig
Geduld hat er gehabt.
llno er spricht zu ihr von seiner
Arbeit
Er tut es zuerst etwas befangen
und noch widerwillig. Als er aber
ihre srohe Miene steht, geht er aus
sich heraus, wird lebhast, gestituliert.
Es ist eine Novelle großen Stil-,
vie er oorhat. Den ganzen Plan
breitet er oor ihr aus. Er hebt vie
einzelnen Personen hervor, nimmt sie
gleichsam zwischen seine Finger, cha
rakterisiert si.. Und er benüht alle
Farben uno Töne, die ihm zur Ber
rsiigiing stehen, unt vie Stimmung,
in vie das Ganze getaucht sein soll,
zu malen. Dann schweigt er, von
sich selbst berauscht, ein wenig be
schämt ob seines Feuers-. Er steht in
die Wolken.
»Das- wirv gut,« sagt sie zufrie
oen, etwas « laut uno zu gewöhn
lich, »wirtlich, ich finde es nett!«
Er versieht die Lippen.
»Du findest es nett,« sagt er ge
quält.
Sie hört ihn nicht.
»Wie weit bist Du schon mit die
ser Arbeit?«
Er will nicht antworten« sagt aber
Dann
»Noch nicni weii.
»Wind sie langi«
»Nicht sehr·'
»Ah-hin wirst Du sie schicken?«
Er wendet sich ah. Seine Stimme
klingt rauh. »Was weiß ich. Es
ist ja auch betungto5.«
Sie seufzt. »Wenn nur bald Geld«
tänie,« sagt sie, »in fünf Wochen ha
ben wir die Miete.«
»Ich weiß,« sagt er finster.
»Diese Sorgen,« fährt sie sort,
»ioie es andere Leute dagegen ha
ben. . ."
Sie ziihtt ihre Bekannten auf, ihre
Freundinnen und Verwandten. Allen
geht es gut, alle sind sie in sicheren
Positionem
»Es ist eigentlich recht traurig,«
sagt fie, »daß wir so gar nichts ho
ben. . ."
»So gar nichts —?«
»Daß wir tetne Kinder haben.
Wozu let-en wir denn?««
»Ach so,« sagt er voller Gleich
mut.
»Gut nichts, gnr nichts haben wir,'«
ttagt sie.
»Du täuschesi Dich,« erwidert er,
»ich habe so manches-"
»Ja Du. Aber ich?««
Er lacht gezwungen.
«Freiltch· sreilich«, sagte er.
»Oui« ich vielleicht etwas-« fragt
sie mit Nachdruct.
»Nichts, gar nichts,« gibt er zu
riiij iind nimmt sich vor, jest nicht
mehr zu reden.
Sie sieht ihn an und siihlt, daß
sie ihm weh getan hat. »Nun bist
Du wieder vose," ingt sie.
Er erivideri nichts-, sondern sieht
nur oervissen zur Zeite.
To gehen sie stumm nebeneinan
dkL —- ·
quin Nnchtniahl hiit sie ihni et
wns bereitet, was er besonders gern
ifit: ein Rumsteat mit Meerrettich, in
seinster Butte gebraten
Es ist eigentlich ein viel zu luxus
riöses Rachimaht siir sie beide, er
weiß das. llno wie sie es ihm ser
oieri, mit dieser zu offenkundigen
Dienstdestissenheit, in diesem maßlo
sen Bestreben. ihm recht zu tun, das
inncht ihn traurig.
Er dentt nach- Sie meint es gut,
sie ioill ihn vers-ihnen, gewiß. Aber
hat er denn ein Recht, ihr bös zu
sseinZ
, Er hat es. iir hat es nicht. Das
ist Die Frage.
Sie giezzt ihm Bier ein. Es ist
tritt und frisch und braust. Sie tiiitt
ihm ihr Glas-—- cntgegen. »Profit!«
sagt sie.
Zögernd stößt er mit ihr on.
»Broti", sngt er. Sie setzt sich an
feine Seite und legt ihren Arm nnf
feine Schutter. Mit der Hand fährt
sie ihm durch die Haare.
Laß dns « tagt er
Sie bringt ihre Wrinqe an fein Ge
sicht
Er rückt zur Zeite. -
»Ich bitte Dich· . .« sagt er un
mitsch
»Ich will ndert'« ruft sie aus.
Jhre Stirn-ne hnt den übertrgrnen
Ton ver Verständnisto igteit
Er denkt wieder nnch. . .
Aber sie küßt ihn! —
Die Nacht ist vir.
Im Ofen sind Kohlen imchgelegt
worden, dirs Zimmer ift von einer ein
schtiifernven wärine durchglüht Die
Petroteumtnnipe gibt ein selbe-, ru
higei Licht, due den grdßten Teil
ves Zimmer-An einer matten Däm
merung iäßt Ein nicht zu ftarter
Duft von Zigarettenrauch gibt vern»
's
stillen Raum einen Stich ins Pi
laute
Er hat sich im Schautelstuhl lang
ausgestreckt, hinter ihm auf dem
Schreibtisch steht vie Lampe. Er
hat ein Buch aufgeschlagen, liest aber
nicht
e Sie sitzt ous dem Sosa und hä
elt.
»Und dann —- zu Weihnachten, Du
— da hab ich —- aber wirtlichi —
gar keinen Wunsch."
»So.'« sagt er, »und warum
nicht?«
Jhre Stimmen sind gelassen, leise
uno zufrieden. So gleichmiitig, ge
vömpst und ieidenschaststos wie das
Lin-Tini oer Wanvuhr. Nur etwas
müder. scheint et.
»Wir wollen sparen,« sagte sie.
»Wir haben ja alles. Das heißt -—«
»Ein Paar Schuhe werde ich brau
then-«
Er nickt.
»Und Du brauchst einen neuen
Out.«
»Wozu?«
»Doch,« sagt sie, »der alte ist schon
zu schädig-«
,,J.1, wenn Du meinst. . .«
Sie gähnt. Sie ist schon sehr
schläfrig.
Sie legt die Arbeit, die mehr ein
Spieizeng ist, beiseite, trenzt die Ac
me hinter ihrem Kopf und lehnt sich
in das Sosa zurück.
»Aber einen Weihnachtsbnum wol
len wir machen. Meinst Du nicht
tillch?«
»Gewiß," pflichtet er ihr bei.
»Wir nehmen eine Fichte. Die
Ta en sind zu teuer. Eine Fichte
tut s doch auch. Wie?"
»Sicher," sagt er.
«Eine ganz tleine. hübsche Fichte!
Wir behängen sie mit Müssen und
tleinen Aepseln, die zuvor in Gold
schaum getaucht sind. Und weiße Ker
zen stecken wir aus. . .«
Ihre Stimme wird noch leiser und
bekommt etwas Verträumtes. Sie
erzählt von den Weihnachtgbäumem
die sie gehabt hat, als sie ein Kind
war-. Und er hört ihr aufmerksam
zu und niett hin und wieder mit dem
Kopfe.
An den Fenstern sieht man die
Eisblumen glitzem Durch den Osen
kommt manchmal ein pseisender Ton.
Ein starker Wind hat sich draußen
erhoben.
Plötzlich lacht sie.
»Du,« sagt sie, ,.manchmal denke
ich amtlich, dasz Du noch berühmt
wirst. . .«
»Ach gebl«
»Das wäre lotnisch! Was würden
die Leute dazu sagen »
»Nichts.«
»Das wäre doch. . . doch genantt
sich meine —- toenn die Leute einen
si- begucien. . .!"
Sie lacht nochmals und schilttelt
den Kopf.
»Freilich —- wenn wir reich da
durch würden. .
Sie unterbricht sich und sieht ihn
All.
»Was weiter," sagt er.
»Ich kann mir das nicht denken,«
s.:g: sie leise, »wir —- und reichl«
»Damit gewohnt man sich schon«,
sagt er ohne Spott.
»Reich sein, das will ich gar nicht,
nein. Aber — weißt Du —- wenn
man immer so viel hiitte, als
man gerade braucht —- das tvcire
schöns. . . Keine »Borgen sollte man
haben!«
»Gott 1lr, Ngr er geniacylraJ.
»Sie schweigen Dann seufzt sie unf,
legt ihre Arbeit tut-nimm und ldit
die Nur-ein uns ihrem Hund Er blittt
ioieber in fein Buch.
Sie tritt zu ihm.
» »Wirfr Ti. langte lesen-" sengt sie.
! »Nein, nicht lnnge.·'
Sie hält ihm die Klinge hin.
»Gute Nucht," skizt fie.
i Er küßt sie.
! »Gut- Nacht-«
Löie überblickt noch einmal das
!Zinnner· Einige Apfelichnlen, die ans
Eben Boden gefallen sind, hebt sie auf.
JDnnn geht sie. —
’ Er iiht nun allein.
Er macht sichs bequem, dehnt die
Arme und ichrnubt dann das Licht
ein wenig höher-.
i Nun wird er lesen. —
«-.-- - --.--. -
- —- Mißtrairijt1). Gatte:
»Heute traf ich einen Bekannten auss
nieiner Junggesellenzeit, der aber
mich jeht seit mehreren Jahren ver
heiratet ift!«
Frau tgiftin): »Aha, darum
bleibst Du io lange — da habt Jhr
Euch natürlich den ganzen Abend
nenenfeitig neteöfret«.-«
—- Triftiger Grund»
»Weshalb haben Sie denn die sit-«
berne Schnupftabntcsdoie behalten»
die Sie gefunden lmbenlm z
»Ich dachte, die hätte jemand
fortgewokfem sie war ja doch leert«
Witz Simsmaudat
—
B Jii stirrl PaiilL
Ich wollte mir nur meine Zigarri
anzundeni — Eigenilich tauche ich
nie auf der Straße, aber wie das sc
manchmal kommt —- ich war ehei
ausgedrochen, als ich gewoilt, und da
Stuckchem das noch in der Spitze
glimnii, schmeckte so gut, daß ich iiiiiis
nicht entschließen tonnte, es wegzu
iverseii. Ader so toinnit es even, wenn
der Mensch seine Leidenschasten nicht
mäßigen tanti...
Ich war nicht allein, als ich das
Loiai verließ, ich ging in Begleitung
meines Freundes petiti, ader iiur
ein turzeg Stück, denn aii der Ecte
der Elisiibeth und Kurze-i Cirasze
war er zu Hause. Leider ging gleich
iinch seinem Scheiben an derselben
steile meine Zignrre aus«
«Nun hätte ich wirklich vernünftig
sein, und inich odn dem tauni eiii
Fingerglied liingen stuminel tren
neii tbniien, aber wenn nun iiial das
Zjiituin waltet, dann ist der Mensch
even nur ein blinder Zatsn an dein
thinintnde des dchictsalgy und so
suchte ich denn in meiner Berdleiiduiig
iii allen Taschen nach Streichlsdlzerii.
Wie die meisten Rauctser sührie ich
lein Feuerzeug bei mir und somit
schwand die Aussicht, meinen Willen
iii dic Tat umzusetzen, nicht nnd
mehr. Die Hoffnung, seiiiiinden zu be
gegnen, oon dein ich mit Feuer erbit
ten könnte, lag in iielselgraiier uns-ie
ivisser Ferne, da die ulsr iius vier
zeigte und es wenige Menschen gixm
die uni diese Zeit schon zii tauchen
pflegen.
Plosltch stieg ein erleuchtenoer we
dante in mir aus. Da waren ja zwei
lange Reihen hellscheinender Straßen
laternen! Warum sollte ich als ehr
licher Steuerzahler daraus keinen
Nutzen ziehent Hinauf, hinaus mit
Sprung und Laust Schnell hatte ich
den eisernen Schast gefaßt nnd mit
einer Behendigteit, die ein graues
Eichtiitzchen oor Neid zum Erröten
gebracht hätte, tvar ich oben. Nun galt
es nur noch, die bewegliche Glas
platte, die die Laterne unten schließt,
in die Höhe zu heben nnd die Zigarre
in die Flamme zu halten. Leider ge
lang nur der erste Teil dieses tiihnen
Experimente5; die Zigarre in Brand
zu bringen, vermochte ich nicht« dasijr
ging infolge meiner Ungeschicklichteit
die Laterne aus. Berdntzt starrte ich
noch aus die leergebrannte Stätte; da
siihlte ich mich an einen-. meiner Bei
ne gefaßt nnd eine Stimme von un
ten sagte:
»Zie!«
»Was« ant ttoortete ich.
«.tiommen Sie man runter!« sagte
die Stimme·
»Dann müssen Sie mich erst los
tcissen!" antwortete ich
»Ja toer mir hiiten!« lautete die
rohe Antwort
Nun versuchte ich der Stimme —
lsie gehörte, wie ich ganz richtig der
lmuten-, dem finstern Sohn der Jtacht
der hier den machend-en Wachter snacht
—- ans-einander zn setzen, daß zum
Her-absteigen oon einer Straßenlas
Iterne mindestens zwei Beine gehör
ten, nnd da mich die Natur in ihrem
Geize nnr mit lzweien solcher Biede
stale ausgestattet, er aber eines dieser
beiden sich toideerechtlich angeeignet
habe, es mir auf diese Weise unmög
lich gemacht sei, seinem Wunsche nach
zutommem
Der Mann schien das einzusehen
und ließ mein arretierteg Bein wieder
los, nicht sohne zu hemeriem
»Er diirsen aber nich toeglofen!"
»J, wo werd« ich denn!«« —- Druns
ten war ich.
11 id nu kommen Sie mit uss de
Wiichek«
»Wies0? Warum? Weshalb?!«
»Sie haben hier die Laterne aus
gelöscht!«
»Ich? —— Im Gegenteil —- meine
Zigarre habe ich daran anziinden
wollen-« ·
Dad glaubte aber der Mann des
Gesetzes nicht. Jch setzte ihm haar
klein den Hergang der Sache ausein
ander. Als das nichts nähte, fing ich
an ihm meine Lebensgeschichte von
Anbeginn zu erzählen und schwor
ihm, da er noch immer ungerührt
blieb, daß ich überhaupt ein Mensch
sei, der sich eher ein Ohr abberszen,
als einer Gaslaterne auch nur ein
Haar krummen wiirdr. Dann schil
derte ich ihm in ergreifenden Worten,
welchen moralischen Eindruck es aus
mein sernekes Leben machen müsse
und welche Konsequenzen es haben
könne. wenn ich zur Wache geschleppt,
unter den Abschaum ver Menschheit
gestoßen und mit Räubern und Mör
dern nntermengt würde.
»Wer-irren Sie Michael Kol)th1as?«
»Der is nich in unserm tiiedier,«
erklärte der tlassisch gebildete Wäch
ter, »und überhaupt geht mir die Sa
che nischt an, det hat der Leumant
auszumachen! —- und Sie tommen
s mit usf de Wache."
Nun wäre mir ja an und für sich
die Sache sehr gleichgültig gewesen,
denn eines polizeilichen Strafmandas
tes wegen habe ich mir nie ein graues,
noch nicht einmal ein braunes Haar
wachsen lassen; aber ich wohnte da
mals bei einem Verwandten, und die
ser Verwandte war mit sieben Kin
oern gesegnet. Diese sieben Kinder
waren sieben Mädchen im Alter von
sieben bis sechzehn Jahren, und diese
sieben Mädchen hätten mich sieben
Wochen täglich von sieben Uhr mor
gens bis sieben Uhr abends siebenmal
totgeärgeri, wenn ein polizeiliches
Strafmandat gegen mich eingelaufen
wäre, und erfahren hätten sie es
sicherlich, denn sie erfuhren alles. Aus
diesem Grunde mußte ich die Gefahr
oon mir wälzen.
Trotzdem wir den Achtundzwan
zigsten hatten, versuchte ich es mit
einein Taler. Aber das Organ der
öffentlichen Sicherheit wies das Sün
dengeld entrüstet zurück. Ich legte
noch zwei Mart zu — derselbe Er
folg. Es nütztc nichts, ich mußte mit
zur Wache-.
Jnnerlcch wütend folgte ich meinem
Fuhren Was tun? Jm Geiste sah ich
mich bereits, von den spitzen Bemer
lungen meiner sieben Kousmen zer
sleischt am Boden liegen. Da —- ein
Blitz der Erlnuchtuug durchzuckte die
Nacht meiner Ratlosigteit, und freu
dig schritt ich die Stufen, die zu der
Polizeiioache führten, hinan. Du
nennst, sagte ich mir, einfach den Ra
nken eine-«- deiner Freunde — und
isont den bon Henn, bei dein fällt
so ein Ding bon Strafbefehl nicht so
sehr auf, gibst ihm den Taler wieder
uud die Sache ift geordnet. —- Hur
ra, gerettet! Ich wußte freilich, daß
es verboten ist« einen falschen Namen
anzugeben, aber, wer nichts wagt, ge
winnt nichts-.
»Wie heißen Sie? schnurrie mich
ein bärtigee Wachtnieister au, dem der
Nachtwächter die ausgelöschte Laterne
in den brennendften Farben geschil
dert hatte. -
,,.Henri Stunde-P log ich frech.
»Wo wohnen Stet«
,,Elifabetbstraße 11.«
»Bei lvem?"
»Bei meinen Elternl«
»Wnnn geboren?«
»Meine Eltern?«
»Nein, Sie!«
»Den 28. Februar 1860!«
Jch war auf alle Fragen wohl vor
bereitet. Nun wurde telegraphiert, re
chercljierh tetephoniert und nach einer
Viertelstunde hieß eg, ich tönne geben.
»Kann ich die Strafe hier hinter
legen Z«
,,"li’ein!«
Ader nun wollte ich ons Stück Zi
garre, das an alt' dein Unglück schuld
.oar, doch wenigstens rauchen.
»Dort ich vielleicht uni etwas Feuer
bitiens« fragte ich kühn.
lind, o Wunder liber- Wunder-, es
wurde mir gewährt. Stolz tauchte
ich, niit dein Hochgefiil)1, nlg Sieger
all-s diesem stumpfe mit Der Obrigkeit
hervorgegangen zu sein, die Zigarrc
zu tfixde und begab mich auf den
Heini-kein In den nächsten zagen ver
lustig Ich meinen Freund Henri zu
treu-Jn, es gelang mir jedoch nicht:
nun-er wenn ich zu ihm tam, war er
nie-getragen Endlich, es ioar inziois
sur-sit erne ganze Zeit vorübergegans
Fin, traf ich ilzn un. Er saß, den
Kopf i.i die Hand gestützt, schiuerniii
tig ozr seinem Schreibtiich und starr
te iin trieben Augen und dem Ans
Irnlt f.itt·unggloser Hilflosigleil auf
ein oIr ilnn liegendes halb bedrudtes,
.;«.:ld beschriebenes Blatt Papier.
Mit-» durchzuckte es: das Straf
masixun
»Ur-is hast du denn da?« fragte ich.
,,«.·.«.e::srn.« antwortete er snst dü
ster, ,,:.-nt' Dir nn, ich soll da neulich
ni Or Lflisrivethstruße eine Laterne
eriieikert nnd böswillig ausgeloicht
iskideii!«
»spi, wenn ou aber auch solche
Zinnen ni.ichst!« sagte ich lachan uns
1iefz, ohne daß er es merkte, den
Zi:.-.it.i.er in die Tasche seines Rockes
gisciiein
Er s.ih mich wehmüiig nn nnd er
widerte: »Ich kveiß auch nicht, nne ich
daraus getoninien·sein mag, aber ich
gebe dir mein Wort, ich habe keine
Ahnung mehr von der ganzen Sache.
Jedenfalls muß ich fürchterlich be
zechi gewesen sein-«
--.-—-..-.-——
—- Rurürliche Folgt-. l.
Echiilm -.Mcrkioürdig, wie unser
Ordinarius sent immer so zerstreut
isi!«
2. Sei-isten »Jo, er ist doch neu
lich Professor gewokdcnl«