Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 07, 1917, Sonntagsblatt, Image 11

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    Die »He-Italiens
sioman von does schwer-.
, (4. Fortfehungx
Paul hallertotv war noch dicker
geworden, nnd feine Christine auch.
Trog der Sorgen, die sich eingestellt
hatten. Nicht etwa, daß fee in Ber
msgensverfall geraten waren. Ihre
beiden häuser an der... Kaiserallze
rentierten sich ganz gut. Und wenn
auch einmal ein paar Wohnungen
leer standen, sie wurden schon wie
der vermietet, sogar teurer als vor
« her..· Sorgen machten ihnen die
Kinder. Gegenseitig schob sich das
Ehepaar die Schuld zu. Und dann
ging immer eine andauernde Hälelei
los . « bis Paul Hallerlow nach hut
und Stock griff und zum Früh-,
Dämmer- oder Abends oppen dum
melte... Gleichgesinnte eelen fand
man schon, Leute« die wie er, nichts
Besseres zu tun hatten, als ihre Zin
sen totzuschlagen Und wer nichts
Rechtes mehr zu tun hat, der wird
leicht lnietfchig. Der eine entdeckt
allerlei Krantheiten an sich, der an
dere schimpft iider die verrotteten
Zustände, dem Dritten ist der Rot
tvein zu talt, dem Vierten machen
die Menschen zu dumme Gefichtee.
Aus jeder Kleinigteit wird eine
Staatsaktion, die dann file einen
ganzen oder halben Abend Stoff
gibt, —- und die ntiferakle Stim
mung schwang nach — bis man das
ehrliche Schlasgemach betrat... Hat
te dann Paul Hallerlow erst die Wes
ste geöffnet und einen Zungenfchiag
—- das lam übrigens selten vor, da
mußte es am Stammtisch schon sehr
hitzig zugegangen sein —, so örgeite
er sich, wenn feine dicke Christlne
bloß das Gesicht verzog, und die Hä
lelei ging von vorn los... Bis die
eines Tages sich cin eigenes Schlaf
zimmer einrichtete. Leuten, die ed
dazu haben, als .,standesgeniäsz«...
Und da er nicht so tun wollte, als
hätte er lein Verständnis fiir diese
vornehme Lebensart, so stichelte er
sich tagsiiber mit seiner Christine aus
andere Weise herum.
»Hm, —- schon wieder ein neues
Seidenlleid? Das alte wurde wohl
zu eng —- he?"
o
«Jenan so, wie Dir die Hosen,«
erwiderte dann seine Ehehälstr.
Dann war der Grund gelegt, nni
sich gegenseitig Schmeicheleien sagen
In tönnen·.. Allmähtich tam das
Gespräch aus die Kinder, hoch gin
gen die W en.
Uebers nie solltest Du Ernst
legen! Wut der uns nich tosteti
Dat Einjährige hat er mit Ach und
Krnch durch Nachhitssstunden er
reicht, un dann nehmen se ihn nich
rnal bei’s Mititiie... Un was tut
er nu? Vummelnl Architekte wer
den? ha, hat sich was!«
aWer hat ihn denn verwöhnt, von
tleen usi. etwa icke?«
«Ree —- icket Versteht sich....
Un Anna, bat hiesrige Ding! Jms
mer verpöppelt haste sie! Jct ooch
— wo ich aber nu Schluß machen
will...«
»Ja, da mach doch Schluß!«
brüllte ihr Mann.
Da sing die tleine dicke Christine
an zu weinen
.,Jck werd« doch nich fertig mit
set Un wo se an ihren Vater so’n
schönes Vorbild hohen, was soll mer
da machen?«
J
Bann war naturnch oer Dperraret
groß! Die beiden dicken Leutchen
saßen sich mit roten Köpfen gegen
über und mit schlechtem Gewissen
Sie wußten ganz genau, die Schuld,
dasz die Kinder nicht einschlugen,
lonnten sie aus gemeinsames Konto
setzen.
Ernst war ein großer, blasser
Schlingel geworden und spielte sich
aus den Sportsmann auf. Ein Pfer
derennen in Berlin und weitester
Umgebung war ohne. ihn undeut
bar. Und natürlich wollte er am
Toialisator setzen —- nicht zu knapp,
er wußte immer iotfichere Sachen.
Wenn er dann »die große Stange
Gold nicht landete«, wier natürlich
»eine Schiebung« unter den Jocleis
oder herrenreitern... Außerdem
inachie er allerlei Betanntschasten auf
den Nennpliitzen —- von briichigen
Existenzen, die aus anderer Leute
Tasche lebten, denen der Sohn des
»Wilinerödorser Bauern« ein sehr
taugliches Objelt war. Vielfacher
Millionär, der Vater, versteht sucht
Bloß noch eine Schwester. Mit tot
sicheren Tips gings los.
»Aequator gewinnt! Sialltippt
herr hallertom wenn's einer wissen
muß, dann ich!... Und warum ichs
gerade Ihnen sage? Mein Gott,
an will doch leben! Und Sie ha
’I dazu! Sie senen siir mich rnit,
zwanzig Mart Sieg! Gewinnt der
Gaul nicht, hab ich doch auch nichts
davonl Sie sehen, ich mein' es ehr
licht«
Und gewann der Gaul, klebte der
Mann wie eine Schmeißsliege und
wußte siir das nächste Nennen wieder
eine »gute Sache«. Ging dann das
Geld sliiten, hatte er ja in dem er
sten Rennen verdient. Wand aber
in dem schon nichts, wurde Mord
und Brand geschimpstl Ja, die
Schuhen die Schieberl
Kam dann Ernst hallertotv heim,«
nagte er an der Unterlippe, termin
mierte mit Betanntschaftem die er
auf dem grünen Nasen gemacht, so
wußten die Eltern schon, lvas die
Glocke geschlagen. Der Junge brauch
te Geld. Und bekam er keines, ver
schaffte er sich’s, und dem Vater
wurde der Wechsel präsentierttDann
mochten die Eltern noch so zanken und
drohen, Ernst hallertow saß da,
zog sich mit spitzen Fingern die Bit
gelfalten an feinen Dosen hoch nnd
erwiderte in aller Gemütsruhet
»Ja, warum habt Jhr mir »die
paar Mart« nicht gegeben! Da hab’
ich einfach quergeschrieben, und um
sonst lriegl man doch tein Geld ge
pumpt, ein rundes Stimmchen höher
mußte ich anerlennen.« .
Und als eines Tages sein Vater
ihm eine tüchtige Siandpaule hielt,
er habe teinen Schimmer von Geld
und Geldeswert, er solle erst einmal
so viel verdienen, hatte Ernst höhnisch
erwidert:
»Hast Du die großen Hausen Geld
verdient? Jn den Schoß ist er dir ge
fallen!"
Das war das einzige Mal, an dern
Paul seinem Sohne eine tüchtige Ohr
feige gegeben- und gebriillt hatte:
»So-o, hast du Linnnel nich doch
in dem tleinen Hause jelvohntt he?
Un jesehen, wie Dein Vater hinter
den beiden Brunnen herjegangen is,
Tag for Tag?!«
Ernst Hallerloio hatte die Mund:
winlel höhnisch herabhängen lassen
und und erwidert:
»Das; du doch den Bauer noch im
nier nicht los-werden kannst, Vater!·'
Anstatt dem Jungen sofort eine
tüchtige Tracht Prügel zu verabfol
gen, steckte Paul Hallerlolo die Hän
de in die Hosenlafchen und blies die
dicten Backen anf. Für seine Kinder
hatte er immer Entschuldigungen l«ei
der Hand. Die waren doch in ihrer
ersten Jugend in so ganz veränderte
Verhältnisse gekommen, da mußte
man vorsichtig sein Nach und nich
würden sie schon vernünftig werden
lieber den lleoeraang half das Geld
hinweg, man hatle es ja dazu. Sei
nen so lange und so heiß ersehnten
Junan durfte er nicht vor den Kopf
stoßen. Der hatte neulich von einer
Weise uin die Welt nnt Jagd auf Lö
Irm und andere wilde Tiere gespro
chen, daß ihm heifz nnd talt wurde,
wenn er nor oarnn one-ne. uno gao
er ihm nicht das Geld dazu, puenpte
ef- sich Ernst zusammen, bekommen tat
er’5 schon . » Da snßte ihn die Angst.
Wenn ihnc einer »handgreislich" ge
tommen wäre nnt zweiundzlvnnzeg
Jahren, wenn es selbst der leibliche
Lsater gewesen wäre, er hätte sein
Bündel geschnürt nnd wär' losgezos
gen... Die Haltet-laws lvaren doch
gesundes Blut, und seine Christine
stamnlte auch aug einer rechtschaffe
nen Familie, on tam schon die Stun
de, in der in Ernst dns gesunde Blut
durchbrach Mit einer lnngen Rede
voller wohlwollender Ernmhnungen
hoffte er Jie recht bald heranzanbeen
zu lönnel Ruhig hörte sein Jun
ge zu, desah seine polierten Fin
gernägeL Er wußte, ging dem Vater
der Atem aus, dann betam er auch
Geld. Und die Ohrseige mußte natür
lich extra bezahlt werden, damit sol
che Entgleisltngen nicht lvieder dot
tainen... Aus Ucnlvegen steuerte er
aus sein Ziel los. Er wußte schon,
wie er seinen Vater anzupacten hatte.
»Sieh mal, Du hasss nicht mehr
neug, Geld-zu Ver-dienen, ich aoer
trerde es eines Tages müssen! Und
will es! Es kommt ganz darauf
an, wie man dac- Leben studiert. Der
eine geht auf die Universität —- und
das tostet Geld, der andere sieht sich
mit offenen Augen in der Welt um«
istnfonft laßt sich das natlirlich nicht
machen... nnd wenn ich schon die
Schule durchgehalten hätte und aus
die Universität gegangen wäre, was
wör'"ich geworden? Beamter, der sich
tufchen man und dafür ’n Liniterbrot
teziehti Hentzntage heißt-: selbst ist
der Eiiiannt Frei fein, großziigig an
dere für sich arbeiten lassen, regieren
nnd anständigen Verdienst einstecken,
so macht inan’5!«
Reden tonnte der Junge und Bei
spiele tannte der Vater gerade ge
nug. Männer, die nur über Volls
schulbildung verfügten, hatten es zu
Reichtum und Ansehen gebracht! Und
wenn einer einen sieannnen Beutel
hinter sich hatte, wa: der erste An
lauf schon gewonnen. Auf den Kopf
gefallen war Ernst ja Gott sei Dank
nicht, eines Tages meldete sich fein
,«.gesundes Bini« und dann stürzte er
sich in die Arbeit. Vielleicht war die
Stunde ganz nahe. Also in den Geld
schrant gegriffen, man hatte es ja» i
Ernst Tallertow machte die Wet
terei bei en Pferberennen gewiß
Spaß, aber schließlich war das eine
unsichere Sache, nnd eine Rolle itn
Leben wollte er auch spielen. Ein paar
Leute,die es sich zurEhre anrechneten,
mit ihm Sest, natürlich auf seine Ko
sten, zu trinken, lagen ihm in den
Ohren« sich einen «Rennstall« anzu
schaffen. Einer war unter seinen Be
kannten unter den »Sportileuten«,
Solernacher hieß er, ein großer, älte
rer err mit einer mächtigen Glatze
aus em keiner fo recht tlug wurde.
Auf jedem Reimen war er zu treffen,
ging immer tadellos getieidei, be
wohnte am AugustaiUfer eine sehr
gediegen eingerichtete Bierzimnters
loohnung und verstand, sich inter
essant zu machen. Die einen sagten,
er habe einen Pferdeversiand wie
kein anderer, immer «lande« er sei
ne Weiten, oft heimse er zehnfaches
Geld und mehr ein, aber er sei ver
schwiegen wie das Grab «- und Offi
zier wär’ er früher auch gewesen« na
türlich bei der diavallerir. Andere wie
der wollten wissen, seine Hauptein
lünfte beziehe er ans Finanzgeschöss
ten. Nicht etwa, daß er fünfzig Pro
zent Wechsel biskontiere, ach nein,
der arbeite für Großbanien, nur in
Millionengeschäfte lasse er sich ein, bei
denen Provistonen von fünfzigtausend
nnd mehr zn verdienen seien. Von
riielen wurde er auf den Rennplätzen
sehr ehrerbietig gegrüßt und daß er
nur kurz, hochmütig siir die bevo
ten Grüße dankte, erhöhte natürlich
nur die Bewunderung, die Ernst
Lallerlow seiner Persönlichkeit schon
seit längerer Zeit entgegenbrachte.
Als er eines Tages beim hinder
nisrennen in Karlshorst mit einem Iei«
ner Bekannten zufantmenstand« das
Programm in der Hand, war dieer
Herr Solemacher zufällig an ihnen
vorbeigegangen Der Bekannte, auch
ein Mann, der dem Sport eifrig er
geben war nnd unter den Jockets eitt
paar gute Freunde besaß, hatte tief
den Hut gezogen. Herr Solemacher
hatte nur hochmütig geniekt, war
stehen geblieben nnd hatte mit einem
lässigen Lächeln um den bartlofen
Mund gefragt, welches Pferd er denn
setzen wolle. Da halte Ernst Hallerkotv
iurz entschlossen, mit rotem Kopf, ge
beten, ihn doch Herrn Solemacher
vorzustellen. Das war geschehen. Ei
nen flüchtigen Händedruck hatte er so
gar bekommen und dann hatte Herr
Solemaeher, schon itn Weitergehen,
gesagt:
»Aber nichts verraten!«
Und dann war Herr Solemacher in
der Menge untergetaucht.
Das hatten die beiden getan· ,,Leib
gendarm« gewann; für dreißig Mart
aus Sieg, die sie zusammen gesetzt —
Ernst Hallerlow hatte einstweilen aus
gelegt — lonnten sie hundertvierund
zwanzig Mart beim Toialisator ein
htirnsen.
Zufällig lreuzte Herr Eolemacher,
eine Stunde später, Ernst Hallerlows
Weg, als der nach einem Rennen un
einer Barriere stand, das Gesicht in
Falten gelegt, denn das Glück war
umgeschlagen. Die ,,totsichere« Sache
hatte sich wie so oft auf dem grü
nen Rasen irn gesehlagenen Felde be
fanden.
»denn winn, rein Sterns
Ernst Hallertow fuhr zufammen,
sah erst jetzt herrn Solemacher, ver
ihn mit hochnnitigem Lächeln mu
stertr. Da riß er den Hut vom Kopfe.
»Ach Gott, nicht weiter schlimm
Ich habe mich nur über einen geär
gert, der mir schon ein paar Mal
falsch geraten hat. Eigentlich wol-te
ich den Sieger feßent«
»Nun, Herr Hallerkotv, das macht
ihnen doch nichts aust«
Der fiihlte sich geschmeichelt.
»Nichts-! . .. Absolut nicht-Jl«
Herr Solemacher blieb, ganz ge
gen feste Gewohnheit, immer noch
stehen, lächelte weiter hochmütig und
sagte schließlich:
»Sie gefallen mir, Herr Hallerloiv,
ich beobachte Sie schon länger! Wol
len wir heute um neun Uhr im Re
staurant Sanssouci zu Nacht essen?
Natürlich im Frack und wir beide
alleini«
Ob solcher Auszeichnung fühlte
sich der junge Mensch höchst erfreut
»Es ist mir natürlich eine Ehre!
Und ich werde von Herzen gern kom
men«
Stumm, mit einein freundlichen
Riesen, drückte Herr Soleniacher Ernst
Hallertotos Hand und ging weiter.
Gleich nach dem Rennen suhr er
nach Hause, ließ seinen ganz tadellsen
Frack vom Schneider noch einmal
ansbiigeln. Ganz benommen war er
ron dieser Ehre. Jn den Sportlreiskn,
in denen er bisher verlehrt hatte,
würde man große Augen machen,
wenn er so ganz nebenbei sagte; »Ja,
und vorigen Mittwoch habe ich mit
Herrn Solemacher im Restaurant
Sanssouci zu Abend gegessen. Wir
beide an einem Tisch allein, es ivar
sehr nett!« Und hochmütig lächeln
wollte er lernen, gerade ioie Herr So
leinacher... Da stellte er sich vor den
Spiegel und übte... Natürlich trug
er das Gesicht glatt rasiert, denn was
ein richtiger Sportsiiiann ist . «
Pünttlich um neun Uhr war er im
Nestaurant Sanssouci. Die Haus
iapelle spielte, aber es waren noch vie
le Tische srei. Eigentlich tras man sich
bier erst nach dem Theater und aß
für teures Geld recht gut. herr Solc
macher war-nicht zu entdecken. Da
suchte er sich einen Tisch in einer Ecke,
von ivo aus er das Lokal gut über
sehen toiiiite, und wartete. Seine Ge
duld wurde aus eine harte Probe ge
stellt, denn erst gegen dreiviertel zehn
kam Herr Soleinacher. Und da hatte
er es auch noch nicht eilig. Das Mo
iiotel im Auge, in Frack, weißer We
ste und weißer Binde, betrat er lang
sain den Raum, ließ gleichgültig den
Blick über die Menschen gleiten und
jdriielte dann, indem er sein hochmü
,tiges Lächeln aufsetzte, Ernst hallet
ltoiv, der ihm entgegengegangen war
und sich verbeugte, die hand.
»Entschuldigen Sie, es ist etwas
später geworden! Kleine Abhaltung
na, das lomtnt ja vort«
Ernst hallet-law wehrte ab. Gar
nicht langweilig sei ihm das Warten
geworden und sehr lange sei er auch
noch nicht da. Here Solemacher lächel
te wieder, stellte das Souper zusam
men.
,,Erst eine Rübesheinier Berg, dann
Seit, nicht wahr, Herr Hallertotv, sa
gen wir Bettve Cliquot, und schließ
lich zum Nacht-Ich Bordeiiux, Mon
um Rothschinz deute ich!«
»Gasz einverstanden,' stotterte der
mit rotem Kopf. Und gestand sich im
stillen: »Herr Soleinacher stellt ein
Souper zusammen, alle Wetter! Das
trerd" ich mir merken!«
Die beiden ließen es sich gut schmet
len. Ab und zu machte Herr Sonnta
c!,-er eine witzige Bemerkung über
einen der Gäste, Ernst Hallertow lä
chelte vielsagend dazu Aber viel
Worte wurden nicht gewechselt —- bis
der Nachtisch dastand und die zweite
Flasche Mouton Rothfchild
Da legte Herr Solcniacher seine
Hand leicht aus Ernst Hallertows Un
terarm, das hochtniitige Lächeln spiel
te wieder uni seinen Mund.
»Sie werden sich gewundert haben,
junger Freund, tiber meine Auffor
tierung!«
«Eine große Ehre war sie mir,
Herr Solemacher!"
»Nun, nun!... Ja, was ich sagen
wollte, Jhr llnigang gefällt mir
nämlich nicht! Ich beobachte Sie schon
länger! Diese Leute« —- entsetzlich
höhnisch wurden diese zweiten Worte
gesagt — »sind tein Verkehr siir
Stet«
Ernst Hallerkow wurde das Herz
weit. Oer Mund sloß ihm über, er
glaubte sich verteidigen zu müssen.
»Ich teile Jhre Ansichten durchaus,
Herr Solemacherl Und Lehrgeld habe
ich gerade genug gezahlt! Ich sehne
mich danach, diese Leute« — fast so
gut wie sein Meister lonnte er die
beiden Essen sagen — ,,loszutverden,
aber da ist entsetzlich schwer! Wenn
Sie sich gütig in meine Lage versetzen
wollen! Jch bin passionierter Spottg
niann —- wirtlich! Jung und un
erfahren . . .«
»Das ist’s eben," unterbrach ihn
Herr Solemacher.
Ukllsi Dciuckloiv gkiss zum Wllllc,
stürzte den schweren Rotwein in einem
Zuge hinunter und fuhr dann mit
rotem tiopse sort:
»Ja, und Beziehungen habe ich
nicht, wie soll man da in die wirklich
vornehmen Kreise sont-nen, nach de
nen ich mich wayrhastig sehne!'«
Herr Solemacher mochte gar sein«
spöttisches Gesicht, sondern ein sehr
nachdentliches.
»Aber ich bitte Sie, das kann einem
nicht schwer sollen! Sie sind sehr
lveltgeloandt, elegant und — ver
zeihen Sie, Herr Hallertoto, aber man
weiß doch Bescheid — stammen aus
sehr vermögendem Hause... Bitte
ich lann mir schon denken, was Sie
sagen wollen, das ist doch lein Grund,
verlegen zu werden, denn über Zeiten
sind wir doch Gott sei Dant voll
ständig hinaus, in denen blaues Blut
dazu ghörty um eine Rolle zu spie
len!... Geld regiert die Welt! Hat
man die nötige Energie, so setzt sich
einer wie Sie schon durch."
Das Blut brauste Ernst Hallerlow
in den Schläsen. Jinn gegenüber saß
einer, der ihm helfen tonnte, die
hindernisse mit einem hochmütigen
Lächeln aus dem Wege zu schieben!
Also die Stunde genützt. Sein zähes
Bauernblut erwachte.
»Herr Solemacher, wenn ich erst
einmal diese Leute los würde, die wie
die Ketten an mir hängcni«
»Pah, man sieht sie einsach nicht
mehx!«
»Sie liegen mir in den Ohren, ich
soll mir einen Rennstall zulegen!«
Herr Solemacher wiegte den Kon
hin nnd her.
»Noch nicht mal ein so iibler Ge
daniei Das ist ein Zprtmgbrett, von
dem sich schon mancher in die vor
nehme Gesellschaft eingeführt hatt
Aber diese Leute würden Ihnen
Schinder anschiniereni Schinder! Na-!
türlich siir sehr teures Geld!... Na,;
reden wir darüber jetzt nicht! Jchi
sage Jhnen schon, später vielleicht! » .f
Jch würde Jhnen raten, vorläufig
erst einmal in ganz anderer Weise
in der guten, Gesellschaft festen Fuß
zu sassent«
Mit dem ruhigsteu Gesicht von der
Welt drehte Herr Solemacher den
Stengel seines Weinglases zwischen
Daumen und Zeigesinger.
»Und wie denken Sie sich das, Herr
Solemacher?«
Da lächelte der wieder.
»Nicht so hitzig, junger Freund!
Erst lernen Sie mich ein bischen näher
kennen, damit Sie Vertrauen zu mir
fossent«
»O, das habe ich doch,« versicherte
Hallerlow mit dem Brustton der Ue
berzeugung.
Aber Herr Solemacher winkte ab.
»Nein, nein, warten wirt«
Ernst hallerlows Herz hämmerte
gegen seine weiße Weste.
»Vorhin haben Sie mir gesagt:
Mit der nötigen Energie setzt man
sich durch! Also die hab’ ich! Da
möchte ich Sie doch gleich davon
überzeugenl Jn aller Form bitte ich
Sie hiermit, mir Jhre Pläne zu ent
wickeln!«
Weit lehnte sich Herr Solemacher
in seinen Stuhl zuriirl, drückte das
Kinn an den Kragen und beobachtete
eine halbe Minu.e ,,seinen jungen
Freund« mit ernstem Gesicht Erst
dann sagte er:
»Wahrhastig, Sie scheinen iiber
eine ganz gehörige Portion Energie
zu bersiigeni Da möchte man ja glan
ben Sie wären heute schon siir eine
bernünftige Auoiprache reist«
Der schwere Wein, die Aufregung
hatten Ernst Hallerlonss junges Blut
in Wallung versetzt.
»Nichts ehrlicher wünsche ich, Hei-r
Solemacher, als Ihnen zu beweisen
daß ich wirklich iiber Energie bers
füge!«
»Man könnte sich ja auf einen
Versuch einlassen! Eigentlich ein
Leichtsinn von mir!... Ra, meinet
ivegeni... Fuhren wir zu mir, a.i
hat man keine Lauscher anf dem Hals-!
Berlin ist immer noch ein großes
Bierdors, noch lange nicht Paris oder
London, nicht mal Wienl... Und
wenn einer in den Gelddeutel gr.ist,
genügt est Knobeln wir also oas
Abendessen ansi«
Da Passierte Ernst Hallerlolv, was
ihm seit langem nicht passiert war:
er brauchte die Zeche nicht zu bezahlen
Gelassen össnete Herr Solc
machet seine Brieftasche, zog non
einem Packen Hundertmarlscheinen
einen ab und gab dem liellner zur
Abrundung acht Mark Trintgeld.
Acht Mart!... Ernst Hallertoiv war
nun vollkommen überzeugt, daß er es
mit einen Gentleman zu tun hatte ..
Jm Automobil fuhren die beiden
nach Solecnachch Wohnung am Au
gusta-User. An der Kottidortiir stand
in Kniehosen, Wabenstrümpfen und
Schnallensehuhen der Diener, obgleich
es fast Mitternacht war. Ernst Holler
iow lernte das Staunen. Hier schien
es sehr »großzligig« zuzugehen. Der
Diener ivar wohl gewöhnt, Nacht siir
Nacht auf die Heimkehr seines Herrn
zu warten.
Herr Solemaeher legte seinem jun
gen Freund die Hand aus die Schill
ter.
»Bitte, hier herein, und seien Ske
mir gleich herzlich willtomcnen in inei
nen vier Wänden!.... Franz. Zitte
nenlimonade mit einem Schuß Rot
wein, recht kalt!« An der Tür hatte
Herr Solemacher e5 dem Diener zu
gerusen, dann sagte er ernst: »Herr
Hallerloto, wenn man iiber schlverwiei
gende Dinge spricht, muß man den
Altohol meiden! Uebrigens haben wir
von dem heute abend gerade genug
durch die Kehle gejagt! Es ist nicht
vornehm, geistige Getränke in Massen
hinunterzuschütten. Außerdem lähmt
es die Energie!«
Ernst Hallerlow verneigte sich und
sah sich in dem Wohnzimmer um.
Massen wilder Völkerstämme hingen
an der Wand, Panther-, Löwen- und
Eisbärfelle lagen umher, drei große
Petroleumlnmpen, bedeckt mit langen,
roten Seidenschirmen, dämpsten das
Licht.
»Sie scheinen sich über mein »Jagd
zirnmer« zu wundern. Ja, wer so
viel durch die Welt gekommen ist wie
ich! Afrila, die Sundainseln sind mir
ebensowenig sremd wie das nördliche
Eismeeri Ein andermal erzähl ich
Jhnen davon! . .. Und die Petroleum
lampen setzen Sie Großstadttind na
türlich in helles Erstaunen! Elektri
sches Licht, selbst gedämpst, ist mir zu
grell, Gas zu heiß.« Behiibig dehn
re er na) in feinem bequemen Polster
stuhL »Man muß ein wenig Lebens
liinstler sein, Herr Hallertowl Das
lernt sich mit den Jahren, wenn
einer nicht aus den Kon gefallen ist!
Aber warum soll man Lehrgeld
zahlen, wenn man es gar nicht nötig
hat, nicht wahr?"
Ganz stolz war Ernst Hallertow
geworden, daß ihn dieser viel ältere,
weitgereiste, vornehme Herr Solema
cher so liebenswürdig unter seine Fit
tiche nahm. Wieder sand er Gelegen
heit, seine Energie zu beweisen.
»Ich bin Jhnen wirtlich sehr ver
bunden, daß Sie mich so auszeichnen!
Die erdenllichste Mühe werde ich mir
geben, mich allezeit Jhree Vertrauens
würdig zu erweisen!«
Herr Solemacher hob langsam die
Schultern hoch.
»Wir werden ja sehen, mein junger
Freund!... Ah, da kommt das Ge
träntt iEs ist gut, Franz! Auf zwei
Stunden werden Sie sich noch gefaßt
machen müssen!... Ja, Herr Hallen
sow, fiir den Anfang werden Sie
wahrscheinlich ungeheuer über mich
staunen! Es werden Jhnen vielleicht
sogar Bedenken tomment Weil Sie
das Leben mit seinen Ecken und Kan
ten noch nicht tennenl Wie sollten Sie
auch!... Jch bin mir immer noch
nicht recht klar, ob Sie schon reif sind
siir die Aussprache, auf die Sie —
ganz gegen meinen Willen —- noch
heute abend bestanden! Wenn ich mich
auch siir einen Menschentenner halte,
einen Talben Scheffel Salz sollte man
mit se ern erst gegessen haben, bevor
man sich tn die Herzensfalten sehen
läßtt Und dann natürlich auch noch
lange nicht jedent'«
Ernst Hallertow ging der Atem
schwer. Was würde nun lommen: Ei
nen festen Plan schien der da gegen
über, der sich so aufmerksam seine ge
pflegten Hände besah, zu haben. Einen
Plan, der ihn steimachte von den
Turspiraten, der ihm eine gesellschaft
liche Stellung brachte. Takt die nur
mit »Opsern« zu ertausen war, wenn
man der Sohn des ehenm.iien Klein
bauern Paul Hallektolo n:.«·. lag aus
dcr Hand. Und das-, ixm —s- vorläufig
—- Herr Solemacher ook dem Anlan
eines Rennstalles gemarnt hatte, —
mehr als zwei, drei llakspsiae Schin
der wären eo ja dol) ums geworden
—— halte sein Vertrauen g nz unge
heuer gestälzlt.
«Bitte reden Sie doch ungeschqu
Wenn ich auch noch selkc sung dis·
Das Leben hat ans nach sinnt-ne Ein
driide gemacht axs aus Die meisten
Tas ist doch lein Wunden Ich hab«
doch noch gesehen, wie ein Vater mit
seinen beiden lraunen Stuten vier
zig Morgen Land bestellt l;at!«
Da hob Herr Soleinacher säh denv
tiopf·
»Daß Sie das sagen, beweist mir
mein junger Freund, daß ich mich in
Ihnen nicht getäuscht iialsei Und...
die Hand draus! Finden Eie an mei
nen Plänen tcinen Geschmack, so ver
gessen wir beide, loaI heute abend ge
sprochen worden ist.«
Ernst Hallerioiris Hand fuhr iiltee
den Tisch.
»Ich verpsände Ihnen mein Ehren-,
wort!«
»Na, dann ist’s gntl« Weit lehnte
sicy Herr Solemacher tin-l) dem Hän
dedruck in seinen Stuhl zurück, schlug
die Beine üdereiiiaiider. »Wer Geld
hat, will sich durchsetzett, das ist das
Selbstverständlichsic von Eier Welt!
Und wer, wie Sie, aus De-« Schatten
so hoch ins Licht geschleudert wird, der
wird geblendet —- und stillt »Nimm
Leuten«, mit denen ich sie so ost aus
den Rennpliitzen zusammen stenen sah,
in die Finger! . . . Schmeißsliegenl . ..
Die sangen Ihnen den legten Trop
fen Blut aus den Adern! Und wenn
Sie es getan haben, kennen sie Sie
nicht mehr!.« Andere kommen an
die Reihel Unetsahrene Sisyne reicher
Väter!.. Wenn auch der eine oder
andere von »diesen Leuten« einmal
hinter die schwedischen Gardinen
kommt, sie machen sich nichts draus!
Uebrigens sind die schwer zu erwi-.
schen!·.. Also endgültig Schluß tnii
ihnen!... Das ist die erste Vorm-s
setznng die ich unbedingt sti- ca
muß!«
»Es wird geschehen, Herr espe
Inacher!«
»Gut, ich will Ihnen g:auben, es
gleich das nicht so leicht sein wied,
wie Sie sich das vorstellen! Total un
Hnahbar sein, »diese Leute« überhaupt
nicht sehen und, wenn sie Sie anspres
chen, ihnen einfach den Rücken zu
drehen!«
»Auch das wird geschehen!«
» »Und wenn Sie mich draußen auf
Hden Rennplätzen treffen, bitte, eine
kurze Begrüfzung —- weiter nichts!
Denn »diese Leute« ziehen natürlich
sonst die Schlußfolgerungen und ich
will mit denen nichts, aber auch gar
nichts zu tun haben!« »
»Ihr Wunsch wird mir Befehl sein,
Herr Solemacher!«
Der nickte, schob seinem Gaste Zi
garren und Zigaretten hin —- er selbst
tauchte nicht — besah sich noch ein
mal seine Hände und fuhr fort
,,Fiir möglichst wenig Geld recht
viel vom Leben haben, das ist für ie
den vernünftigen Menschen der We s
heit allerletzter Schluß! Und lex-in
man mit einer Klappe gleich ein paar.
Fliegen auf einmal schlagen, so -.ut»
man es, nicht wahr?«
» »Ganz bestimmt, Herr Solemacherl
s Ernst Hallertows Nerven waren
»nun bis zum Aeußersten gespannt,
Idas hatte der »Menfchenlenner« erst
serreichen wollen. Jetzt war der »inn
ge Freund« sicher Wachs in seinen
Händen.
»Schlagen wir also so viel Fliegen
wie möglich mit einer Klappe,« sagte
Herr Solemacher - voller Nachdruck.
»Wie to t man am besten in die
,,Gesells , « hinein? Jndem man mit
einem Angehörigen dieser Kreise in —
verwandtschaftliehe Beziehung tritt!«
Da risz Ernst Hallertow die AU
gen aus! «
»Ich nnd heiraten . . .?«
Den Gedankengang weiter auszu
spinnen, dazu lara der Jüngling von
zweiundzwanzig Jahren gar nicht«
denn Herr Eolemaeher suchtelte mit
der rechten Hand in der Lust herum
und schüttelte sieh vor Lachen«
»Nein, nein! Was hätten Sie denn
dann vom Lebens Ja Ihrem Alierl
Gottvoll sind Sie —- gottvoll!«
Ganz verwirrt wurde Ernst Halle-.
low, er machte ein sehr dummes tm
sicht, stotterte:
»Ich glaube wirklich, Sie so verste
hen zu müssen!"
Herr Solemachcr wischte sich mit
dem-seidenen Taschentuch die Tränen
aus den Augen.
Fortsetzung solgt.)
i — Die höchste Höhe. Frau
iA-: »Ist Jhr Mann denn wirklich
sso schrecklich vergeßlich, Fran Pros
ssessorW »
s Frau B.: »O, furchtbar-, ich muß
zihrn sogar stets Knoten in die Ta
Jschentiicher machen, damit er —- seine
Nase nicht vergißtt«
s-— Auch. Der lyrische Dichter
»-Herr Gott, ich habe vorhin meinen
«Regenschirm in der Redattion stehen
lassen.«
Kollege: »Sei unbesorgt, den kriegst
du auch zuriieU