Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 19, 1917, Sonntagsblatt, Image 11

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    Än- Kwnen .
werden Icetlm
seinen von seiest feile-Isch
»·- (11. FortsesungJ
-- Reine Ursache, gnädige Frau.
JNur verfluchte Pflicht und Schuldigd
teil. Jch wäre doch ein Lump, wennj
ich das nicht sin meinen Freund ge-»
tan hätte. Brand ist ja mein älte
ster, eigentl« einziger Freund, so
weit ich Egoi entier der Freundschast
sähig bin. Den kann ich nicht in
solcher Patsche sitzen lassen. Und
nun sagen Sie mir, erzählen Sie
mir! Sind hier in dieser ehrenwer
ten Stadt Gericht und Polizei denn
ganz verrückt geworden?«
«Sie sollen alles hören; lonnnrn
Sie her und setzen Sie sich· Aber
wollen Sie nicht Jhren Pelz able
gen?"
»Das ist eine Frage, die geprüft
sein will. Dars ich wissen, wieviel
Grad Sie hier ini Zimmer haben?«
Hedwig mußte lachen —- es tat ihr
so wohl! Sie ging zum Thermomei
ter und meldete: »Wir haben siinss
zehn Grad Reaurnur.'«
«Run, so will ich es wagen. Ein
Katarrh ist mir ohnedies bomben
sicher; ich sühle ihn bereits. Dies
Deutschland ist und bleibt ein abho
minabeles Land im Winter, Früh
ling, Sommer und Herbst. Aber ich
will inich nicht etwa derben-lichem
weil ich gelonnnen din. Ich habe
das gute Bewußtsein: wenn ich hier
als mözapsen ende, bin ich wenig
stens siir einen guten Zweck ersroren.
lind nun, bitte, losl«
i
g
hedtvig hatte noch die Tür zum
nebenan gelegenen Salon verschlos
sen, um es wärmet and ungestörter
zu haben; seht nahm sie Rittner ge
genüber Plan, der in seiner kurzen
Pelzjarte toie ein hleichsiichtiger Eg
timo dasaß.
Hedwig erzählte. Sie sprach zu
erst von ihrer eigenen, durch ihren
Mann abgeleugneten Begegnung mit
Ihm vor dem Pause der vchauspieles
rin, vom Zusammentreffen des Fräu
leins Hegeroisch mit ihm an derselben
Stelle, uon der Aussage der Jung
fer, die den Regierungsrat auf der
Treppe des hauses kurz nach der Er
mordung der Schauspielerin gesehen
haben wollte —- hier aber unterbrach
sie Rittner bereits mit seiner tempe
ramentvollen Lebhoftigieiu »Und dar
aufhin haben sie den armen Kerl
derhastetk Es ist ja schauderhustl
Und wenn er hundertmal vor dem
Hause spazieren gegangen wäre, und
wenn zehn dumme Gänse von
Zrauenztmmern — pard , gnädige
Frau, ich spreche von der Jungfer —
ihn auf zehn Treppen gesehen haben
wollten, Ich würde doch immer sagen
r hat es nicht getan. Jch tenne
runo, und Sie kennen ihn auch. Er
hegeht kein gemeines Verbrechen.«
»Ihr sesteo Vertrauen tut mir so
wohl. Wenn Sie mir zur Seite ge
wesen wären, vielleicht hätten Sie
mir mit ein paar Worten die Zweifel
an ihm vom Herzen geredet, unter
denen ich so sehr gelitten habe und«
—- ste stockte mornentan, fügte dann
oder mutig hinzu — »denn ich mich
nun so sehr schäme.«
.Daran tun Sie recht, gnädige
Frau. Schätnen Sie sich nur ges
hörig. Und ich hosse, Sie darin be
störten zu können, indem ich Jhnen
und auch den herren dom Gericht
J
beweise, dasz Bruno nicht gemeuchelt
haben kann. Sagen Sie mir vor
allem genau, wann diese beriichtigte
Jungser ihn aus der Treppe gesehen
haben will-«
«Unmittelbar nach halb neun llhr
soll es gewesen sein.'«
.Die Person diirsten tvir wegen
Meineids belangen können —- wenn
sie nämlich bereits geschworen hätte,
was ich ihr toiinschen möchte. Denn
von ein Viertel nach acht Uhr bis drei
Viertel aus neun Uhr bin ich mit
Bruno spazieren gegangen. Jch tras
ihn —- allerdings nichi weit von ker
Kurfilrstenstrasze —- in den Anlagen,
und er hat mich beinahe bis zu inei
ner Pension begleitet. Jch weiß die
Zeiten genau; denn ich wollte sa den
selben Abend noch abreisen und hatte
gerade, bevor ich Bruno tras, meine
Taschenuhr nach der beleuchteten Uhr
am Rathause gestellt —- inan sieht sie
ja von den Anlagen aus. Brurio war
also zu der Zeit. in der man ihn dort
im Hause gesehen haben will, be
stimmt in meiner Gesellschaft Jch
hosse. diese Feststellung wird auch den
Wöchtern des Gesehes genügen.'·
»Das doch wohl sicher."
.Triumphieren Sie noch nicht« gnä
dige Frau. Das Meinige will ich
aber tun, den armen Kerl recht schleu
nig sreizulriegen. Jch sahre gleich
zur Staatsanwaltschast' —
Er war im Begriff, sieh zu erheben;
sie legte leise die Band aus seinen
Arm. Es ist noch nicht alles, was
ich Jhnen zu sagen habe. Um Jhren
Rat muss ich Sie noch in zwei Pant
ten bitten, und in dem einen lann
ich es nur, solange Bruno noch nicht
wieder hier im hause ist-«
»So geheimnisvoll? Da bin ich
begierig-«
Sie begann ihren Bericht auss
neue. Zuerst erzählte sie von dem
sesuche der Olga Weseinneier, wobei
sie hinzusehtu »Wie dieser Ring zu
dein Verdacht aus Bruno in Bezie
hung steht, kann ich Jhnen genau
nicht sagen. Man hat mich, viel
leicht mit Absicht, nur odersliichlich
darüber aufgeklärt, nnd auch die Zei
tungen haben darüber nur Andeutun
gen gebracht. Jedenfalls nder habe
ich den Ring ieyt in änden —- hier
ist er — und Sie so ten mir sagen,
od es nötig ist, Fräulein Wesenineier
der Polizei zu verraten.«
.Um Gottes willen nicht! Heute
nachmittag schon siiße sie hinter zehn
sachen Gitterm als griiszliche Mör
derin angeklagt. O nein, dazu wol
len wir denn doch nicht mithelfen.
Oder hat Jhnen dies Ringsriiulein
den Eindruck gemacht, als wenn sie
Neigung zum Erwürgen hättei"
.Nein, nein, gewiß nicht."
»Als-) möge sie sich der goldenen
Freiheit weiter freuen nnd fleißig
zu ihrem herrn Vater in die Kirche
gehen. Das wäre Punkt Numero
ein-«- —- nnd Nunieto zivei«i«
»Ja —- dazu miissen Sie mit mir
kommen in Brunos Zinimek«" sagte
Hedwig ein wenig unsicher·
»Ich bin zu nllem bereit —- sofern
es geheizt ist.«
»Es-trüber können Sie ruhig sein
Komtsen Sie, wir gehen gleich hier
»durch den Solon. Es ist nicht nötig,
jdaß die Köchin es tnertt. "
I »Auch diese edle Seele zu täufhen
bin ich bereit.«
. Sie gingen in Düringers Arbeits
Izimmer hinüber, nnd Hedtvig öffnete
den Sekretär. Dann zongie vorsich
tig die Schublade hervor, unter der
die drei Briefe verborgen waren.
Lesen Sie, lesen Sie!«
i Rittner setzte sich einen Kneifer auf
und ins die Briese der Zeitfolge nach
i sorgsam durch
- «
»Das ist Ia ein bchwetnehuntx ter
dao geschrieben hatt« war seitte erste
«Kritit. Als er zu Ende war, fügte
er hinzu: »Das sind Erpresserbriese,
wie tnan sie sich nur wünschen kamt.
Und unser guter Brutto hat sich os
senbar tüchtig presfen lassen. Daß
aber diese Schriftsiiitte auch eine
Waffe gegen den Gauner bedeuten,
hat er gewußt; er hätte sie sonst nicht
so sorgfältig aufbewahrt und ver
steckt."
»Sie meinen, daß er sie deshalb«—
»Unbedingt. Jrgendeine Handhabe
sgegen ihn muß dieser dunkle Ehren- .
Imann aber haben. Ahnen Sie nichts :
davon, gnädige Frau?«
s Zähnen —- ja, ein wenig.« Undl
isie berichtete stockend iiber das, was-«
iihr Bruno von einer auf ihm ta-il
stenden Schuld gesagt hatte. s
»Eine Schuldt es wird nicht sc
arg damit sein« Brand tut nichtsl
Gemeines. Vielleicht hat ihn die Lei
denschaft einmal fortgerissen — er
war in unserer Studentenzeit ein lei
sdenschastlicher Bursche. Daraus ton
sstruiert er sich nun selber wohl über
! triebene Vorwürfe. Gerade seine See
slen tragen am schwersten an einmal
ibegangenen Jrrtiimern und sehen
Tiiverall Gespenster. Jch fürchte mich
snicht vor Gespenstern; denn ich glaube .
nicht an ste. Darum will ich auch
snieinen guten Freund von seinems
sAberglauven zu befreien suchen.« ;
’ »Sie wollten —- ?" ;
.Aher natürlich. Umsonst will ich ;
doch diese, hübsche Reife von der fon- i
nigen Oafe in das kalte Redellandi
nicht gemacht haben. Ihn sreizutnas !
chen, genügt meinem Ehrgeiz nicht.i
»Ich kann das voraussichtlich indems
itch drei Finger hochhebe und ein paar T
mir vorgesprochene Worte nachsprechr. i
Die andere Last von ihm zu nehmen, s
wird so leicht nicht sein.« s
Walten Sie es sur inöglich?«
«Unm"oglich ist nichts. Vorbedin-«
gung ist nur, daß ivir herausbringen,
wer diese liebenswürdigen Briese an·
den guten Bruno geschrieben hat
Jch bin mit ihm ivirtlich vertraut.
aber voll einem Freunde solcher Art
fhal er niemals auch niir mit einer
seininal zusehen, was siir Anhalts
lpunkte die Briese selbst uns geben«
iJch möchte dies aber ausdrücklich als
Woruntersuchung bezeichnen, soweit«
ich selber dabei zu tun habe. Wenn
lman ein paar Tage lang aus Schif
!sen und Eisenbahnen durchgeschiittelu
’ioorden ist, hat man zuniichst wenig
stllnspruch daraus, zur Gattung des
illuiiio mission-g gerechnet zu werden.
»Sobald ich erst einmal vierundzwan- «
zig Stunden geschlafen und selsr viel
Aspirin genommen habe, kann ich
Sie vielleicht mit einigen lichten Mo
Imetiten überraschen.«
. »Ich habe so viel über die Briese
nachgedacht, aber sie geben so wenig
Anhalts«
»Nun, etwas müssen sie doch her
geden. llnd ivenn ich erst wieder
denlsiilsig bin, läßt sich vielleicht et
was kombinieren. Lassen Sie sehen
Die drei Briese sind aus drei der
schledenen Orten; das ist schon ein
Charakteristikum. Der Schreiber muß
entweder gar keinen Berus haben oder
einen, der ihm so häusigeri Orts
wechsel gestattet. möglicherweise vor
schreibt. Er kann Ossizier sein« rei
sender Kausmanrh Schriftsteller-,
Schauspieler, Maler, Bildhauer. Da
mit kreisen ioir ihn schon ein wenig
ein. Außerdem zitiert er einen Vers
von Schiller —- denn von dem ist
er, wenn meine Jugendbildung mich
nicht im Stich läßt. Man könnte
daraus am ersten aus einen Schrist
steller oder Schauspieler schließen,
sSilbe gesprochen. Lassen Sie ung
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aber es gibt auch schristgelehrte Bilds I
hauer und sogar Ossiziere. Jch habe
einen Leutiiant kennen gelernt, der
den ganzen Wilhelm Busch alt-wen
dig kannte. hüten ivir uns also oor
Trugschliissen. Der Schreiber ist
oder war vor turzeni hier in der
Stadt, loir tennen den Ansangobuchs
staben seines Vor- oder Rachnainens
nnd kennen —- ioas das Wichtigste
von allem werden kann — seine
Oandschrist. Aber damit ist unsere
Wissenschaft auch scheinbar erschöpft.
Jch sinde wenigstens iii meinem heni
tigen Zustande nicht mehr ans den
Briesen herauj.«
»Mehr als ich haben Sie auch heute
schon herausgesunden."
Vielleicht kommt liber Nacht noch
mehr Erieiichtung. Und wähieiil ich
hinsatsre, uni Biiuno ans oen Ketten
der Schmach zu lösen —- wie die
Dichter sagen würden —- habe ich
siir Sie, giiädigi Frau, eine prächti
ge Beschasiiguag.s Schreiben Sie mir
unterdes die Briese hier ab, seien
cie so gut. So kommen Sie auch
ain besten iiver diese, hoffentlich letzte
Warmen hinweg. Legen Sie die
uriginalc wieder hiibsch unter die
Echubtwe und schicken Sie mir die
Avschristen gleich per Post ins Ho
tel uonttnentaL Jch bringe Brutto
persdnlich zu Ihnen zurück, wenn ich
ihn gliiatich sieiisabe, dann aber iii
dexn Wiedersehenstauinel, ioerdeii Sie
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an and-re Dinge zsu denken haben’
atr- aii diese Briefe.
Poliz
»Geiuisz, geioiß. Jch will alles
machen, ioie Sie es mir vorschrei
beil
biiten« —
Atso bitte, per
llm eins iiur muß ich Sie
»Um was-« l
»Schunen Sie mir Bruno vor;
neuen unuiinehiiileiten —- bajz Ihre;
Ylachior«-1,ungen sie nicht über inn
bringen. aieine ich.«
.,an orrmieden werben lann, soll »
verinieoen werden. Aber glauben
Sie nur« liebe giiäbige Frau, besser
einmal eine gehange, oicke llnanneytiii
lichten nls Hunderte oon kleinen
one Leben hindurch. Unb ietzt noch
eiiir Ueiolssenllfrage: Sind ein oers
iiiogeiio genug, iiin nuolöininlich niit
Mann and Kind leben zu tonnen,
iiuch wenn Bruno feine Stellung yier -
eiion verlieren sollte-«
»Ja, ich glaube, baß es reichen
ivuibc. Aber Bruno« —
»Dng iinoet fich. Jin Notfall alio
toiineii .;-«ie beib- zum Herrn Staats
anwalt ingen: .
»Nun reich« ich höflich bir bie Haan
uxiv We röklich Lebeioohl, i
Nun get-' ich in ein andres Land, T
llnb so ist alles, ivie es foll.« .
Ich glaube, Io ungefähr beißt ja ver
meid. lzo iii gut« ioenii wir ohne ihn
anglo-innen, uber es ist auch gut,
wenn nie-n bas Bewußtsein but, ihn
sprechen zu tönnen.« »
»Was meinen Sie bamilli Sollten
ivir iori von hieri« I
»Won:bglich ii:cht. Aber bat alle-i
fiiioei sich. Frei müssen Sie beibe»
werben von oer Vergangenheit, ba
ist oie haupiiachr. Vertrauen Sie
iich nur« gnäbsbe Frau. Sie sind in
ben Heini-en eines guten Freunde-.
llnb nun iin ich erIi einmal leben,
biikz ich ben armen Bruno loeeiir.
Hoffentlich ist er in einer Stunde
irri. Unt- Sie schreiben mir oie
Briefe .ib, nicht wahr, gnädige
Frnui Auf baldige-S Wiederk
yen!«
Er ging, und Hebtvig eilte zu ih
reiii Schreibtisiy ini Bouboir, uni die
Wiese zu topierei1. Sie fühlte die
Wohltat solch einer mechanischen Be
ichastiguiig, aber doch ivar es ihr
same-, ihre Gedanlen daraus zu ton
ze:.irirreii. Jmiiier ioieder tliing in
ihi die bange zrage: «Wird er sreil
werden's Wird er toiiinient« Die
Frage iiiiicyte sich in die Worte rsers
Briefe, tonte zineiselnb und hosssj
nungsooll zugleich in sie hinein, siigte l
sich seltsam in die Drohungen des-s
ilnbeta:.nten.
EiidliY war sie sertig mit ihrer
Abschrift Sie ttioertierte und adress
sieite sie gleich iind beaustragte die
Lachen« sie sosort in den Briestaslen
zu tragen. Sie selbst brachte die
Originale wieder an ihren Plan ini
Setietiir Nun trat sie zuiii Fenster,
ivc sie die Straße am besten über
vlieten konnte, und sah, ivie die Kö
chin, oon Eili begleitet, ihren Aus
trag aiigszidrtr. Die blieb an ihrem
Blase, stand, wartete, sühlte Das Herz
ininiee laiiter tlopsen. Endlich ein
Wage-il Er tani heran, sein Rollen
ivnede hörbar, er hielt nor deni
.),·)ause. Brutto stieg aus, blickte ein
ssor —- ihr schmiiidelte vor Freude.
gisie sah iinr noch. ivie Nittner ihm
folgte. Dann eilte sie zur Iiir und
ckes hinaus: «t2lli, Etli, der Vater
lwuntk
»Wo, Mutter, wof«
»Schon iin Haus, aus der Trep
pel«
Ein lauter Freudenschrei gab ihr
Antwort. Elli stürmte zur Koreidors
tür, zur Treppe. »Vater, Vater, Ba
i.rl« tlaag der Jubelrus des Kindes
durch das Haus
Als er dann zu hedtvig ins Zim
mer trat, hielt er das Kind aiis dein
Arm, so wie er es getan hatte, als
es noch ganz tlein war. Elli hatte
die Ae um seinen Hals gelegt und
tuszte s .i Haar, sein Gesicht.
Ledtvig stand ivie gelähmt. Sie
hatte sich den Augenblick des Wieder
-ehens oft ausgemalt, wie sie aus ihn
zustilrzeiy ihn umarmen würde. Nun
i
stand sie versteinert, unsiihig sich zu.
bewegen.
Crst als Bruno die freie band ihr
entgegenstieiite und sagte: »Da bin
.da habt ihr mich wieder« — ber
mochte auch sie ganz leise zu stam
ieln: »Wie haben dich wieder, sa,
wir hat-en dich wieders«
Rittner hatte sich leise dabonstehs
len wollen« ulii die Gatten glücklich
wieder vereinigt waren. Jin lesten
Augenbliit hatte Diiringer sein Vin
ausgehen bemerkt, ihn an der Tür
zueiutgetusen und —- nuu im Ver
ein mit Hedwig —- ihn gebeten, bei
ihnen zu bleiben, mit ihnen zu essen, «
ben Tag der Befreiung ein wenig zu
feiern.
Der Freund hatte jedoch mit
freundlichem Nuchdruck abgelehnt. Er
stens gehöre an diesem Tyge tein
Dritte-, auch der beste Freund nicht,
in den miederbereinigten Familien
l« is, zweitens hnbe der sterbliche
Mensch i.i ilsin ..liiiiiihlich grenzenlose
Vehnsuclx nach einein Bett, und end
lich bestehe bei ihm die Absicht, un
bieseni Enge sich überhaupt nur von
Uspirin zu nähren, alle sonstigen
Taselseeuben uber oon sich zu weisen s
Sein Einschluss blieb unerschiitterlich,
und ganz im stillen sagten sich auch
Hebung iinb Braut-, daß ilsin sein
Gesiihl uns Richtige oorschrieb. So
begleitete Düringet ihn nur noch aus
den Kot iidor und sagte doti. »Ich
bunte die noch tausendmal, inein tie
ber. alter Freund. Und nun schinse l
dich tin-nach der Anstrengung Mor
gen sriih toniine ich zu dir ins Ho
tel" —- er senlte seine Stimme zul
hulblauiem Ton —- ,,ich habe bir et- !
kun- inttssuteilenA s
»Oui« gut, iix erwarte dich. um«
zzhn Uhi, Yenn es dir paßt. Undi
nun seid defgniigt und glucilich.« s
Brun» nictti, schuiielte ihm diel
Hand und ging ins Zimmer ziirnm s
Zu Linie-n Judel ivar nber nur Elli J
gestimmt wie gnd den Vater über
haupt nicht seel, sprach immer von
zhrir gienzenlosen Sehnsucht nach
ihm und schiilt ihn aus, daß er
schließlich nun doch ganz überra
schend gekommen sei und ihr teine
Zeit gelassen habe, den wundervollen
ki«umen;trauß von ihren kleinen Er
sparnissen zu tausen, der ihm zuge
dacht geioeseii sei. Diiringer sah mit
leuchtenden Augen aus das Kind,
aber aus keinem Wesen lag trotzdem »
ein stiller, beinahe feierlicher Ernst,
und Heoivig verschloß nach ihrer Ge- T
wohnheii ihr bestes Ziihlen in sich
selbst. Auch idar ihnen sa, solange
das Kind zugegen, ein Gespräch iiber
Brutto-z Hast und alles, idns damit
in Verbindung stand, verwehrt
Erst als uin drei Uhr ein Privat
iehrer tnm und Eili, die weinend wi
derstrebte, siir ein paar Stunden init
Beschlag belegte —- Hedivig hatte das
in den letzten Tagen arrangiert —3
blieb das Ehepaar allein.
es auch jetzt
las-te Wiedersehenssreudr.
sonn stumm dor sich hin, Hebtoig setz
a sich neben ihn und legte mit sunster
Bewegung einen Arm um seine
Schultern. So saßen sie ivortlos eine
Weile«
Dann aber siel es Hedwig doch aus« i
daß ihr Mann so still in sich dersuns ’
ten war. Sie sah ihn an und fand
seine Züge weniger heiter, als siir
einen Freudentag paßte.
»Du bist so stumm und ernsthaft,
Brunn.
wieder stei.«
Doch gab «
teine teidenschi.stlich l
Bruno .
s
l
Warum? Du bist ja nun.
Langsum schüttelte Diirnger dens
Fiops. »Noch bin ich nicht scei." s
»Bittan Was bedeutet dastFiirM l
test du eine neiie Verhastungt Das«
dars nicht sein -— dann laß uns dor- l
her entstiehen.« !
Abiveyrend hob er die Hand. (
»Nein, ich glaube, dasz diese 4exache
sür mich erledigt ist. Aber doch
ist meine Freiheit bis jetzt nur halb
ådu allein tannst inii die ganze ge
en.«
»Ich —- dir? Jch verstehe dich
nicht«
»Du solist mich verstehen. Jch
muß die allerlei sagen. Jn der
Einsamkeit meiner Hast ist mir die
Notwendigteit aufgegangen, das zu
tun.«
«Sag' mir alles, Biiino.« Sie war
sehr bleich geworden, und ein trainpss
hasteö Lächeln, das ihn ermiitigen
sollte, war aus ihrem Gesicht.
Vor sich niederbliaend, begann er:
Solch eine Hast, solch eine fast oolls
toininene Einsainteit hat ihr Gutes.
Man besinnt sich da ganz aus sich
selbst. Man siihlt, was das Wichtig
ste im eigenen Leben ist« Auch ich
hab’ es dort erst völlig ertannt.«
»Und was —- ioas ist es?"
»Deine Liebe, Hedwig. die Liebe
von Elli und —- iiber die Liebe hiiis
aus deine Achtung.«
«Zweiselst du an ihri«
»Ich will heute versuchen, sie mir
zu verdienen. Durch Wahrheit, Hed
wig, durch Wahrhiistigteit.«
»Bist du nicht wahr gegen mich
gewesen?« Aiigstvoll und leise kam
.hr die Frage oon zuckenden Lippen.
Er schiitteite wieder den Kopf.
»Nicht immer, nicht so rückhaltlos
vertrauend, tote sich’s siir ein paar
eng miteinander verbundene Men
schen gehört. Fiir Menschen, die sich
so lieb gehabt haben wie wir.«
»Gehabt? Warum so —- warum
sprichst du dudoi wie von etwas Ver
g.ingenem?«
«Weil ich nicht weiß, oh du mich .
noch liev haben wirsr, wenn du ge
höre hast« was ich dir sagen muyk
»O mein Gott, mern Gottl Und Ich
have diesen Tag herbergesehnt als er
nen Freudentagl'«
»Brel!erelst werd er es noch, wenn
di. —- eg liegt m oerner Hand-K
»So sprich doch, laß mich doch
wissen-·
»Ja, höre mich ruhig an. Jch ha
be mir ungebildet, Ich lönnle durch
Schweigen ern Stück meiner Vergan
genheit cuslsschem Aber es geht
nicht. Was einmal gewesen ist« wa
man einmal getan hat« bleibe und
wirlt. Es ist ein-. Wnyryeit, was ble
ser Mensch —- olesee Polezeilomnrissar
— zu nur an oecn Tage sogle, als er
mich oerhnslete.«
»Wer-l y.:t er ges.rgt"s«
,,Jeve Zur m unserem Levers ists
ein Ring m vie Kelle, me rolr uns .
daraus schmieden Wir können let-s
nen von diesen Ringen .)err:ngdce-s
Men. See hängen alle zusammen, ei- i
ner sest am andern. Wir mussen
dle Kern mit uns vild ans Ende
schleppe-« und rlsr Wirken ock«.1« uns,
auch wenn wir es nicht mehr erwar- ;
ten.«« .
»Ich oe:slehe nicht, was Das alles «
für Dich bedeuten öng ed nur Bru- s
nos« I
»Du hoffe-In mir gehört — Ich
habe dir Andeutllnzzen gcnachl über
eine alte Schule-, die auf tnn liegt,
nicht wahr-M
»Und-entringen j.1. Handelt sichspg
darum?«
Er suclle. »Die Andre-Jungen
will ich dir seszl ergänzen. Ezst es
dir niemals einig-sauern daß lit) dir
so selten und so wenig von ver Zeil»
erzählte, die ich in Nürnberg ver-»
lebte«.8«
»Nein —- ieh kann ec- nicht sagen.«
»Ich habe von ihr absichtlich so we
nig iilg möglich gesprochen. Das»
war eben die Zeit, don der ich mich»
durch Schweigen sreiiinichen idotlte.’
Vergeblich frei zu machen oersuchtr.i
Daß mein Onkel mich studieren ließJ
daß ich die Feriexi bei inin zubringen
und seine große Bibliothet ordnen!
mußte —- dadoii h.ide ich doch gespro
chen?'«
»Ja, davon ivohl.« »
»Ich muß dir dar- Haus meinest
Ontels ein wenig beschreiben wenns
du alles verstehen sollst. txs tng ziem- ;
liich einsam in einein grossen warten
Fiir die Bibliothek wur, kurz bevor
ich zum erstenmal dorthin inni« eins
Fliigel iin das Haupthnus angebauts
worden, so dnß es mit ihiu eiiieiis
rechten Winkel bildete. Mein Onlels
war schon seit Jiihrn durch Giehi und (
Rheiimatignins ein schwerbeweglicher
Mann. Er mußte sich iin Rousiuhli
fahren lassen, wenn er einmal hin-«
aus wollte.«
l
l
»So genau hast du mir das wirk
lich niemals erzählt.«·
»Nein, ich weiß. Er benutzte so
gar, wenn er in seine Bibliothec hin
uber wollte, den RollstuhL Er be
wohnte isns erste Stocktvert des
Haupthiiuseg, und auch die Bibliothek
war seiner Bequemlichkeit halber iin
gleichen Stoekidert des aiigednuten
sflügelg untergebmcht. Jeden Mor
gen uni neun Uhr —- seiii Leben
war erstaunlich regelmäßig — ließ er
sich dort hiiiiibersuhren und deaussichs
tigte meine Arbeit. Jch hatte die
Verpflich:uiig, die Bücher in den neu
en Räumen zu ordnen und zu tatas
logisieren. Auch nachinittags kam er
noch siir zwei Stunden; abends blieb
er still in seinem Wahn-hinnen weil
er behauptete, sonst nicht schlasen zu
lonnen. Ich selbst hatte von funf
bis sieben Uhr frei, mußte aber dies
Arbeit in der Bibliothet bis avendsi
um neun Uhr fortsetzen und er kon
trollierte mich auch von seinem Zim
mer aus fortwährend. Er hatte dort
einen Fensterplatz in einem großen
Lehnsessel wo er den ganzen Abend»
saß, und konnte, weil ja Haus nnd
Flügel In rechtem Winkel aneinan-?
derseießem von feinem Platz schräg
nach den Biblotheksräumen hinüber
sehen. Sie hatten keine Vorhän e,
waren hell beleuchtet, und so saß i
dort ohne die Möglichkeit, mich Inei
nes Onkels Beobachtung zu entzie
hen Und einmal ein abendlicheö Ver
gnügen aufzusuel)en. Der Sonntag
abend allein gehörte mir selbst.«
»Es war gewiß keine schöne Zeit
für dich «
»Gewiß nicht. Aber meine Eltern
waren froh, daß der Onkel die Mit
tel fiir mein Studium hergab, weil
sie damals in recht bescheidenen Ver
hältnissen lebten, und so ging es vor
läufig nicht anders. Kurz darauf
starb dann mein Großvater — Mut
ters Vater —- sein Vermögen war
größer, als man erwartet hatte, und
so kamen wir alle in eine sehr viel
bessere Lage. Die Sklaverei beim
Onkel hatte damit fiir mich ein Ende.
Freilich. auch ohne das« —
»Was meinst du«-« Sein Sitocken
und Abbrechen veranlaßte sie zu der
Frage.
»Ich wäre auch ohne das von
Nürnberg fern geblieben; es ist mir
heute noch ein füßliches und schreck
haftes Gefühl, wenn ich die Stadt
nennen höre. Aber durch meine Schuld
allein —- durch meine Schuld.«
Jetzt fragte Hedwig nicht mehr;
fühlte, daß der Augenblick des Ge
ständnifseö nahe war. Sie saß
und wartete und sah starr auf sein
Gesicht.
Nach einem zögerndem überlegen
den Schweigen sahe er fort. »Ich
muß die noch von einem Menschen
erzählen, den ich dir gegenüber dis
her niemals erwähnt habe. Damals
war er mein Freund — toie man in
jungen Jahren ja rasch bei der Hand
ist mit Freundschasten. Wir lernten
nns im Theater kennen, an einein
von meinen freien Sonntagabenden.
Er saß neben mit, wir tanien ins
Gespräch. Mich fesselte seine Beste-.
sternng siir das Theater — das
heißt, es war bei ihm eine Begeiste
rang von besonderer-, cgoistischet Art,
wenn ich so sagen dars. Er hatte
nämlich den letdenschastlicheannsch,
selber Schauspieler zu werden« ritter
essierte sich immer nur für die Rol
len, die seiner Ansicht nach sitt ihn
gepaszt hätten. Er war jünger als
ich, saß damals- noch in Der Prima
des Gymnasinms nnd stand vor ver
Entscheidung über seinen tiiaftigm
Beruf. Sein Vater war tot, er hatte
darum viel Freiheit, hatte sich an die
Leute vom Theater herangemacht und
bekam von ihnen Freibillette, wenn
er darum bat. Er hätte sonst tannr
ins Theater gehen tönnen; denn seine
Mutter mußte sich sehr einschränken,
nnd er bekam ein ganz geringe-.- Tae
fchengeld.«
»Wie hieß ere«
»Den Nonieii vill ich dir lieber
derichiveigen De;netivegen. Ei konnte
toiiinien —— es ist besser, wenn du iyn
selbst nicht iveißi Alles andere iin
H dir heute ingen.«
»Ich warte naraus, Bruiid.«
»Von alte-in dnL Schwerste kommt
jetzt. Auch inciiie Begeisierung tuk
das Theater lJiiiie persoiiliche Yii«..oe.
Freilich andere. ins dei iyin »Ich
idnr verliebt — in eine junge
Schauspielerin Sie war Anfange
rni« ern ganz kurze Zeit beini Thea
ter, aber lehr hübsch und sehr latein
vdlL Es idar die Knneivtn."
,,Hedidig Fuhr zitråic, als ioenn die
Toie ieibii odr ne tiingeircieii wäre.
»Die ztkiieivtut Sie- — schon dir-inu
— du nun sie gekannt —- ooi so
Jieieii Dichten schmis« ,
»si« ich linde- iie tenneii gelernt.
txuj inciiiin Wintch iiieine Linie.
Lurch it)ii, den idgeniiniiten ziemt-«
Er tiiiiiire ia die Leute odin Hinwe.
do iviir es ihiii ein leichte-, Was
.in vorzuniuen Und fie Ietdn -——
— ich deizz nicht, non es tnni — ne·
schien Qeiiitteii tin inir zu kri. .i,»
Hch durfte iie besuchen. si. .i1
stunden od: dein Lyeiiicy »di. »...ik,
viS Iiebcii, in denen ich irei wur
Jch konnte mir eine Zeitlang cui-«
deii, iyi degiiiiiiigter Liebhaber Jii
sein«
stumm, versteinert iaß Hedwig.
»Aber ich ivouie sie auch spie en
seyen, und ich idcir angetetiei ...n
etdend. An Billeite fLir das Thi...«-i:,
yaiie iiiir’5 iiatiirlich nicht ge«.,.i«
ist«-er un Zeit und Freiheit. Ein »J-.
satt gad inir dus Mittel iii Je
Hund« niich freiziiiiiiichetn zi« n
Urkund oetivuridte fein wenige-i »i
ihengetd, uni sich Pei usin«
echiiiiiite zu kaufen, erdettetie Juge
kcgkc GUUJIU seiclll Its lllclllclll du«
mer und gewann bald eine nannqu
werte Fettigkeity Masken zu machen.
Einmal erschrak ich forinkich, als ich
nach Hause inni, und er mir einge
genirkin Es war, als wenn ich mich
im Spiegel sähe als wenn ich set-en
no: mit stünde. So tressen1. hatte
·et sich durch seine Bühnenniittet in
mich verwandeln Er besaß die glei
che Figur ioie ich, und seine Kunsie
harten erganzi, was der Aehnlichkeit
fehlte«
ir schwieg wieder. Hedwigs tau
kes, iiiigstvolteg Atmen war das ein-.
zige, was die tiefe Stille uniervtaap
»Wie gesagt. ich war zuerst ers.
schroaen, dann sing ich an zu lachen,
lind am Schluß kam es über mich-wie
eine Eingebung. Ich packte ihn an
den Schultern und ries ihiit zu:
»Jetzt weiß ich, wag du siir mich inn
kannst. So, ivie du da bist, in mei
ner Maske sehen ivir dich abends,
wenn ich ins Lheater gehen inöa,ie,
in die Bibliothet. Der Onkel glaubt,
mich bei meiner Arbeit zu sehen; er
kommt abends niemals in die Bio
liothek; ich stehle mich heimlich aus
der kleinen Psorte in der Garten
mauer hinaus und ins Theater. Be
kannte hat er nicht, von denen er hö
ren könnte, daß ich dort war. Die
versäumte Arbeit hole ich schon nach.
Und so ist uns allen geholfen.« Mein
Doppelaiinger —— denn er stand tin
mer noch in seiner Maske vor mir-—
iilierlegte einen Augenblick und sagte
dann: »Dei- Scherz wäre nicht übel,
und ich spielte dem Alten ganz gern
diesen Streich. Aber eins sehlt noch
an deni Plan. Was betoinme ich denn
von dir, wenn ich es tue? Du weißt,
umsonst ist der Tod-« Seine berech
nende Selbstsucht hätte mich miß
trauisch machen sollen, aber ich dach
te niir an das Gelingen meines Pla
nes. Ein förmliches Geschäft wurde
von uns abgeschlossen. Wenn er mich
vertrat, bekam er drei Mark siir den
Abend, und ich war glücklich, mir zu
weilen uni diesen Preis den Anblick
meiner Geliebten aus der Bühne ver
schaffen zu können.« ,
Ein dumpfen heiserer Ton aus«
Hedwigis Brust verriet, wie sehr sie
darunter litt, ihn von dieser anderen.
Geliebten sprechen zu hören. Er
fühlte den Vorwurf, der in dem
Schmerzenston lag. —
(Fottses3ung foigt).