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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (April 5, 1917)
Ku- niugeu - werden-Ketten Inn-n von seiest sitt-also is. Fortfeßung). s Bei den Briefen hatten diese lofen Blätter —- eg waren drei an der Zahl —- sicher nicht gelegen, das wußte sie bestimmt. Vielleicht unter der Schubladet Ja, das war mög lich. Sie lief auf ein paar seitlichen Leisten, so daß darunter ein flacher, niedriger Hohtranin entstand, ein gu ter Versteck fiir Papiere, die verbor 2 ten bleiben sollten, wenn man sie fest «-aus den Boden des leeren Raume-l drückte und vorsichtig war beim Ein führen der Schublade. Weil hedwig hastig und unsicher dabei gewesen war, hatten sie sich geilentmt und sich so verraten. Ein Versteck fiir Papiere, die ver borgen bleiben sollten! Das war der Gedanle, der Hedwig plötzlich wie mit Fieberhisze durchstrdnitr. War hier eine Lösung fiir das Geheimnis ihres Mannes Lebens Sie mußte sich ei nen Stuhl heranziehen und sich nie dersetzen, so zitterten ihr die Knie. Nicht Eifersucht oder Neugierde war es, die sie trieb, die Papiere zu lesen; ein unklar - hoffnungsvollei Gefühl nur, daß aus der Enthaltung der Wahrheit Segen leimen lönne sur ih ren Mann nnd siir sie selbst. Nun hatte sie die drei zerlnitterten Briese — denn Briefe waren es, wie sie gleich ertannte —- vor sich ans der braunen, blanten tilappe des Selte tärs ausgebreitet Sie zeigten alte die gleiche, große, sltichtige Hand fchrift, aber sie trugen verschiedene Jahresphlem der eifte war schon acht Jahre alt, ein zweiter um drei Jah re jünger, der lexte war vor kaum ebenso vielen Wochen geschrieben wor den. Und er war aus derselben Stadi, in der Düringerö lebten! Dadherz der einsamen Leserin linkss te noch gewaltsame: bei dieser Wahr nebmung. Aber lrohdeni bezwang sie sich und hielt sich an die zeitliche Reihenfolge der Briesr. Zuerst nun also der äl :esie, der zugleich auch der längste war. Er war aus Chemnin datiert lind begann: »Weder Freundi« Hedwig hov siir einen Augenblick den Kerls, darüber nachdenlend. welcher Mann oder welche Frau Bruno wohl so nen nen ldnne. Sie wußte, daß er sehr sparsam war mit seiner Freundschasl; Rittner war der einzige, dem sie den Ehrentitel eines Freundes im Namen ihres Mannes ohne weiteres hätte zu gestehen mögen. Dessrn Handschrift aber war ihr bekannt, so selten er auch Schristliches von sich gab, und sie war in ihrer zierlichen« avgeziilels ien Kleinheit völlig verschieden von dieser hier. Une- eine Frau —- die Kunewla vielleicht? Nach allen An zeichen statninte die Schrift von Män tierhand, aber immerhin, es ivar eine Möglichkeit. Heowig hatte das Ue siihl, als wenn eine Faust ihr den Hals uinspannte und ihr den Atem raubte —- sie saß.e das Papier an beiden Seiten uno hob eg noch näher unter das Lanipeniicht, iiin tein Wort von dem zu verlieren, wag ihr Ge wißheit geben sollte. »Sie-Or Freund! Erschriei nicht, tvenn » mich wieder an Dich wende mit einer Bitte um Hilfe. Du warst immer gut gegen mich, hast mir schon ein paarmal aus gleicher Not gehol sen, und ich hosse darum auch dies mal aus Deinen Beistand. Kann ich mich doch wohl Deinen ältesten Freund nennen, der auch manches aus Deinem Leben weiß, was anderen veäborgen ist und verborgen bleiben io ". Einen tiefen, liesreienden Tilteinzug tat H.-divig beim diesen dieses letzten Satzes. Wein, er bewies, das-, teine Frau den Brief geschrieben hatte, so niit auch die Kunetvta nicht. Der geheininievoile Beitlang dieser Zeilen gewann erst nxich und nach Gewalt ulier sie, während sie weiterhin »Ich weiß ja, dasz es Dir nicht ganz leicht sallen wird, iiiir auch dies inat wieder ans einer derziveiselten Lage zu l,elsen. Du veioniest in Dei urin letzten Briefe, daß ein verheira ieter Mann in erster Linie die Psticht habe, siir Frau und Kind zu sorgen, sein Geld also nicht siir einen leicht innigen Freund opsern diirse. Ge wiß« gewiß, Du hast recht, —- aber wie soll ich inir helsens Der Teu set des Leichtsinn-z ist nun einmal mächtig in mir; ooii Vater und Mut ter her bin i.h erblich belastet. Mit Leichtsinn und Leidenschnitem die niich über die Grenzen reißen, vor des E nen ihr tnltdliitigeren Leute vorsichtig tehrtinacht. Und ich habe niemand sonst aus der Welt ein den ich niichT wenden tönnte; Tit weißt, ich habe» teine Verwandten mehr, stehe ganz« allein. Du hast mir ineine Knrriere. möglich gemacht, ich habe gerade jetzt gute Aussichten. Zertriiniinere nicht, was Du geschossen hast« hils mir noch einmal! Jn vier Tagen rnusz ich eine Summe zahlen, nie nicht tlein ist, ich weiß ei gut genug. Zwölshiinrert Mart sind es, die rnir nötig sind. Ab solut. unweigerlich nötig, oder ich bin ruiniert. Jch weiss es, Du kannst es; Dein Gehalt ist ansehnlich. Du hast Vermögen, Deine Frau kann man reich nennen. Eine Haniburnerin — dos genügt sa meistens« nin reich zu fsein Du brauchst also nichts zu ent- . behren wenn Du mir noch einmal hilfst. Tit es, ich bitte Dich. Telesl graphiere mir sofort, ob ich aus das Geld rechnen tann Jch habe bis dahin leinen ruhigen Augenblick» Dein Q« Liedwig ließ date Papier sinken. Wer tonnte den Brief geschrieben ha beni Vergeblich suchte sie umher mit ihren Gedanten. Jhr Mann hatte niemals von einein Freunde gespro chen, dein er seine Laufbahn ermög licht, für den er Schulden bezahlt hatte, —- das wußte sie gewiß. Und als Unterschrift in dem Briefe nur ein Buchstabe, der ebensogut einen Namen tvie einen Vornamen bedeuten «lonr»ite Sie griff hastig nach dxexki zweiten Briefe uni zu seyen, ob a ch hier leine vollständigen Unterschrift vorhanden fei, doch nur derselbe Buch steibe gab ihr das gleiche, unlösbare Rätsel auf. Und auch des Briefes Inhalt verriet nichts Niiheres itber den Absender. Diesinal war er in Mainz geschrie ben worden, die Handschrift war noch flüchtigen uiideutlicher, die Freund schaflsuberschrist fehlte. Unberinittelt begann er: »Du willst mir nicht bel fent Vergiß nicht« mein Lieber, daß Du mußt. Jch habe Dich in der Haut-, lind es ist mir manchmal ein Genuß, iiber einen anderen Menschen solch ein herrenrecht zu haben. Sträube Dich also nicht und schiele mir die tausend Mart. Mehr ist es ja dies mal nicht als lutnpige tausend. Eine Virgatelle siir Dich. Rettung siir mich. Bis iibermorge erwarte ich das thv«. NO Auch hier als Unterschrift nur das G» doch offenbar niit einer zitterndem unsicheren Hand geschrieben. Atem loo ergriff Vedivig das dritte Papier-, das tauni nach ein Brief, nur ein ab gerissener, beichaiutzter Zettel toar. Auch die Schrift ioies deutliche Zei chen immer grösierrr Verkommenheit aus« «Bis übermorgen das Geld, oder ich sasse die Schlinge, in der ich Dich halte, und ziehe sie zu. Wenn Du mich zugrunde richten willst, so tn’s. Mir liege nicht viel mehr an diesem iurnpigen Leben. Seit einem Jahre schon trage ich Gift in der Tasche — die Schießgewehre machen inir zu viel Spetiatel —, womit ich mir per Ex preßzug ans dieser schönsten der Wel ten helfen inmi, wenn es nötig ist. Ich weiß es ja: Das Leben ist nur ein Moment, der Tod ist auch nnr einer. Aber vorher sollst auch Du daran glauben, oerlasz Dich darauf· Ein paar Worte von mir an »zu stiindiger Stelle«, wie ihr Herren Be amten so schön sagt, und eg isl aus mit einein edlen Herrn Regierungs rat nevsi allem, trag an ihm hängt: niit Stand, Ehre, Namen, Wein und » Kind. Glaube mir, ich war noch nie so gestimmt, gegen Dich ernst zu machen wie gerad; jetzt. Wenn Wahrheit wäre, wag ich uis jeht mehr ohne und fühle, alss Das; ich es weiß, wenn ich wirklich durch Dich verlieren sollte, was mir noch einen Funken Sonnen licht in meinem dunklen Leben gewe sen ist« rann —- iih werde sehen, werde sehen! Ader hute Dich vor mir! köchicie mir das well-, ich muß es haven«'. Aus diesem Zettel ioar eine Na niensunierschrisi, nicht nur das w» doch irar sie ein iziilegbnreit Getritzel »das jeder cntzifferung trotzte Ded wig beniiihte sich eine Weile darunt, aber sie ionr zu ausgeregi, unt lange dabei verweilen zu tonnen. Auch irnr die Schritt hier toohl noch iibsichiiich entste«iii worden, um unoerstanden zu bleiben. Aber ioer die Briese auch geschrieben haben mochte, sie wirren sedensnlls von hochster Bedeutung. US wxiren Drohbriese gesahrlichster Virt, rson dringender iejitie zum rohen cr pressericn inehr und iuehr gesteigert· Nun nonjzte sie«.J: ganz in der Rahe, ljter in derselben Stadt, gab es einen Menschen« der ihres Mannes Geschick in seinen Oanden hielt. Einen linde tnnttten, oer seoeri Augenblick aus der Duntelheit hervor ihn niederstrei ten konnte. Die Angst um ihn war das erste Gesiihl, das hedioig packte, dann aber ausging in einem Chaos widerstreiten der Enipsindungen. Mußte nicht eine schwere Schuld —- er hatte ja sekbst von einer Schuld gesprochen — auf ihrem Manne lasten, dasz er so wi derstandgtoo in die Hand eines ande ren Menschen gegeben wart Daß er deni tlnretannteu oielsnch aus der Not geholfen hatte, ging aus den Briesen tlar hervor. Uin Abgeioies seiier schreibt niiht immer wieder, auch nach Jahren Und tver ionr dieser Fremde, von dein Bruno nie innlit init einer Silbe gesprochen hat te, der unter der Maite der Freund schnst begann, ihn zu bedrohen, ums endlich das unvechiiute Gesicht eineit grausamen Feindes zu zeigen? Das war sie wieder, die todliche Angst um » ihn die gemischt war mit einem tiess sen, heissen Mitleid. Von allen Ge-’ stählen ionr doch dieses ani stärksten; es tani immer wieder, oerdrängte die anderen, überwand und besiegte sie. Jeht wußte sie, dass eine doppelte Not ihn bedrangte, und sie wunderte sich nur« daß der Schlag, den der letzte Brief androhte, noch nicht gefallen war. Vor neun Tagen schon war er geschrieben worden, und bisher war die Drohung offenbar unausgesiihrt geblieben. hedwig hätte es notwendig erfahren müssen, wenn ei geschehen ware. So haiie Brand verniietlich auch das neue Gelt-opfre noch ge bracht und ein uiiersäktlicher Ber folger blieb auf feinen Fersen. Aber vorläufig wire wenigstens erst einmal Zeit gewonnen, die genützt werden konnte. Doch ivie sie nützen? Die Briefe gaben leinen sicheren »ein halt, wer sie geschrieben hatte. Nach sorfchungen allein an früheren Auf-« enthalksorien ihres Mannes konnt enl möglicherweise dies-n geheimnisvollems gefahrlichrn Freund ermitteln. Wie der übrrkaiii Hedwig das lähiiieiide Gefühl, dass niemand ihr zur Seite war, der ihr helfen nnd raten konn te. Dnrfie sie der Polizei, dein Ge richt tienntnis von diesen Briefen ge ben, die Bruiio mit so seiner Sorg falt verborgen hatte? Sie oeeneinie. die Frage, so oft sie aufiauchtr. llndi sonst war niemand, niemand, an den sie sich wenden konnte in dieser Noti! Sie grübelle, fragte derivarf tin-s anfhorliciss ging hin und her stunden-! lang und fand teiiien Ausweg. Die; Llcaasi schritt vor, die Straßenlaters nen, die der einsamen Frau niik einem tröstlichen Scheine Gesellschaft gelei stet hatten, wurdeiiqeloscht Eine iriis’ de feindliche Dämmerung lauerte nun hinter den Fensterscheiben, die anfingen, das erleischiete Zimmer und Hedivigs bleicher-, verangsiigtes Gesicht ioiderzufpiegelm so oft sie ruhelos daran vornherschriii. Sie erschrak vor sich selbsi, wenn sie sich so er-: lblickte, mehr aber noch vor der Dun kelheit hinter den Scheiben. Jii die ser Dunkelheit lauerie ja der Unbe taiinte, der neues Unheil auf ihren Mann, aus ihr Lind, auf sie selbst heradkiifeii tonnte Ue hatte zuletzt ein Uefuhl ivie von seiner körperlichen Nähe, nnd tnii ihr-i kain über sie eine so iiainenlose Angst, daß ihr der Auf-« enthalt in diesem Zimmer unerträg lich wurde. Sie verbarg die Briese wieder an dein Platze, wo sie gelegen hatten, verschloß den Setretiir, iiahni die Lampe und flüchtete sich, von einein nervösen Gransen geschiiitelt, iii ihr Schlafziiiiiner, wo fie setzt aiich Elli gebettet halte. I Die ruhigen Atemziige des in liess fem Schlafe liegenden Kindes gabens ihr ein wenig Fassung und Frieden zurück. Sie legte sich nieder« ader je-’ desmat, wenn der Schlaf sie don ih-« ren Gedanken erlösen wollte, fuhr sie mit jähem Schrean wieder empor.« Es war ihr gewesen, als wenn aus der Dunkelheit hervor eine talie Hand nach ihrem Herzen gegriffen hätte. Und so durrywaaste sie die lange Winternacht. Der siinsle März war herange kommen, Hedwigs Geburtstag. Er wurde durch einen seltsamen Zufall zu einem Tage der Ueberraschungen —- und nicht nur fiir ste. Der erste, den er so iiderraschte, war der Poli zritommissar Brennerl. ’ Er war vor kurzem in sein Bu-? rean gekommen, saß einigermaßen mißmutig am Schretblisch, blätterle in verschiedenen Allen Und begann leise dabei zu pfeifen, was bei ihm stets ein Anzeichen libler Laune war. Ein schlichter-leg illopsen an der Tür ertönte nnd wiederholte sich, obwohl er ein tnurrisches ,,Oekein!" gerufen halte, nach einer Pause noch einmal. Das zweite ,,.-;)eretn!« des Kommis iars erfolgte in einem Tone, der deln Donner nahe verwandt war. neun onnete sich ote zur zu einem Spalte, der eben breit genug war, nm einen wenig beleibten Menschen hindurchschliipsen zu lassen, und eine in der Tat sehr dürftige Männerge statt schob sich schräg hindurch. Auch als der Eingetretene, der die Tür mit Lantlos bescheidener Vorsicht hinter sich schief-« ein paar Schritte aus den Kommissar zuging. bewies er die An geivohnt;eit, sich in schräger Haltung vortoärt5,ziisch.ebcii. Er war noch sung. Mitte der Ztvanziger, aber blast und adgehnngert toie Leute, die bei lnnpprnt Gehalt immer noch Geld aus die Sparkasse tragen. Volles braunes Haar und braune Augen mit weichem, nach einem Anhalt suchen den Blick waren das einzige Hiibsihe -an ihm. Er preßte seinen braunen Filzhut sester zwischen den hiindem als ihm gut war, und schrat zusammen, als der Kommissar ihn ganz gegen seine sonstigen freundlichen Gewohnheiten mit einem barschen »Was wünschen Sie?'« begrüßte. Dann begann er mit belegter, atemloser Stimme zu spre chen; er hatte offenbar starkes Herz klopfen ,,Ach, verzeihen Sie, habe ich die Ehre, mit Herrn Kriminallommis sar Brennert«t« »An der Tür steht sa der Name.'« »Ja, das ist tnir auch so vorgelom men. Aber ich bin sehr kurzsichtig, nnd es ist auch draußen ein wenig dunkel. Und ich bin schon irrtiimlich sälschlichertveise in ein paar anderen Zinimern gewesen —- ich bitte sehr um Entschuldigung.« Brennert wurde beim Anblick der großen Aengstlichteit seines Besuchen» ein wenig milder und gewann all-l mählich seinen tulanten Ton zurück.’ »Jeht sind Sie aber am richtigen Platze. Womit tann ich Ihnen die-s nen?" i «Dienen —- Sie sind sehr gütig. Herr Kommissar, aber um einen Dienst tviirde ich Sie nie zu bitteres wagen. ch bin legt nur hergetoinis .nten, wel es mit seine Ruhe mehrs iiej und weil ich in den legten drei Nachten, mit Erlaubnis zu sagen, laum ein Auge zugetan habe.« »Schlaflosigteit ist eine sehr un angenehme Sache. Möchten Sie mir aber nicht sagen, womit ich Jhnen dagegen helfen soll?« »Ach ja, gewiß; verzeihen der Herr Kommissar nur, wenn ich ein wenig zu langsam bin. Jch habe das leider so an mir. Auf dem Bureau, wo ich angestellt bin, hat man es mir auch schon öfters gesagt, und noch vor zehn Tagen ungefähr hat mich der here Regierungsrat von Diirins ger« — ,,Diiringer? Sind Sie bei dem beschaftigti Bezieht sich Jhr Kom men auf ihn?« »Ja, beides, beides, Herr Kom missar; Sie haben das ganz genau getroffen." ,,Haben Sie mir eine aus ihn be zügliche Mitteilung zu machen?« »Freilich, Herr Kommissar, Sie haben es wieder ganz genau getrof sen.« »Und um was handelt sich’5?« Brennert war, seit sein Besucher Dit ringers Namen genannt hatte, ganz Aufmerksamkeit und Spannung. »Ja — zuerst möchte ich noch sehr um Entschuldigung bitten, daß ich so spät erst mit meiner Mitteilung zu Jhnen komme. Zu Anfang wurde ja in den Zeitungen bei den Berichten über diese furchtbare Mordasfiire mit der Schauspielerin Kuneiota der Herr Regierungsrat gar nicht er wähnt. Wir hatten auf dem Bureau leine Ahnung, daß ihm irgendwelche Unannehmlichteiten drohten, wer-n er auch ein wenig blaß und angegriffen aussah; wir dachten aber nur, er be fände sich nicht gut, wie das doch schließlich einein jedem passieren tann. lind weil ich nicht glaubte, daß er bei der schrecklichen Geschichte aus ir gendwelche Weise beteiligt sein sonn te, so bin ich auch gar nicht auf den Gedanken gelommen, der Polizei von meiner Wahrnehmung eher eine Mit teilung zu machen· Jch bitte sehr um Entschuldigung aber ohne Not sozu sagen gehi man doch nun einmal nicht gern aus die Polizei.« »Das Weiß ich —- lktdet!" »Gewiß, es mag oft bedauerlich sein. Und es hat mir diese letzten Ta ge, seit ich gelesen habe, daß man den Herrn Regierungsrat in Hast genom men hat, auch gar teine Ruhe mehr gelassen. Meine Braut hat auch ge sagt, ich müßte hergehen, und so hin ich denn zu Jhnen gegangen, Herr Kommissar. Helene — meine Braut heißt Helene — sagte noch gestern abend« — »Steht Jhre Braut in irgendwel cher Beziehung zu Ihrer mir zu ma chenden Aussage? Sonst« -—— »Ja, wenn ich es mir genau über lege: sie steht in gewisser Beziehung dazu. Denn an dem betreffenden Abend war ich gerade bei ihr gewe sen.« ,,Wann war es? Um welchen Abend handelt sirh’5?« »Das ist es ja eben, Herr Kom missar! Es war am neunzehnten Februar, an dem Abend, als der geäßliche Mord an der schönen Schauspielerin vollbracht wurde. Ach, ich habe sie auch einmal spielen sehen und ich glaube« — »Was haben Sie an dem fragli chen Abend ival)raenoininen?« »Ja, ich war also bis gegen halb neun Uhr bei meiner Braut gewesen —- liinger will ihre Mutter-, vie eine höchst rechtliche Frau ist« es niemals erlauben. Die Mutter hat eine tleine Gärtnerei draußen in Olising, in der Vorstadt, und ich habe einen ziemlich weiten Weg dort hinan-sc Jch inbr vaher immer zu Rav, unv so war es auch an dein fraglichen Abend. Es war etwas neblig, und ich fuhr in einem gemächlichen Tempo mich Han se· Wie ver Herr Kommissar wissen, geht ja vie lange Steintorstraße von Hüsing nach ver Stadt und treuzt an der Stelle, wo das alte Steintor ge standen haben soll, den Wall. Das ist mein Weg. Ich fahre vie Stein torstraße hinaus, biege linlsum in vie Allee, vie aus Dem Wall entlang läuft, mache rechtsum in die Breite Straße hinein nnd bin dann balv bei meiner Wohnung. Jch wohne nämlich in der Oahnenstrcße Nummer nenn. im Hinterhause im vierten Stockwerk links beim Schneidermeister Schnevs. Der Mann hat einen komischen Ra men. aber ich bin« — ..Erlauben Sie einmal. Sie baben mir bisher noch aar nicht gesagt, wie Sie selber heißen-« »O mein Gott! Jch bitte tausend mal uin Entschuldigung. Das ist meine schreckliche Vergeßlichteit, iiber die Helene — meine Braut — auch immer so klagt. Jch heiße nur Miit ler, Arnald Müller, und bin seit fiins Jahren Diätar bei ver Königlichen Regierung. Das Gehalt ist ia nicht groß, aber wenn man sich einrich tet« — »Bleiben wir vorläufig einmal ans Jhrem Nachhanseweg in der Stein torstraße und ans dem Walte. Haben Sie den Herrn Regierungsrat bei dieser Gelegenheit gesehen?" »Alletbingö, Herr Kommissar, Sie haben es wieder getrossen." »We) war es?« »Auf dem Walte, kurz vor ver Stelle, tvv die Breite Straße von ihm abzweigt. Jch fuhr vorschrifts mäßig auf dem Naviahrtvege und fhatte natürlich sinch iiiettte Laterne ' oorschristeiniißig angezündet. Sie hat ein helles Licht, nnd wenn der Herr sKoinniissat vielleicht selbst Radsiihier - sind« — »Freilich —- getoisz.« »Dann werden Sie wissen, daß der Fiihrer die Begegnenden bei dein . scharfen Lichte sehr deutlich sieht. von H ihnen aber wegen der Blendimg nur ; schwer erkannt wird. So ging es inir « nnch an dein Abend. Neben dein Rad sahreiwege läuft ja unmittelbar die Kiisteinienallee fiik die Fußgcinger, und wie ich so gemächlich dnhinsiihr, da tauchte plötzlich nahe oor mir in der Allee der Herr Regierungsrat von Diiringer aus« Jch erkannte ihn ans den ersten Blick, obwohl er den Krei gen von seine-n Pelze hoch hinausge schlagen hatte. Und ich griisite ihn auch, wie sichs gezörn m muß e aber gin- nicht gese en hnoen — we gen der Bleitdung. Denn er grüßte nicht wieder, oliniohl ei sonst iininet ein höchst hembliissender. Ziehens-innr digee Herr ist, nnd ging schnell an niir vorüber. Und niiii" — Er stockte und erneueiie mit net vös bewegten Händen seinen Angiiss aus den zusanimengepießteii Filzhut. Brennert vliette niit scharfen, sor schenden Blicken aus ihn· »Und iinit3« »Ach, Herr Kommissar, es wird inir nicht leicht, es auszusprechen Weil ich Ihnen ietzt ein Gestanan machen muß. Und tvetiii ich iinch » weiß, daß der Mensch iini ein schim ches Geschöpf ist von Jugend auf-— so die eigene Schwäche liiitt einzuge stehen, und noch dnzn vor einein Herrn von der Polizei, dtig wird ei iietii doch schtver.'« »Sprechen Sie ungenieit. Wie von der Polizei wissen ohneries genug oon der menschlichen Schwäche und wundern uns nicht leicht mehr iiver « ieaendlvas.« I »Gewiß, gewiß, das lann ich mir denlen. llnd ich muß es auch sagen, weil Sie sonst vielleicht nicht verste hen würden, wag ich an dem Abend gemacht habe in meiner Torheit. Jch s hin —- entschuldigen Sie, Herr Kont missar s-— ich bin Nder ich war ein wenig eisersiichtig ans den Regie rungsrat«. »Eisersiichtig?« »Nicht etwa, daß er mit direkt ir gendwelchen Anlaß dazu gegeben hat te. Das tann ich durchein nicht ve lsaupten. Meine Braut aber hatte den Herrn Regierungsrat ein paarinal gesehen, wenn sie mich abends- abholte vor dem Bureau, und sie war ganz tolossal begeistert siir ihn. Er ist ja wirklich ein wunderschöner Mann, so einer von denen, die oen Frauen arn allergesiilsrlichsten weiden, und weil meine Braut noch kürzlich gesagt hatte, daß er ganz aussähe wie der Held in einem Roman im »Tage vlott«, und weil ich gut genug weiß, daß ich selbst nicht gerade schiJn zu nennen bin —- nun, da war ich eben schon länger etwas eisersuchtig aus ihn.«' »Das kann ich wohl verstehen.« »Wirilich? Ach, Herr Kommissar sind zu giitigl Weil ich nun aUer weiß, daß der Herr Regierungrat in einer ganz anderen Stadagegend wohnt, und weil er den Wall hinan ier ans die Steintorstraße zuging, da suhr es niir aus einmal durch den Kopf: »Er geht zu meiner Braut!« Sie müssen mich entschuldiaem Herr Ronnnissar, aber das gab mir einen Stich ins Herz. Ein Htiiclaken suhr .ich noch weiter; dann tam es über mich, nnd ich mußte tun, was ich tat. Jch stieg vom Rade nnd löschte die Laterne und machte lehrt, um dem Herrn Regierungrat nachzugehen Es war vielleicht unpassend oon mir, aber ich tonnte nicht anders-L Jch schob also mein Rad vor mir her und war bald so nahe hinter ihm, daß ich ihn genau beobachten konnte. Jch bin ja sehr kurzsichtig, aber beim Rat-fahren trage ich immer eine scharfe Brille, damit kein llngliirt passiert. Sie war ein wenig beschm gen vom Nebel, aber ich putzte sie ab, und nun sah ich sehr gut. tlui dem weichen Boden hörte man keinen Schritt, nnd auch mein iliad machte tein Geräusch. Außerdem tonnte ich mich durch die starken Bäume der Allee decken, so daß er mich nicht fah-« »Wohin ging er?« »Ganz rasch geradeaiis. Das heißt, nur noch ein paar hundert Schritte. Dann blieb er stehen und fah sich um, wohl ob niemand ihm folgte. Mich deckten aber die Baume, so daß er glauben mußte, ganz alle-in zu sein. Es ist ja dort auf dem Wall abends sehr einsam. Und nun« — »Was tat er ivciter?«« »Es ist eine sehr merkwürdige Sache. Herr Kommissar miissen ent schuldigen, aber es war burhstiiblich so, wie ich sage. Dort am Wall hat man im Spätherbst angefangen, eine Ban zu bauen, scheinbar ist aber dem Bauherrn das Geld ausgegan gen, und der Bau ist steckengebliiben. wie man so sagt. Unmittelbar an der Allee war ein Schuppen fiir die Ar beiter und fiir die Geräte aufgerichtet worden, aber es ist jetzt nichts mehr darin —- ich habe mir gestern bei Tage die Stelle noch einmal genau angesehen — und man hat es darum auch wohl nicht fiir nötig befunden, die Tür-von dem Schuppen abzu ichlieszen Sie steht offen, inan tann ,hinein. lind in diesen Schan ging nun der Herr Regierungsrai.« »Ja den Schuppeii't« «i-!ianz genau, Herr Kommissar. llnd ich taiin es nicht leugnen, dass ich darüber sehe erstaunt war.«' »Ha: er Licht in dein Schuppen ge macht·t Blieb er lange darin-" »Er inusz ein Streichtzvlz angezün det haben, ich sah deutlich ein Licht aufblitzeir. Vielleicht aber hat er es nur geiaii, uni zu wissen, ob nicht jemand in dein Schuppen steckte, nnd ob er wirklich allein da drinnen war. Denn gleich hat er das Licht wieder ausgelbscht, und nun blieb es dunkel, bis er wieder heraustain.« s »Wie lange hat es gedauert?« i »Ich meine —- die Zeit wird einein ’ja lang, wenn man so wartet — es ist nicht länger als fünf Minuten ungefähr gewesen« » »Hm er Sie gesehen, als er wie der yeraugtanit War sonst irgend je mand in der Nahet« »Nein, Herr noniniissar. Das eine nicht und mich das andere nicht Wiihrend ich siand und ivacieie, ist lein Mensch an niir ·ooriiveigetoin ineii. Und ich selbst hiitie doch eia schlechtes Gewissen, iveil ich meinen Herrn Vorgesetzten so helauerte. Dar iiin driiitte ich mich fest hinter eiiicie bieten Baum nnd stellte auch iiiein Rad so der Länge nach dahinter« day er es unmöglich sehen tonnte.'« »Was iai er, iilg er l)eraustani’t« »Esle have nur ganz wenig uiii den Biiiiiii hernmgeschieln Ader soweit ieiz es veiiiertcn toniite, hat er sich dor-I sichtig umgeschaut, gerade wie vornen ehe er hineingetreten ivar. Dann ist« er schnell ·:Ver iveilergegaiigen." ,,Jii derselben Richtung ivie dor herf« »J.i, Herr Kommissar, in der Richtung axif die Steintorstruße zu. Dariini schlich ich inich uucl wieder hinter ihin her, ovivcyl ich ein Herz llopfen isaiie —- daran leide ich aber lsinipi sehr leicht — wie noch nie vor-, bei-« »Und bog er in die Steintorstmße eins« »Gott sci Dant, neini Verzeihen Herr Kommissar, wenn ich niesne persönlichen Gefühle so in dieett sachlichen Bericht oersleehte. Mir let ader wirklich ein schwerer Stein vom Herzen, als ich an der- Ecke der Dteintoxstraße sah, daß der Herr Regierungsrat nicht rechtsav in sie einvog, sondern geradeans aus dein Wall ivetteigiitg. Darum bin ich ihm »enn, da mein sogenanntes persönli ches Interesse an dem Fall erschöpft »ivar, nicht weiter nad,gesolgt, sondern lhabe niein Rad wieder oorschrists mäßig beleuchtetsund bin den Weg zuriiagesahren, den ich gekommen war.« « »Komm Sie tnir zuverlässig on Igevein wann diese Begegnung statt ssandt llin welche Zeit, meine ich Idee Tag ist mir ja veiannt.'« ’ ,,Gestatten der Herr Kommissar-, Idasz ich einmal nachdenke. Ja, setzt lsällt es cnir wieder ein. Als ich vor Imeiner Wohnung antam, schlug es sgerade neun Uhr auf der Dreisaltig steitgtirchr. Von der Ecke der cteim torstrasze bis zu meinem Hause ge Ebranche ich zi Rad aber höchstens sacht Minutem Es muß also ziemlich lgenau drei viertei aus neun llhr ge wesen sein, als der Herr Regierssngvs I rat sich in den Schuppen begab. »Das triirre sti;.'«nnien »Wie meinen der Herr Kommis sa13« l »Es- lvar ntsr ein tieintr Monolog, sden ich hielt. Jedenfalls bin ich Ihnen sehr dankbar file Jlire Mit teilung. Wenn es nötig ist, werde ich Sie bitten, einmal wies-er unrznspre cl)en. Ihre Adresse habe ich nnr no tiert.« »Danke sehr, Herr Kommissar. Aber wenn irli mir noch eine Be merkung erlauben dars, ich möchte um alles ni Ver Welt nicht dazu hei getragen haben, dein Herrn Regie rungsrat linannehmlichkeiteii zu be reiten. Jin Gegenteil, ich were glück lich, wenn in meiner Aussage irgend etwas enthalten wäre, tvag ihn ent lasten könnte. Denn er ist wirklich immer ein so gutiger, herablassendek Herr gewesen, und niemand in unse rem Bureau —- niit Ihrer gütigen Erlaubnis — halt ihn eines Verbre chens scihiFi.« »Wir wollen das Beste ciii ihn hoffen, Herr Müller· Sie erhalten teleplkonisrtxe Nachricht, wenn ich Ih ! rer nech einmal bedürfen solite.'« Mit vielen Verbeugungen und Empfehlnnaen, worauf Brennert mit einem zerstreuten Kopfnirken antwor tete, verließ Herr Müller schräg nach rückwärts Das Bitte-au. Sobald sich der Kommissar allein sah, sprang ek lebhaft empor, überlegte hin und her gehend nnd stumm die Lippen verre gend noch eiiien Augenblick, dann riß er Hut und Mantel eilferlig vom Kleiderlialter. bewaffnete sich mit einer elektrischen Taschenlampe nnd eilte hinaus. iFortchiing folgl). THO -— Zwangslage. Arnan steher (zu einer detrunlenen Mit nerin): »Aber Schutert’nk Mehl · nug, daß Euer Mann alle T e e ttunlen ist — fangt Jhr au noch zu trinken ani« »Ja — tvoas still ich inacl;’n, m Vlintgvorsteherlt A alloholsreien nsz —- soagi inei Momen, nimmt a nich sink«