Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 05, 1917, Sonntagsblatt, Image 11

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    Sonntag-statt de
Skaats Anzetger und Wer-old
Neb ,DMI etstu
——-————L
WM »Na-W
..-» ....--....—....»
» Der Julkrmkrtr. H»
Novelle von Gabriele Malen
Tie Zchaiiselriider der vollgesiillis
len Verguiiguugedainpser zerpeilsch
ten die Psauenliläue des herrlichen
See-J zu silberneni Schaum Aus ei
ner der Seitenliiiuke dec- oberen
Text-I saß ein deutscher Osfizier in
avaeniiyter seldgrauer llniiorui. Er
kyieu unverletzt, doch trug er eine
citerude Wunde im liörper. die ihm
viele Schmerzen bereitete Sein Ant
lih war ermiidet und aschiahl von
allen Enthehrnnaen und Beschimp
suuaen, die er iu Frankreichs- Gesan
aenloaern erdulden mußte. Aber
hier ioar Friede. Er riickle mit leich
teiu Gruß beiseite, einem französi
schen Ofsizier Raum zu neben, damit
der sein iteifes Bein bequem strecken
lonme. Der Deutiche wandte seine
Augen vom Geiuirr dei« Menge ab
und liesz sie auf den gewaltigen Li
nien der Sihiueizer Berge ioeileu.
Das lebendige Geplauder des brons
zehraunen Franzmannst nnt seiner
zierlichen Frau .n-.d eunin Bübchen
im weißen Matrosenanzug hatte ihm
plötzlich uierluiiirdig weh getan.
Auch er beiasz eine Frau und ein
Mut-, aber ioiirden sie ihn hier bein
ihenk Halle auch dass wesele noch
nicht dass- lehte Wort gesprochen, sie
siir immer non ihm zu irennen —
er konnte sich zoohl tiuim rnhmen,
sie noch zu liesihen· Einst hatte er
die von tausend unsrigen Träumen
iuniouazerle Freiheit von aller- Fa
inilienhanden aan qluhendsle er
sehnt, heitre fragte er sich, wozu er
sie wohl anwenden wurde-.
Ter hereinbrechenoe Krieg halte
ihn, den Rechtcsmnvalt Tr. Quem-ig,
III dem senden-teilen Geistes- nnd
Seelenzustand III-treffen Durchs Te
lephon hatte er von den Seinen Ab
Ichied genommen — de-: lleine:. Bu
ben Stimme »Jetzt durch das
schwarze Rohr gehört —- Mitig
nnd dami, wie traumhafte-H Gezivits
jeher eines Bönelchens aus fernem
Nest So waren die iIndlichen Wün
sche fiIr ieiIIe IIlIicIliche HeinIlehr nn
dentlich zn ihnI ixeoknnzIen Aber als
er Mea znin lehieninal ini Arme
hielt nnd in ihre hellgriinen Augen
blickte, Innizte ek, Mann, Rechtsan
IoIIlt nnd Ofiiziei«, der ek war, III
iaiinngsloses Schluchzen misbiechen
Nie hatte er geglaubt, noIh so heftig
empfinden zn können. Was- ihn viel
leicht inn nteiflen an dein Tilliidchen
be.ImIberte, iunr der Sturm seine-J
eigenen Oethens LlIs er sie zuerst
aIII dem slnnillekjeit sah, als hnns
Inelblane qlalnnnIPIIe I: it ihrer per-»
verlein FliiidekaIIIInit, IImfIlnneicheltI
von Liliinnern nIit bei»hniten Nas;
IneII, von jIInIIen sie-Ils, in Prächti
IIek Schönheit bliihend —- da ma: es
eiII JIIIIdalIentener von erregenden
Reizen geweIeIi, sie diesen BeiserbekiiI
allen fortznelnnen — eine SensationI
im tönende-I Eineriei desi- BernfsleiI
bene. Mehr hatte es gar nicht mer«
den sollen. Dann brach lein Wille ans
dieser sonderbaren lllliichuug von Ver-i
derbtheit nnd sonster .«Dau-:ituchter.i
Was er feiner stlientii geglaubt s-i
ihr glaubte er e-:s unbedingt: die
Ehrlichkeit der (5)esinnui:ss. Auch noch
als sie sich hinter seinem Rucken bei
seiner Frau Eingang verschaiste, sich
ihr zu Jus-en wars und sie ansiehtix
dem Gliick zweier Bei-zweifelten nicht
un Wme zu stehen Nachdem aber
eine Frau einmal nni seine Leiden
schaft wußte-, solgten ein paar snrchts
bare Szenen, und nun schien es
Hornin selbst undentbur, als ein
Schitldiger noch an Gertrnds Seite
zu leben. Eine neue Ehe init der
tinderimnien Geliebten deren Quä
lereien etwas- so siisz Erregendes siir
den reisen Mann besaszein schien ihsn
nun eine Seligkeit zu verheißen, die
niit der Zerstörung einer bisher
freundlichen Gemeinschaft zweier
Menschen nnd der Gesiihrduug der
Zukunstrsauesichten eines- aufblühen
den sinaben nicht zu teuer ertaust
wurde.
Noch ans den Märschen durch Bel
gieu und Flut-denn noch während
der Nächte in den Schiihengriiben
hatte ihn die Sehnsucht nach ihr ge
schiittelt wie ein Itrainps Er siebet-te
nach jedem ihrer Vriese mit der- liis
sternen tleineil Spitzen, den lecken
Anspielungen
Bis die schwere Verivnndung ihn
traf, er in die Hände der Feinde
siei, mit einem Schlage ans seinem
ganzen bisherigen Leben heraushe
tissen nnd an ein neues User ge
schleudert wurde. Zwischen ihm und
der peinigt nähme eine Hölle erplos
dicker-der Geschosse. Kein Lieteszeis
- von drüben erreichte ihn. Zu
um ihn-her sue es nur sur t
bare Leiden und Erniedrigungeml
die ntannhast getragen werden muß
ten. Jeder Tag war vom ersten
Lichtschein bir- zum nächtlichen
Grauen angefüllt niit Selbstiiber
tvindung. Sie war die eine, die
höchste gewaltig-.- Tugend und
Pflicht, aus der alles Bestehende
ruhte. So verging in Fieber und
Schmerzen, in Hunger nnd Schmutz,
zwischen Ungezieser und Ungewißheit
dat- erste Jahr. Das zweite brachte
Hoffnungslosigkeit und wohltätigen
Stnmpssinn. Alltniilslich liefen bei
den statuetaden ab und zn Nachrich
ten aus-«- der Heimat ein, siir ihn
allein nichts. Dann einmal ein
Schreiben seines Geschäftssiihrers,
als Antwort auf so viele vergevliche
tiartru von ilnn selbst. Man habe
ihn nionatelaug unter die Verniißs
ten, endlich unter die Gesallenen ge
zählt. Sein Scheidung-Prozeß sei
deshalb ani unbestimmte Zeit ver
tagt. Fräulein Mea Mellntann habe
die Stadt verlassen, pflege als Rote
Krisiiz-Schiiiestisr in einem Lazarett
m Polen.
Hartwig zerranu nach diesem
Briet die Erinnerung an sein frühe
rer» Leben, an all sein Wollen, Stre
ben, Lieben noch mehr als bisher zu
einem trüben Nebel undentlicher und
gleichgiiltiger Dinge.
Als er endlich der tragische-n
Schar unt-los gewordener Helden zu
geteilt wurde, die in der Schweiz
gastliche Aufnahme sauden, schrieb er
seiner Gattin, das; er, ein unheilbar
Iiecher Month nun bis zucn Ende des
Feldzuges ain Vierwaldstiitter See
untergebracht sei, und bat sie unt
Nachricht von deni Jungen. Er be
kam bis- heute keine Antwort nnd
hatte sie auch nicht erwartet. Es tvar
gut so.
Han nnd Wut entfleuten ihm Ger
irndsI Ziige iin Andenken der leisten
heftigen Linitritiiy die er mit ihr ge
habt. Vielleicht hatten die sieh iiver
einein vermeintlichen Heloeiigrab znk
Ruhe gelegt —- aher sech. . . Frauen
können fo tiefe Ariinlnnqein wie er
ihr angetan, wohl lau-n verzeihen.
Nein —- er war zu rniide fiir diese-Z
alles·
Ein Paket Bücher hatte er sich ans
der Unser-let Stadtbibliothek geholt
-- er wollte die wissenschaftliche Be
handlmig einer ichiv: erigen juristi
schen fzsrage in Angriff nehmen. Da
nach hatte ihn schon lange gelüstet —
nnn ioin die Schweizer Ferienzeit
ihin eben recht. Jwischenhinein Spa
ziergang auf den Straf-en ani See
zwifchen den Blnnieninatten, soweit
eii feine schwachen sirafte eben gestat
te.ten
Tei Name der Station Brunnen
wurde ansgernfen Hartwig erhob
sich, warf noch einen freundlichen
Blick anf das-s anchen init den brau
nen Ringellockem das zwischen den
ilnien feines Vaters stand, nnd ta
sieie fich, anf seinen Stock gestiiht,
etwa: niiihfani die Schiff-: trppe hin
als, dein steg zn aus dein die sonn
tiiglich geputzte Menge sich siante.
Nein —- solcher Weichheit, wie sie
ihn eben lieini Anblick des netten
tleinen Franzosenjnngen iilJertant,
der durfte man sich freilich nicht hin
geben, sonst war ed wieder vorbei
mit dein niiihsain erlätnpsten See
lensrieden. Sonderliar — er war
doch sein zärtlicher Vater gewesen —
nnd setzt drehte er sich aus der
Schiffs-drücke hastig uni, weil er eine
helle ilnaltenstiinnie rufen hörte:
»Mutti, sieh nnr die vielen Feld
grauen l«
Das war eine deutsche Stimme,
keine schweizerische -— stinderstiins
nien glichen sich wohl alle —- wie
konnte er sich einbilden, er habe diese
Stinnne in der Erinnerung: leise,
sern, niiide. wie von einein Kinde,
das man ans-s deni Schlaf geweckt
hatte, ntn einen Gruß in das schwar
ze Rohr zu rufen?
Hornin drängte durch die Menge,
sort von dieser erregenden Stimme,
griiszte die Gruppe der tlanieradem
die am Ufer standen, lachend,
trotz ihrer Angenbindem ihrer Stöcke
nnd striiitem schritt die Straße hin
ab, seinem Hotei entgegen, hielt
plötzlich inne -—- blickte zuriick....
Wenn er es doch gewesen wäret Bei
den Feldaauen stand eine Dante mit
dem schlanke-n Beil-ein staate, erhielt
Bescheid. » Und er ging ihr entge
gen.
,,Gertrnd . . . ?!«
Förinlich neigte er sich zum Kasse
über ihre Hand. Aber der an
sauchzte, daß es weithin schallte iibek
das llsergelände·
»Von — mein Batit«
Und Oarttoiq riß ihn aus an seine
Brutt.
Die Anssliialer schauten gerührt,
lHauen mischten sich die Augen, vom
chisse wehte man mit Tücherm
Darin-is liess den Knaben, dessen
warmes Wichtchen sich« sest gegen
seine Wange gedruckt hatte, sanst
herunter nnd zog Gertruds Arm in.
den seinen. So entschwanden sie den
Blicken der Menge —- eine wieder
sehenssreudige Familie i
Das Hotel war angesiillt mit beut-s
schen Juterniekten Man gab ihnen:
einen Burschen mit, der sie zu einer’
anderen Pension führte-. l
»Ich bleibe nur wenige Tage,"i
sagte Frau Hartwig, nnd ihr Manni
neigte zustimmend den Kopf. Eri
nahm ein schönes Zimmer siir sie.
mit einem sonnigen Balken nnd der:
Aussicht ans den See. »Hier können:
wir des Abende- sitzeu nnd dass
Abendgliihen sehen,« sagte er wie;
selbstverständlich, während start ans?
der Reisetasche eine Fülle der ver-;
schiedensten Gegenstände auf dem
Boden wars, um eine Mappe zu sin
den, die er siir den Vater getiebt
und bemalt hatte, nnd deren Wir-»
knng ans Hartwig ihm unwiderstele
lich schien. Als er dem Kinde seines
Freude iiber das Geschenk anssprachJ
sagte Gertrud leise nnd liesangen::
»Man ist euch ja so unsiiglich dank-J
bar, wie sollte man nkcht daraus sin
nen, euch jede Freude zu machen. ;
So stand es also. Sie sah ilsrT
gleich ·- diese hochgespannte Ba
terlandsliede, die jedes sters fähig
ist« Aber was hatte ek, der Mann,
Karl Hat-neig, mit diesem Opser zn
tun, das dem besceiten Vaterlands
schiitzer galt?
Immerhin konnte man ans die
sem Boden eines gemeinsamen gro
zeu Gefühl-:- einige Tage zusammen
verleben.
Als Hartwig am Nachmittag Ger
trud wieder aufsuchte, bestätigte er
bei sich selbst eine Wahrnehmung,
die er schon am Morgen gemacht hat
te: die gehässige Abneigung, die er
in der letzten Zeit ihre-I Ehe-lebens
gegen sie empfunden, und die zu
Zeiten in einen unerträglichen Wi
derwillen ausarten konnte —- die
war aus- seiner Brust verschwunden
Er sah die Frau neu und ruhig.
Gertrnd bewahrte ihm gegenüber bei
aller linden Freundlichkeit eine in
sich gesammelte Zurückhaltung
Hartwig brachte einen Ausflug
zur Tellstanelle in Vorschlag, das
würde lturt interessieren Gertrna
lehnte ab, weil sie sich von der Reise
ermüdet fühlte. Sie bat ihn, mit
dem Linde allein zu fahren An
fang-I siihlte sich Hartwig geniert,
wie viel wußte der Vub von dein
Vergangenenk Wie beurteilte er sei
nen Vater? Ein Sctnnngefiihl pei
nigte den Mann seinem Rinde ge
genüber-. Aber sinkt war völlig un
befangen. Er stellte Fragen iiber
Fragen, während dac- Zchiif, welches
sie beuiihten, an dem herrlichenj
Ufer entlang fuhr. Hartwig mußte.
ihm die Geschichte des- Schweizer
Heldenbefreierss erzähle-in und alsz er»
zum Apfelschnsi tam, blickte der.
Junge seinen Vater ansJ großen
Augen vertraneiisvoll an und sagtei
mit einem Seufzer erleichterner
Spannung: »Da-J tönntesc du auch,
Vati, nicht wahr? — Da würde ich
mich gleich liiniiellen, wenn du schie
fien iniifiteft.« i
Beide kehrten angeregt und fröh
lich zur Mutter heim. Gertrud hatte
aui dem Vallon gesessen. Sie er
schien Hartnsig sehr bleich; etwa-Z
ihm Ilnbetanntexh aber durchaus
nichts Reizlosesz lag in denr schmal
gewordenen Francnautlih
Wege dasJ Kind zu Bett, ich
möchte mit dir reden, bat er, nach
dem sie zu Abend gegessen hatten.
Er setzte sich ans den Balton in den
Stuhl, in dein sie vorher geruht.
Während er wartete, blickte er znm
Nachthimmel auf, der finsterer wur
de und an dem die Sterne strahlend
ansbliihten, wiilnend die Linien der
gewaltigen Berge dränend gegen den
Horizont standen. Als- tleiue Fun
lengrnppen glininiten da und dort
am Userrande und auf den Höhen
die Lichter der Ortschaften Die
Stille der- Abendszs nnd der Landschast
füllte auch seine Seele init Frieden.
Gertrud trat zu ihm. »Er schläft
schon,« sagte sie. Harttvig ;«ihlte,
daß sie lächelte, wenn er ihre Züge
auch kaum zu unterscheidess ver
mochte. »Ganz berauscht von Glück
war das sierlehen.«
«Gertrnd, ich mnsz dir danken,
daß er berauscht von Glück sein konn
te dnrch das Wiedersehen mit mir.
Tag war ja dein Wrel «
Er nahm die herabhängende Hand
der Frau in die seine.
Sie schwiegf
»Ich hätte es nie für möglich ge
halten,« suhr er träumerisch fort
»Für diesen Nachmittag will ich
gern die schauderhasten Monate
durchlitten haben.«
»Du weißt, dasz wir dich lange
Zeit gesallen glaubte-if Kameraden
von dir behaupteten so fest, dich stür
zen gesehen zu haben.«
Sie lehnte an dem Balkongttter
und blickte hinaus in die snnkeinde
Nacht.
»So toird es auch gewesen sein,«
gab er zu, »ich lag dann lange besin
nungslos fiebernd in einein Laza
rett·'«
»Es ist sonderbar,« begann sie
stockend, ,,wie anders der Mensch,
den inan zu kennen glaubte, uns er
scheint, sobald wir ihn als- einen ab
geschiedenen Geist betrachten müssen
Wie wir da nicht mehr das Einzelne
schauen, sondern eins sich zinn an
dern siigt, das ganze Leben niit all
seinen Unbegreiflichteiten sich zu ei
nem geschlossenen Ganzen sonnt, ans
dem anch das Böse und alles, was
uns schweren Kummer gemacht hatte,
nicht fehlen dars, weil es eben zu die
sem Menschen, der nnd tener mai-,
gehörte . .
»Zn solcher Höhe der Erkenntnis
bist du gekommen, Gesund-« fragte
er leise.
»Nicht gleich —- o nein —- nicht
gleich ! Aber ich sah dich doch nun
immer in einem anderen Leben, in
dem du anf deine Vergangenheit eben
so zurückschautest und in dein der
Bann des Dämons, deni du hier er
legen warst, nnn von dir abgefallen
sein mußte. Wenn ich dir dort ver
eint sein ivollte, ging es nicht anders-,
als daß ich auch durch Tod ztnd Aus
erstehnng dringen mußte Ja, es war
schön, mit dem Toten zu leben —
wir verstanden uns wieder gnil«
Jhke Stimme war voll unendli
cher, tränenverjchleierter Weichheit
Hartwig hatte die Hand iiber die
Augen gelegt
Wer iernr Ie oie Veeie einer Urau
ganz tenuen...
»Aber du mußt nun nicht glauben,
dasz ich dir deshalb das irdische Da
sein nicht gis-um« sagte sie plötzlich
lsell und lebhaft, lan: näher-, setzte
sich ans die Sehne seines Sessel-I und
strich liebevoll über seinen Arm.
»Mir —- es wurde mir schwer, mich
vom Tode zum Leben wieder zuriicts
zusinden. Kannst du das verstehen?"
»O — wohl — wohl.'
»Nun will ich die Lampe anziins
den," sprach sie in einer Art von
hastiger Geschäftigkeit, die er mit an
ihr kannte, wenn sie noch etwas aus
dein Herzen hatte.
Sie ging ins— flinunen brachte
gleich daraus eine kleine Petrulemns
lamve, stellte sie auf den Tisch und
ualnn auirk ihrem Titschchem dast- dort
lag, ein Zeitunagsblatt
»Har:wig,« sagte sie, ,,el)e ich wie
der abreise, mus; nlleis klar zwischen
uns werden. Jch weilte nicht, das;
ein Fremder dir dioie Nachricht drin
gen sollte —- weil —- weil sie dir
grossen tiununer mailsen wird. Tasti
weiss ich sa.«
Sie reichte iluu das ;3eitungsblatt.
Hartwia lasJ unter den Familien
uachrichtein Präsident Ulirslliuanu
nnd Frau geben Freunden nnd Ver
wandten lJierdurch Illlitteilnna von
der tiriegstrauuug ihrer Tochter
Mea mit dem Lilittiueiiser Baron Er
win v. Szeeliann, zurzeit im Felde.
Hartwig legte das Blatt ans den
Tisch zuriiit.
»Sie hat il)n irren-schenilicli im
Laierett lennnen gelernt,« sagte
Frau Gertrnd zagln1s» weil sie die
Stille nicht zn ertrasien Vei«iiioil)te.
»Das wird wolil is sein«
Hartwig erhob sich Wie lange
war e-J, dasz er deutlich siililtez diese-I
Miidchen war fiir immer ancs seinem
Dasein verschwunden I
,,Glanbst dn an TIllJi-iiiigeii?« srags
te er Gertrnd »An ein Wissen von
Dingen, die in der Ferne geschehen?
Ein Wissen, dass der Verstand nicht
beg reist ?"
»Ja,« sagte Geltend, »das sind
seltsame linbegreislichleiten Wir
können sie nnr erleben, nin sie zu
glauben. In der Nacht, in der der
große Stnrniangriif war, bei dein
dn, wie du inir schriebst, verwundet
nnd gesungen bist, wachte ich plötzlich
ans nnd eine Angst iibersiel mich, so
dass ich ansstand, Licht anziindete nnd
nach der Uhr sali. Eir- war Z Uhr dei
iiiorgens.«
Er nickte, versunken in Sinnen.
»Am nächsten Tage bezeichnete ich
dao Datum des Tages in meinem
Kalender. Denn ich war gewiß, dasz
dir in dieser Nacht etwas Furcht
liares zugestoßen sein mußte. Dass
Witnderliche daran ist nnr dies: ich
hatte immer gemeint, solche Sympa
tliieivellen oder wie man es nennen
will, können nur zwischen Menschen
bestehen, die ganz innig miteinander
Verbnnden seien.«
Hartwig hob den Zions nnd blickte
seiner Frau in die Augen. ,,Sind
wir beide das nicht«-«
Sie schloß die Liber. Jhk Kopf
schwankte, wie der Kelch einer Blume
aus dünnem Stengel im Windstoß
hin nnd her schwankt. Er umfaßte
die Sinkende und hielt sle an seiner
Brust. So wartete er still, bis sie
sum neuen Leben .rwachte.
i
i
; «
I ilskt lilkliktzikhke
Slizze nach dem Ungarifelkeu von
T. Schulz.
. An einein Herlsflabend begleitete
kich einen Freund über das- Weichbild
von Budapeft hinaus-, wo er an ei
cneni der Tonnuufer wohnte.
Als- wir dass Haus meines Freun
Ides erreichten, mußten wir noch ein
lWeilchen warten, bis der Pförtner
Man-, um die große Tür aufzuschlie
Ifzeu.
»Du frierft wohl fel)r?« fragte
mein Freund.
»Ganz entfeylich!« antwortete ich.
,,Bleil1e die Nacht iiber bei Inir«,
schlug er mir vor.
,,Unmöglich!«
»Dann ninun wenigstens meinen
lieber-ziehen er ist viel dicker-, als Des
deine!«
Sein lieberzielfer war wirklich
von sehr guter Qualität, braune-I
Tuch, heller kuriert, lang und eng
anlieuend. Vom blofzen Ansehen
wurde mir wärmet-.
»Nun, ich lfiitte nicht-J dagegen,
wenn dir’5«isrlc1iilsst«, fngte ich, und
wir lauschten Auf dem jiknchlmufxs
weg fiilflte ich mich nwllig und
wann. Ter Mantel war viel be«
fer als meiner und trotzte Wind und
Vetter-. Tuch tneiu Freund nur
Junggeselle und luunte eI fich rez
lsalb leisten, einen guten Teil seines
Einfounueu fiir feinen unseren
Menschen auszugeben
»Alle Iucigcn Utechtsannmtte sin
halt Gecken«, dachte ich bei mir. Zu
Hause angekommen, hing ich den
nnssen Mantel an einen Haken ini
Worinan Am nächsten Morgen
äußerte meine Fran, draußen iei
alles lnirt gefroren, und es wäre on
der Zeit, nieineu Pelznmntel in Obe
bmnch zu nehmen« der noch im
stampser täg. «
Am ilkachniittug tmi ich mein n
Freund im stlnb und erwähnte bci
läuft-D ich würde ilnu sein Pracht
exeinplor non lleberzieher um näiti
slen Tage zuriickseuden
»Da-«- lmt keine Eite«, meinte ir.
»Nun hatten niir ja schon Winter
und tragen nnTere Pein-. Ich limit
che also den Ellkäutel wirklich vor
duu nächsten Friilnnlir nicht ioici
der.«
Eine Woche später —- tnik suszsn
Hemde beim Ulkittagessen — be
merkte nieine Fran:
»Hast du deinen Schneider beauf
trimt, den Pelzniantel adznlsolenI
Nach dem lnuneu Siegen muß ei
äiiisqebesnsrt werden — et sieln tat
sächlich nicht uielsr anständig ausk«
»Ich sagte ilnu schon not eine-.
Ewigkeit, er solle den Wintemiäinet
alilsolen, noch elie ezs ernitlich kalt
wird«
In diesem Ylnaenlnnt natnn nnr
dag- servierende Oaniintiidclien einen
Teller vor del Nase nie-J, machte ei
snen ardszen Tnnkensleck nnd lies; sich
Vernehmen:
»Ti· Schneider war nor ein pau
Taaen da, nnd ich aali itnn den
llebersiehety der nn Flur hina. nne
gniidiae Frau niir gesagt hatte.«
»Hinnnel!« rief ich. »Sie haben
wass- chnined angerichtet. Wann
war der Schneider hier, diese-«
»An dein Voriiiittaa, nachdem der
Herr so spät nacht-Z nach Hause ge
kommen war«, Versetzte Liese grim
mig.
»Was- isl denn los-W fragte nun
meine Frau ganz ängstlich
..Weiter nicht-J, alsI dass Liese
Laszlos schicken, neue-I lleberzieher
diesem erbärmlichen Schneidern-in
zum Wenden nnd Reparieren mitge
Igeben hat, anstatt meines eigenen
alten Mantels-.
) »Du meine Miit-el« rief meine
Fran. »Geh nnr gleich »1,n ihm hin,
nm zn verhindern, das; er das-«- ac
rinqste daran macht. Meislenii sind
die Schneider ja langsam nnd nn
pünktlich, nnd der ist der schlimm
sten einei. co niiid er e-:- nicht so
ieilia gehabt haben«
l Mit diesem Troste liesinderte sie
Hitich nach dein Essen l)inan—;, dann:
Ich den Ueberzieher noch reite.
Der Schneider war sehr höflich,
Fund ich saszte mir ein Herz EI ieae
ja auch mehr alii wahrscheinlich, daß
ier den Mantel noch gar nicht Iz
rührt halte·
i «Gnten Tag, Herr Horveth, ha
;ben Sie meinen Mantel schon an
: gefangen . "
! »O, ich glaube, Sie werden sehr
zufrieden sein, Herr Nakosi. Peter«
bringe den dunkelblaue-n Ueber-zic
»her, der gewendet worden ist.«
s Dunkelblan —- dachte ich bei mir.
Gott seisDanb et« scheint mich mit
jemand anderem verwechselt zu ha
ben· Laut sagte ich: »Da-:- ist aber
snicht mein Mantel Meiner ist
Ibranu mit tehsarbenenl stam«
»Gewiß, Heer Nakosi, ans dei
Aussenseite aber die Rückseite des
Tuches ist dlintelblau, wie Sie le
l)en.«
« Jn heller Verzweiflung beiah ich
den Mantel. Er hatte recht, da»
helle state aus braunem Grund war
jetzt nach innen gewendet
»Bitte, Herr Horvetl), machen Sie
nun noch einen neuen Sanittraqc n
ans den Mantel und schicken Sie i«::
mir dann sofort mit Rechnuan in
meine Wohnung
,,.lber Samtkragen weiden seht
gar nicht mehr genagt-in und ans
einen so schönen Mantel- .
,,Tnen Sie unr. wie ich Ihnen
sage«, wiederholte ich.
Und er mnsne sich siigen, was ee
anch iiber meinen Geschmack denken
mochte. Am nächsten Tage echte-i
ich den Mantel zurück, bezahlte du
Rechnung nnd sandte dac- unselige
dileidnngksstiiel lnit folgenden Zeile-i
an meinen Freund: »Weder Lasin.
der Ueberziehet«, den Du lnie ansi
grosier Gesiilligfeit geliehen hattest,
ist ans meinem tiertidor gestellten
worden. Jch sende Tit-, wie eg sich
gebührt, einen anderen als Ersatz·
.t)i. «
s oEinfaan weigerte sich Lasiliy ihn
anzunelnnelh Aber ich bestand dat
ans, nnd el- ssab nach, obgleich ilh
Don allen Zeiten hören nlnszte, wie
ihm Schnitt nnd Farbe deo Ersatz
iliielests nliszfielen nnd wie sehr er
der brauutarierten Schönheit nach·
trauert. tEr konnte ja nicht wissen,
lwie nahe sie ihnl während all de:
Jeit warll Eines Tages teai ich
Lasle Wit- begriiszten uns-, nnd e-:
sogle:
,,Eriunerst Du Tich meines brann
iiiid rehsarlienen llelierzieherkk der
any Deinem Flur gestohlen ivnrdeK
Denke Dir, ich halte ihn zurücklie
foinineii. i«
»Wie ist das- niöglich?« Ich
ichnavvte nach Luft.
»Ich schickte iienlirh den blauen
Mantel deni Schneider ziiin Wen
deli, und..
»ich nuii verstehe ich!« schrie Hi
aufgeregt
,,.Illso ich sandte den lilanen Man
tel znni Schneider iuid bekam ini i
iien eigenen, alten, liraiintarieruu
daiiir ziiriiit Natürlich lief ich
schleunigst zn ihm, niu mir die Sa
itle eitliiren zu lassen: er versicherte
dasz eit- mein :."iantel sei, der gleiche,
den ich ihm vvt wenigen Tagen zu
geschictt hatte. Tat-in innszte ich ihm
lieistinunein ei; isl ineiii tieberziehey
alier der wurde doch im vorigen
Isalire gestelilenl Der Mann tat
furchtbar beleidigt, drohte niir uiit
gerichtliilier Vluzeige ivegen Ehren
verlelznng nnd fragte mich ini glei
chen Atem, vli ich ihn siir solch einen
Esel halte, das; er niir an Stelle
eines alten, geitie ideteu Mantels li
Inen neuen lieu-re Tags Ganse ist
«
ein Rätsel.
»Ein Rätsel, dass ich lösen kann«,
sagte ich und erzählte ihni die Ge
schiclit".
»«L.s1ahrhaitig! « rief er. »nnn tier
stehe ich auch, mais mir veiuiiderszi tu·
rios dabei erschieii.«
»Was denn ?«
»Nun, in dein blauen lieber-ziehet
war die iiiisiere Tasche ans der rech
sten Seite und die innere auf der
;liiiken. Dei-halb hasite ich den Man
stel denn liei alten vernünftigen
Mänteln istUi .- umgekehrt «
! Tast- sagte Laszlo in eiiieiu Tone
Zder nichts-«- von Tantliarteit verriet
s· «E«nde gut, alles aiit!« entgegnete
s Vielleicht werde idl im niichiteii
lWinter doiti imstande sein. auch
siueinen eigenen IlIlaiitel wenden In
"li1ssetl.
i ———s- — «
Mclslznscinc
Mehlznsntz nnd Mehlersatz ist nncb
in friedlichen Zeiten bei den verschie
densten Völker iivlich gewesen. So
wird berichtet, das; in Lupplnnd Tan
nen- und Fichtennadeln in tie Ha
sergriitze geknetet werden. Die Be
wohner von Zinmtschntln setzen dem
Mehl Bittens und Tannenrinde zu.
Auf Island Verlängert man den
Brotteig durch Zusatz von Moosen
und Flechten. Jcn Frühjahr 1812
mischte mnn ihn in Ostpreußen mit
Kräutern und Binnnrmdr. Jn Süd
dentschland werden Vlepsel nnd Bir
nen mit verbnckrn. Auch Zusätze von
Hirse nnd Buchweizen kommen vor.
Beimischungen von Kartoffeln sind
bereits früher sehr gebräuchlich ge
wesen.