Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 28, 1916, Sonntagsblatt, Image 10

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    Kleine Ädrin. l
(15. Faktietzungx 1
.Wenn es ganz unmöglich ist, daß
ich meinen Mann degleite", sagte
List-, «dann bleibe ich hier in Flo
renz, die er zurücktointh !
»Das wird Hieinlich lange dauern.
Wenn Jhr Gotte glänzende Krititen
betomini, werde ich mit einer ameri
taniichen Konzertdirettion abschlie
gen«.
»Gut, wenn es nicht anders sein
kann, dann warte ich lange«.
.Ach, da schaut wieder die Nord
deutiche heraus!« rief Frau Hofer
erleichtert und affektiert, «ich quäle
mich tagelang und überlege, wie ich
JW von der langen Trennung
sprechen foll, und Sie tun das mit
wenigen Worten ad. Alles ist Ver
stand bei den Rotz-deutschen prot
tifcher Verstand. Ich tannte nur eine
Norddeutsche. eine verstorbene Nichte
nieDes Mannes, die hatte ein weiches
Herz weich. wie wir Wiener« — The
reseOofet stimmte aus Galizien —
Jtz Gotte wird das wissen. Sie
war ja eine intime Freundin Ih
kes satte-c
»Ja, mein Mann spricht mit gro
ßer Verehrung von dem jungen Mad
W, tagte List-, und ihre Augen
folgt-en einer großen weißen Wolke.
Cis hörte feine lieben, nufrichtigen
M soc der Mode-uns del Gran
ducx und sie fühlte wieder den Druck
feiger hand.
»So wirklichZ Das freut mich',
jagte Thereie Vater einigermaßen
verblilsst
sie hatte seine Vorstellung von der
Gergdheit dieser jungen Menschen.
»Ich muß gehen«, jagte Lisa und
M aus« »ich habe hier in der Nähe
Unterricht zu erteilen«.
»Ich, da begleite ich Sie noch ein
DR ich habe Ihnen auch noch eine
fch·« große Neuigkeit zu erzählen,
Ich habe das Gute bis zuletzt aufge
hol-II
List sah Frau Opfer ungläubig
an.
, . Sie glauben es nicht, liebes
Ki Hören Sie nur: iin Septem
ber is hier der große tunsthistorische
Ko Die Kapelle des Mailän
der , latheaters toinnit herüber und
Jhe Okte wird zum ersten Male öf
tentlid austreten. Ein Wert meines
Manne-P
«Ach, der here Professor ist gut
wie ein Vater«, sagte Lisa mit hoch
tiopsendem Herzen »Er wird nie
mals durch uns zu Schaden kom
mcwsgnödige Frau, mein Mann wird
sein ,Weg machen. Ioie oft sagt das
der «rt Professor, und dann sind
wir Ja glücklich, alles vergüten zu
Ein-sent
Minute in diese-n Augenblick der
Freit- die Frau an ihrer Seite per
gellm » ·
»Ih, -1a, mein Mann sieht goldene
Strom-, er ist ein großer Optiniist.
Bauen Sie nicht daraus, liebe Frau
Linden-, das wäre ein sehr lockerer
Gr » Und nun leben Sie wohl,
ich Sie nicht länger aushalten«.
reichte Lisa Die Hand, lächelte
ihr Ogestoreneö Podiumlächeln und
sing jeziert davon.
Wenn der Professor meinen ere
mit J Mailiinder Orchester spielen
läßtx s n hat er das größte Ber
traueii«zu seinem sinnen, dachte Lisa
glüplslic
se sah nicht die Trennung, nicht
all das Häßliche, was immer an sie
haustka wenn ne rnrt Dieser Frau
spross. Nur an Jmte Vachte sie,
wie er sich freuen wurde, wie er vor
dein htiihmten Orchester stehen mur
de, deii schmalen duntleu Ron leicht
gelenkt, in oie Musik hineinuorchem
wartend, bis die Geige einsetzte
Wie oft hatte sie es sich ausgemalt,
wie os: hatte sie den tosenden Eiers
fall eines großen, dichtgedrängten
Pubiitums gehors, und nun sollte
er- Wirklich tpielen, mit dem Mai
länver Orchester ipielenl Oh die
Freude war großer als die Ueber
drmgerin de Nacht cht ahnen konnte
Sie oih ign, wie er unermüdlich in
.der he n Mansorde saß und üoie,1
sie sah den festen Zug um die herab
gezogenen Mundwintel, die Energie,
mit HII er unaufhörlich arbeitete.
Jth endlich kam eine große befreien
eeude für ihn.
a, se wollte warten, bis er aus
Ilan zurückkam, wollte niemals
hinde sein, wollte Geduld haben;
nur ksteigen sollte er.
Er Oiirde sie zwingen, diese Men
schen, P sollten es fühlen, was sie
tiisikC Mchdta, daß einer der
Seite-H ein St e Ia ihnen sprach.
BZHIiHiIslet Kapitel
iecaqe nnd Nächte reichten sich
dieB schließlich tam die liicki
in der Andra
ond reiste, nor die ersten
users ver Kunst In
. ine oeeschlossene Seele
, — la draußen than,
i. Innerez im aufte; aber
.:.--. imng such-kiqu
« - W t e s
»- sahdatoußtesinethati
Maiwurm-iste
ilye mehr als viele
Itsxmekwkrugkunkw
hin. stelle-, iheetn Glück hinwehems
dann sagte Lise:
»Komm, Messen wir gehen Inn-(
Kloster Sau Markt-S
Noch innigee presse et ihren Ann.
Mit lansaushoienden Schritten
steevten sie ver Pknzzq Sau Marco
za.
Jbee Geme wuchsen mehr nnd
mehr zusammen-. wie Schößlinge von
einein Stamm, die ein siaeiei Gen
zes weiden wollen. ,
Wenn das Kisstek schon geschlossen
wäres« sagte Lise.
»Dann wird vee Dominjtanetpaiet
in Dein schönes Antliy sehen, meine
KLinigiiy und uns Einlaß gen-säh
ten«.
.Ah, wie froh Du bist, mein Jen
te'·, sagte Lisa, sich anschniiegend.
»Ja, ich bin glücklich!"
band in Hand eilten sie weiier.
Eine Gruppe von Fremden blieb sie
hen nnd sah ihnen nach.
»Ich habe nie ein so schönes Paar
gesehen«, sagte eine granhaakige alte
Dom-.
Jönd wie sie dahin eilen, wie ans
einem Siegeswagenl« meinte einer
oet Heeren.
Jmte und Lisa zogen die Kloster
glocte.
Der Dominikanet össneie die Pfot
te and sagte:
.Es tut Inie leid, die Besuchszeit
is: voeiibeXA
YZU lassen Sie uns ein«, sagte
»Am ..-«c,:nv, Jossen Sie uns in Ih
»eetn du«-of sitzen, wir können ja nicht
Draußen bleime
; Er sah in ihr ichs-es Antlitz und
ließ sie ein.
Jmte legte den Am um sie. ,
»Ich sagte esl« slüsieete ee lä
chklnn
l Sie schritten auf die Bank zu un
fier der uralten Fichte, inmitten des
stummgarteng um die der Kreuz
gang läqu
Der Dominitaner steckte die Arme
in feine weiten Aermel und ging mit
gesenkten Augen in das Refettoriunn
Er tam nochmats zurück, sah seine
späten Gäste wie in einem stillen
Glanz träumend unter dem alten
Baume sisen und sagte:
»Ja einer Stunde komme ich wie
der und schließe Ihnen die Pforte
aus«.
Lisa ries ein liebes Danteswort
hinüber, wie eine zärtliche Taube flog
es an sein herz
Eine Weile saßen sie stumm bei
sammen.
Dann sagte List-:
l Wird die Generalprobe hier in
iFlorenz am Tage vor dem Konzert
seini«
) «;3a, in vier Tagen .
»Das-s Hat-sich hingeben, ere?«
«Ja aber ich möchte es nicht gern,
da ist immer mancherlei, das Dich aus
der Stimmung reißt es ist ja teine
!bsfentliche Generation-by und ich
smöchtg daß Du recht voll genießt« .
; Er sah in die Säulenhallen des
Kreuzganges: die alten Fresten
spannten sich im silbernen Dammern
wie oerblichene Gobelins; aus dem
annern des Klosters drang das mo
notone Raunen betender Mönche
Ach, mein Liebling. hier müßte
jinan Musik hören, nicht in einein
;Saa!, nicht unter Menschen. Das
;Orchester, die Künstler dürfte nie
mand sehen« sie sind ja nur Instru
Tmente des großen Empfindenden, gro
ßen Wollendm
j .Etit voller Genuß wird es für
Dich ja nicht sein« aber wenn meine
Seele nicht in dein ist, was ich der
girrt-en darf, dann ist sie ganz bei
tr
qund beschleicht Dich niemals eine
Furchts«
Jst-re lächelte, und es fiel ihr aus
irsii Damals aus der Landstraße bei
Jiaxiunn wie ons- Lacheln dieses Ge
t:ck,i, vak- eben noch so ernst mar, un
geniein sung erscheinen ließ.
«ll!ein, aag lenne ich nicht. Jch habe
niich cin wenig geht-echten ob ich inich
.:ii: meinem schlechten Jtalienisch in
Mailand auch genügend verständigen
kann ich habe mich gefürchtet, ob
meine inneren Schwingungen mit de
nen oeg Orchesters zusammensallen,
ncer wegen ver Menschen da unten
and um meiner selbst willen fürchte
ich niich nie.
»Es ertältete mich zuerst ein wenig,
als ich in dein großen Raum stand,
vie Freude umhullte mich nicht mehr
so start wie vorher, wenn ich allein
war und die ganze wunderbare Music
an meinem Innern vorüberzog, aber
wie dann die ersten herrlichen Saite
erklangen, da war alles vorüber, da»
jubelte es in mir, und ich war so russ
hig, wie vielleicht ein frommer Glitt-l
via-r ist. der sich son- tu Gotte-!
dann gegeben hat«. ;
»Weißt Du, daß der Prosessor,(
als er Dich zuerst spielen hörte, ge-i
sagt hat, Du sxiest ein Lieblingsiiiw
get des herrn «
«Jiein, Lisa«.
AsBeide schwiegen lange, dann sagte
a:
«Liebsier, da oben über der Türe
der alten Pilgerherberge, Du kannst
et von hier aus nicht sehe-, ist eine
herritche Frem: Christus als Pil
ger, von Droensbeitdern gasilich ans
main-sent
»Ja, kenne das silb, Du geig
test es tar. Ich möchte Dich etwas
stagen', sagte Inne. »als-this Dis an
einen lebendigen Gott an göttliche
Same-, m in- sect-it m m
seinen Jilngeriå Bündeti Dir biß
iinnier som n t. s
Was in unseren Sehnle
stand nnd von Kanzeln gepredigt
wird nein, mein Jinre, das glaube
ich n: chi. Aber ich glaube an einen
Gott in iinj.
.Wer diesen Gott derleiignet iind
verireibt, der ist gestorben, noch ehe
sein Leben erlischt.
.Wir fühlen. was dieser Gott von
iino fordert, aiich ohne seschriebeiie
Gesetze«.
»Ich fürchte liebe Lisa, ich habe
das sriiher nicht gesithli; Dii tannst
es Die nicht vorsieileii, wie ich in den
Tag hinein lebtec
.Das war so giet siir Dich, inein
Jinrr, Du bist so gerade gewachsen« .
Lsie strich leicht iiber seine Wange.
Er nahin ihre Hand iind betrachtete
sie lange, ioie er es so gerne tat:
Binne, tösiliche Ringe hast Du«,
tagte er trauinerisch
Lisa aber sithr sinnend fort: «Dii.
sagst, Oii hättest in den Tag hinein;
gelebt, nein, das tatest Dii nicht. Dir
hattest eine große Liebe iin Herzen,’
die alleo Schlechte ebenso verbriiiiiiie,:
wie der Glaube an den Gott in uns»
es verbrennt. Du ivarst so innig mit s
der Schbnheit verbunden, iiiit der
Notat, triit der Musit Diibliebst
dieser Liebe so treu. und diis war der
Goitösiinte in Dir'«. s
«Dii hast vielleicht recht, niein
Liediing«.
«lliid dass ich si- anoächiig vor all
dein Herrlichen hier siehe«, suht Lisa
fort, Ja das ioiichsi doch aus demsel
ben Grund wie Deine große treue
»Liebe ziir Schönheit- Mit der glei
» then Andacht uiit wahrhaft tie
Ergrissenheit stand ich aus sein
Forum in Rom. Und hier in Flo-«
renz rühren mich alt die vielen. iiiii
sägiich schönen Zeichen eines naiven
Glaubens, der die Menschen ganz
durchdrang. Jch habe Ehrsiircht dor;
dein. ioae anderen heilig war und
« heilig ist«.
- »Ja, Lin-, ich verstehe Dich-, Jus-:
:res große, stadlblaue Augen verdun
kelten sich, ·Ebrsurcht müssen wir uns
bewahren und Liebe zur Schönheit
lnn weiten Sinne. Das erlöst uns!«.
s »Sieh mein Liebling«, seine Stim
line sank zu einem stockenden Flüstern
herab«, nie bin ich besser« reiner, als
»wenn ich Dich un Arme halte. Wenn
uns das erhalten bleibt —- —"
«ere, dann sind wir Kinder Got
Res!"
Der Gesang der Mönche schwoll
lzu ihnen herüber, leise Schatten leg
ten sich ans die Blumen« singen um
den Säulengang und ber "llten die
»Besten und die Grabsteine der Mön
sche in den silbrigen Gängen.
»Und hier schritt einer, der mäch
tige Mönch Savonaroln, und sein
lwoit nzar zu start siir die Men
Ischenherzench sagte Lisa -- ihre
lStimrne schwebte im scheidenden Licht
— «seine Gedanken waren so rasend,
so glühend, daß er ganz Florenz rnit
riß, aber dann nderschatzte er die
Menschen —- vieileicht auch sich seibst
— an der Grenze ihres Könnens an
gelangt, wars die Menge sich wie eine
wütende Meute ans ihn. Sie haben
ihn verbrannt, dort unten aus der
IPinzzn della Sigm-ein«
s Erzähle mir, Liso'. Jrnre riickie
snciber heran und schlang den Arm
» sesier unt sie.
! Da knurrte eine Tür und der
lsyliirsende Schritt des Dominitaners
inabtr.
s «Eb ist Zeit«, sagte er, ·ich nenß
Jnun abschließen«.
« Er tarn nns die beiden zu.
» Eier bebe ich ein kleines Bild
lsiir Sie«. sagte er zu Liset, «es ist die
Maddnna von der immerwährenden
hilse« — seine Blicke umsnßien die
»beiden Liebenden — »wir brauchen sie
-nlle, diese Mndonna«.
Einunddtetßigftes Ka
pitel.
Am Abend oot der Generalprobe
sollte zu Ehren des Kongreffeks ver
Kunftyiftariter am Arnoufer, gegen
irher dem hochgelegenen Piazzale Mi
chelangelo, ein Feuern-etc abgedrannt
werden. Der große Plah war für
die Kongreßmiiglreder nnd Geladenen
referoiert; für Professor Hofer und
dessen Gattin, ere und Lifa An
dräs, für den Dirigenten des Mai
länder Orchester-i und einige Kon
greßdefucher war ein Tifch deiegt.
Jrnre und Lifa gingen frühzeitig
den Serpentinenweg zum Piazzale
hinauf, von dort ftiegen fie weiterJ
nach San Miniato al Monte, einem·
alten Kloster, deffen töfiliche sasili-"
ta rnit eingelegier Marmorfaffade und
drei antiten Bronzetiiren aus dein
Jupitertempel wie ein Juwel im Rot
gold der Abendfvnne funkelte. Der
freie Plah nor der Kirche und die
Stufen der breiten Treppe, die se
geniiber der mittleren Kirchentiir den
ziemlich fteilen Bang hinab führt, wa
ren noch leer.
Einige Menfchen Eben auf den
niedrigere Mauern, d den Plah und
die Treppe einfaßtern
Jeder, der hierher kenn —- und die
Zahl der seincher mehrte fich f neli
— karn, tun das große Schau piel
in der Natur zu fchanene den Ub
schied der Sonne.
Rahe der Treppe saß ein Vlinder
mit einer Mundle neben ihm hock
te ein kümmerliche-, unseres Weil-.
Siehatieeinen duntensehenponeio
nein Sach· nur die Schultern seit-t
Wie-ei
sei-se vers Wde Strah
lenliitndel öder den Iro- M
Dunst der Ebene sitt den durch-·
leuchteten Schleiern schimmerte zip-s
renz wie eine schmiegt-e Königin. sindl
der breite Arno tain ans unsichtbar-·
rer Ferne-und itröinte ins Unendsl
liche.
Sieghast schwang sich der steile
Tiirni des Palagd decchid empor und
wölbten sich die ergliihenden Kup
peln del mächtigen Betrieb Kirch
tiirnie hier nnd deri, Zinnen alterl
Paläste; Gold gieisle aus, an einl
geii Stellen entziundeten sich wahre
Brändr. (
Die Menschen standen stumm und
schtiuten «
Da hob das armselige Weib dent
Kopf, stiess den Blinden an, der»
klimperte einige diinne Takte aus dekl,
Mondoline, und die Frau sang mit
einer zerdrichenen Stimme ein« bei-T
nales Stroszenlied. s
Der Blinde, die traute Stimme
uiid das Lied wirtien in dieser Feier
stunde inmitten göttlicher Schönheit
unsagbar traurig, sast grauen-vom
Lisa sah mit großen Angen. die
wie aus einer andern Weit lamen,
zu den Aermfteti hinüber. i
ere neigte sich zu ihr.
«Jch helfe ihnen«, flüsterte er und;
er schritt aus die Frau zu, sagte ei-:
nige Worte, naht-« dem Mann die
Mandotine ans der Hand und stellte;
sich vor die Treppe hin, schlant, eine»
herrliche Silhoueite gegen den leuch-;
ieiideii Himmel. »
Ein leises Greifen über die Sirt-I
teix dann sang ei eines der traurig
süßen Lieder seiner Deiniai. »
Ei zog über die horchende Stille.
wie ein Schwein üver einen Weiher. ;
Jeder neigte sich ihm zu, da war tei-»
ner der Sdniieiipilger von Sein Mi
niato der nicht empfunden hätte, wie
schön das Lied und wie schön das
Mitleid des jungen Sängen mar.
Das armselige Weib ging umher
nnd sammelte. Es flossen ihr tei
che Gaben zu.
Jnire hatte geendet.
Mit seiner Zurückhaltung und
doch froh, ein junges Lacheln um den
Mund, nahm er die hande, die sich
ihm dankend entgegensirecttem
»Noch ein Lieb, ditte noch ein
Lieo"« ries es von allen Seiten.
Man bildete einen halbtreiz um
ihn, andre saßen auf Lreppenstusen
und Mauern, und noch einmal er
griss Azidriis Jnire die Mandoline,
und dieses Mal sang er ein frohes
Liebeslird ooll Wärme und Farbe.
Ali die oerhaliene Inbrunst der les
ten Tage. die ihn dein ersehnien
ziel so nahe gebracht hatte, iteonite
oon seinen Lippen, all dai glückselige
Crinnern an Stunden. in denen er
dieses goldene Lied seiner schöner Ge
liebten gesungen hattei s
Er umschlang Lisa mit den blühen-I
den Versen ioie mit Rosentettem doch
seine Bliae suchten die Ferne.
Der Beifall war ungeheuer, jeder
drängte zu ere hin, wollte ihn sei«
hea, ioouie ihn seiner Erinnerung
einpriigen, rdie man ein Kunstwerk
innig vernichten ehe man scheiden
muß, und sent erst bemerkte sinke,
daß die Zahl der Zuhörer start ge
wachsen war.
Viele Kongreßteilnehmer, das klei
ne Abzeichen iin Knopsloch, tarnenj
aus ihn zu, sehutielten ihm die hands
und sahen freudig in seine tlarenf
jungen Augen. s
« Es idar Jinre peinlich, daß so diels
Aufhebens non den Liedern gemacht»
wurde, die er jahrelang verscherzen-s
derisch aus all seinen vielen Wunde-:
rungen dersireui hatte. · s
Er satt im Geist Balogh mit dein!
Teller herumgehen, die lange GestaltT
schräg geneigt, freundlich grinsend,?
so daß der hinausgedrehte, traftigei
Schnurrbart sast die Augen derithrtr.j
Balogh mit dem tief in die StirnI
gewachsenen, rnit billiger Pomade anss
getlebten haar und den mageren,
geidlcchen Händen. Der treue, erge
dene Rameradt
Wo mochte er sein« wo mochte seht
seine große Bastgecge brummen, wäh
rend träftige junge Mädchen in tosen
hellen Jaaen oder bunten Miedern,
das hour tunstooll aufgesteckt, oder
mit hängenden Bot-sen an den Zi
geunern oordeistrichen und die jungen
Burschen aus halbgeschlossenen Au
gen ansahen.
Nach dieser Zeit des gierigen Ler
nend, des Zusammentebens mit Men
schen so ans anderer Art, erwachte
die Sehnsucht nach Wandern, Unge
bundenheit, langen warmen Sommer
niichten, erfüllt von Spiel, Gesang
und Ansprüchen der Freude« des
Wohlseinsi
Nicht-einer der ihren wollte et sein,
nicht der Zigeuner oon eher-ein«
aber seh-I M II Allen Sinnen to
sten wollte er einmal oen Zau
n· »- W
Während o seine Gedanken tote
goögel insiogen, sagte et leere«
'sliche Worte.
Wie atrnete er aus, alt Ltsa in that
tarn und diesem tlanglosen Hin· nnd
herreden ein Ende machte
Da fand er sich wieder und htt
danttdaren derzent die reiche en
toar «
Sie schritten planbernd ans uni
IW Mom- rnd Jus-· exists st
sozi- tnmeku sit-e- ikttrek Jugen
tttt n- vte sen-He
an achten.
san-en ße sen reietoteetett Tigan
gleic- Ste schritten zwischen des
Reihen bannt. nat- ptete see same eu
ven erkannten vett ssöttiee ven. -
Mitttatp und ferne versehn- ansie
hende junge statt.
Vom Dunket uttf dem hell erleuchte
ten Plns tottttttend, waren dte bet
oett wie geblendet.
»Und-kne, Anvtni!' hörten ste vie
mächtige sStimtne des Protest-IN
»die-sehnt Wo Iteat Jyr denn Io tan
ge«
»Ach Den Protessor«,- sagte Lifæ
«ieten Ste nicht wie, es war drau
ken iv schön·'
Er schlug zärtlich attf ihre Wange:
.Jttt Duntten getchtvörntt —- to
site Leute —- Attsattg zwanztgs Und
Frettunzekte gin man htet ooenl Ra.
)itnoet, tch qave alles gehört. Da
ityt jept ntetnano gut der zerrosiy oer
Zytten nicht nnchgetchaut hätte, Att
pras
Ein feines Rot überflpg Jnttes
Gesicht
·Oh, Herr Preuss-m daran nick
tch ntqt gesucht. es tut am sitzt
lett-.
.Wat leid» Diese lett-Z« er
regte Ietnen Arm unt Jan-ei Schm
tertt, s-— «pnnen Sie auf, tnt thut-e
Ie- Abenoe tvtro noch mancher nn
ttttiern Etsch herankommen unt our
jungen Sange-. kennen zu ternen Ze
vee tvtrd erfahren, pas Ste der wet
ger stup, ver tsvetntorgen nttt sent
Metilättvet Orchester Wett, nnd Ich
wette, es tvtrv ntcht tnnge dauern,
netzt ver Beetchterjtatter von »Ja
Ida-umk, den Biettttit tn ver hat«-,
nnd tch — ntcht Ste, lieber Andra
— get-e Aaetunir. Jn, so tIt ote
Wett, nicht wayk, There-»F er tat)
tetne Frau tun Ietnen großen frohen
Augen att.
»Ja, metn guter threnz, herr Att
vrae tst geschnit, geschtatet als Ich
dachte«, tagte ne, jedes Wort mooets
ltereno.
j
Der Professor sah iie einen saugen
blia oerItanonisloi an, onnn lnchte er,
daß es orohniex
.Tt,sere"ie, Du bist eine io lluge
Frau, nver Menschenlenntnis hnit
Du nicht«, jagte er, immer noch ta
chend.
llno alles tain, wie der Professor
es gesagt hatte: unt nächsten Morgen
wuste ieoer Leier oon .La Razione«,
daß Anorag ere, ein Geiger von
phanoinennler Begabung« oer hefte
Schiller oez geieierien unv alloelievs
ten Professorlt Hosen ver Geiger, oen
Florenz oas Glun hätte. am nachsten
Tage in oetn großen Feitlonzert mit
dem weltberühmten Mailiinoer Or
chester horen zu lönnen, ooen auf
Snn Miniato aus tiefern Mitleiden
für einen armen Blinoen uno dessen
lranle Frau fictt rieier Aerniilen ge
spielt uno gelungen hätte. Dann
folgte eine begeisterte Schilderung iet
neii Geianges und ver Schönheit oes
jungen Künstler-.
Mehr bedurfte es für die io leicht
enthusiasinierten Jtaliener nicht: oer
große Konzertfaal oon Florenz ioar
ois zum letzten Pius gefüllt.
Liio saß in ver ersten Reihe nehe
pem Professor, es war sein ausdrück
licher Wunsch.
Als ver einleitende Chor verklungen
war« ichritt Anorat Jrnre oie Stu
fen zum Pooiunt empor. Sein bunt
les Gesicht war von einer erzenen Ru
he, mir oie feinen Nasenfliigel lieb
ten leicht.
Als et sich dein Puoiiiuni Humans
te, empfing ihn ein starker sum-laut
Er störte ihn
Jch habe ihnen noch nichts gegeben
dachte et
Wie Dann vie Musik dahin brauste,
versank Ievet Gedanke.
Jn sich gekehrt, unbeweglich wie ei
ne Statue, den tassigeniiops ein we
nig notgeneigi, stand et va.
Wie vie Schönheit der Töne wuchs,
ging ein inbrünstiges Leuchten über
sein hetbes Gesicht.
Andreas hob seine Geige, und was
et spielte, war Gottesdienst
Lisa dachte darun, wie sie und Jnis
te vor einem bunten Kirchensenster
gestanden und vie Schönheit ver Fut
ven und Formen veivuiioeetenz ais
vonn vie Sonne kam und das Fenster
outchleuchieie, sc wujzien sie ersi, wie
schön es mat·
Und nun siiönite sein herrliche
Spiet über sie dahin. sie hatte es Ia
gar nicht gewußt, wag iiik ein be
zwingenvet tiiinsttet er wac.
Tränen siillten ihre Augen.
Da nahm eine große, gute. hand
vie ihre und hieit sie iesi.
Mit einein mächtigen, leidenschaft
lichen Aushäiimen schloß das Orche
sie-.
Linde-cis Jinre stand schlicht und
ernst aus nein Podiuin, o wie er ge
toninien war.
Seine ruhigen Augen hatten den
verschleietten Blic eines Menschen«
Missetnensieht,iiinhense ge
schlossenen Mund lag ein seiner, ab
Untes häutig. der Beifall. An
veas Inite te sur Seite.
So innineii er o eveni
Macht te die WMIM ihnax
W Mikr- Mte et- dieses here
liche Wer und sein Dieisenii
J Dateies es: India- Jsrh Inst-s
mre ·
. Mich, aus mich wollen siet W
drang es ihn , .
se ging taki-er zur Mitte on pp
dijsi und verneigte fis-. seen-stich.
rfhig aber in that wogte eine M
tige Freude.
Zweiunddreißigstei
Kapitel.
Der besonde strich tu vie dankte
Martia-da
Liia lag aus der Seite, die hand
unter die Wange geschahen, und dr
trachtete die sunkelnden Sterne.
ere war halb aufgerichtet, den Kopf
aus den linken Arm gestiitzt, er spiette
mit Lisai blandetn Haar.
Noch turze » t, dachte Lisa, und
ich niusz allein ettn
Schwere Gedanken tnmen wie
dunkle Nachtvöget und setzten sich zu
ihren hänptem ’
Jhre Einnahmen waren in den
letzten Wochen immer geringer gewor
den. Wer mochte spät im Herbst noch
nach den Kunstschätzen von Fiorenz
wattsahren, und nelche Mutter war
vornetrilslos genug, ihre Kinder von
einer gesegneten Frau unterrichten zu
lasseni
Ach, sie alle hatten die junge Frucht
unter vern Herzen getragen, hatten
gefühlt, wie neu-um« hatten emer
schweren Stunde entgegengesehn. am
va- war nun vorüber, und ote tttni
der mußten vor dein bewahrt werden,
was die Eltern nicht heilig genug Je
yatten hatten.
Wie lange würde fte sich über
Wasser halten können? Es war nach
eme so lange Zeit bis Anfang Marz,
und Jmtr würde fern sein«
An wen sollte fte sich wenden, wenn
wirtlich einmal die Ylot tamt Lussim
va- sonnenbestrahlte Lusstn, hat«- nat
aus den blauen Wagen ver Anna.
Ja, das ift n.etne letzte Zuflucht.
aaajte Lisa, aber ehe ich diesen Weg
gehe, will ich durchhallen, solange ich
konn
Sie sah den guten Prosessor, rote
er ziiin Abschied, wenige Tage nach
dein Konzert, ihre Hand hielt
«Also Sie toniiiien noch Wien· —
wenn es Jhnen hier zu einsam wird,
nicht wahr, tleiiie drauf hatt er ge
sagt, und feinen froh schweiseiiden
Gedanken und großen naiven Augen
die niemals die tleinen Ruaiiren des
Lebens wahrnahirieii, war es völlig
entgangen, daß Lifa an ihrer Einsam
teit jetzt doppelt schwer tragen wurde.
Frau hofer. mit der Lisa niemals
wieder, seit der Uiiteriedung iin
Boholigarten, eine verirauliche unt-i
haltung gefuhri, halte ihr sede Aut
toori adgetchiiitteti mit den Watte-n
»Nein, Wien ioiire doch setzt tetii
Aufenthaltsort für Frau Ytndiao
Ei ist ganz richtig, Liedste," him- sie
gesagt, sich on Liia wendend, »in-g
Sie hier bleiben wollen. »Die seit
wird Jhneii bei all den Stunden, ute
Sie erteilen, gar nicht so lang meiden,
und schließlich, heute streut-en Sie
sich ja noch ein wenig, schlieszt.aj
werden Sie ja doch zu den gis-«
gehen.«
Lisa hatte es nicht für der Muts
wert gehalten, daraus zu eint-withi.
sie halte zu Jinre hinuber gesehen, oet
nichts oon der Unterhaltung geh-ou
hatte itiid aus einein groszen cisit
ooii Roten alles heraus-suchte, was im
Professor ihni aneinpsohlen hatt-, «
rütt utiehalten.
ein, auch Wien gehen und ori
sucheii, oh die Güte des Presche-S
ein unverstegbarer Quell ieit stach
Wien gehen lind wissen, daß die Stau,
die Jiiire begleitete, ihn täglich mit
Radelstichen peinigen würde, nim
inerinehrt dachte Lisa, während sie
ins— Duntle hinaus schau-.
Die oreiounoeri urs, oie oie eiiioi
nach dein Konzert an Jst-re geschickt
hatte, waren ihr ganzes Vermögen,
und damit mußte noch Jnireg Reise
nach Berlin bestritten werden, denn
vie inomittiche Julage des Professore,
die eine Wietier Bank überwiesen
hatte, ivar nicht erhotst worden trog
Der oerinehrten Ausgaben.
Lisci fühlte darin Frau Thereseö
hund.
Sie seufzte leise, wendete ihr Ge
sicht Jiiiie zu und sagte:
»Es ist nicht teicht, niein Liebstet."
»Lisa, ich dachte ono gleiche; Ich
ioeisz gar nicht, wie :ch ohne Dich
telien solt,'« sagte Jniee.
Er dachte mehr an das Eine, an
den Abschied, die Trennung, als an
die tausend Miseren. die Lisa setzt
schon toinnien sah.
«Mein Jnire,« sagte sie nur unr
schntiegte sich an i n.
»Ist es denn wirklich wahr, Lisa,«
sagte er, »daß Du unser Kindchen
erst im April erwartestc« Er tußte
ihre Stirn. ·
«Ja, Jtnre, verlaß Dich daraus,
Du fragst niich mitner wieder," sagte
sie beunrtihig
Mit dieser Lit ge hatte sie ils m leich
tere Gedanken in auf vie Reise geben
wollen«
«Ach, ich möchte bei Dir bleiben,«
sagte er, sie liebkosend, «oft packt inich
eine furchtbare Angsit ich könnte sie
Lpiit toniinen, Du ni sitest ganz allein
urch all das Schwere geben«
Entsetzung folgt.)
W
s- Mildernd. lere junge
Frau kocht also miserabelt
Jan-kein ich hat-· arm rein-z
Ort-nd dar her zu klagen — sie recht
näml nur dann se lb,st wenn unt
ihre tser besucht. . .t