Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 23, 1916, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-hinkt de
Skaaks —J«X.nzeiger und Ilserolä
Jst Las-roth tin bemessen-n
Das.
Oestlicher Kriegsschaiiplae.
icn August
as Dorf, in dein wir Kriegshe
richtershttg T nartiertlageir.
war Fcht onderlich groß
und mit Truppen über-füllt- Alle die
niedrigen Holzhiitten hatten sich in
Kasernen verwandelt, in denen die ei
gentlichen Bewohner sich aus einen
einzigen Raum hatten beschränken
müssen. Dazu kam noch, daß gerade
an dem Tage, an dein wir entrückter
ein Brand mehrere Häuser einander
te. So herrschte entschieden Raum
mangel.
Der Stab«3arzt, der niir die Kugel
aus meinem Oberschentel heranshel
te, nruixte ein-fielen, nnd ein junaer
Oberarzt übernahm die weitere Ve
hciiidliiim. Als er den Verband er
neuerte, saate er. die Sache sähe seu
aut ans-, in vierzehn Tagen wiirde ich
wieder marschiiiliin sein« Das- stimmte
mich etwas nachdenklich Der erste
Arzt ans dein Verbandulatz hatte rie«
sagt, esJ seien drei lsiszs Vier Taae Nulkei
nötig: der Stadt-samt hatte die Meer-«
srist auf acht Taae erhöht, dies-sei
sprach gar von t-t Taaeii Ich staats-«
ob e: unter diesen Umständen nichtj
richtiger sei, wenn ith nach Hause!
reiste. l
Der Liierarzt meinte, das hielte es
auch siir dass Verniinitiaste Si. Hi
könnte inan sich doch nicht recht vslesi
sen Er würde dasiir sorgen, daß ichi
noch heute abtran Itiortiert würd-.
ach warme nnd wartete aber an die i
sein Tage wurde ans dein Ahholen
nichts da der nraiilenzua infolge des
hestiaen Gesechte bereit-s mit Ves
wundeten aanz besetzt war
Statt dessen erhielt ich zahlreich-n
Besuch denn mein leerwerdench
Zimmer fand Viele Liebhaber Der
ersie, der kann war der Zetretär der
»eldpost. Er klagte mir seine Not
Man hatte ihm ein vassendes Qnar
tier anaewiesen, doch war das Gans
nnaliicklicherweise abae1-raiiiit. DE e
Räume, die man ihm daraus verspro
chen, waren, ehe er noch einziehen
konnte, von anderen bete-at worden
Nun war er aliicklich, dieses ,innn«r
aesunden zu haben, nnd wallte sich
seiner aleich veraetvissern Er aina
nur irrt inn sich ein Ztiirl Kreide in
holen. Liienbar war er kein Mense
der die Gelegenheit lseini Erlnmf Z«
fassen tin-sitt denn als- er Stirn-stan
baiie schau junaud ander-I seinen Elia
nien ans die Tiir aisiii.,1lt nnd s.r
nniskte geknickt wieder abzielten
Am nächsten Morgen las ich in
Goethes Gidichteth als ein langgezos
gener Piiif ertönte, dein ein getoalti
ges Getöfk folgte. Ich glaubte an
eine Fliegetbotnbe nnd machte tnir
weiter keine Gedanken Gleich damit
aber wiederholte lich der unheimliche«
Pfiff nnd ebenso der lrachende Ein
fturz So ging ests in kurzen Abstän
den noch mehrere Male Als- ich niielt
dann in meinem Vett nmdrelne, fas)
ich über die breite Toriitmfze ben
lende Weiber nnd Kinder rennen nnd
galopviermde Pferde großen Staub
otifwirbeln. Aiigenfcheiiilich wurde
das Dorf von den anten liefchofieic
Nach den Einfchliigen zn urteilen
mußten es Granaten von recht an-;
ftiindigem tioliber fein. Bereitfein if« «
alles, dachte ich, hunipelte ans des-;
Bett nnd zog mich an. Mein Bein tatl
mir kein bißchen web: in diefent Lin-f
i
i
genblirk hätte ich Vallett tanzen tön
nen.
Indessen nun, enge-kündigt jedes
mal von dem widerlichen, höhnisch-in
Pfiiit, die Donnerfchliige fich wieder
holten, kroch ich ins Bett zurück unid
versuchte-, in meiner Lettiire fortz
fahren. Alter ich kann versichert-, daf;
gegen einschlagende Gen-taten Goe
thefche Gedichte nur ein iniifiigerTrokt
find. Ich hatte gerade das lebte W
dicht aus dem Sonettentranz 3n lefesc
begonnen:
Zwei Worte find es, kurz, benieni 3n
innen,
Die wir fo fort tnit holder Freude
nennen . . · .
nun also, Lxcrtcn die nmn oft nennt,
müssen doch qeliiniiqe Worte seit-.
Aber glaubt ihr, ich lnitte dcmui kons
nien können? Statt dessen drängte-n
sich die Ausdrücke, wie eiender Miit
verwünschte Schweinen-L mir auf die
Lippen.
Nach einer Weile kenn mein Wurf-in
bereiik Er machte niit feinen sonst
ziemlich steifen Händen ganz nnwalys -
icheinlich geschickte Verrentnnmsn nnd
sagte in seinem traniqen Tintektt
»Nun befchießcn die Rnsien anch nokiz
unter schönes Quartier. Was- das
bloß wieder heißen soll's-·
»Komm-n denn die Grnnaten nti
hers«
»Na ja. Viel näher dürften sie
nicht mal tommcn.«
»Wie steht es denn mit dem Av
Mvippkt7«
»Daraus würde wohl heute«nirl:t-:.
werden, hat der HerrOberarzt gesa«:«.
.Die Ante-S am Vahnhof sind natiirs
’ lich gleich ausgerissen.«
Jch erfuhr nun, daß die Riissen »L
haniitsächlich ans den Raum um den
Bahuhof abgesehen hatten. Uiii halb
neun war ein feindlicher Flieget er
schienen, hatte dort Verwundetenzelte
nnd allerhand andere ihn interessie
rende Gegenstände beobachtet und
war trotz sehr geschickter Beschiesziiug
von unserer Seite unversehrt zurück
gekehrt. Nun hatte der Oberarzt in
glkicklicher Vorsicht die Zelte sofort
räumen lassen. So richtete das Artu
leriefcuer cui-J schweren Schiffsge
schiitzen, das- iironipt eine halbe Stuii
de später einsetzte, nur geringen Ma
terialschadeu an, obwohl eine Gra
iiate mitten in einem Zelt einschlan
Aber nachdem die Russen den Vahns
hof anegiebig belegt hatten, schienen
sie es seht aus dac- Derf selbst abgi-«
sehen zu haben. Mit ermüdender Ne-·
aelinäßigkeit kamen die liiigetiiu.r
augeflogeii. Man hatte dass Gefühl
daß irgendwo iibek einem eine unsicht
bare Guillotiue aufgeschlagen sei, an
der das Fallbeil mit lauggezogeueni
Pfeifen herabsauste. Aus wen mochte
eI jetzt iiiederlracheii?
Jch machte den Goethe-Band wie
der ans nnd lad:
Ec- schliig mein Herz, geschwind zsi
Pserdel
Na sa, dar- liesz fich nicht leugnen,
mein Herz hatte ein ganz liiibschxss
Tempo angeschlagen Und ein Pferd
hätte ich auch gern gehabt. Auf der
elendesten Schindmähre wäre ich ver
gniigt sortgeritten. Aber die Besei
deriingeniitteh die sich hinter inir auf
der Straße bewegten, Pause-wagen
nnd Amor-. waren alle mit Weibern
siindern nnd Verwinideten hoch bela
den. »
Jn diesem Augenblick steckte» ein
inniier Leiitiiant sein hübsche-»- frische-I
Gesicht durch das offeue Feniter und
rief iiiir sit-: «Moin! Ra, wac- sagen
Sie zu dem SchlaniasseR Jst doch
nett, dass die Niissen niit der Schiene
rei nicht morgens um fiiiif angefan
gen haben. Zu konnte man sich-we
nigstens ausschlafen Uebrigen-«- finde
ich die janze llfsrejniig totaliter «blod
sinnig. Die tierlö schießen tu biel zi
tiir3. Tie Dinger krepieren saalle
500 Fuss vorm Dorf. Das ist offen
bar ihr iiieitefter Riidiiie. iDaI wa:
iiiitiirlich ailegen Aber ich fand es—
liiibfch nnd tröstlich gelogeii.t Wie
sollen nun abbaurii iiud unsern Laden
iiieiter hinten aufmachen. Na, mei
netwegen! kliur iiiirdsz heute nuilil
man aussehen«
iirachk ging est- iu diesem Augen
blick.
»Na ja, iia ia," sagte der Ueiitnant
nnd dreht-;- sich nleikhniiitia uni. »Wir
wissen schon: Hunde-, die hellen, bei
sien nicht Ein Getöse machen die
Dingen geradezu volizeiividiig.«
Eine ganze Weile plaiiderte ei- noch
niit mir, nnd seine Art, wie er, niit
vergnüalicher Beliaqliciiieit, halb ans
dein Fensterrand iilzeiid, seine Zinn
rette positiv ohne sich iin noriinisten
durch die Eiiischliiiie stören zii lassen,
lrereitete mir ein außerordentliche-I
Bei-amtan »
Nachdem die Eiliiesierei iinqeiahr
zwei Stunden qedanert hatte, fein der
Oberamt nnd sagte, ei- liiitte seine-Ver
nnindeten glücklich unversehrt ab
tmnsspoktiert nnd den Befehl bekom
nien, sellist abzufahren Wenn icki
nichts dagegen einzuwenden hätt-P,
wiirde er mich mitnehmen
Jch wiisite wirklich nicht, was ich
hätte einwenden sollen.
» Nach etwa zwanzig-« Illiiiinten hattest
wir das nächste Dorf erreicht, wo non
dein Lärm kaum noch etwas zu hör-In
wen-. Als- tviis hier hielten, kan der
ahdachlofe Postsefretiie auf uns zu
und fragte, oh wir wohl glaubt-»in
dafi er heute ein Quartier fände. Un
iiilliii standen eiuizie Liiiziere in nu
Ii rer Nin-e, die alle in ein meins-i Ge
lächter ausmachen Man versicherte
thu. ei« niiiide die schönsten Liiartiere
; iindeii, so viel ei« nur wolle.
Da aerade ein Simntenanta des
Wein-I tain, so wurde ich dort hinein·
verladen nnd fuhr in dass zu einein
iteiegslaxarett einaericlitete Gyninai
sinni. Man wies inir ein Jinnner an,
in dein schon siinf verwniidete Offi
atere laaeii.
Unsere beraebmcliien Ulkiinnnqen
werden flets- dnrch die Erfahrung tor
i«iqiert. Einen Verwundetensnnl linite
ich mir nicht qemde ali- den anne
xicknnften Anientlmltsoi«-t«qedacl)t: wo,
wenn nicht Höhnenden so doch still
Leidende liegen nnd der Gesnnde nn
willkiirlich die Stimme dämpft und
uni Fuss-zehen innlieraeht
Aber selten lmbe ich mich m lusti
nerek nnd aiment-innerer Gesellschaft
befunden til-J mit dieer fünf IMM
ren· Und doch waren ihre Verletzun
gen wahrhaftig nicht gering! Ein ein
ziger hatte nnr einen Schuh aber
dieser hatte ihm gleich den Knöchel
zerschmettert Die anderen dagegen
waren sämtlich von drei und mehr
Schiissen verwundet worden·
Und was hatten sie nicht noch alles
ausstehen müssen! Der eine hatte, un
fähig sich zn bewegen, noch zwölf
Stunden im schwersten Gratiatieuer
liegen müssen, bis er endlich in der
Nacht aufgefunden wurde. Einem an
deren war der Flrankenträaen der ihn
hatte verbinden wollen, iiber’m Lil
irschosseu worden nnd er hatte zusehen
müssen, wie das Vlnt des Sterbenden
sich mit seinem vermischte Wochen
hindurch hatten sie die ärgste-i Stra
pazen zu ertragen gehabt, hatten
taggiiber gekiimpft und die Nächte in
elenden, hastig ausgeworfenen Schüt
zenliiehern verbracht, wohin ihnen
tagelang nirht einmal warme-J Essen
getragen werden konnt-:
Aber nachdem sie tagau-:4, tagein in
der auszersten »Wenn-tunspannung ge
lebt, jede Sorge um ihr eigenes Wohl
Isnd jede-I weicht-re Mesiihl hatten un
terdrücken niiissen und ganz aufge
aangen waren in dem leidenschaftli
chen Drang, zu kiitnpfen nnd in siege
— lösten sich inm, wo sie dein lilntis
neu Tumult de Schlacht entriickt its-i
ren, alle nieder-genvungenen Empfin—
dringen und strömten zusammen in
der einen Sehnsucht nach der Heimat,
der sie bald einen kindhast kühn-irden
bald ungednldigen Ausdruck gaben:
Ach, lieber Lazarettzug du,
Fiihre tin-J der Heimat zu!
»Alle Wetter, wann kommt denn
dieser verflixte Lazarettzng endlich-«
Das war ihr ewiges Fragen an
Arzt nnd Winter Zugleich aber er
siillte das Bewußtsein, noch einmal
mit blauem Anae davonaekonnnen zu
»sein, sie mit töstlicher Lebensfreude
s nnd liesz sie ihre Schmerzen vergessen
Ja, alles Dahinterliegende war vor
diesem neuen Tag erloschen und ge
spenfterte nur noch nachts durch ihre«
. ansgeregten Träume. "Eiiizig der Ge
zdaute an die nächste Zukunft beschäf
j tigte sie. Der eine las immer wieder
! einen Brief ——— von der Liebsten wohl,
) den mitsamt der Ledertasche eine Ku
gel durchbohrt hatte. Im stillen
i mochte er überzeugt sein, daß dieser
sdickc Brief die mxget gehindert hatte .
Htiefer zu dringen. Andere schrieben
unzählige Posttarten nach Hause, obs s
wohl sie sich sagen musxtem dass sie
selbst früher anlangen wurden alsJ
diese kliiuhrichten
Jch hatte mich nach ihren Wunden
erkundigt, und der eine erzählte mir,
it luitte u. a. einen Zehns; durch einen
gewissen siiiriierteil bekonuneu, weis
wegen eine alltiigliihe Funktion ihm i
einige Echwierigteiten nmct1e, sich s
jskurste das nicht ulnslnelnnen Eis s
sginge bei ihnen iilserhanlst recht
I menschlich zu Alle lachten. Ja, recht
menschlich ginge eiJ zu. Genieren
Idiirse man sich nicht. Bald darauf
F brachte der Oberstabsarzt eine Zeis
: lungz die er zirkulieren zu lassen hat.
Das wurde so gemacht, dass man aus«
ihr einen Pfeil lnissie nnd diesen znsn
Nachbarn schlenderte Gewöhnlich
»aber slog er dastehen Tann musxte
» Jemand ans dem Bett und ihn
sviedei suchen. Zwei konnten noch
einigermaßen hinnueln Der Wun
iden wegen hatte man ihre dun
den sei-schneiden müssen, und sie hin
gen nun als-«- sellsam lächerliche Fetzen
» um ihre Lenden. ;
! Den lomisehsten Anblick bot ein jun· l
s ger Lentnant uou ausser-gewöhnlicher l
tlllagerseih mit gesiheidteni bewegli- l
then Gesicht, der seiner Brille halber i
Professor genannt wurde. l
Die Wartnng wurde durch einen !
Psleger und eine gutmiitiae Kranken
schwester besorgt. Nachmittags aber
tauchte plötzlich eine Situation-is
schwester von ungewöhnlicher Schon
heit- aus« Da war es lustig zu sehen,
wie alle die Miinder spitzten und gro
ße Augen machten. Du mein Oinnneh
ja, seit Monaten hatten sie höchstens
die schrecklichen Panjeweiber in plum
pen Schaststieseln und groben Rücken
zu sehen belonnnen Reizoolle Weib
lichleit war ihnen zu einer nebelhasten
Vorstellung geworden, so das-, sie jetzt
darauf, wie aus ein Wunder, ihre
Blicke richteten. Die Schwester schien
nichts davon zu bemerken, sondern
fragte, ob jemand Beschwerden oder
einen Wunsch hätte.
,,«.’lch, siijiveiier,« ji«-me diimni nn
ier lnstiner Professur in kliinlicheni
Ton, »mir ist nun-; entseniiih schlecht.«
»Woinit kann ich Ihnen denn hel
fen?«
»Das einzine, wass- niir helfen
könnte, wäre ein diese-J Zchinieni
brot.« ·
Da war nnn anker Nat teuer. Denn
aneh hier reaneten die Zehinkenbröte
nicht vorn Himmel.
»Wenn es dass nicht gibt, Schine
sier, so würde schließiich nnch ein
Schimps aeniigen.«
Der ließ sich schon eher beschaffen,
freilich von Lazarett wegen aab es
keinen. Aber die Aerzte hatten eine
angebracht-ne Flasche in ihrem Privat
beiitz, die sie ihnen zu entlocken ver
sorach Und wirklich kam sie nach eini
ger Zeit wieder, um jedem einen gu
ten Horn einzuscheuken
Der Ehesarzt unserer Station war
ein korpulenter Stahstiarzt der Re
serve. Jn seinem Zioilberus mochte er
Dozent an einer Universität sein
denn seine kurzen Unterhaltungen lie
sen meist in einen kleinen lehrreichen
Vortrag aus. Freilich hatte er siir je
den nur wenige Zeit übrig. Was die
xllerzte in diesen Tagen an Arbeit lei
steten, läszt sich nur mit dem verglei
chen, was dis Soldaten selbst in den
Tagen der Kämpfe vollbracht hatten.
Unser Zimmer laa zufällig neben
dem Lucrationgsaal Viiz nach Mit
ternacht hörte ich non dort das Ge
murmel der in Nartose Liegeiden
Und um halb vier morgen-:- erschien
der Stabsarzt schon wieder, um die,
welche am Vormittag verbunden wer
den sollten, ausninotieren
Endlich hiess es, der mit groszer Un
geduld erwartete nnd schon mehrere
Male irrtümlich angekiiudigte Laza
rettsan sei nun wirklich da. Es
herrschte eine Ausreaung wie vor der
Weihnachtgsbesilnsrums. Burschen nnd
Pileger rannten, um die zur Entmu
sung sortgegebenen stleidungsstiieke
wiederznholen Die »Lierwundeten, die
sich eben noch kaum mit eigener straft
hatten halten können, schliipften nun
selbständig in ihre Veinkleideix Als
die sitaukentriiger erschienen,kam noch
einmal der Stabsarn herein und sag
te: wenn jemand eine Klage hätte-,
möchte er sie doch noch vorbringen
Aber zu beklagen hatte sich wirklich
niemand. Wenn auch alle froh waren,
in die Heimat zu kouuueu —-—- was sie
hier an tiitiger Teilnahme von Vierz
teu, Pslegern nnd Schwestern ersah
ren hatten, konnte sie nur mit Dank
barkeit erfüllen.
Wilhelm Oegeler.
—
Unmöuiens »Mutter Euro
paer« nnd Propbet-c
Der begeistertste Anhänger der
Entente, der Oerold desJ Idea
liizsnuts und all jener Tugen
den, die Russland, die lateinischen
Schwestern Frankreich und Italien
und dass edle England aus ihre rau
scheudeu Banner gesrlsrielusu haben,
ist Herr Tale Jonerseie Man begeg
net heute seinem Namen in allen Zei
tungen, und so ist ed nur natürlich,
dass man sich einmal die Frage vor
legt1 wer ist eigentlich dieser Herr
Jonessscu I
Tale Jenes-en nt der Sonn des
Glsitza Janu, eines tleinen Maus
ttiatiits5, nnd es ist gewis; nur ein Be
weiiJ seiner keineswegs geringen Fä
bigteiteu, das; ei- iiits bis zu den Hö
l)en eine-J TlIcinister-:» eines- Parteifiilss
rerss tdetuatratistli s konservativ) em
porraug, das; Kaiser nnd Könige nnd
Präsidenten seine Freunde wurden,
daß er heute niit deni Zareu aus dem
Duzsuszestelit nnd ilnu die franzö
sische Presse dass :-lttribut des »gro«
sieu Eiiropiierszs« tierliels Der Typus
des Vtiittiivatits, mit eiuetu Teiut,
der an rosige Ieise erinnert, iuit ra
schen, lebendigen, listigen Adtiokateni
augen, ist er sielser ein liebendwiirdti
ger Kamerad, solange utan seine Au
sichten teilt, das beißt, sicli iluieu un
terwirst, unt iui Augenblick ein sann
tisclier Gegner zu werden, da iuau
anderer Meinung ist. Tale Janesksru
ist Advokat, er ist Palititer — je grö
szer der politische Eiiisltisz, desto grö
ßer die Klieutel —, er ist Staats
inann ,er ist Janrualish er ist Thea
tereaisseur Er ist politischer Visias
uiir (er selbst nannte sirls sat, er ist
politischer Propbet Ess- gibt kaum
ein tmlitisitseszs Ereigniss, dasj- Tote
Jouesxsru uiitit tsarausIgeselnsu hätte.
Er bringt dasiir Beweise und Zeu
gen, und e-: ist sein persönliches Pech,
das-, diese zseugen ineisteusri schau tot
sind. Er ist russistlser al-; die Russeth
französischer als- die Franzosen, ita
lieniselier als Sie Italiener, er ist der
röuiiscliste aller tiauiiiueu, alsue aber,
wenn inein Blick tuicli uiclst tausend
Nutuiiue tmu reizteni Gebliit zu sein.
Er ist, dieifs ganz nebenbei, der in
ristische Vertreter einiger Euteutes
niiiitste, eine sinnt-lich uiclst lnnnsig
bezahlte Ztellana in diesen Reiten
»Die rnniiinisilissn Jleitnnaen machen
ilnn zuweilen «!—’arwiirie in dieser
iOinsichL allein das scheint inir klein
lich nnd Verrat eine alierilinliliche
Kenntniss der menschlichen Natur.
Man kann viel nnaelnsnnnter seine
Ideale eraliilien lassen, wenn nian
frei ist von materiellen Sorgen. Er
ist auch Llitifiansrimt vieler Gesell
schaften nnd einiaer sogar, die ans
schlieleich niit dentschein nnd österrei
chiscliein Fiaisital arbeiten.
Take seines-en teilt das Unnliick
aller grossen klitiinnety in der Heimat
nicht genügend aemiirdigt zu werden.
Sein jetziges Bundesgenosse-, Herr
Filipesru, nannte den »großen Euro
päer« in einer Rede in Jofo einmal
in der Hitze des politischen Kampfes:
Dies r Sannnlil mit den Airs eines
Cäsar. Man vergesse nicht, dasz es
in der Hitze des politischen Kamper
geschah Die Zeitungen apostroptsie
ren ian zuweilen nnliöslich: »Der ver
wünschte Sonn des Gliitza Joan« —
»der alte Gauner« —, aber man
vergesse nicht, das; es in der Hitze des
politischen Kamper geschieht Ein
Senator sagte einmal zu mit-: »Tate
Jonesen ist nicht 1nnnoraliscli, son
dern ainoralisch.« — Ein Politiker:
»an Zeit, da Take Juni-sen Mini
ster war —- das war ein Ministerium
wo man alles gestohlen bat, alles —
ansgenainmen die Möbel des Pa
lais!«
Aber Herr Take Janesöcn schüttelt
sich: er meis; sein« wolil. das-, er mitten
im politischen Artillerieiener steht
und seine Gegner ebenfalls nicht zart
behandelt
Take Jene-Inn wegen seiner Red
neraalie ankl) Goldiniinlclven genannt,
wirft seine ganze Ilitietorif dec« Atmo
katen. seinen aanzcn seelische-n Rausch
des Lilciiclilinass in Die Waasilsale,
wenn ec«,1ilt, seine politischen hdenno
siilze zu vertreten In feiner Parla
nientizrede am »i. nnd tT. Dezember
UND einem Meisterstück der dlilietas
rik in der Entstellnna non Tatsachen,
wusch er die Rassen idnieewmn, mehre
die Deutschen nnd Oefterreich - lin
garn in höllischen Farben, er vergif
tete deren Anhänger mit seinem
Spott. Er heransihte sich an seinen
eigenen Worten, nnd alsJ er von dem
durch Siebenbiirgen hergriiszerten
Nnmcinien sprach, brach et in die
Watte ans: »Ich sehe die Pforten
des Paradiese-J sich öffnen, nnd eine
abergliinbische Furcht gebietet mir
die Augen zu schlieszenz ess- ist Zu
schönl« ·
Take Jonescn, friiher ein Freund
. Deutschlands, das er heute beschimpft,
predigt seit zwei Jahren den Krieg
san der Seite Niiszlands gegen Oesters
steich - Ungarn Gehen die Riissen
ivor, so will er sich ihnen anschließen,
gehen die Russen zurück, so will er sich
ihnen erst recht anschlieszen Tag siir
sTach mit der Ziihigleit eines— Besesse
inem wiederholt er sein Feldgeschrei:
UDie Stunde schliigtl« Lö er sein
Land inss Elend s:iirzt nnd hundert
tausend Vanern schlachtet, dass ist
seine Franc nicht. Er will den Krieg
gegen Lesterreirh unis- tiinsend Grün
den, ansz iiiriinden der nationalen
Ehre, der Pelitif, der Gegenennnirt
nnd I;iit·nnit. Tale Janestkcn lieht
e—:, wenn andere siii: ihre Ideale hin
ten. Am Jahr-Ema desss Eintritts
Italien-I in den strick-J feiert er in
einein Jliifsahe in seiner Zeitung La
klionmaine die ,.naiian saenr«, die
»einin ani- lsiriinden der morali
schen Weltord1nnm« in den Krieg ge
zogen sei nnd liriiiit in die Worte ans:
»Gewiß, in diesem Vlnqenhlick he
znhlt Italien. link so liesserl Ohne
Opfer kann ein Land iicht arosx
werden. Italien ist glücklich seine
Einheit sehr tener zn lie.zalileii.«
Verluste schrecken ihn nicht. »Ja-ank
reich hat hei Verdnn qelitten,«
schreibt er in einein anderen Artikel,
»e-:— wird noch in anderen Schluchten
leiden. Tags ist seine erhabene Mis
sion in diesem Dein-it ins-I Eil Jahr
hunderts-»F Junikierhin weis-. er Wi
selien Taten nnd Toten einen Unter
»schied zn ixnniiens »Ja-ts, mass Frank
ireiiii ans den Ecllarikaislderii liis;t,
Jrepriiseniiert andere zieisiizie nnd inv
Hsalische Werte. einen anderen mensch
ilichen Zihah ais die armen tireatns
i
ren, die hinaesiislniitet worden sind,
lnin die nnharinhin-knien Befehle des
lKrdnVrinzexi aiiinisiilireii.«
Mit liersniidieu Worten die Augen
Vor Entzücken geschlossen wird Tnke
Jenes-en die rinniiniiclien Vnnern ges
gen die link-unten neben lassen, in
Sieg nnd Tod. Er erklärte aller
dings nie, dnsk ei· an ilner Ziside ein
lierzielieu inne-Nin nni sein Herz der
ieindlidseuAmsel dnrxnbieten -ul-,
nie, diHu ist zu nernchtig nnd er
folgt dnrin uni- dein Beispiel seiner
serbisclien, italienischen nnd frninini·
selien Kentleien — aber er ersljiris
sehn-lich das; er, full-J ei· ein Tut-end
Ziilnie lniite, sie dein Vaterlande ist«-«
fern lniirde«. Fall-J, nber ei- lint l"·.i
neu einzigen. Er wurde ohne slmeis
iel bis- znin letzten kliinun läg-unen
um dann seine restlichen Lein-listige :
in Paris- niit derAbiniinng der »Ern
pee wnnmine« zu verbringen
Indessen, Take Jenes-m wieder-liest
bente nnd morgen nnd übermorgen in
lauten Tönen sein ewige-J: »TieZtun
de bat geschlagen« Will esJ niemand
mehr hören, so liidt er sich seine klu
liörer ein! Jeder Anlas; ist ilnn will
lonnnen, nnd hat er keinen Ninos-» sJ
konstruiert er ihn, denn er ist ein Mei—
ster der Regie. Bysmnmdsngeiu
Bankette, Uinziige Einmal passierte
ihm das Mißgeschick, seine Znhöiser
nicht zu entlohnen, und sie zogen vor
die Reduktion einer gegnerischen Zei
tung und beschwerten sich. Dem ge
wandten Regisseur war eineKatze über
die Bühne gelaufen!
»N’iniporte«, Herr Take Jenes-en
spricht und läßt die Volksseele kochen
so oft er es für opportnn hält. Die
Demonstranten wälzen sich durch die
Calen Victorici, ein halbes Hundert
Anhänger, freiwillige nnd engagier
te, ein paar Hundert Neugierige Sie
ziehen vor dasKlublokaL Tale Jenes
cn erscheint aus dem Balken, spricht
begeistert, reißt hin —- die Anhänger
schreien Hut-ca und schwingen die Hü
te, die Neugierigen lachen. Jch habe
einige dieser Utnziige selbst miterlebt
nnd konnte mich mit eigenen Augen
überzeugen, daß es Schwindel war.
Jedenfalls war dieAnhänaerschaft des
Herrn Jonescn in diesem Jahre stark
zurückgegangen Indessen, die Zei
tungen der Talisien bringen, wie itns
mer, langeSpalten, die Telegmnnne
fliegen begeistert Volkeknenaein are
s1e Demonstmtionen -- nnd die Adve
iaten in Peterkjsbnrky Nem, Paris nnd
London reiben sich die Hände: Tale
Jene-sen arbeitet.
Jn den letneiillllliiiaten fühlte Lake
Ihm-sen, daß die Bretter unter seinen
Fiisien wankten Sein moralischer
K redit hatte zu arg gelitten Er wähl
tcs zu grelles Lanipenlickst, so das3 seine
Fsiige zu deutlich sichtbar wurden.
Trotz aller Anstrengungen sah er sei
nen Einfluß schwinden Er sah sich
nach einem Bundesgenossen um, der
ihm Halt verleihen sollte und konnte-,
und er wählte Herrn N. Filiueseu
Die Wahrheit zu sagen-, Tale
Innescn hätte für sein kriegerisches
Programm niemalss eine tsiefnlgschaft
gesunden, wenn nicht Filum-Sinn Füh
rer einer konservativen Gruppe-. seine
Politik schon seit den ersten Kriegs
monaten im Prinzip wenigstens nn
terstiitzt hätte. Denn Filum-Zeu, dor
deni ein aufrichtiger Freund der Mit
telinächte, war nach dei- Schlacht an
der Marue in das seindliche Lager
tibergegaugeiu ohne sieh indessen der
Partei Tale Jonescu anzuschließen
Der Name Filiuesrus hatte einen gu
ten Klang: reicher Vojaiy ohneMakel,
tin Mann von Ehre und Anstand, ge
noß er einen grossen moralischen Kre
dit iui Volke. Erst sein Abfall von
den einstigen Verdiindeten machte die
Propaganda des »grof3enEuropäers«
überhaupt möglich
Heute ist Filum-Heu ein leidendec
Mann, alternd, krank, und sein Geist.
den ihm seine Freunde zuschreiben, ist
nicht mehr von der sriihereu Frische
L’El·liiir charakterisiert den alterndeu
Filihecscu folgenderuiasnnit »Trotz
alledem lieben wir Filipesrseih denn er
hatte zuweilen echt rnmiinische Gesten
All-z er ist-Ei die Fenster dest» leeverul
·2ei·srhlug und deuVerkaus dieseszs Blat
tesz tun-hinderte, als- er in Jassn die
Eilhouette dieses ,.Zehloiin anr airs
de Lsesar« hinwarf. Aber heute, wenn
er sich in eine Reihe stellt niit einem
Ferma, Honignnnuu Fagur oder Ru
ltiu, das-J heith Zeitungsschreilusrn, die
ihr Gewissen denFsreindeu verkauften,
kennen wir ihn nicht mehr . . . . Diese
flauunende Energie, die niemals- we
der die Wohltaten der Erziehung ge
kannt hat noch die grosse-n Denker der
Vergangenheit, ist heute ein schlagen
deis Beispiel, dass beweist, das; dass
Licenni immerhin eine gute Vorberei
tung siir das Leben ist«
Mit diesem klllauu wollte sich Tal-:
Jenes-en verbiiuden, um seinem er
lilassendeu Stern neuen Glanz zu ver
leihen. Er versucer die Vereinigung
der beiden konservativen Gruppen zu
erreichen Und esJ gelang ihm. Er
bediente sich des Sohnes Filiheseiis,
der großen Einfluß ans seinen altern
denVater ausiibtt Grigorasch Filipess
en, uut dem Demanten Prince de Lin
dan, den man ihm ini Hinblick ans ei-!
kleines Abenteuer aus der Grenzsta·
tion Lindau verlieh. Kurz, die Fu
sion kam zustande, znni Schmerze der
wahren Patrioten. Tale Jonescu
lief; abermal-J seine Hauskapelle aus
inarschieren. Vantette, Zeitung-Sinn
saren, Reden, llinziigel Allein Tale
JoneLsku wurde seines Siege-:- nicht
recht froh.
Filipedcn blieb den Vanketten fern,
indem er sein Leiden vorfclsiilzte, Fi
liuessen erschien nie. Der Traum Take
Zinswesens-, das-, er Hand in Hand mit
Filineiscu aus den Vulkan des; Muh
lnfals iu der Eulen Vittariri treten
llinnte unter dem »Jubel der begei
sterten Vollenienge«, dieser Traum
erfüllte sich nicht. Filipecscn —- weiß
wohl Grenzen zu ziehen.
Auch die Fusian konnte es- nicht ver
hindern, dass der Stern des »Hu-aszet
Enropae1-s«:s« immer bedenklicher ver
l«las;te.
Dies- ist —- in flüchtigen llnirissen
— Herr Tale Juno-Sein dessen Namen
man so häufig in den Zeitungen liest.
Man kann ihn ruhig ilberlesein sein
kllaine kann ruhig ans den Zeitungen
?r-erschwinden. Es ist die Tragit die
ses Mannes, dasz seine Macht in gar
hinem Verhältnis zu seinen Worten
tmd Gesten steht
Bernh. Kellermantn