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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Oct. 12, 1916)
Blaue Ädrin Roman von Clem- Rubin (3. Fortiehung.) Wenn die Sonne schien. wenn ihn im nnd Bnlogb beim Sammeln we nig Geld brachte. dann sprach er nicht und lachte nicht« dann lieh er vie andern schweben und starrte vor sich hin, unftsih verdrosierk Sobald aber die Sonne seine Glieder tollen te, wenn er bliibende Bäume soli. funlelnde Wellen. dann silblte er sich wieder leiQt und träumte enn hellen Mittag und geigte in siilier Selig leit und seltsamen ilnn lein anver ftlindlicher crariiseniseit in die war men blauen Abende hinan-. Ader iestl Ei war. ais hätte ihn ein Fieber ges-act. Jede Stunde, die verkenn, ichnlirte ihm das fers ie ster zusammen. Er liebte die e lon de Lila. die so etwas Gute-. War-net hatte, wie die Mutter Erde nnd toie die goldene Sonne. er liebte iie ra send, oerzweiflungsvoii Und sie ging fort. irgendwobin nach Deutschland er sollte sie nicht in ieinen Armen halten, sollte sie verlieren silr ins-net. Indus biß die Zähne zusammen. leine Dände verlrampiten sich. Nein, er konnte es nicht. Seine Liebe mußte lie bezwingen. festhalten, und wäre es nur siir eine kurze Zeit. sich . Vierte-Kapitel. I Andras Jcnre stand am Oasen und wartete. Mre es artig-ich, daß sie nicht ts nief Eine hersdetietntnende Unruhe sertniirbte ihn schon den ganzen Tag. Es war noch nicht vier Uhr, nnd doch tagte er sich voll Bitterkeit: nun tonnnt sie nicht mehr. sagte es sich immer wieder, bis ihn sroe mitten itn heißen Sonnenlicht Das Motordoat fuhr ersi nach vier Uhr sur Insel hiniiber - —- wenn sie nun a r nicht tatnt Er siihlte ich sa machtlos, wie verraten. Viel leicht war sie schon sort, und er stand biet tnit dietetn wütenden Weh ttn sen —- nnd konnte doch nur in teetee Ergebenheit an sie senten, konnte sich nicht befreien. nicht wettern oder iachen. wie er es tonsi wohl ge tan Atte, wenn ein Möbel mal nicht Wert hielt. Und wie konnten ihm nur solche W nochmals einsam-, trit, wo er hier stand nnd asi die eine war tete. ans die einzige, die es noch iiir ihn Saat-. Mein Gott« wenn sie nicht tatn Und-as Jana wandte sein Gesicht dem Meere u vnd sah es nich-, wie das schöne. londe Mädchen. strahlen der ais er sie ie gesehen, durch das breite Steintar dem Oasen «uschritt, und wie setbsi der aite spllwtichter die kurze Pfeife aus detn Mund nahm - und the mit staunender Bewunderung nacht-sichs Lifsq ging dicht an ihm vorüber ide einer Dust sireiite ihn. Sie wandte sich nicht sur Seite, sie suchte sich gleich einen bequemen Plan tm Meist-dont Den jungen Geiger iibeksiutete eine deiite Welle von Freude. Vergessen war der Abschied, die Qual des Wartent: da war sie, die schöne List-, und mit ihr war die Weit not tee Wonnen Lisa sah aus« ihre Augen begrüß ten sich leise. Hatte es se einen schöneren Tag ge gedent Andere Menschen kamen, besiegen das Boot. lachend. iiirmend, Bade hiindel unter den Armen, teine Aus sliigler, lein elegantes Publikum. Nun ging, auch ere ins Boot hinein. Er stand erst lässig umher, dann schob er sich zwischen Lisa und einen kleinen, ausgelassenen Burschen. Pisa riickte zur Seite, unter dem breiten stand ihres hntes hinweg tras ihn ein löchelnder Blick. Vornehme, hlonde Liia, was siehst Du ihn an, den stummen siedernden Fii euner, warum gießest Du eine G ut tn seine Adern, die nichts mehr austitschen tannt Ja, es ist der lehte Tag. und der war in seiner innerlich heißen Stille eines unbeschreiblichen Zaubers voll· Nun trug sie das Boot hinüber zu einer wahren Insel der Seligen, hin ter ihr tote eine Mörchenstadt das farbige. leuchtende Nagasa, und ne ben ihr ein Mann, dessen zarteste Beriihrung ihr schon seine verzehrende Liebe verriet. Warum nicht einmal aus dieser schönen Welt alle Sorgen hinter sich wetten, warum nicht ein einziges Mal inmitten oil dieser herrlichteit nichts fühlen ais das eigene, junge, warme Der-f Der lehte Tag. Die Bucht der Jnsel tam näher, Arttn und immer grüner wurde das Wasser. der aelde, stetnige Grund zauderte eine herrliche Smaragdsarbe hervor. Die Kinder. die Frauen mit ih ren Windeln, alles drängte dem Lan de su. Lisa verließ ais lebte das Boot. Unstas ere war losort in einen Seitenrveg eingevogem Liia folgte ihm. So ging sie eine lange Weile. Sie hörte nur die schnellen Schläge ihres Herzens und daf- unruhige Vogelgesi zirp schDer Waldirez lichtete sich allmäh t . Da st.snd der junge Anderes Jrnre und erwartete see; Reinen Schritt ging er ihr entgegen; er wollte die Süßigteit nuslostea, dnsz sie zu ihm» inm. i Sei-Inn stolz- Lise, treihi Dich? nichts zurück aus dieser heriielenden Einsamkeit aus der Nähe dieses heißt-tätigen Sonnenlindesf Rein« der R tevandler lenntI We Gefahr« undd e schlichte Wahr hasiigteit dieses gratilinigen deut schen Mädchens wollte teine Verstel lang. Its Jenre ihr beide Hände entge genstreckte. legte sie die ihren hinein," nnd seine ersten Worte schienen ihr so natürlich. nls häite er gar nichts an deres sagen können. Neben all seinem Gliicl schoß ihm angesichts ihrer sangen Derelichteit plötzlich ein biiser Gedanke durch den Kaps. .Liso«. sngte er beschwörend, »ich hin der einzige. sagen Sie es mir, ich hin der erste. der einzige Mann, dem Sie ein wenig gut sind, mit dein Sie allein zusammen tarnens« Seine durchzitternde Angst siihlte sie nicht, ihre reine Einsachheit hörte nur, daß er von ihr die Bestätigung von etwas Selbstverständlichem hö ren wollte. «Ja. Andras ere, ich habe nie einen Mann lieb gehabt, tote sollte ich cenn rnit einem Mann allein, and aus Verabredung hin, zusam mensein7« Er preßte ihre hsnbe und sah ibr tiet in dir Augen .Sie göttliche-. süßes Geschöpr Die hettigieit seiner Liebe erschüt terte sie. n einern abnungslosen zöktlichen Triebe lebnte sie sich an feine Schulter. Er raffte sich eisetn zusammen, utnsaßte Lisa nur sanft So gingen sie weiter. .Lisa. dars ich Sie heute so nen nent« Sie nickta .Lisa«, ere blieb wieder sieben und gab bat schöne Mädchen frei. er schüttert von dem reißenden Web unb Glück seines hetzens. »ich liebe Sie unsinnig. verzweifelt, mit allem, roas in mir isi1« Atti-end prekte er die Worte her vor. Sein Gesicht war bleich. ge spannt, voll Leidens-ask ·Wen bange herzschläae lang stand L ia rnie gelähmt vor ihne« Sie sah Und-as Jnrre uns sab ihn nicht« sie sublte sie Wieiliedteit dieser leise enuschenden Bat-In bie see blüteniibersponnenen Mir-eith iiköncher um sie ber. und fühlte sie nicht —- vann hielten seine Ame sie sest umschlungen, seine Danb bog ibren Kopf zurück und im Taumel dieses- ersten verzehrenden Kusses «iihlte sie nur. wie ein Rausch durch sie bahirslutete. der alles nieder brach. i- — Mit dem Bewußtsein, dass ein un zertrennliches Liebesband ihre Versen verbinde, teennte sieh das Paar. Innstes Kapitel. Am andern Ia e stand Andras ere nns den. pla, den Rücken zum Meere gsrvnndt. Undeweglich stand er da, den hat in der n . .Sieht er nicht aus wie e san ger Brvnzegatti« sagte das alte Fräulein van de Sandh Lisa lehnte sich neben sie aus das breite Geländer des oberen Des-. Unten wurden Gepiirksiiicke ausgege ven und Gitter verladen. Es ging laut und lustig za. »Ja. prachtvoll sieht er aus.' «Na, Du möchtest ihm doch am liebsten zuwinken Deinem Zigeuner; Du hast ihn übrigens sehr vernach lötstst« Jedes Wort schmerzte Lisa. .Er ist gar kein Zi euner, Tant chen, sagte sie, «sein ater war ein rnmänisther Ossisier, der die schöne Mutter des Prtmal, eine Zigeune rin, ans dem Gut seines Freunde-, eines ungarisehen Magnaien, kennen lernte. J hörte es gestern zufäl tig tm Kas eehand. Man sprach am Nebentiseh davon, alt er vorbei ging.« . Er hatte es ihr selbst erzählt. s Lisa siihlte das Bedürfnis, irgend» etwas Gute-, Ireundlichez van Andras ere ga sagen. Sie sah sein schmales, gespanntes Gesicht, und siir den Augenblick versank izre Reue, the eigener Schmerz, sie lsii iie seine anderende, rasende Ziirt ichkeit, sie wußt-· welche Qualen ihn seht durch wtthlten, sie konnte aus scherzende Worte nicht eingehen. «Wenn ed wahr ist -t« sagte Fräulein van de Sandt weiselnd. »Ja, Dante Eertrud rh weisz et vvn ihm selbst«. hätte Lisa gern ge sagt, «es ist sicher wahr«, erwiderte sie, «und Du meintest doch sofort, als Du ihn sahest, er könnte kein Zigeu ner sein. «sreiliehi s- Aber solange er mit den tgeunern umhergieht, ist er eben ver igeaneeprimas.« »Gewiß, schade um thn«, sagte Lise- Und nach einer Pause: »Gott ich Dir den Liegestuht sertig machen, Tantcheni« «Ja Kind, driiden, aus der an dern Seite. Wir fahren gleich ad and ich bin doch etwas rniide vom unge-l wohnt sciihen Aufstehen« Lisa ging fort, Fräulein van de Sandt promenierte aus den. Deet und folgte dann ihrer Nichte, die sie sorgsam auf den Liegestuht bettete. Anorat ere verharrte wartend auf der Spi des Melo. . Er war we egetährnt von Schmerz. Ein Kältegefiihl überrieselte ihn, sei ne Augen brannten, sein herz schlug laut und hart Jn seinem hirn lebte nur der eine Gedanke: sie geht sie vertiikt mich, ich vertiere sie. Sein Blut brauste. er hätte schreien mä en. der Geliebten nachstörzen, er am .te es nicht« er war wie erstarrt in dern furchtbaren Unstutnr des Schiner es. Setit le, die er nie gekannt, ris ten nn ihm, brannten sich in ihm ern. Da war er gewandert, jahrelang, ein Sohn der Sonne, der Berge. des Meere-, hrtte gespielt, gelungen aller Futen Stunden froh. Aber ties innen hatte die Sehnsucht gesessen. eine Sehnsucht site die er keine Wor te hatte. eine schwerrnittige Sehn sucht, siir die er in seinen Liedern klang eine stille Trauer, siir die et teine Erklärung fand. Nun wußte er es. ,.., --« Er war gewandert. gewandert im Traum, Sehnen und Freude, — war einer Heimat zugewandert. hatte gefucht, unbewußt, tastend, immer fort, ob ihn nicht etwas begegnen wiirde. das ihm das Leben ein U-I.d da kam das blonde fchiine Mädchen. und fein herz zitterte. Sie besitzen war erfchiitternde Wonne. sie 11behalten war ein Neugeborentveri en Sie kam und ging, und er stand da, vernichtet, greriielgefchleudert,zum gietlpfen Wandern verdammt, fein unbeitisnmtes Sehnen entschleiert nnd zerbrochen. . Das Schiff legte sich langfarr in Bewegung es mußte die Spitze des Malo pafsieren. Andras eres Augen suchten Tfuchten » Da kam Lifa zur Landfeite her jiiber. allein, mit bleichen Lippen lä Jchelrd i ere fühlte einen furchtbaren »Sei-merk er presite die Hand an die Psequ ; Liia lehnte sich iiber das Getön jden itreelte ihre Hände weit vor und jiiffnete fie. alt od sie ihm diefe ihre xbeiden dände zum Abichied reichen ’wotlte. « » i Jn uniagbarern Web wandte Jmee ihr fein dunkler, trosiloies Intlit eu. Keine Träne, lein Zacken; lein »Ur-tut ) Lise. legte einen Augenblick hilf Irol ihr Gesicht in ihre beiden hande Jdann stand auch sie unbeweglich, bis eine Wendnng des Schiffes das grünende Grade-to und die einfame, auf-echte Gestalt ihren Blicken ent tos Lange noch siand sie da. wie be täubt, durchwühlt von tausend ta genden Gedanken. Und das Schiff glitt weiter in die -leuchtende, blaue Einförmigkeit hin ein« begleitet von den ewig gleichen Gebirgtiügem pckergelb, rotbraun, perigeenn hin und wieder grüne Flä chen, weiße häufen dunkelrote Dä cher, immer die gleiche traumverlores ne« unwirtliche einwiegende Som merfeligteit, itderhaucht vorn köstlich sten Meeresodem. Stiergesiem vergessen — nichts den ten Lifa lag in der Sonne. sie hatte die Augen geschlossen. Nur diefer fchrneichelnde Wind, diese gütige Sonne —nichi denkent Dies war die heimsahrt, alles wußte zurückbleiben, persinken, war nie gewesen - nur eine Biston, ein »tieses Erbehen in der Natur, dieser herrlichen. lebenspendenden Natur« ein Geheimnis des smaragdgriinen Au ges inmitten des blüteniideesponnenen Myrthengehiischl, das Geheimnis der lleinen gliitkselig zwitschernden Bö gel. der Falter, der Bienen. der se gelnden Wolken dort oben im unend lichen tiefen Blau. Ein Traum, ein Traum. uie abend wiirden sie in Spala to ein. wenige Tage daraus in Triest und dann die Heimsahrt. - — Driiden in Norddeutschland lag die alte Stadt mit den vielen Türmen, den schirtnenden Linden, den Bogen giingenz sie lag in der- großen, klaren Ebene. Da la sie in ihrer Ehrtarleik, ihrer Si erheit, die gute, alte Stadt tnit den gradlinigen gesunden Men schen« die mmer ein leis kiihler Hauch umwehte. Bald witrde sit wieder durch diese Straßen ge n, wie einst — und doch nicht w e einst. Nein, nicht wie einstt Lisa össnete die Augen und rich-; tete sich empor. ( Wiei Minute sie jemals daran denken, wie ihre Schwester, die kleine Grete, oder wie eine ihrer Freundin nen, einem Manne aus ihrem Be tanntenlreis die hand zu reichen sites Leben sein Weib zu werdens Mit dem Wissen tm lbergen um das Ge heimnis der JnIel Larrotna. s- s Nein, niemalst . So war es doch kein TraunH nichts spat verfinten, veetoetyen konnte. l .Lifa, Du fiihth Dich nicht wohl, Du bift fa blaß« Eine giitige Stimme. »Ach, Tante Trade. es geht var bei, ich konnte gar nicht ichlaien.« .Wutde Dir ver Abschied fo schweif« »Furchtbar fchwer." »Aber Kind, fonft wolltest Du im mer, neue, andsie Einveiiaek" »Sie-gast- tvar· io wundervoll« «Nun. wir kennen Spalato noch nicht. Denk nur: lni alten Vielle tinniralafi ein-. ganze Stadt. iiberq nebeneinandergefchachtelt alle die Häufer. Und erlt Salonat Die Aus grabungenl Kind, es ift herrlich. Schlittle Raguio und die Müdigkeit ab unt freue Dich.« Die alte kleine Dame strahlte. »Es wird ieine Blumen in Spa laio geben«. faate Lifa traurig »Nein, das nicht, nur wenige, aber Ulteesiimeiz und was fiir Altertiii ineii« »Ich weiß nicht, Tantchen, aber ;mich zieht es nicht mehr io recht zu zaltem Gen-Zuer; ich möchte in einer tWiefe liegen voller Blumen und träu jcnen und fchlafen.« f «t1ebermiidung. Liefel, nichts wie Uebeeiniivung Lege Dich hin, fchltes ße die Augen« die Landfchaft hier träaft Du schon alle die Wochen mit Dir herum, Du verfäumft nichts Schlafe nur, schlafe recht fest, ich wecke Dich, wenn es etwas Schönes zu sehen gibi.« .Guke Tante Trade«.« Liia beugte sich hinüber, ergriff die liebe alte dann und tiißte sie. Da fiel ihr ein« daß diese Lippen zuletzt· in weltvergessenem Schau-m an anderen Lippen gehangen bat ten. Schnell, sanst und wie beschiimt ließ sie die gute alte Hand los Naeh vielen stillen Stunden schim merten die Lichter von Spalato. die kange Kette am Hasen. die roten und gritnen Schiffsaugen und alle die vielen spielendeu slinimernden, sit reindei Lichter der Stadt. Das war nun ein neues Bild, ein fremdes Bild nach dem glühenden Ragusa. Sechiies Kapitel. Es war brennend heiß in Spalato aber Fräulein van de Sandi dachte nicht an die Abreise. In Salona datte man mit neuen Auögrabungen begonnen, und diei alte Dante fuhr täglich mit ihrerl Nichte hinaus; sie war anz von den-; Berlan en erfüllt, Zeug n eines gtiiitsi lieben undes zu sein« Ju ihrem Eiser bemerkte sie ef nicht, daß Liiaz tlare Heiterkeit ge nicht, daß Lisaö llare Heiterkeit ge trübt war. Sie saß aus ihremj Klappstuhl neben der Ausgrabungss stelle, Lisa lag abseits aus einer gro-’ szen, kühlen, mit Jnschristen bedeckten Platte; den Kopf in die Hand gestiiht sah sie in die zitternde Hitze hinein. Um sie herum blühte und dustete rö« nach Spalato bin dehnte sich eine weite, tvellige Ebene; im Rücken von Salona stiegen veächiige Berge em por: grünblau, und wo das Gestein zutage trat, rosirot, dazwischen lehm gelbe Züge, wie breite Adern. Jn der Nähe weideten Ziegenherden, und zwei lleine braune Burschen lagen im Gras und Iviirselien. Jhre hellen Stimmen und das Schauseln und Schlitten klangen seltsam sern in der großen sommerlichen Stille. Lisa versuchte ich ein Bild von der reichen, lebha ten Kaiserstadt zu machen, deren Ueberteste sie umgaben. Es ging nicht. eine heezveriemmenoe - uran er stickte alle anderen Gedan en. Es war ja nicht möglich, sie, Lisa van de Sandt, die Tochter des Re gierungöpräsidenten van de Sandt, tannte nicht das gleiche Los treffen, wie irgend ein armes Mädchen, deren Schande eines Tages offenbar wurde. Es war ein Wahnsinn, nur daran zu sdenlem » Was sagte sie —- ein gleiches Los? Lin Nein, ein weit schwerere5, grauen hafteres Last Ader das war ja alles Wahnsinn Die Folge nervöser Ueberreizu us Feder Tag konnte, mußte ihr Erl ung bringen, nur etwas Geduld Ruhe. Und wenn die Erlösung nun nicht tami Das Meer, das Meer, das war der einzige Ausweg. Hinauöschwimmen in die blaue Adria, nicht wiederkehren — —- —. Jmmer die gleichen Gedanken, Tag und Nacht, immer das verzweifelte Anllammern an eine hoffnung, im mer nur dieser letzte jammervolle Ausweg. Lisa sprang auf und ging den hoch gelegenen, schmalen Weg ent lang, der wis en den Ruinen hin durch zur and eaße führte. Da hinten unter den Mauibeers däumen spielten Kinder, sie wollte i nen zusehen, sich zerstreuen, Blumen p iicken, irgend etwa-, nur nicht län ger hier liegen and fühlen, wie die Ver weiflung sie erwürgte ls sie zwischen der versunkenen Welt einherschritt, fiel ihre Angst langsam in sich zusammen Was fiir ein kleines. unwichtiges Lebewesen din ich doch, dachte Liia. Jch fühle mein-. Tage und Nächte mit ·-—-.·— Qualen, als hätte die Welt nie ern» größeres Leid gefehen. Eine kurze Spanne Zeit habe ich in der großen Unendlichkeit, das kurze Sein ift mir nicht gegeben worden. um es zu zerstören; ich inni es leben, wie es mir zugeteilt wurde wie ich es meistern kann. Was ift hier alles um mich her erstanden und erlofcheni Niemand weiß es. niemand fragt danach. Menfchenfchickfaie, damals wie heute. Es lonnnt ja nur darauf an. mutig zu fein und das eigene lleine Schlafal feft in die Hand zu nehmen. Lifa hatte sich unter einen blühen den Granatbauin gefest. Durch die Zweige, um die rotgliihenden Blüten drang das tiefe himinelsblaeu ’ Bin ich denn wirklich fo ganz elend und verlassen, wenn ich von allem Abschied nehme, was bisher mein Leben aus-nachtei- Bin ich nicht jung, fo dachte Liia weiter. jung gefnnd und wohl auch fchiini haben nicht unzählige Frauen ein gleiches Los getragen? Und dann überfiei sie doch wieder Verzweiflung Einfam, fafi ohne Mittel, in einem fremden Land, nein, es war grauenhait. Scheu tafteten ihre Gedanken zu dem Mann hinüber« der ihr dieses furchtbare Leid regeben hatte Wiire es möglich, könnte ich mit ihm leben, feine Gefährtin fein, fein Weib? Sie wußte es, mit iubelndem Ent zücken würde er fie aufnehmen Wenn die Heimat sie auch von sich stieh, war sie fiir Andrab ere die Schön ste der Schönen, die Reinsie der Rei nen. Kein Zweifel trübte diesen Gedanlen. Sie sah sein schönes, dunkles Ge sicht in heißem Flehen iiber sich ge neigt: »Verlafz mich ni t, Lisa, süße Lisa. ich mqu verge n, ver derben ohne Dich, Du bist mehr alsi die Sonne, als alle Schönheit der Welt; Du biit die Musik, die in mir lebt, Du bist die Sehnsucht all meiner Jahre, verlasse mich nichtt« Wenn sie nun zu ihm zuriicls lehrte? Zu dem Zigeurierptimag, so raunte es spöttisch in ihr. » Zu dem Einzigen der seine Arme na mir ausbreiten wird, sagte eine andere Stimme. Zu dem umher-ziehenden Musikan ten, dem Gefährten zweifelhafter Ehrenmiinner gischelte et wieder Zu dem anne. dem ich ein un endliches Gmel gebe. mit dein ich vielleicht ein neues. reichci Leben be ginnen tönntel Zu eine-n jungen, ungebiideten Burschen, der eines Tages davon sieht und mich znnisch beiseite schiebt. Nein, nein, das nicht« das kann er nichts Ein stiller-, wilder Bursche ist er. voll Zärtlichkeit, voll herzensgiitr. Könnte er nicht doch mein Gefährte sein? Jst sein Arm nicht weicher als der Knochenarm, der mich dort unten an sich ziehtf Lisa iehnte den Kopf zurück und sah in das bunte Leuchten: Nein, nicht fort, nicht fort ans diesem warmen Leben. Warten will ich, ruhig werden« dann findet sich schon ein Weg. Sie schlang beide Arme um ihr Knie und sann in sich hinein. Da stiegen Töne in ihr auf, ferne» iiber all den lauschenden Menschen eine schlante feine Gestalt, eine schmale Hand, die den Bogen führte, ein ernstes, fast fchinerzliches Gesicht. Nun öffnet sich der herbe junge Mund: tlagendes Heimweh der Seele flutet über die Menge hinweg und greift in einfache und junge erzen hinein, und selbst der träge iirger fühlt leise den Flügelfchlag ewiger Sehnsucht. Siebenteö Kapitel. Jn der großen Halle des Excelsior hotels zu Triest waren viele Gäste und Passanten zum Fünfuhr-Tee ver ainrnelt. Der Blick durch die breiten enster Zum Meere hin, die dislrete usil, d e Kühle des weiten Raume-, das lautlase Serdieren der leichten Crsrischungen, das sanste Ausruhen in den tiesen Sesseln, das alles wirkte so beruhigend, so sriedvoll nach der glühenden hitze da draußen, dem Ansturtn leuchtender Farben, schreien der Höndler, spielender Kinder Fräulein van de Sandt und Lisa saßen schweigend beisammen. Lisa trug ein mattgriines, leichtes Seidenkleid, dessen weiche Falten und gelbliche Spitzen mit einem gold braunen Samtgiirtel zusammengehali ten wurden. Sie sah vornehm aus, ein wenig bleicher und schlanier als sonst Fräulein van de Sandt betrachtete sie: es siel ihr aus, um wieviel ge reister und ernster Lisa aussah. Als Lisa immer noch träumend in in ihrem Sessel sehnte, knüpfte Fräu lein dan de Sandt an das Ge präch vorn Mittag an. »Allo, Du willst mich wirklich allein nach München reisen la en und Nosernarie Brandt in Venedig tref sent« »Ja, liebe Tante,« sagte Lisa zö gernd und bescheiden, und ihre Augen ehrten langsam zur Wirklichkeit su riick, »ich habe es Rotemarie vor un serer Abreise gest versprochen. Es tut mir surcht ar leid, ich bin un dankbar, dasz ich Dich im Stich lassen will, ich weiß es, aber —« »Nun, ober?« »Sieh mol, Tanichen, ich kenne Venedig noch nicht; Brondts den Inig eingeladen und Du wei elvst, no mais eine Reife zum Sie n. das blüht mir nicht. Lasse mich doch ziehen, ich werde ei Dir nie vergessent Sie sprach erregten wärmer. cis sie wollte. .Und was werden die Eltern sagent« »Ach, liebste Tante Tende, was ge schehen ist. ist geichebens Dir macht niemand einen Vorwurf und ich. nun, ich nehme die nnongen n Andern andersehungen gern a mich. wenn ich nur noch mal draußen war. in einer ganz anderen Stadt, in Ve nedig!« « ch dachte, Du hättest so viel Schnes esehen, nun wäre Dein Durst gest lit.« »Ja, ich muß Dir undankbsr er scheinen. ich iiible ed; Du weißt nicht« wie wehe mir das tut.« Sie sah ihre Tante traurig. ab bittenv an. Die lächelte sein« .So ein Tgroßes Mädchen, nnd sgeeist nach a ein Buntenl Venedig wird Dir gar nicht so seht gefallen silr mich hatte es immer einen leichten Talmibeigeschmnck, es isl theatralisch« »Es wird mir nicht sehr gefallen« sagst Das Also ich dqri reisenl« Lisa beugte sich vor. sie legte die Handslöchen leicht zusammen «Ja, in Gottes Namen, mein Kind. reise nur, aber ohne Dich heimkommen will ich nicht, ich erwarte Dich in München, ich würde so lange hier bleiben, wenn ich meinen aiten Freunden die Zusammentunst in Eitünchen nicht selbst vorgeschlagen ätte.« »Oh. wie ich mich freue.« fagte Liia. Seltfam bleich fah sie aus« die stolze Liia van de Sandt. »Und wirft Du auch genug Reife geld haben, Liiai« »Aber eJLantel«' « Lifa wehrte haftig ab, aich habe reichlich, mehr als ich felbft wußte. Du haft fa alles, alles ftir mich bezahltt« .Alfo gut, mein Kind, nun wollen wir auch nicht mehr iiher Deinen Ab ftecher fprechew Jch reife morgen früh mit dem ekften Zug. nnd Du tannit Dir deute noch die Fahrtarte filr den Dampier bricrgen und in drei Tagen, nein. in fpäteftens fitnf Tagen bift Du bei mir in Miinchew« Die aite Dame sog- ihre Uh. »Ja. dann risse es aber sit-. das »Du gehst. foan ifi die Ausgabeftese »gefchtoffen.« l «Vift Du mir auch nicht biife iTantchenk .Nein, Du großes Kind.« »Aber ein klein wenig doch, ich fehe »es Dir an.« » Beide lächelten. Lifa griff nach ihrem but, der ;nehen ihr auf einem Stuhl lag-· UZM Fiiederfehem ich bin fofort wieder irr.« »Auf Wirt-ersehen mein Kind.« Achtes Kapitel. » Das alte Fräulein oan de Sandi fafz ganz verftiirt am Fenster ihrer Münchener Pension Sie las Lilas Brief aus Triefi und las ten wieder. Jhre Hände zitterten, ire Rhne fchlugen auf einander, ein Fröfteln überlief fie. » «Das ift ja nicht möglich. das ift snicht msgiich,« murmelte fie. I Aber da ftand es ia ganz tlar in « ILifas großer Handschrift » Raum wage ich Dich anzuredem H, Du Gute; ich muß Euch allen ein l großes Leid antun: ich kann nicht ; wieder nach haufe zurückkehren Forfcht nicht nach mir, fragt nicht« Jhr werdet mich niemals finden. f Ich bin nicht nach Venedig geiahi z ren, Brandts find gar nicht in ! Venedig, ich bin weit fort. wenn. Du diefen Brief erhältst. Erlaube es mir nur. meine liebe Tonte f Tende. daß ich Dir im Geiste noch ) mais Deine guten, treuen hände liiffe. die immer nur gaben und gaben, daß ich mich nochmals in Deine Augen verfenle, aus denen mir nur reinste Giite «entgegen leuchtete. Jch hätte Dich niemals verlassen, wenn ich nicht Euch alle und meine Heimat verlassen mußte. Deine Lifa. An die Eltern habe ich ge schrieben. Viele, viele Grüßet« ; Tante Trude legte den Kopf auf ;«oas Fensterbrett und weinte. Und unten an der Adria, aus dem Wege nach Lussin Grunde schritt vie schöne, blonde Lisa van be Saul-t Jn all ihr bitteres Leid mischte sich ein Gesithl ihrer jungen Kraft, »und das Bewußtsein, mitten in eine-n großen, starken Erleben Fu stehen« Bisweilen schien es Lisa, ais spieie sich all das auf einer Bühne ab und die Spannung wuchs in ihr, nub der nächste Tag bringen würde. Sie tam sich vor, wie ein Mensch, der eine Rolle durchzuführen hatte und der bald in das alltägliche Leben zurückkehren würde. Und do träumte sie nicht, jede ihrer Stun en war ausgefüllt, jeder Schritt war tlae überlegt. Diese Jntel Lussin, das war der rechte Platz siir sie. Sie wac hm und hergewandert, um eine stille. sichere Untertunst zu finden: Lussins picolo, Cigale, und nun Lussins graut-e (ertsehung solgt.)