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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Oct. 12, 1916)
Sonntagiblatt de Skaaks Anzecger und Ilserold ,ebN ,DMI erst-« Väter-. Kricgzslizze von Else Krafsh Der schreckliche Kampf in ten Straßen. aus den Plänen und Wie sen der Stadt hatte aufgehört. Jn wilder lucht waren die Fran zosen durch de bergigen Wälder zu rückgejagt, das Brüllen der Kano nen war verstummt, und nur verein zelte Schüsse von der breiten Wald gren e her perrieten den Einwohnern die Derfolgung ded Feindes. Frau Anna Biidentamp, die im verzweifelten Gebet stundenlang ihre Kinder im Arme gehalten, hob wieder nnd wieder lauschend den Kopf. Nachdem das Licht ausgebrannt und auch der legte Dämmerschein von draußen vor dem vergitterten Keller senster verschwunden war, konnte man tanni noch die band vor Augen sehen. Auch die Kinder schrien und weinten nicht mehr, hielten sich nur noch angstvoll und zitternd an ihrem Kleide fest, und Großvater, der in den ersten Stunden immer noch laut gebetet oder der Tochter gut zuge sprochen hatte, war eingeschlafen und saß zusammengelauert in einem Win lel voller Flaschen und Weinsässer. Die junge Frau tastete in der Dunkelheit nach ihm und rüttelte an der hageren, reglosen Schulter. »Gros3vater... sie schießen nicht mehr m der Stadt... Wach’ aus« Großvater!" Es dauerte aber sehr lange, bis der alte Mann völlig begriff. Schlaf trunlen taumelte er hoch, öffnete die Kellertür und horchte in das ver schlossene Haus hinein. Als sich dort nichts regte, schlürfte er die Treppe empor« sah in die Küche und Stuben und rief, da alles still blieb, Tochter und Enteltinder aus ihreni Versteck. Toumelnd schlichen die drei über die tnarrenden Stufen in die erleuch tete Schlaftammer, wo Frau Hanna die Kleinen, die vor Miidigteit und Erschöpfung Hunger und Durst ver gessen hatten, fosort ins Bett brachte. Wieder und wieder litfite sie die run den, verweinten Gesichter und sprach dar- Abendgebet heute ganz allein. Nur der Großvater-, der schwer at mend in seinem Lehnstuhl saß, innr rnette ein paar Worte mit, den wei ßen Kopf schon wieder halb heran tergebogen, nnd die Augen geschlossen. »..und vergib uns unsere Schuld, «.. wie wir vergeben nnsern...« da war er schon wieder eingeschlafen. Die junge Frau raffte sich niit Ge walt zusammen, nin nicht auch uni zufallen. Sie ging ein paar Schritte bis zur Nematode, too das Bild ihres Mannes stand, der seit Wochen ir gendtoo da draußen für das Vater land tiirnpite, und nickte dein lachen den Gesicht unter dem Glase auf schluchzend zu. «Fronz..." bat sie hilflog... Aber ihre ausgeflreckte hand blieb ieer... ihr banger Ruf verhallte, sie war ganz allein in ihrer großen Angst und Herzens-not Sie hatte noch die Kraft, die Tür, die nach hinten in die Küche führte, zu öffnen und leise wieder zu schlie ßen, dann fant sie wie leblos auf den Stuhl, der gerade im Wege stand, hart mit dein Kopf gegen die dicke Holzlehne auffchlagend. Wie lange sie so gesessen. wußte sie nicht. Ein Wehen von tühleni Nacht wind lain von irgendwo, und das Rauschen von Bäumen im Garten, der unter dein Küchenfenster lag. Das Gesiiht, daß da ein Flügel offen stehen mußte, risz die funge Frau ivieder hoch. Und da... fa... was war denn da noch, was gewalt sam ihren Kopf herumzwangi Ein Stöhnen, laut und aualvoll... wie sie es nie vorher zu hören geglaubt. Es til-ertönte das Wehen bei Win des, das Blätterrauschen, das ferne fallen von Schritten und den dump en Liirm aus dem Innern der zer Legossenen Stadt, aus der nach stun langem Ringen die Franzosen vertrieben waren Frau Hannn war plötzlich wieder ganz frisch und stark. Da unten in ihrem Garten lag ein Mensch der verwundet war... der Nachbar der leicht, der sich zu früh aus dem Haufe gewagt, die Nachbarin... oder gar ein Freund, ein Verivandter aus der Stadt, der gewußt hatte, daß sie hier draußen allein mit den Kindern und dein alten Vater geblieben, und der nach ihr sehen wollte. Und er war getroffen worden von den schrecklichen Gelchossen... vielleicht von einein fliehenden Franzosen dilttqs erlchtai gen, als er ihm in den Weg tam O, wie sie diese Feinde haßte... daste« mit den bleichen schwarz bärtigen Gesichtern und den finsteren heimtiickifchen Augen! Nun aber waren sie fort... Itih vertrieben von den braven deutschen heranttitrmenden Soldaten« die Stadt wieder deutsch«. .hlieh deutsch...« großer Gott, sie mußte ja deutsch bleiben, wenn nicht alle-, was recht und heilig war, log... Die junge Frau strassie den schmerzenden Körper und strich sich die zerzausten blonden Haare aus dem Gesicht. Var einer halben Stunde noch hatte sie in Furcht und Grauen vor den Franzosen gezittert... seht ...n)a das Stöhnen von da unten immer stärker wurde, kannte sie plöhs lich teine Furcht mehr. Sie öffnete die Küchentiiy schritt iider den Flur und schloß das noch mit dicken Holztlarnmern derrammelte Hauötor aus« das nach hinten hinaus in den Hos führte. Alles war hier still... nur im Stall mecketten die beiden Ziegen, die man heute nicht gemollen zum Abend, und hoch oben über den alten Bäu men stand der Mond, leuchteten die Sterne... Vrandgeruch war in der Lust; donj drüben, wo die breite Hauptstraszef entlang führte, Röderrollen... hu-. schende Lichter von Laternen . .. dann wieder Dunkelheit... tiefe Dunlelheit ringsum . . . Die junge Frau zündete die Stall laterne an. die noch aus dem umge lippten Karten stand, in dem der Vater gestern das letzte Gras siir die Ziegen vom Felde geholt. Jhke Fin aer zitterten... denn da... da war es schon wieder das schreckliche Stöh nen . .. es kam mitten aus dem alten, umgegrabenen Erbsenbeet, un dem seitwärts noch die hohen Sonne-Glu rnenstauden standen nnd die bunten, hochstieligen Astern, von denen sie die ersten Blüten Franz beim Abschied an das Gewehr gesteckt... Das Dolztiirleni stand ossen, das vom Hof in den Garten siihrte... und drüben, seitwärts am Zaun wa ren die holzplanten eingebrocheii... das Strauchwert zerknickt und das lleine, so sorgsam gepflegte Beet der Kinder zerstampft Mit weit vorgebeugtem Oberler per leuchtete die junge Frau liber Weg und Baum, biß die Zähne zu sammen und lrmiipste die hände um den Rock, um sich selber in dieser Nacht voll Angst und Grauen vor wärts zu treiben. Vielleicht war es auch nicht der Nachbar ode’r ein Be lannter, der hier in ihrem Garten lag, vielleicht war es ein armer, ver wundeter Soldat, der, von den fran zösischen Kugeln getroffen, seit vielen Stunden hilflos verblutete... einer von den tapseren Rettern der Stadt· Frau hanna hob die Laterne hö her, als sie an dem zerwiihlten Erb senbeet stand. Ein dunller, lang ausgestreuter Körper lag da · .. beide Hände in die nasse Erde getrampst, die Augen starr... weit osseii... ganz dunlle,j schreckliche Augen· Zerziiustes, schwar-’ zes Haar unter einein fremdartig geis formten Miva der blaue Rock ossen,s unter der freien Brust rote, brennen-» de Dosen, genau so brennend, wie; das Blut in dein geöffneten Heindj iiber dein Herzen». Frau hanna starrte entsetzt in das« wachsgelbe, verzerrte Gesicht. Hob sich nicht der Arm dort... regten sich nicht die Hände... drohend und ver nichtend? Mit einein Ausschrei taumelte sie zuriick und lies das Stück Garten·.. durch den Hof zurück... Gott sei Dant, nun ioar sie im haus. Kein Freund... lein Deutscher lag da unten, ein Franzose war in ihrem Garten, einer von den Fein den, die so viel Unheil iiber sie und alle gebracht, die lisher im Frieden lebten. Was hatte sie denn überhaupt da draußen wollen, als sie so schnell und uniiderlegt in den Gatten hinauslksi Helsens Ja, einein Deutschen hätte sie wohl geholfen, einein Franzosen nie! Mochte er verbluten und sterben·.. aber eine Hand rühren, daß er weiter-lebte, daß einer mehr war von diesen Feinden? Nie! Frau Hannn zitterte von Minute zu Minute mehr. Jn die Kammer tief sie, wo die Kinder schliefen, wo der Großvater immer noch reglos in tei nem Stuhl friß, wo mich das Bild ihres Mannes auf der Kommt-de stand, lächelnd, als iei nicht Krieg draußen, als sei er noch tin-» »Frqnz...« bat sie veriiört... Er antwortete nicht. Sie wußte nichts von ihm». drei Wochen tang. Mußte nicht, ob er hungrig war oder satt, ob er ein Lager hatte zum Aus ruhen oder ob er schon kalt und steif in fremder Erdei i.ag «Frt1nz...« schluchzte die junge Frau anf. Was wnr denn mit einem Male? Was sah sie denn da siir ein Bild ptöhlich... wie hergeweht, wie hergezaubert in dieser Standes Ein heller, geliebter Kopf, indes Ivund in Nacht und Grauen und Einsamkeit, ringsum Feinheiten-d . . «, fremde Erde. » fremde Menschen, zu denen er hinaufstöbnte in seinen Schmerzen, und die es nicht hörten ... nicht hören wollten. «Franz ...« schrie Frau Hanna zum dritten Male. Sie schrie so laut, daß der alte Mann in seinem Sor genstubl aus Schlaf und Schwäche hochfuhr. Selbst die miiden Kinder töpfe regten sich«. »Papa«.» sagte der Junge... halb in Traum... Jm nächsten Augenblick stand Frau Hanna vor dem Vater und hielt sei nen Arm. - «Großvater, um Gotteswillem Großvater, schlafe nur setzt nicht wie der eint Da unten liegt jemand in unserem Gatten . . . verwundet, ver blutend... er stirbt, wenn du jetzt weiterschliifst... Großvater! hilf mir » . ach hilf mir doch . » daß wir ihn ins Haus tragen-« Der alte Mann blinzelte ein paar mal in das verstörte Frauengesichi, dann lief er mit hinunter, so schnell ihn seine alten Beine tragen lonnten. Er sprach nichts, und er fragte nichts, auch die talte Nachtluft piirte er nicht aus die hager-e, alte Brust wehen, die so oft vom Husten durch schüttelt wurde. Er lief der Tochter m den Hof, den Garten nach, stol perte über Strauchwert und Wurzeln und fuhr sich wieder und wieder mit der Hand iiber die Augen, um völlig munter und frisch zu werden. Bis Frau Hanna zitternd stehen blieb und sich irgendwo festhielt, damit sie auf recht stand in dieser Stunde... Der Berwnndete lag jetzt still. Er stöhnte auch nicht mehr. Seine Augen waren gefchlossen, die vorhin ge lrampte hanb war aus der nassen Erde hochgetommen und hielt, wie Schutz suchend,·einen dunklen Gegen stand mit den steifen Fingern unt lrallt, der noch halb in der Brusttas fche des geöffneten Rockes steckte... »Jst... ift... er tot?« stotterie die junge Frau entsetzt. »Ja, er ist tot, Großvater,« schrie sie auf. Der alte Mann beugte sich nieder, hob die Stalllaterne, die er der Toch ter aus den zitternden Händen ge nommen. - »Faß an,« sagte er, »der ist noch Blut... nein-« so geht das nicht« Hanning, Du mußt an den Beinen anfassen.'« Sie gehorchte. Das flackernde Licht der tleinen Laterne verwirrte sie vol lends. . . sie sah lein fremdes Gesicht mehr mit fchwarzen Haaren, keine frindliche Uniform... sie sah nur Blut-» Das sickerte langsam über eine geliebte Brust... färbte helles Haar... rann bis zum Herzen, das plötzlich stehen blieb, und nicht, nicht mehr schlug . . . »Nein," schluchzte sie auf... »lie ber Gott, nein... Franz lebt... er muß ja für uns leben da draußen.« So trug sie den fremden Mann mit dem Vater ins Haus. Langsam, vorsichtig, Schritt für Schritt durch die weichen Gartenwege, über den steinigen Hof . . . und nun die Treppe hinauf bis zu der Stubentür, dahin ter ihr seit zwei Nächten unberührteö Bett neben dem leeren ihres Mannes stand. Der Großvater bliclte schwer ai mend hoch mit seiner schweren, reg losen Last. Er wußte offenbar nicht, ob die Tochter damit einverstanden war-, den fremden, halbtoten Mann durch diese Tür in ihre Schlafkam-; mer zu bringen. Aber sie hatte schon mit dem Eli-: bogen die Tür aufgestaszen. Jrgend etwas trieb sie vorwärts, ließ te er schauernd alles Grauen vor iesem Gesicht vergessen. Sie wußte nur eins ». »was du an diesem hier tust, tun vielleicht andere an dem gelieb ten Mann da draußen...!« Nun lag der Vertvundete auf dem breiten Bett, über das sofort die s tvarzen Erdlrumen bröcketten, die il rall an dem Tuch der Unisorm sestsaßen. Frau hanna sah es nicht. Nicht den Staub und den Schmutz des Körpers von dem der Vater den Rock herabgezogen hatte, um die Wunde zu untersuchen. Der Puls schlug noch, das herz klopfte in ganz trägen, mü den Schlägen, er war noch nicht tot, der sranzösische Soldat, der sich in seinen Schmerzen sliichtend, in den stillen, fremden. deutschen Garten ge schleppt... Frau hanna hatte Wasser geholt, Verbondzeug und Karl-ol. Der akte Vater hatte schon mehr wie einmal Wunden verbunden, das verband er gut. Nun wusch er den Besinnungsloi sen, stillte das immer noch rinnende Blut mit Watte und sprach tetn Iort davon, daß er ein Feind war, dem er diese Samariterdienste tat. Ob er ei schon wieder vergessen hatte, daß er noch vor wenigen Stunden da unten tn dern verschlossenen Kel ler allen Franzosen den Tod Ie wünfchh daß er die Fäuste geballt, mit denen er jedem einzelnen diej Gu el zudriicken wollte, wenn er un ter eine Finger kam?.. Z i an hanna hatte plötzlich nichts mehr zu tun. legWer Vater deckte den Kranken zu, ihm Kompreffen auf die Stirn und horchte weiter an feinem Herzen ebenan schliefen die Kinder in ihren Betten, die Nacht draußen wur de immer dunkler und stiller, und das Bild des fernen Vaters lächelte im mer noch unter dem Glase... Die junge Frau schlich sich lang fam aus der Stube. Der große Auf ruhr in ihrem Herzen hatte sich ge legt« und sie biß die Zähne aufeinan der,; um nicht aufzufchreien in all dem Wirrwarr-, der über sie hereinge brochen. Sie hatte einen Feind im Hause« .sie hatte vielleicht fein Le benkgeretiet, damit er später ein an deres zerstörte» . war das recht ge inni» Auf dem Treppenfenfter ftcmd noch die brennende Stalllaterne, die der Vater da hingestellt. Und dicht vor ihnan der obersten Holzsiufe, lag eiwag Fremdes, Schwarzes«. lag dasfelbe, was der Verwundrte da un ten im Garten mit den Fingern fefti gehalten und dann, als man ihn hinauftrug, wohl unterwegs verloren hatte... Frau Hanna bückte sich jäh und hob es auf. Es war eine Brieftafche aus zerfchrannniecn Leder... Blut flecke darüber, die noch feucht wa ren... Die Finger der jungen Frau zuck ten so, daß die Tasche wieder zu Bo den fiel nnd geöffnet liegen blieb. Al ierlei Papiere flatterten durch die heftige Bewegung ausJ dem Leder, und dicht vor den Frauenfüszen blieb eine Photographie von zwei Kindern liegen, die genau in dein Alter zu sein schienen wie dort drüben die zwei schlafenden Kleinen in ihren Betten. Jin nächsten Augenblick hatte Frau Damm das Bild aufgehoben. Da ftand etwas geschrieben unter dem weisen Karten « ganz ungelenkig, wie der Junge feinem Vater damals, eile Franz in den Krieg mußte, »Gott behüte Dich, lieber Papa« . . auf die gemeinsame Photographie von Frau und Kindern getritzelt, und das sich Franz so zuversichtlich lachend in die feldgraue Unisorm gesteckt. .. »Natürlich wird mich der liebe Gott behüten, Kinder-, wenn Euer Bild bei.mir ist." Das hier war auch ein Kinderbild .auch eine Kinderhandschrift, steif und groß, wenn auch in fremden, französischen Buchstaben Die junge Frau las . buchfta bierte... und sentte den Kopf tief ...immer tiefer über das Gelesene. »Que Dieu te protdge, cher Papa!« Ein Weilchen stand sie noch, un fähig so rasch alles zu begreifen und zu verstehen, was da auf sie ein stürnitr. Dann ging ein tiefer be freiender Atemzug durch ihren Kör per... ein Lächeln kam in ihr star res Gesicht, das erste warm, mütter lich und voll Liebe. So ging sie weiter, klinkte leise die Tür zu der Kammer auf, wo der alte Vater bei dem verwundeten Franzo sen am Bett stand und gerade die ausgestreckte Hand festhielt, die schwach nach seiner gegriffen. »Er lebt,« durchsuhr es Frau hanna frohloctend·.. »er soll auch leben, genau so leben wie unsere deutschen Väter-, für die ihre Kinder zittern und beten." Sie trat an das Bett, sah in weit geöffnete, bittende Augen, sah ein ar mes, von langen Entbehrungen im Felde gezeichnetes Gesicht und hob die Hand mit dein fremden Kinderbiide, mit den fremden Worten: »Que Dien te protdgr. cher Papa.'« Still legte sie das auf die Bett decte, sah, wie zwei roachgg:!be Hände danach griffen·..; hörte ein paar französische titnternatnen beinahe janchzend». und ging still wieder hinanz... hinein zu ihren eigenen Kindern nnd zu dein lächelnden Bilde ihres Mannes. Dort sank sie in die Knie. »Franz ..« schluchzte sie unter Weinen nnd Lachen« »du wirst leben wie dieser Vater, den ich feinen Kin dern erhalten habe, so Gott es will.« Stumm lächelte das Bild weiter-. ftolz und zur-ersichtlich wie alle deut fchen Krieger lächeln... sie beiden Gefangenen. Sitzze vcn Crdmann Graescr. Beim Transnort durch lnie Stadt nach dem Gefangenenlager fielen diese beiden Rassen sofort anf. Sie kamen übrigens zu verschiedenen Zei ten: Jurij Ssemanow war bereits Hi Tage da, all man Andrei Tschers Iotv ärachtr. Während die anderen Gefangenen in iyrem tlobigen Schuhwert iiber das Kastnkopspslaster des Markt platzes dahinstapften, alle von glei cher Größe und mit denselben start inochigen Gesichtern, die sich rechts nnd links wandten in stumpfsinniger Neugier, hatten uiese beiden vor sich hingeschm, als .itten sie unter den Blicken der Leute-. Sie fühlten, daß sie besondere Aufmerksamkeit erreg ten durch ihre schlanke Gestalt, die hohen Stiefel, den ganzen Eindruck ihrer Erscheinung. Man hatte wenig Umstände mit ihnen im Lager, sie lärmten und san gen nicht wie die anderen, hielten sich gern abseits —- vor allem beim Essen —, liebten die Einsamkeit. Dann, als die erste Vorsriihlings seit tam, fügte es der Zufall, daß sie derselben Arbeitslolonne zugeteilt wurden. Sie beobachteten sich ein paar Tage verstohlen, sogar voll heimlichen Mißtriiuene, schließlich sprachen sie ein paar Worte miteinan der, schienen sich zu ge,«allen und nun froh zu sein, daß sie unter den anne ren nicht mehr ganz so einsam waren. Eines Abends — der letzte Schnee war jetzt geschmolzen, die Felder dampsten morgens-, und in der Däm merung und in der grauen Lust klan gen schon manchmal fremde Vogel stimmen —- sprachen sie von der Hei mat, zum ersten Mal. Andrei Tschernocv war »in-S Mos kau, Ssemanoro stamnite aus Peters burg. Der Krieg schien beiden geles gen gekommen zu sein« hatte sie ris senbar ans Verhältnissen befreit, die ihnen schon lange unerträglich ge wesen sein mußten· Draußen aus den Feldern, ivo sie arbeiteten, stand eine alte, morsche Weide — dort ivar ihr Platz iii den Feierstunden . »So ist mein Herz« — sagte Sse manow plötzlich, als sie heute, am Sonntag, zusamniensaßen, und klopfte ans den geborstencnStamm, der innen hohl und «veetohlt war »Meins ist auch vorn Blitz ge trossen,« erwiderte Tschernoiv. Dann sahen sie beide ins Gezweig schinimerndes Griiii nnd Blüten iätzchem zwischen denen schon eine Biene summte. »Sprich, Bruder- erzähle,« sagte Ssenianow, als er sah, dasz dem andern die Augen feucht wurden. »Es gibt nichts zu erzählen...« Aber plötzlich umtlammerte Tscheri now den Stamm, preszte sein Gesicht nn die morsche Rinde und schluchzte. Sseiiianoiv schwieg, wartete erge ben ab, bis Tschernoiv ruhiger wur de. Vom nahen Städtchen her trug der Wind die Klänge einer Zieh harmonita herüber — sehnsüchtige Töne, deren Wehmut hier draußen in der Stille der Felder noch stärter tiihlbar wurde. »Jst’s die Heimat, Andtei?« Tschernoiv schüttelte den Kopf. »Was soll ich dorti« »Und was soll ich dart!« sagte auch Sseinanoiv. »Mein Gliiei ist tot!« »Keine Kugel wollte mich tressen·« »Und hätte ich sie mit der Brust ausgesungen, sie wären abgeprallt,« sagte Ssemaiioiv und spie aus. Seine Hand hatte in dek lockeren, schwarzen tssrde eine-:- stifebenMauk iriurseihiigelf sen-Ihn —- ietzt starr te er sie alt, .il-3 sit-e er etwas. Freude-L lief-. sie sinken and sciiszszF »Wie Aliidiich will- ixii -—« Lillbkki Tschernoio sprach halblaut vor sich hin — ,,Nastas3ja hatte inir zwei Kinder geschenkt —- eiiien Jungen und ein Mädchen —- sie liebten mich sehr -—« »Und sind gestorben?« fragte Ese monoto « »Sie leben — »Und sie —— Deine Nastaskj a?« sorschte der andere wieder. Tschernotv aber beachtete die Frage nicht« »Unser Haus tvar stets voller Gäste,« sagte er, ,,sie kamen und gingen und sprachen in Ehrer bietung von antaßja, die ich aus Liebe geheiratet Sie war die Toch ter eines Generals —- streng erzo gen —, wagte lanm die Augen aus zuschlagem als ich um sie tvarb. Sie blieb mädchenhast, selbst als die beiden Kinder gekommen waren —« »Was schwärmst Du,Bruder, was ist mit ihr?« fragte Ssemnnow un geduldig. »Leo Wetlugin schickte ihr ost Blumen.« »Wer tvnr das?« »Ein reicher Gutsbesitzer, der in Moskau lebte. Er liebte den Wem — und die Pferde — und die Frau en. Hätte ich ahnen können —« Tschernows Stimme brach wieder. »Nun also, Bruderherz, sie ist Dir . untreu geworden mit diesem Schust von Gutsbesitzer —- tröste Dich,Du bist nicht der erste, dem das ge schiebt!« «...Dätte ich ahnen tönnen,« wiederholte Tschetnow, ohne den Kameraden zu beachten. ,,Jn der Trunkenheit verriet er sich selbst, spielte den Großmütigen. »Und wenn Sie’s nicht glauben," schrie er, »fragen Sie Nastaßja, von wem das Tänbehen den Diamantring be kommen hat.« »Und hast Du sie gestagt2« »Sie gestand sofort —- —" »Nun —- und was weiter-i« »Und als ich ihr verzeihen wollte und sagte: »Mit Rücksicht auf das Glück der Kinder —«, da sah sie mir kalt ins Gesicht und lachte.'« »Ja — so sind sie — diese Hol den — diese Feinen — diese zarten Engel, —- mit den roten Lippen nnd dem weißgepuderten Näschen. Hast Du ihr die Kehle zitgedriickt?« »Sie hat mich verlassen — mit den Kindern — ist zu Leo Wetlus gin gegangen. Jch habe sie ziehen lassen, denn ich wollte ihrem Glück nicht im Wege stehen!« »Hahaha! Du bist ein Rechtgläu biger, Bruderherz, ich merke schon, alle Schuld war bei Dir, Du hat test das Teufelchen ernachlässigt!« Tschernow schwieg, chien zu be reuen, daß er sein Geheimnis ver raten, und nagte an der Unterlippe. Ssemanow sah, daß er den Ka meraden verstimmt, reckte seine mächtigen Glieder nnd sann nach. »Da war —,'« sagte er, und seine Stimme llang widerwillig, als är xsere es ihm, nun auch etwas er zählen zu müssen —- ,,da war in Petersburg eine, die allen die Köpfe verdrehte. Gott weiß, aus welchem Gouvernement sie gekommen war. Sie nannte sich Linn Fotin, war leich, und es galt als besondere Eh re, mit ihr im Schlitten zu den Zi geunern zu fahren. Jch hätte mich wohl nicht um sie »geliinimeet, wenn sie es nicht getan —« »Schweig’, Bruderherz, das ver stehst Du nicht! Wenn so eine schö ne Frau tommt und bittct und wie ein treues Hündchen wird —, ich ließ es mir gefallen. Einmal,dacht’ ich, ist es ja doch zu Ende. Und so war es auch, aber da verdroß es mich. Jch liebte sie also doch, hatte es nur nicht gewußt und wollte es ihr auch nicht zeigen; und als ich Gewißheit bekam, daß es noch einen anderen für sie gab, da konnte ich sie nicht mehr entbehren und schwieg Das ging so einen ganzen langen Petergäuxger Winter durch —- und man hatte schon wieder aufgehört, mich mit meiner Liebschaft zu necken, nannte inich nur noch den »Philoso heii«'. »Ich habe sie alle enttäuscht,« sag te Ssemanoiv, als er ein Weilchen nachgesonnen, »denn da tam dann ein Abend, der über Lisas Schicksal entschied.« Tschernow sah ihn an, ohne zu verstehen. »So begreif doch, ihr Schicksal entschied sich —- im Konzertsaal bei ten Zigeunern, schoß ich ihr eine Nevolverlngel durch die Schläfe.« »Ja —- aber warum denn?« schrie Tschernolo aufspringend, »Du wuß test doch sochn lange, daß sie Dich betrog —- ioenn Du es gleich getan « l;ättest!« »Das hat man mich nachher auch Vor Gericht gefragt. Und als ich ten Grund angab, hat man mit nicht geglaubt — nnd dcch war es so « ,,Wlls?« »Als sie da durch den Saalging, das rote Seidentleid hinter ihr her lchleppte, war ihre Schönheit mir koiderwärtig Sie glich einer Schlange einem bösen, giftigen Ge schöpf, bestimmt, noch viele nach mir unglücklich zu machen.« »Und Deine Strafe?" »Ich hatte sie fast berbüßt, als «er Krieg ausbrach, wurde ich be qnadigt.« Noch immer klangen drüben, vom Ztädtchen, die Töne der Harmo nita heriiber, und die beiden lausch ten jetzt stumm, sahen sich nur zw rrieilen forschend an. »Aber — warum leidesi Du jetzt ioch2« fragte Tschernoiv dann. »Weil ich Lisa Fokin — dieses Tenfelchen — nicht vergessen kann. Die Liebe frißt in meinem Herzen vie ein Wurm und höblt es aus!« Nachdenilich kehrten sie beide ins Lager zurück. Ein paar Tage später kramte Isemanow unter seinen Sachen, sand eine Photographie, starrte sie ange an, seuszte und wandte sich in Tschernow, der am Fenster saß ,,Das war sie,« sagte er. Tschernow griff nach dem Bild —- aber plötzlich weiteten sich seine nagen vor Entsetzen,und dann stieß er einen Schrei aus, der alle er "chreckte: er hatte Nastaßja —- sein Weib, erkannt. Seitdem sprach er nicht mehr, rachtg aber hörte man ihn stöhnen md weinen.