Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 07, 1916, Sonntagsblatt, Image 11

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Schmutze Perlen.J
striminolrotnnn von sssust Sein
(9. Jortsehungd
»Es band-I- M. nie mir eingeden
iei wurde. km eiti Geldgeschiift, um
ein Winkel-P
J a Ich glaube, baß Sie iiber
den Zweck meines Besuches bereits
vollständig im klaren sind?«
»Ja, meine Guädigr. Aber heut
zutage ist es so zjfwer. Geschäfte zu
machen. Do- Lelnsn ist teuer ge
worden und jeden ?'«.acnblicl verliert
man ges-se PrsiieiIK
»Bei mir werben Sie nichts verlie
- ren. Unds Lsr Schaden wird es ge
wiß mich nicht sein!'·
.,:ll si wekme Stimme handelt es sich
de.ikt?" st- .g»k, - s·.llsc1f·ein
»Ich brauche so fünfzig- bis fech
zigtausenb Kronen-«
Der Alte schlug bie Hände über den
Kopf zusammen.
»Fünfzig bis sechzigtauiend Kro
nen? Und bn kommen Sie zu mir?
Ja, glauben Sie, ich bin ein Millio
Initi«
»Ich bitte«, wandte Mnty ein,
«iomrnen wir zur Sache, die Zeit
drängt! Jch brauche diese Summe
und biete Jhnen dafür als Garan
tie —-"
In vletem Augenblick wurde nn die
Tür genopr Der Alte stand ärger
lich aus« Er öffnete die Tür nur
bis aus einen kleinen Spalt und
iauschte sliisternd einige Worte aug.
Mary verstand nichts davon.
Nach einer Weile tarn Silberstein
wieder zurück und sagte: «Gnädige
Frau, ich bitte, ich habe jetzt eine dein
gende Besoegung. Minuten Sie mir
nicht einstweilen alle-s hier lassen?
Schließlich muß ich jn auch alles ge
nau prüfen, bevo: Ich einen Entschluß
fasse. Sie können mir vollständig
rerirauei:!'«
Die Baronin schien unentschlossen
und dachte einen Augenblick nach
Sehe vertrauenswürdig schien ihr der
Alte nicht zu sei-i.
.herr Ciiieislcin«. sagte sie dann
endlich, «oieklei-t.t neeeii fachen toir die
Sache und Sie long-neu morgen vor
niiitno zn Intr.«'
»Bitte schein, meine Gnädige, das
kann gescheit-n. Wohin darf ich tonl
men?"
»He-M Nordpol, Praterstraße.«
« immetnumtner, bitte?«'
» ch habe es vergessen. Fratzen
Sie nur nach Find v. Sellheim. Jch
werde schon Auftrag geben, daß man
Sie zu mir Filhn Jch bitte Sie
aber, die Satze to einzurichten, daß
wir morgen zu e·nem definitiven Ab
schluß gelangen tönnen. Jch miißte
mich sonst an jemand anders wenden,
der die Sache prsnnptes ei"edigt.«
Dame eerrtg sixts Mart und wollte
zur Tiir Schein uieti tie sie einge
treten los-r Sttdcrsuin öffnue ihr
aber rast- eine andere Stir.
,,Nein, nicht lneat Gehen Sie da
hinaus-F
Ossenbsiz tVrltte er es vermeiden,
daß Marh m:: jener Person zusam
menstoße, deren Besuch soeben geknet
det worden wa-»
Marh wurde durch zwei halbfin
stete Zimmer geleitet und stand dann
vor jenem Ausgang, an dem sie ur
sprünglich gestopft hatte.
fSilberftein verbeugte sich wieder
tie . .
So rasch ais möglich eilte Mart)
die fchliipfrigen Stufen hinab. Als
sie wieder auf der Straße stand, at
mete sie tief aus« Die ganze Atmos
psäre dieses Hauses tastete noch auf
r t.
Während der Kutscher den Pferden
die faferbeutel abband und die Kot
zen altete, bemertte Marks, die fich,
um nicht gesehen zu werden« in den
Wagenfond zurückgetehnt hatte, einen
Mann, der von der gegeniiberliegeni
den Seite des Trottoirs zu ihr her
til-ersah.
Konnte er sie vielleicht? Oder gal
ten dir Blicke dem Eingang jenes
hause-, das sie eben verlasseni
» Die Pferde zogen an.
Als der Wagen an jene Stelle ge
langte, auf der der Beobachter ftand,
beugte sich Marh noch tiefer in den
Fond zuriiet und hielt ihr Taschen
uch vor das Gesicht. Zu ihrer nicht
Heringen Verwunderung hatte sie den
genten Brandtner ertannt.
Was wollte der hier bei diesem
Hauses War er ihren Spuren gefolgt?
Sie schrak zurück. Ja, weshale
Warum denni Warum sollte ihr die
Polizei Agenten n hsehickeni
Ach Unsinn! uhigte sie sich selbst,
daran war doch gar nicht zu denten.
Oder stand der Mensch vielleicht im
Dienste Waldendi Sollte Leo eifer
sitchtig sein und ihr nachspionieren
lassent
Aber nein! So etwas würde Leo
nie tunt Wenn er meinte, Grund zur
Eifersucht u haben, so würde er sie
offen und reimiitig fragen.
Der Wagen sauste fchtvirrend durch
das enge Gassengewirr.
Marh lehnte sich aufsrufzend in den
Wagen zurück und blickte auf die
Straße hinaus. .
Ein banges Gefühl hatte sieh läh
mend auf ihr herz gelegt. Unbe
ftimtnte Furcht erfüllte sie. Mit allen;
Eernunftgriinden war sie nicht ims!
ande, das Angftgefiiht zu dannen«
ch, wenn das nur alles scho- vor-»
i— 4
iiber wäre. . « Wenn sie nur endlich
Sicherheit« Ruhe und Glück fände.
Jn ganz anderer Weise empfing
Silberstein den Mann, der ihm wäh
rend der Anwesenheit der Baronin
gemeldet worden war. Er nickte bloß
flüchtig, als dieser mit untertäniaem
Gruß eintrat, setzte sich zum Schreib
tisch und fragte turz angebunden
«Was bringen SM«
Der junge Mann — es war Hans
Zöllner — griff in die Tasche und
legte dem Alten ein tleineg Palet hin.
»Ich hätt’ da was«, sagte er. »ich
möcht’s gern verlaufen, wenn S’ gut
zahl’n!«
Silberstein antwortete nicht. Er
durchschnitt mit einer großen Schere
den Spagat und fragte, bevor er das
Papier auffchlug: »Was ist es?«
»A Schmuck«.
Der Alte nickte. Nun ja, Schmuck
konnte er brauchen. Das war noch
immer das beste und sichesrste Geschäft
Edelsteine ließen sich leicht umfassen,
Goldschmiedearbeit konnte leicht einge
fchmolzen werden« und die Verbin
dung mit dem Orient hatte er ja,
um Wertgegenstände in den verschiede
nen Haremä anzubringen.
Silberfiein schlug das Papier aus
einander· Seine Augen wurden groß,
als er die Perlenreihen fah, die in
dunkler Pracht nor ihm lagen. Er
fchob feine Brille zurecht und rückte
den Stuhl näher an den Schreibiifch
heran, griff nach einer Lupe, nach
einem Fläschchen und nach einer klei
nen Porzellanplaite und beugte sich
dann über die schwarzen Perlen, Er
ließ sie erft durch die Finger gleiten,
lief; sie im Lichte spielen, nahm an
der Fassung verschiedene Aetzproben
vor und fragte dann, ohne in der Ar
beit innezuhaltem
»Was foll’n f’ denn iofien?«
»Wir wetd’n schon einig weri’n!«
»Das ist leine Antwort. Sie müs
sen doch wissen. wieviel Sie dafür ha
oen wollen«-«
»seffac«, dög weiß i halt usi. Dös
miiasien Sil- beffer verfieh'n· Sag’n
S' in’r hal- wag S’ dafür geb’n
iooll’n.«
Der Alte fuhr in feiner Prüfung
fort.
Ab, so alfo ftand die Sache: Der
Bursch wußte fellzfl nicht, welchen
Wert die Perlen hatten! Nun wußte
er, womit er zu rechnen hatte.
Sillserfiein war init der Prüfung
des Schmucles zu Ende. Er lehnte
sich in den Stuhl zurück und fagie zu
Hans-:
»Ich lann Jhnen ietzt noch gar
nichts- iagem Wenn die Perlen echi
find ——«
»Es san echt!« unterbrach ihn
Haus« »Da lönnen S’ Jhna ver
lassen, dög wafz i ganz bestimmt!'« i
»Das werden wir ja sehen! Wenn
die Perlen echt sind«, setzte Silber
slein fort, »dann trird es wohl hübsch
wa- tragen Vor allem muß ich das
Stück von einem Schätzmeifler unter-«
lachen lassen«.
»Ich bitt’ Sie, Sö kennen ana
do a aus! Was brauchen S denn
da erft an Fremden dazua?« drängte
Hans-.
»Meine Augen sind alt. Und das«
ist ein besseres Stück. Wenn Sie
mir’5 nicht einen Tag dalafsen wol
len. nehmen SieÄe wieder mitl«
Hans machte eine Bewegung, als«
wolle er etwas erwidern, Silberstein
liest ibn aber nicht zu Worte kom
men.
»Ohne Sachverständigenpriifung
lann ich so einen Schmuck nicht tau
fen!« erklärte er in bestimmtem
Tone.
Hans lraute sich hinter den Oh
ren.
»Ja, wissen S’, dös is a eigene
Sach’. Alsdann bis morgen soll i
warten?«
Der Bursch rang sichtlich mit einem
Entschluß. Schließlich sagte er:
»So, Herr Silberstein, a Quartier
tönnten S mir nöt bis morgen ge
den«-«
Der alte Hebln blickte Hans pru
fend an. Ab, so stand es! Seine
ursprüngliche Vermutung war also
richtig gewesen! Er mußte sich mit
dem Burschen verhalten. Die Blicke
Silberfteins sanlen wieder auf die
Perlen. Der Schmuck, den er jetzt in
seiner Hand hielt, war ja unter Bril
dern Tausende von Gulden wert
Unter diesen Umständen konnte er ihn
billig bekommen und enorm daran
verdienen
Silberstein erfaßte sofort die
Situation und versperrte die Tür.
Dann trat er ganz nahe zu Hans und
fragte mit leiser Stimme: Zieht
sag’n S’ die Wahrheit! Jst Ihnen
die Polizei schon aus der Spuri«
»Dös nöt, aber wissen S’, ich
möcht' mi nöt umtreiben in Wien. J
hab’ z' viel Bekannte und die Sach'
wird an Wirbel machen«.
Silberfteln überlegte. Es war nicht
das erstemal, daß er ein derartiges
Geschäft durchsiibrtr.
»Bis morgen mittag können Sie
hier bleiben«, sagte er zu hand. »Aber
ich fag’ Ihnen gleich, wenns rnit der
Polizei einen Skandal gibt, dann will
ich nichts damit zu tun haben. Korn
men Stel«
Der Alte öffnete eine Tür und
wintte Hans, ihm zu folgen. Sie
tngen durch drei Zimmer und traten
m ein Kabinett, von dem eine eiserne
Wendeltreppe ins Erdgeschoß führte.
So gelangten sie in ein Kontor, dessen
Tiir gefchloffen war. Stimmenge
wire fchlug an ihr Obr. Sie befan
den sich in der Pfandleihansinlt, die «
Silberftein nebenbei betrieb. Ders
Alte öffnete eine Topetentür nnd
Hans folgte ihm in eine Art Maga
zin, das mit allerlei Gegenständen
oollbehiingt war. Zwei folcher Miit-I
me vurchfchritt er, drang dnnn in ei-1
nen Keller ein, aus dein ein langer
Gang zu einer eisernen Tür führte
Silberftein öffnete sie vorsichtig
Hans bemerkte, daß sie ins Freie
iübrtr. l
«Kornknen S’ mit!« forderte erf
Hans auf. Silberftein führte hanc-»
iiber einen Hof zu einer kleinen Tür,
durch die sie in einen Garten gelang-.
ten. Bald darauf hielten fie vor eiq
nein großen Tor, das berfchlossen
war-. Silberftein klopfte nn. Ein
Mann erschien und zog achtungsvoll
den Dut.
»Sie, Lechner. der Herr da bleibt
bis morgen mittag hier. Er braucht
ein ruhiges Zimmer und darf nicht
gestört werden. Von niemand!" bei
tonte Silberftein. »Verftehen Sie
mithi«
» ch versteh’.«
Lechner winkte Hans. Nach unge
fähr zehn Minuten kehrte er zurück·
»Alles in Ordnung?« sragte Sit
berstein
»Alleö in Ordnung t«
»Jetzt passen S’ aus«, sagte Sil
berstein. »Der Herr ist ein Geschäfts
sreund, verstehen Sie? Es ist mög
lich, daß sich jemand nach ihm erkun
digt. Jn diesem Falle wissen Sie
nichts von ihm.« ·
Lechner nickte bloß.
»Wenn eine Hausburchsuchung
stattfinden sollte, so sorgen Sie da
sür, daß er rasch ins Freie geiangt.«
»Wann’5 nötig is, wirW g’sche
h’n!« antwortete Lechner. »Sie wis
sen ja, gnädiger Herr, wie gut das
Zimmer Nummer 15 liegt«.
Silberstein nickte abermals und
trat durch ein zwei-es Tor aus die
Straße
Als et an die Ecke gelangte, sah er
einen jungen Menschen, der eifrig mit
einem Wachmann sprach und wieder
holt aus sein Haus hindeutetr.
Sitberstein schritt langsam seinem
hause zu. Als er beim Haustor an
langte, wurde er angerufen:
»Verzeihen Sie, Herr Sitberstein,
aus ein Wort! Jch heiße Brandtner
und bin Polizeiagent«.
»Ah. von der Polizei sind Sie?
Und mit mir wollen Sie sprechen?
Bitte, kommen Sie zu mir hinauft«
forderte der Alte den Agenten liebens
würdigaus
Moritz Siroernein war reiner von
denen, die ein Polizeiagent verblüffen
tonnte.
Er bewahrte die Miene des braven
Bürgers, lud mit einer höflichen
Handbewegung den Agenten ein, vor
anzugehen, und rief ihm, indem er
ihm folgte, nach: »Bitte, die erste
Treppe lintS!«
Der Agent antwortete nicht nnd
wandte sich nach links. Es war ihm
nicht darum zu tun, sich in ein Ge
spriich mit dem Wuchercr einzulassen.
Im Gegenteil, er hatte die Absicht,
rein dienstlich und möglichst scharf
vor-zugehen.
»Womit tann ich dienen, Herr
Kominissiir?« fragte der Wucherer in
der Wohnung.
»Ich bin nicht Kontinissär«, ant
wartete Brandtner, ,,sondern Agent,
mein Name ist Brandtner«.
«,Lllso, bitte, womit tann ich dienen,
Herr Brandtiier?«
»Haben Sie heute vormittag Be
suche empfangen?« fragte der Agnu
»Ja, mehrere«.
»Wen?«
»Entschuldigen Sie«, antwortete
Silberstein, »aber das tann ich Ihnen
nicht sagen«.
»Das heißt, Sie wollen es mir
nicht sagen!«
»Nein, das gerade nicht. Wenn ich
auch bei meinen Geschäften zu einer
gewissen Verschwiegenheit verpflichtet
bin. Sie wissen, Herr Brandtner, daß
die Leihanstalt mir gehört, und da
kommen sehr viele Leute zu mir.
Auch solche, die hochtlingende Namen
tragen. Natürlich in der Voraus
setzung, daß ich verschwiegen bin«.
»Ein solcher Fall wird sich wohl
heute nicht ereignet haben!« bemerkte
der Agent.
»Nun, vielleicht doch!« antwortete
Silberstein lächelnd.
«hören Sie«, sagte Brandtner,
»erschweren Sie mir nicht die Arbeit
und zwingen Sie mich nicht zu Maß
nahmen. die Ihnen vielleicht unange-»
nehm werden tönntent« i
»Ich wüßte nicht, wie mir die Po
lizei unangenehm werden könnte. Jch
bin mir keiner Schuld bewußtt« ant
wortete der alte Mann ruhig. »Uebri
gens, sagen Sie mir doch, was Sie
eigentlich wollen«-«
»hat Sie heute vormittag ein sun
ger Mann namens Zöllner besuchti«
Silberstein zuckte mit den Achseln.
»Junge Leute waren mehrere hier.
Nach den Namen meiner Besucher
frage ich grundsätzlich nicht«.
»Vielleicht können Sie sich an ihn
erinnern, wenn ich Jhnen die Per
sonöbeschreibung gebe«, sagte Brandt
ner. »Er ist groß, schmächtig, at
ein ziemlich oerlebtes Gesicht, sch t
tere blonde haare, einen blonden
Schnurrbart —« i
»Nein, ein Mann, der so aus ah,
war nicht bei miet« unterbrach il
berpein den Agenten. —
»
»Mertwiirdig! Der Wachmanm
der hier in der Straße patrouilltett,
sah einen Menschen, auf den diese
Personsbeschreibung vollständig paßt
ins Haus treten«.
»Schon möglich, Herr Brandtnet,
ich bin ja nicht die einzige Partei.«
»Er bog aber links zu Ihrer Stiege
(1b«.
»Auch das ist denkbar«, erllörte der
Geschäftsmann, »aber Sie vergessen,
daß sich aus dieser Seite auch der
tückwärtige Eingang zur Psandleih
anstalt befindet. Er kann ja ebenso
gut dahin gegangen sein".
Ein Pfisf wurde auf der Straße
laut. Der Agent stand aus und trat
zum Fenster.
Silberstein hatte keinen Blick von
ihm gewendet. Nur ein spöttisches
Lächeln legte sich unt seine dünnen
Lippen.
»Sie haben wohl Sullurs erhal
uns«
»Ja«, antwortete Brandlner trot
len.
»Und woqu
:Weil ich das Haus durchsuchen
lassen will!«
Yerzeihen Sie, Herr Branotner.
weshalb denn eigentlich?«
»Ich suche jenen Mann, der nach
Angabe des Wachmannes in Jhr
Haus getreten ist und es bisher nicht
verlassen hat«.
Der Ageni war zu Silbersteins
Schreibtisch zurückgekehrt.
Plötzlich blieb er wie festgebannt
stehen. Seine Augen starrten auf ein
Blatt Papier, das auf dem Schreib
tisch Silbersteins lag.
Darauf stand mit zitternder Hand
schrift geschrieben: »Frau v. Seil
heiin, Hotel Ratt-pol, 11 Uhr vor
mittags —- Perlenfchmuck«.
«Eine Frage noch,- Herr Silber
stein. Sind Ihnen heute vormittag
nicht Perlen zum Kaufe angeboien
ivorden"t«
Der Alte blickte überrascht auf.
»Ja«.
»und haben Sie sie gelausi?«
»Eh — nein. Es toar ein wert
voues Halgbano Jch wünschte es zur
Prüfung hier zu behalten, da ich mich
bei derlei Geschäften auf meine alten
TAugen nicht verlasse. Da die betref
Ffenbe Person aber eine Prüfung nicht
labwarten wollte, so zerschlug sich das
Geschöft«.
-Der Ageni überlegte einen Augen
blick.
»Warcn es schwarze Perlen, die
iJhnen angeboten wurden?«
J »Ja, es waren ountelgraue Per
len, vie im Juwelcnhandel so bezeich
net twerdenc
,,und von wem wurden ne Zonen
angeboten -«
’«Verzeil)en Sie, Herr Brandtner,
ich sagte Ihnen schon, ich frage nicht
nach den Namen meiner Besuchen
Und wenn ich sie auch weiß, so nenne
ich sie nicht«.
Der Agent sah ein, daß er ans dem
Alten nichts heransbetonnnen tönne.
»Ja«, sagte er, »wenn Sie tnir
teine Augtiinste geben wollen —«
,,Geben können, bitte!«
»Also, geben tönnen, dann bleibt
mir nichts anderes iibrig, alr- mir
selbst zu helfen.«
»Bitte, tun Sie, Ida-: Sie nicht«-nn
terlassen tdnnenl Ich habe teinen
Grund, cine Hangonrchsnchnng zu
surchien.«
Mit diesen Worten begleitete Sil
berstein Brandtner znr Tür.
Brandtner rief die Kollegen, die
oor dem Hangtor Posto gefaßt hatten,
durchsuchte die Wohnung, das ganze
Haus, die Höfe, alle Rebenriinnie,
ohne eine Spur von dem Besucher zu
finden.
«Also wieder nichts!« sagte Doktor
Wurmser.
»Nichts, Herr Kommissar-, toir ha
ben getan, wac- tvir tnn tonnten'«.
»Wo haben Sie seine Spur verlo
ren?«
»Ich bin in der Früh hinein ins
Sicherheitsbnream nne der Herr Kom
missar mir aufgetragen haben, und
dort ist mir gesagt worden, daß alle
Psandleihanstalten nnd Juioeliere
avisiert sind nnd daß an die gewis
sen berdächtigen Zwichenhändler
übern-acht tverden«.
»Und —«, fragte Dr. Wurmser,
»was taten Sie daranfhin?«
»Ich hab’ mir die Adressen von den
hehlern geben lassen und bin auf
gut Glück von einein zum anderen
g’fahren. Na, nnd in der Damm
straßen, da hat Inir richtig der Poli-l
zeimann erziihlt, daß ein Mann, aus
den die Persongbeschreibnng genau
paßt, ins Hang von einem gewissen
Silberstein ’gangen ig. Ratirli war
i glei hinterher, aber es war um
sonsti«
Der Kommissar stampfte mit dem
Euße auf dem Boden auf. »Zum
eusel hineini Der Mensch muß
doch irgendwo bingeraten sein. Ein
Mensch verschwindet doch nicht wie
eine Stettnadel·«
«Nur etwas, Herr Kommissär, ist
mir anfg’fallen. Bei dem Silberstein
an dem Tisch is ein Zettel g’legen,
au dem aufg’schrieben war: Frau
v. Sellheim, Hotel Nordpol, 11 Uhr
vormittags, Perlenschmnck. Vielleicht
steht das in irgendeinetn Zusammen
bang«.
»Wie kommen Sie auf die Vermu
tang«
« er Polizeimann hat mir erzählt,
»daß eine sehr elegante Dame im Fia
ter vorg’sahren und nach einer halben
Stund’ erst vom Silberstein wieder
heruntergetommen ist«, meldete
Brandtner.
»Das muß doch nicht grad die färau
v.« Sellheim gewesen sein?« äu erte
hierauf Doktor Wurmset.
»Ich glaub’ schon«.
Der Kommissar wurde aufmerksam.
»Haben Sie Anhaltspunkte dafür?«
fragte er den Agenten.
»Aus dem Blatt war mit ganz
frischer Tinte g'schrieben«, berichtete
der Agent. »Folglich kann die Notiz
net alt g’wesen sein. Der Zettel is
auch so ossen dagelegen, als wär« er
grad g’schrieben worden. Eine ältere
Notiz hätte der Silberstein unter
einen Schwerstein oder dergleichen ge
legt, mein’ ich«.
Der Polizeitommissär nicktr.
»Ich war sofort im Hotel Nord
pol«', fuhr Brandtner fort, »und hab’
erfahren, daß eine Dame mit dem
Fiater Nummer 314 beim Hotel vor
g’fahren ist —- drrselbe Fiater trat
auch beim Silberstein —- und ein
Zimmer bestellt hat. Sie hat g’sagt,
daß sie erst morgen vormittag nach
Wien kommen wird, und hat denf
Auftrag ’geben, wenn ein alter Mann
nach Frau v. Seuheim fragen sollte,
dafz er zu ihr g’führt werden foll".
Doktor Wurmfer nickte. »Viel
leicht haben Sie recht,« fagte er.
Jedenfalls können wir diese Spur
aufnehmen. Ob mit Erfolg, wird
die Zukunft lehren. Eii..-. verstehe
ich nicht« War- hat Sie auf den
Gedanken gebracht, daß eö fich ge
rade um die fchtvarzen Perten han
delt?«
»Das weiß i freilich net. J hab«
auch nur g’1neint, toeitg mir aufng
fallen is. »Perlcnfchmuct« is auf
dem Zettel gftanden, fo hab i mir-!
hatt dentt, daß vielleicht doch etwas
dran fein könnt« (
Doktor Wurtnfer setzte sich an
den Tisch und faßte einen Bericht
ab
»Fahren Sie mit dem Brief fo
fort nach Wien hinein zum Herrn
Regierungsrat Wurz. Laffen Sie
sich aber zu ihm fuhren und geben
Sie den Bericht persönlich ab.«
Doktor Wurmfer begab sich in
den Speifefaal, wo eben das Effen
aufgetragen wurde.
Baron Walde-n hatte sich von fei
nem Sturze erholt. Er toar ausge
räunit und luftig. i
Dazu hatte er auch allen Grund.
Vor zwei Stunden war ein Kanz
teibeamter des Doktors Hoffmann
bei ihm erschienen und hatte ihm
jene Summe überbracht, die er zur
Deckung feiner Wettschulden brauch
te.
Weiter dachte er im Augenblick
gar nicht. Die nächste Gefahr war
beseitigt, das Leben schien ihm wie
der lebensweri. Nun, da ihm die
Möglichkeit geboten war, die Ehren
schulden zu bezahlen, machte er sich
über die Zukunft teine weiteren
Sorgen.
Die Baronin jedoch saß unge
wöhnlich still an der Spitze der Ta
fel und blickte ernst vor sich hin
»Nun, wie fteht’g?« frage Baron
Rabenstein, als der Kommissar sieh
an dem Tisch niedergelassen hatte.
»Gar nicht!" antwortete Wurm
ser und überflog mit raschem Blick
die Gesellschaft
,,Wieso?«
»Wir sind nicht weiter, als wir
bisher waren.«
»Ihr Nefse ist wohl ausgerü
ten?« fragte er nach einer Weile.
»Ja. ich glaube, er hat zu tun.
Jn aller Früh ist er schon fort!«
antwortete Baron Rodenstein.
Während des Essens erhielt
Wurmser eine Depesche von der
vorgesetzten Behorde aus Baden.
Das Diensttelegramm hatte folgen
den Wortlaut:
»Me1den Sie sich morgen früh
halb neun Uhr wegen schwarzer
Perlen bei Polizeirat Wurz«
Der Kommissar saltete das Tele
gramm und steckte es in die Tasche.
Marhs Blicke hingen an den Mie
nen des Kommissar-L Diesem ent
ging die Erregung der Frau nicht.
»Ein Diensttelegramm, ich be
dauere!« sagte er, um sich gewisser
maßen zu entschuldigen, daß er die
offenkundige Neugierde nicht befrie
digte.
Marh hätte zwar um ihr Leben
gern erfahren, um was es sich han
delte, aber sie fürchtete, durch Fra
gen in dem Polizeikommissar einen
Argwohn zu erwecken, den sie unter
keinen Umständen aufkommen lassen
wollte...
T» X1V.
X
Regierungsrat Wurz, der Chef
des Sicherheitsbureaus, blickte etwai
unwillig von den Alten auf, als sieh
die Tür leise öffnete und ein Agent
eintrat.
»Ich bitte, Herr Regierungs-roh
der Herr Kommissar Doktor Wurm
ser ist hieri«
»Lassen Sie ihn eintreten!«
Regierungsrat Wurz, ein Mann:
in den besten Jahren, ein Kriminai
list von großem Ansehen und ge
fürchtet in der Wiener Gaunerwelt.
stand auf und reichte Doktor Wurm-»
ser, der sich vor ihm verbeugte,;
freundlich die Hand. «
,,Guten Morgen, Herr Kollegesi
Bitte, nehmen Sie Platz!«
Während sich Doktor Wurmser
niedersenke, griff der Regierungsrat
J
nach«eineni Attenbiinbel und sagte-:
»Ich babe Sie telegrapbisch hergebe
ten, weit ich wegen dieses Jan-enn
diebstahts beim Bari-n Rabenstein
mit Ihnen sprechen möchte. Sie ar- .
beiten doch in bee Angelegenheit at
leiii?« -
»Ja, Herr Regierungsrat, ich und
zwei Agenien.«
»Das ist mir lieb, zu hören. Ihre
Berichte —- ich bitte das nicht nie
eine Aussiellung auszusassen, denn
ich weiß, baß ein Bericht einen Kri
minaifau nie erschöpfend behanretn
kann —- habeii mich für den Fall
start interessiert, aber nicht ganz
orientiert.«
Der Regierungsrat schlug die At
teii auf und überstog gewisse Stellen,
die mit blauen Strichen angezeictinet
waren. Dann legte er die Liiten
wieder beiseite und fragte:
»Sie scheinen einen bestimmten
Verdacht zu haben?'«
»Ja, Herr Regierungsrat Jch
glaube, iii meinem Bericht niesen
Verdacht auch uiizweibeutig Ang
bruct gegeben zu haben.« «
»Ja, ja, also Sie find der An
sicht, daß der Baron Franz Reden
stein die schwarzen Perlen entwendet
hat oder entwenden liest W-,rauf
stützen Sie den Verdacht-"
»Es ist kein Verdacht mehr-, Herr
Regierungsrat, sondern Geivißhrrt!«
»Somit muß ich fragen,·' ent
gegnete Wurz, »welche Beweise ha
ben Sie dafür?«
»Dafijr, Herr Regierungsrat,töns
nen folgende Umstände als Beweis
dienen,« antwortete der Kommissar.
»An dem Abend, an dem der Dieb
ftayl verübt wurde, entfernte sich«
der junge Baron in auffallender
Weise früher als sonst vom Nacht
mahl. Er schützte Kopfweh vor
und begab sich in den Part, von
dem aus man in das Zimmer, in
welchem die Kommode stand, sehr
leicht gelangen —tann. Zweitens wur
de der Baron zweimal in unmittel
barer Nähe, ja sogar am Fenster je
neS Zimmers gesehen. Drittens war
sein Rockärmel, als er nachts im
Zimmer erschien, von Spinngeweben
beschmutzt, und bei dem Tisch im
alten Turm fand ich einige Tage
später eine frisch übersponnene Stel
le im Spinneye Biertens verkehr
te der Herr Baron auffallend viel
mit Hans Zöllner. Auch auf dem
Rennplatz. Dort gab er ihm auch
die Order, den Schmuck aus dem
alten Turm zu holen. Endlich fünf
tens benahm sich Baron Franz Ro
denstein mir gegenüber immer in
einer auffallend unruhigen, unsiche
ren Art, und ist seit dern Verschwin
den des jungen Zöllner vollständig»
verändert. Jch glaube, Herr Re
gierungsrat, daß diese Momente
in ihrer Gesamtheit von der Schuld
des Barons Rodenstein jedermann
überzeugen werden«
»Gewiß, lieber Kollege," antwor- -»
tete Wurz liebenswürdig, »und ich
füge als- sechsten Grund dazu, daß
der Baron, wie wir erfahren haben,
erst iiirzlich wieder im Spiel große
Summen verloren hat, daß er ma
teriell zugrunde gerichtet ist und des
halb auch den Versuch unternahm,
die Hand seiner Cousine, Baronin
Marh, zu erhalten« Warum haben
Sie den jungen Baron unter diesen
Umständen nicht einfach verhafteti
»Ich hätte nicht mehr geziigert,
Herr Regierungsrat, wenn ich nicht
den Erfolg der Schritte, die wir
heute zu unternehmen beahsichtigery
hätten abwarten wollen.«
Der Regierungsrat machte sich
eine Notiz und fragte dann: »Also
sagen Sie mir, lieber Herr Doktor,
welchen Erfolg versprechen Sie sich
vom heutigen Vormittag?«
»Ich glaube, Herr Regierungsrat,
daß wir heute im Hotel Nordpol den
Silberstein, diese Frau von Seil
heim, eventuell Hans Zöllner und
den gestohlenen Schmuck vereint fin
den werden,« antwortete Wurrnser.
Der Polizeirat lächelte ganz sein.
»Was den Silberstein anbelangt,
so muß ich Sie aufmerksam machen,
daß er einer der gefährlichsten Kerle -
ist, die mir in meinem Leben je un
tergetommen sind. Der Mensch hat
sich ein Vermögen auf unerlanbte
Weise zusammengescharrt und doch
hat ihn niemand fassen können, ob
wohl die Polizei seit dreißig Jahren
hinter ihm her ist. Also so ein
fach, wie Sie sich das vorstellen, lie
ber Doktor, dürfte es nicht werden«
»Herr Regierungsrat, ich zweier
trotzdem nicht —«
»Und weil ich das weiß,« unter
brach Wurz den Kommissar, ,,habe -
ich Sie -hereingebeten. Jch werde
Jhnen einen jungen Beamten mit
geben, einen höchst fähigen Herrn,
den Baron Max Spbor, der fiir fol
che in die Gesellschaft hineinspielen
de Kriininalaffären sich ganz beson
ders eignet, und hoffe, daß Sie im
Verein mit ihm den alten Silber
stein überlisten .oerden«.
»Ist das der Kommissar Baron
Sphor, der vor zwei Jahren in je
ner aufsehenerregenden Mordasfiire
interveniert hat?«
»Ja, derselbe. Er ist einer der
fähigsten Beamten des Jnstitiits.Jch
werde Sie gleich mit ihm bekannt
machen-«
Wurz ilingelte und sagte zu dem
eintretenden Agenten: »Ich lasse den
Herrn Baron Spljor heriiberbittenlu ,
Gortsetzung solgt.)