Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 15, 1916, Sonntagsblatt, Image 12

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    set Hm m Eisen
Roman ans Ostprensrens Schrecken-tagen
von Iris Stint-met
-
G« FAMILIE-) -—
.Aher, liebste Mutter, bedenl dacht
IF wtikde sonst mit keinem Worts
dran Ihre-. Du mit deinem Gebress
cheni R Mädchen müssen alle weg
Die Frauen werden wahrscheinlich
steh auch in Sicherheit bringen. Wer
soll deine Pflege und Aufwartung
überneth
.Riemand, mein Sohn« rief Frau
Stutterhetm laut aus« Miste sich mit
den Händen auf die Lehnen ihres
Sessels und stand aus.
Jn fprachlofem Erstaunen trat
Wolf einen Schritt zurück. «Mutter»!«
aReich mir weine Waffen, mein
liebes Kindk
Chriftel stand schon mit zwei
Stöcken neben thr. Die ergriff sie und
trat vorsichtig. Christels Unterstüt
zung mit einem Blick zurückweisend,
von ihrem Fahrstuhl auf den Fuß
boden. »Eins. zwei. eins, zwei,« zählte
fie laut nnd marschierte mit kurzen
Schritten durch die Stube.
«Mutter,« rief Wolf noch einmal
fo laut, das einige Saiten in dem
alten til-Mer- mittöntem Dann sprang
er auf sie zu und faßte sie um nnd1
nahm sie auf seine Arme· J
Nicht so stürmiseh, mein Junge!
Jch wollte euch mit dem Paradei
morsch erst iiberrafchen, wenn Kurt
auch hier wäre, aber nun —«
»Hier ist er," sagte eine tiefe
Stimme, die vor Rührung zitterte,
von der Gartentiir her.
Die Söhne hatten die Mutter su!
beiden Seiten untergefaßt und wan
derten langsam mit ihr in der Stube
bin und her, während sie ergdlte
wie sie schon nach den ersten agen;
einen Erfolg verspürt hätte. »Aber ei
tdae wirklich eine Pferdetur, Kinder
Die Frau rieb und inetete und sog«
meine Beine gerade, wadeend von
unten ein Kohlenbecken eine uner-(
trägiiche hine entströmte. Schon(
nach acht Tagen tonnte ich qtlein
ohne Hilfe meine Beine gerade aus-T
strecken. Zwei Tage später dod sie
rnich wie eine Puppe auf und stellte
niich auf die Füße Ra, und dann iit
es langsam io weiter-gegangen«
»Jetzt müssen wir erft recht darauf;
bringen« meinte Kurt, »daß du zu
einein tüchtigen Arzt fährst, der dich
ganz neiund macht. Entweder nach»
Königsberg oder noch desser gleich
nach Berlink (
»Ja. Mutter, das mußt du jekt
tun, « fiel auch Wolf ein.
»Was ich muß oder nicht« dat;
keitivune ich allein. meine Heereni
Söhne. Ich bleibe hier bei der Frau,
die Inir den Gebrauch meiner eine
wiedergegeben dat. Und nun itet
gefalligsi davon den Schnade1,fonft
werde ich ungeniutlich.«
Sie hatte et in lachendetn Ton ge
sprochen, aber die Söhne wußten
daß jedes weitere Wort vergebensä
war.
»Du, Wole fuhr die Mutter fort,«
,.du holst jetzt ein paar Weißtöpfe
aus dem Keller und läßt sie taltstel
len, damit wir nachher meinen Pa
rademarsch begießen und auf den
Sieg unserer Trupven trinken tön
nen.«
Als Wolf seine Rassen ausgelohnt
hatte, ftand das Abendbrot auf dem
Tisch. Frau Stutterheim ging allein
an Kurts Arm in das Eßzimrner. Er
erzählte: »Ich bin mit eurem Auto
gekommen. Christel, deine Mutter
war in der Stadt. Sie läßt dir sa
gen, du möchtest dich noch heute abend
einfinden, morgen ganz früh soll ab
gefahren werden. Jch werde dich
nachher nach hause begleiten, um von
den Deinen Abschied zu nehmen«
Christel hatte den Kopf gesenkt,
und die anderen glaubten, sie wolle
ihre Tränen verbergen. Aber als sie
das Gesicht hab, strahlten ihre
Au a.en
»Ich will wohl mit dir auf eine
Stunde nach Hause gehen, aber nur,
um meinen Eltern zu sagen, daß ich
hier bei eurer Mutter bleibe!«
Ein siehe-, freudiger Blick flog in
diesem Moment ans Frau Stutteri
heims Augen zu ihrem Ueltesteu hin
iäber, der ihn mit einein leisen Kopf
nicken beantwortetr. Dann streckte er
seine itber den Tisch hinüber
Christe entgegen.
.Jch danke dir herzlielz für deinen
guten Willen, aus dein ie Liede zu
unserer Mutter spricht. Ader das
können wir nicht annehmen Nein,
Christ-L du mußt selbe einsehen daß
ich deinen Eltern gegeniiber die Ver
antwortung nicht übernehmen imm,
weil ich weisx ob ich werde
beschäsen nnen.« Seine timne
bebze ein wenig. »Nicht wahr, Mut
tek
»Nein, mein Sohn, ich bin ande
rex Keime-ist glaube ja nicht;
Thrisiels iteru ihre Sinn-illi
ngdazu n werden, aber wenn
Im ollten, mein Kind dann
schweren Gangl« meinte Kurt, als sie
sich nach Andreasmlde ans den Weg
machten. j
.Dos glaube ich nicht,« erwiderte’
sie mit trauriger Stimme. ]
.Sprich nicht anz, was du denkst.
Wir verstehen uns. Ich meine. daß
du dich täuschen wirst.«
Als sie das han« verliehen. stand
Wolf vor seinen Gut-arbeitern «Jch!
stelle et euch vollkommen frei. hier(
zu bleiben oder wegznziehew Ein Teils
wird ja sowteso nicht hier bleibenkl
»Jo. Midian Hm. Iptt sind acht
Mann, die schon morgen znr Fahne
wegmiissen,· ties ein junger Knecht.
»Ihr kommt morgen fr«h. ehe ihr
nbmarschiert, noch einmal zu mir»
Jch will euch noch einen Zehrpfennigj
aus den Weg mitgeben. Fiir die
Frauen und Kinder der Verheirate
ten sorge ich. Daraus könnt ihr euch«
verlassen-« ·
»Wir verlassen uns auch daraus,
gnädiger herrs« tief derselbe Knecht
wieder.
»Na, nnd wie isi es mit euch ans!
deren?« s
Der Kämmerer nahm die Miitzes
ab und trahte sich hinter dem OhrJ
»Man weiß nicht recht, gnädiger
Herr. Man möcht auch bleiben, man
möcht auch nicht bleiben. Aber wiri
haben so unter uns gesprochen: Wenn»
die herrschaft hierbleibt, bleiben wir!
auch. Ei muß doch ein bißchen Arss
beit getan werden. Und für das Vieh;
muß doch gesorgt werden-« l
Wolf nahm seine Mühe ab und
steckte dem Kämmerer die Hand ern-»
gegen. »Ich danke euch fiir das Wort,
Repla. Jch bleibe hier und meines
Mutter auch. Wir tönnen ja nichts
wissen. wie sich der Krieg wenden!
wird. Vielleicht belommen wir dieI
Aussen her und sehen, mit ihnen irr-I
gnten anszutommem Es sind doch!
auch Menschen. Vielleicht bekommen
wir unsere Soldaten hier ins Quar
tier, und dann müssen wir erst rechts
hter sein« um sie gut auszunehmen;
und zu derpslegen. Nun geht nachi
Hause. wir werden schon mit einan
der durchhaltern Noch ein-: Wer ir-:
gend toai von Wertsachen hat, eint
altes Erbstück oder Papiere, oder ir
gendwelche Doiumente, kann mir das
morgen friih bringen. Jch schicke mor
gen alles weg. Mepta, die Fahrt tön
nen Sie machen. Sie nehmen die
Borderpferde vom Kutschgespann undl
fahren langsam durch bis Löhem
Denn mit der Bahn werden Sie nicht
wegtornmetr. Versehen Sie sich also(
genügend mit Futter. Gute Nacht,
Leute, geht mit Gott!«
.Gute Mi, gnädiger herr, und:
wir danken auch." .
Er trat in die Stube zur-sich «Die
Leute bleiben alle. Mutter. Jch habe
es nicht anders erwartet. Aber nun
will ich doch ein es in Sicherheit
bringen, was sich n t weit sortfchafi
sen läßt nnd spat man doch ungern
verlieren würde. Jch weiß bloß noch
nicht, wohin.« ,
- »Das will ich dir sagen, mein
Junge. Dein Großvater hat während
der polnischen Revolution im Jahre
dreiundsechzig ein Bersteck im Kellers
eingerichtet« in dem er immer sioeH
bis drei polnische Flüchtlinge beheril
bergte, bis er ihnen weiterhelfeii
konnte. Es ist das lehte Ende dei!
Kellerz nach diesem Giebel zu. So
breit wie diese Stube. Kein Mensch
ahnt, daß sich der Keller noch weiter
fortseht. Jch glaube« da stehen noch
ein paar Bettstellen und sogar einige
alte Möbel drin. Für Luft ist durch
ein Rohr, das nach außen führt« und
einen Abzug iii der Wand« der oben
auf der Lucht mündet, gesorgt Die
Tiir ist mit schmalen Ziegelsteinen so
geschickt verblendet daß sie wie ein
Stück Wand aussieht. Führ mich inal
an meinen S reibtisch, da habe ich
die genaue Bechreibiing drin.«
Eine Viertelstunde später ging
Wolf init einer Laterne in den Keller.
«Daz ist ja ein vorzügliches Versteck«
Mutter«« sagte er lachend, als er wie
der heranftam, «das findet teiii We
auf Da werde ich alles reinschaffen.
Auch Betten und Lebensmitteln, dasz
ihr im Notfall dort verschwinden
tönnt."
a e i
Die Sonne war hinter einer ho
hen« dunklen Wolke untergegangen«
die ein Gewitter fitr die Nacht anzu
titndigen schien« denn sie stieg schnell
hisher. Flächenbliie zuckteii in ihr aus«
und ab und Zu machte sich schon ein
dumpfes Cro eit bemerkbar. heiß und
Ewitlaå la die Luft über der Erde.
tönte unermttdtich
derschaese Ru des Wachteltönigi.
War-d schritten Miit nnd
chrt nebeneinander« beide mit ih
ren Gedanken beschäftigt Jin Guts
hause brannte nur iin Wobnziininer
eine Lande« an der Grete allein mit
einein suche sa Als die Tür auf
Ziis sp drang auf und begrüßte
urt stärni sch. .Aber, herr Leut
n,ant weisßt du nicht« daß mabil ge
i
s Zwei-: sein Lin-nag- den-ais
habe ich ja noch fiir bente nacht Ur
oudee W spie-Fu VII-.
zu ne
seht-aben- dte andere-if
t sich schon zu seit
gnlegt Or test ehttininersoiiiitw
M ist mit M nnd
ehe-»O Sie packen noch. Die at
ioill nicht« hier lassen. Morgen
soMl osgeheia Ich te am
- Meibem Das mir doch
ksitechtbar interesaiit sein« wenn wir
FIE
hier Einquariietnng bekommen. Von
der-Aussen oder von unseren Trup
pen.·
»Du entschuldigfi mich wohi,
Kritik unterbrach Chtifiei ihren Re
defins »ich maß zur Mutter hinauf
gehen. Greie wird dich ja sehr eifrig
unterhalten.'
»Ja, geh man.' erwiderte ihr die
Kleine etwas ichadeniroh, »die Mut
ter hoc schon gefngi: Unser Fräulein
Tor-irr tin wohl in Dotiowen blei
ben "
»So mol, Schwesterchen-« fskschie
Christe. .hat sie das im Ernst ge
meint?A —
»Das weiß man bei der Mutter
doch nie! Jch hörte bloß, wie sie In
hanna sagte: Wie ich Tante Ma
thilde kenne« wird sie nicht fliehenck
»Da bot deine Mutter recht, Klein
chen,« erwiderte Kuri, als Chrisiel
hinausgegangen war. «Meine Mutter
und Wolf bleiben in Daumen-·
Greie verzog schmollend den Mand.
«Weidolb nennst du mich immer noch
Kleincheni Ich bin doch schon wölf
Jahre alt. Und alle Fremden sogen
schon Sie zu mir und gnädiges
Fräulein.«
Kurt lachte. »So werde ich aller
dings nicht sagen, denn ich bin kein
Fremder. Ader ich werde dich Schwe
sterchen und sogar liebes Schwester
chen nennen. Jst dir das rechtf« l
»Meinetwegen. Dann werde ich
jeht zu dir Bruder Leutnant sagen.«
Kurt nickte lächelnd, setzte sich ne
ben sie und nahm i re langen, blon
den Zöpfe in die nd. «Was siir
schönes haar du haft, liebes Schwe
sterchen!«
Grete lachte geschmeichelt. »Das
sollst du mal ausgelöst sehen! Wie
ein dichter Schleier hängt ei um mich
herum. Und wenn das Haar nicht so
sein wäre, würden die Zöpfe noch
viel dicker aussehen«
»Sag mal, Gretelchen, du bist doch
nicht nur ein liebes, sondern auch
ein llnges Mädel. Würde es dir nicht
möglich sein, deine Schwester Hed
wig davon zu benachrichtigen, daß ich
hier bin und sie gern sprechen
möchte?«
»Na, das ist doch nicht schwer!«
»Ja· ich möchte aber nicht, daß
die Mutter nnd Hanna es merken.«
»Ach so,« erwiderte Gretel schel
misch, »du möchtest sie so tlamheinis
lich unter vier Au en sprechen nnd
einen gerührten Flbfchied fürs Leben
nehmen« .
»Ja, Schwesterchen ei lann ein
Abschied fiirZ Leben werden. Und
da du so verständig bist, will ich es
dir anvertrauen. daß ich Hedwig gern
noch einen Kuß geben mochte.«
Grete machte ein nsifsiget Gesicht.
Also heimliche Verlobung; aber
Kriegstranung noch nicht, neint'«
.Dn bist ein tleinet, lieber Schelm,
Schwesterchen- Aber nun bedenl mal,
was siir ein Zutraurn ich zu dir
habe. Jch will ei dir offen sagen, das
ich hedwig furchtbar lieb habe. Und
nun sollte ich sin den Krieg ziehen,
ohne zu wissen, ob sie mich auch ein
bißchen lieb hats Denk mal, was das
siir ein Glück siir mich wäre, wenn
ich die Gewißheit mit mir nehmen
könnte, daß hedwig mir auch gut ifi
und anf mich warten will, bis ich
wiedertehre... oder auch nicht."
Grete war ernst geworden. Jlirel
Augen schimmerten feucht, und sie
mußte erst ein paarinal schlucken, ehe
sie sagen konnte: »Ich hole dir die
Hedwig runter, ohne daß einer was
merli.«
»Und dann läßt du unz ein paar
Minuten allein, nicht wahr, liebes
Schwesterchen?«
Der Schelm blitzte wieder in ihren
Augen aus »Auch das noch! Na,
wenn ich schon A gesagt habe, muß
ich auch noch B sagenk
Nach einer Weile trat Hedwig ein
und wurde rot, als sie Kurt am Ti
sche stehen loh- Jbt Gefühl sagte ihr
ganz deutlich, weswegen et gelominen
war. Zögernd blieb sie an der Tür
stehen. »
men.?«
Er trat auf sie zu und streckte ihr
die hand entgegen. »Ja, und daziH
kannst du mir tpohl die nd geben«s
»Das ist doch selb verständlichs
Jch gebe dir ja immer die Hand zurs
Begriißung oder um Abschied« Siel
reichte ihm die nd hin. Er hielt
sie sest und legte seine Linie daraus. !
Der Schelm in ihr wachte aus »Soll
ef- so feierlich werden·i«
»Ja, hedwiz ei kann ein Abschied
siir immer werden, und deshalb
zmöchte ich dir doch für alle Fälle sa
ken, daß ich dich sehr lieb habe daß
dich schon in meinem herzen ge
ltragen habe, als du noch mit turzen
Risikenst und langen Zöper herum
sprangst
Die-Fand die sich n vor einein
Augen ahatte zurüetzi n vollen,
blieb still zwischen seinen Dänden lie
gen. Er suhr sort: »Ich hätte sonsi
noch ein paar Jahre gewartet und
still km dichs etvorbeiy aber die Zeit;
in der wir leben, inus es entschuldi
sem ich bit beim Abschied scat
toie lie ich d habe, damit du es
weißt. wenn i fallen sollte. llnd
fett will ich nur die eine Fee-er an
dich richten: Ob ich nach dein
wenn ich gesund Itederiehren so ie,
TM PMB-PG n- its
m a
Ob dir-dein liebes, geliebtes Weib
werden istllstk
»Das kann sie dir doch gleich sai
gen-« ertönte Gutes Stimme durch
Spalt der Me. die Hedwia litt-,
ter sich nicht Acht-Sen ha.——tte
nun akust- auseinaan lachend
Cisektlich bat Grete recht nicht
wahrs» Dedwig!« Er zog sie an
ssch und leqte den seen um sie.
»Nun neue- schma noch eins
paar Kii e,« zischeite Grete durch
den Fürst-sit- «Die Mutter tsnimtl
gleich euntee, ich hiire sie schenk«
Da zog Kuet seinen herzenszchac
an sich hcVl- ibm das Kinn und nszte
ihn aus den Mund. .Dats ich dir
schreideY?».
« a
»äirst du auch scheeibeni«
»Ja, gern!'
«Mnttchen.' hörten sie an der Tiir
Gerte laut rufen. »Ist-et ist get-m
men, Abschied zu nehmen. Er will
aber gern noch ein Weilchen warten,
wenn du nicht Zeit hast Noch ein
Weilchen soll er warten? Jch werde
es ibrn bestellen und ihm Gesellschaft
leistenk
Gleich daraus stiirmie sie ins Zim
mer nnd umschlang beide mit ihren
Armen. «Na, habe ich das nicht sein
gemacht, Heer Schwinger in spe? Ader
nun gebt euch schnell noch ein paar
Küsse, und dann muß Hedwig ver
schwinden. Sie kann ja nachher wie
der reintommen.«
Kaum hatte sich die Tür hinter
Hedwig geschlossen, als von der an
dern Seite die Mutter hereintrat
hinter ihr Christ-l, aus deren Gesicht
die helle Freude zu lesen war und
Hanna bleich abgespannt, mit mü
den, dunkel umränderten Augen« die
das Lachen verlernt zu haben schie
nen.
Guten Abend, Kurt Nicht wahr,
du bleibst noch ein Stündchen bei(
uns? Kinder gebt uns noch ein Glas
Wein. Bei der Aufregung kann mans
doch nicht schlafen. Sag mal, was
hältst du dadont Christel will nichts
mit uns fliehen, sondern bei deiner
Mutter bleiben. Jch habe ihr schon
die Erlaubnis dazu gegeben. Desj
Menschen Wille ist sein himmelreich
Und Unkraut oerdirbt nicht.«
»Mutter wird dir dafür sehr dont-(
bar sein. Tantchen.«
»Na ja, das ist ja auch die Haupt-I
sache und der Grund, weshalb ichs
ohne große Bedenken ja gesagt haber
Wir fahren morgen früh ab d. h
wenn nichts dazwischen kommt. Unserj
Vater ist so tomisch geworden. Er
will durchaus nicht weg Wie langes
hast du Urlaub?«
«Morgen ganz iriih muß ich beims
Regirneni sein. Tantchen.« ;
»Na tönniet ihr hier nicht die
Grenze besehen und die Rassen nichtl
rein lasset-i«
«Dariiber tann ich dir beim besten
Willen nichts sagen.«
Jn demselben Augenblick sssnete
Grete die Tiir und ries ins Zimmeri
hinein: Bruder Leutnant Wolf will
dich am Telephon sprechenk ;
Als Kurt nach wenigen Minutenj
zurückkam, sagte er: »Nun kann ich
schon deine Frage beantworten. Tan
tei Jawohl unser Bataillon eiiatl
noch in dieser Nacht aus. Aber nicht!
bis an die Grenze. Wir wollen den
Bergeiicken hier hinter Andreajwalde
besehen. hr bekommt also morgen inj
aller Frii Einauartierung. Jch muß
sofort nach der Stadt zurück. Wols
chiekt mir das Fuhrwerk hierher und
morgen sriih sehen wir unt wiedert«
.Dann sahren wir auch noch nicht
weg,« entschied Brau Bretiichneider·
aWir wollen es gleich dem Chausseur
sagen lassen. Uebrigens, Kurt, er kann
dich ja nach der Stadt fahren. Dann
tann Christel init eurem Wagen nach
Daltowen zurückfahren. sie hat sa
doch hier keine Ruhe.« .
Als Christel nach Dalsowen zu
riicllam, saß Tanie Mathilde noch im
Wohnzimmer und tramte in alten
Papieren Schon von der Tiir rief
sie ihr entgegen: «Jch habe die Er
laubnis bekommen, bei dir zu blei
ben. Mama läßt dich vielmals griis
sen- Sie stellt mich derirauensooll
unter deinen Schuh.«
Frau Stutterheim strich dem Mä
del, das sich freudesirahlend iiber ihre
hand beugte iiber die Backen. Da
für werde ich mich noch morgen bei
deiner Mutter bedanten. Jeht nimm
die Schlüssel und hol aus der großen
Truhe im Schlafsimmer zwei neue
Beltbezüge und bezieh zwei Sag Bet
ten. Die aus dem großen Fremden
zimmer kannst du nehmen«
Ohne zu fragen, tat Ehristeh was
ihr aus etragen war. Gerade, als sie
damit lFertig ioar. kam jemand die
Treppe leise heraufgetappt.
Wolf stand vo: ihr mit einer elek
trischen Laterne in der hand: »Ich
habe dich doch nicht erschreckti«
»Nein. Wolf, aber ich konnte es mir
nicht erklären, wer hier so leise her
umgehen könnte. Du trittst sonst
schärfer auf."
«Ra, dann nimm mal.einen Arm
Jooll Betten und komm mit. J neh-v
sme die anderen." Er leuchtete r mit
»der Laterne voran and führte sie oom
Flur in den Keller.
s Vor der verborgenen Jiir blieb er
siehen und öffnete sie durch einen
gegeudie Wand. .Da« soll
im Ilotfall euer ufluchttort ein.
Qschsou filea orgt,
Esset machine mir Lob brechen.
Mir alle H lletch euch ein Dut
End Hla chen oseltoein unter ein«
seiten. Wir müssen bloß nicht
ein paar Glaser and den Menzieher
Im hgifiel hatte, wii end er sprach,
sit fliater band
nacht Jena- tm ich vik noch heter
rep- e«
Licht-, Thristelchen Ich will dir
nur noch draußen an der Tiir den
Mechanismue z en, durch den fie
sich öffnen läßt, mit du, wenn es
nötig fein sollte, allein oder-un der
Mutter hier rein Lauten So, nun
wollen wie srqufgeteth sber erst gib
mir deine Hand. Jet, will dir daflir
danken, daß du meine Mutter nicht
allein läßt. war ja dagegen,
aber jegt freue Ich wich darüber.«
Ohne zu zögern, legte sie ihre
Hand in die seinige und sah ihm voll
ins Gesicht. ,·Zutn Danten hast du
gar leine Ursache. Du weißt doch,
wie lieb ich deine Mutter Fabe. Sie
hätte sich ja wundern mii ·en, wenn
ich sie im Stich gelassen hätte. Gute
Nacht, Wolf. Schlaf woth
»Mein-falls Chrisiel.«
O . O
Die ganze Nacht hindurch hatte
Wolf an der Ausstattung und Ver
zorgung des Versteckt gearbeitet. Jn
einer Ecke hatte er alles aufgehäuft,
was er vor einer etwaigen Zerstörung
in Sicherheit bringen wollte.
Der Morgen graute bereits, als
er in sein Zimmer trat. Jn Kleidern
warf er sich aqu Sata, um noch ein
paar Augen voll Schlaf zu nehmen.
selber schon nach einer Stunde wurde
er durch Pserdegetrappel auf dem
hose geweckt. Er sprang auf und
eilte ans Fenster. Da hielt eine
Schwadron Dragoner aäx dem os.
Er nahm seine Möge u ging in
aus. Die Ossizieee waren eben da
mit beschäftigt, Patrouillen einzuteis
ten und abzuschictem Der Rittmeister
oon Verhandl lam aus ihn zu. cha
ben Sie eine leere Scheunendielei
Und etwas Stroh siir meine Leute,
damit sie sich für ein paar Stun
den binlegen und ausruben tönneni
Wir haben die ganze Nacht kein
Auge zugetan. Auch haser und heu
siir meine Pferde möchte ich haben.
ilnd nun guten Morgen, lieber Stut
terheim. Wissen Sie schon was von
den Russeni
»Jawohl, Herr Rittmeister. Ge
stern nachmittag sollen schon Kosai
ien in Preußischhiid gewesen sein.
Wir glaubten durch den Fernspres
cher zu hören. wie ste das Telephon
zerstörten.'
«Das werden sie wobl getan haben.
Das würden wir ja auch tun, wo es
nötig ist.«
«Dars ich bitten« einzutreten? Jch
werde gleich für ein lrästigeö Früh
stiiet sorgen.'·
«Wird mit Dank angenommen. lie
ber Stutterdeim. sit-misch, was? Mir
ist noch gar nicht nach Krieg zumute.
»Mir ist so, als wenn wir bier eine
Uebung im Gelände machten.«
«Wie lange diirsen wir bossen,
Sie hier zu behalten, hetr Mitwi
steti«
Der Dssizier guckte die Achseln
Mir Genaues weiss man nicht. . .
anen kann ich es ja sagen. . . Jch
dabe den Beseht. im Verein mit dem
Bataillon, das lian von uns liegt,
.?ierzubleiben und Pairouillen vorzu
:·chicken, bis die Rassen mit gross-ers
JUeberrnacht anritaerr. Dann geben;
Iwir langsam zurück. Das kanns
imorgen der Fall sein, vielleicht auch
Jschon heute. Die Russen haben»
sdoch sicherlich uns gegenüber binters
soer Grenze mindestens eine Divisioni
»sieben. Ra. werden wir leben. wer-T
»den wir sehen." Er stand schnelli
saus. »Ab, guten Morgen, gnädigetH
HFriiuleink s
; Ehristel stand srisch wie eine Rose?
nn Morgentau vor den beiden Her-Z
zren «Dars ich zum Yriihstiia bit-.
Iten, herr Rittmeister Jch habe«
Hdie anderen herren auch schon bitten
stassen.«
i »Das geht ja fix bier in Dnlioweni
Würden Sie auch imstande sein,
meine Leute zu bewirten«i«
i »Sie erhalten eben schon frische
lMilch Du hast doch nichts dagegen,
Wolf, daß ich eigenmächtig das ange
ordnet dabei Außerdem Brot und
Butter. Das Schmieren können sie
wohl selbst besorgen. Werden ioir
unsere Feldgrauen auch zu Mittag be
wirten dürfeni«
»Wenn Sie dazu imstande sind.
gnädiges Fräulein, nehmen wir ej
mit Dant an. Dann brauchen meine
Leute nicht selbst abzntochenf
»Wir haben eine genügend große
Kpchgelegenheit itn Nussenhause«,
wars Wolf ein«
Gegen Mittag Lam eine Patrouille
zuriich die schon mit den Rassen zu
fammengestoßen war. Die drei Dra
goner hatten am Rande eines Wäld
chent in Deckung gehalten und aus
gespabt als taum zweihundert Me
ter vor ihnen aus einer Erdweue etwa
zwanzig Avsaten plötzlich auftauch
ten. Beim erste- Schuß hatten sie
btigschnell tebrt gemacht und waren
ourongesprengi. Schon bei den et
iten drei Schii en war ein Kosat ver
wundet vom fetd g nllen. Ein
Kamerad batte ihn an seinen Gaul
gehoben und mitgenommen Von
der nächsten crdtvelle hatten die Dra
gpuet die Kote-ten tin bei-Isi
ien. Zwei von den Ietn waren ge
fallen.
Illedrei Pferde aren erbeutet
worden Unaniebn astetem-m
Male und tlappeediier.
Mühe, eine Nageitn und einen Ka
radtner betten die Sieger ausgele
im
Lachend tin-standen die Dragoner
ihre Kameraden, die lebhaft das
schnelle Iusreiszen der dealen schil
ten. Eine gehobene Stimmung
herrschte unter den Feldgrauen aus
dem Dose. Die Dssiziere. die nicht
im Gelände waren, saßen aus der Be
randa bei einem guten Glas Wein
nnd einer Zigarrr. Von Andreastpali
de war die Meldung gekommen, daß
eine Jnslsueriepatrouilte eine ganze
Schwaden-n Kosaten mit großem Er
olg besehossen und in die Flucht ge
schlagen hatte.
Nun gad’s täglich Plänleleien zin
schen den deutschen Patrauillen und
den Kosaletn Sie schwötmten in
Trupps von zwanzig, dreißig Mann
überallumhey zerschnitten die Tele
phon- und Telegraphenleitungen und
zündeten aus reinem Uedetmut in den
Ortschaften einzelne Gehöste an.
Ausgedaute Höfe, Getreides und
Strohstoggen schienen sie grundsätz
lich nicht u verschonen. Sie waren
zu ihren standstisiungen ohne Zwei
sel ausgerüstet, denn sie führten
Streifen einer Zelluloidma e bei
sich, die, mit einem Streich ölzchen
angezündet, jedes Gebäude unfehl
dar in Brand steckte. -Am Tage
sah man« bald hier« bald dort, schwar
ze Rauchtvolten aussteigen. Und
nachts war der ganze horizant im
Süden und Südosten don Feuerschei
nen erhellt.
Vor den deutschen Trudpen hiel
ten sie, obwohl sie stets in bedeu
tender Ueber-nacht waren, niemals
stand. Und unsere Feldgrauen sehns
sen gut. Wenn die Entfernung nicht
allzu groß war, holten sie mit ihren
Kugeln stets ein halbes Duhend und
noch mehr aus dem Kosalenschloarm
heraus.
Aus den von den Russen heimge
suchten Ortschaften flüchteten die
meisten Einwohner. Fortwährend la
men Wagen, mit Betten und haus
gerät hoch bepackt, auf der Ehattssee
an Daltowen vorüber. Auch die Nähe
wurden mitgefiihrL Grauenoolle
Dinge erzählten die Flüchtlinge. Die
Rosaten hatten Männer und Frauen
und Kinder, die sie beim Einreiten
in ein deutfches Dorf zufällig auf
der Straße trafen, durch Lanzen
stiche oder Säbelhiebe verwundet oder
getötet. Sie hatten, wo ftch ein
neugierigeö Gesicht am Fenfter zeigte.
hineingeschoffen. Sie hatten Vieh und
Pferde mitgenommen Ja, an meh
reren Stellen hatten sie Ställe mit
dem darin befindlichen Vieh vers
brannt.
Jn nicht ganz seltenen Fällen hat
ten die Leute aus törichter Neugier
sich felbst in Gefahr gebracht. Tros
der Kosalenfurcht wurde noch liber
all auf den Feldern gearbeitet. An
statt nun ruhig bei der Arbeit zu blei
ben, liefen die Menfchen auf den näch
tien Berg. um fich die Rufstn anzufe
hen. Dann sprengten die Kofaten auf
fte zu und stachen alle nieder, die sie
einholen konnten.
Man wollte anfänglich nicht al
tes glauben, was die Flüchtlinge er
zählten, wenn sie unter dem Schutz
des deutschen Iliiiitärs in Daltowen
yaltmachten. um ihr Vieh zu trän
ien und zu füttern, ehe fie weiterzo
gen.
Frau Stutterheim war der An
sicht, daß infolge der allgemeinen
durch den Krieg verursachten Erre
gung nicht nur vieles übertrieben,
jpndern auch manches erlogen wurde.
Aber eines Morgens tam ein Mann
mit zwei Kindern zu Fuß anmar
schiert und-bat im Gutshaufeum
etwas Nahrun Die Tränen liefen
ihm unaufhalt am oie Backen herun
ter, und dann erzählte er, daß seine
Frau vor dem Hause von einem
Kofaten einen Söhelhied betomcnen
dabe, der ihr den Kopf spaltete. Dar
auf sei seine Tochter, ein Kind von
zwölf Jahren, hinzugefprungem
Auch sie hatte der Und-old mit ei
nem Säbclhieb niedergeftreckt, dann
die-alte Mutter, die schreiend ans
dem hause hinzuftiirzte, nnd dann
noch den Vater, einen Mann von
achtzig Jahren
Auch die Nachrichten, die von nn
deren Stellen des gefährdeten Land
strichs an der Grenze allerdings recht
spärlich einliefen, berichteten von ähn
lichen Schandtaten der Rassen. Von
»Ran nnd Mord, von Brand nnd
Plünderung Und überall waren Ko
zsalen die Mordbtenner. Der Jn
-grimrn, der auf deutscher Seite ansto
Iderte, fand teine andere Bezeichnung,
als »die hunde«, obwohl man damit
’nur den treuen Gefährten des Men
lschen beleidig:e. Als man an den
;zahlreichen Schandtaten nicht mehr
zweifeln tonnte, machte Wolf noch
Ieinmal den Versuch-feine Mutter zur
Flucht zu bewegen. Ei tonnte teinern
lZweifel unterliegen, daß die Rassen
grundfähllch fede Domiine nnd jedes
IGut, sobald sie ei ausgepllindert dat
sten, niederorannten, während sie im
allgemeinen die Bauerndörfer der
schonten.
Frau Stutterbeim weigerte sich
fnach tvie vor, Dnllotven zu verlas
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