Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 15, 1916, Sonntagsblatt, Image 10

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    Wen Tot
.-.« —
Novelletle von Tadhäuz semthi.
Ins dem Pol-nicht« don Ztcfmsla Gol
venting
Er bewohnte das Eckzimmet in
dern weißen Gulslchloß, das zwischen
Bimw nnd Upkeloäumen deswege
gand jenen ftämtnigen polnischen
ausgen, die aus der Erde und der
Sonn-e klite Säfte sogen, um die
Blätter und die reisenden Fruchte zu
nahten. Nichts beunmhigte sein Le
den. Die Ungehdklgen sorglen wink,
daß det Widerhall den Schmerz und
Leid, adet auch das Lcho der Freude
an der Schwelle ieines Zum-Iet- ver
stumme, damit eine allzu ptarle Erre
glmg dee un Erlöschen vegmfene Le
densslasnme nicht erschüttern
Das achtundneunztgite Jahr der
Lebenspilgecyahkt zählte man Herrn
Anastasius Zanala nach, der alle fel
ne Kinder Udetledt und sich vor zehn
Jahren del fernen Enteltindetn me
detgekassen hatt-, um in Frieden
und Andacht seine letzte Ledensnunde
abzuwarten Jeder Tag glich in
seinen jesigen Leden dem anderen,
wie die Schläge det altmooiichen
Uhr, die mit unermüdlichetn Eifer
dicht über dem Napf des tm Sessel
jchluenmetnden Greises die Slunden
anllndigtr.
Der Greis rnit dem zarten, seide
gen, milchweißen Hast lächelte eben
so zum grauen wie zum sonnigen
Tage, zu bet. nackten, schwar
zen Stiicntne im Herbst wie zu den
unter.der Last der Früchte sich deu
genden Zweigen.
Er kannte sr gut — o, wie gut!
Er war mit der Erde eng verwach
sen, er liebte sie einst mir jugendli
chent, elstntisehetn Gefühl, er hatte sie
mit seinem herzensblut getränkt. . .
Zur Erinnerung daran hing die
zweiläustge, mit einer Schnur um
wickelte Fttnte. aus ver er bei Gro
ehowisti in dein letzten Ausstande ge
schlossen hatte. anr Ehrenplag iivee
dern Schreibtisch in der Nähe des
Fensterg. Der tllte führte keine Un
terhaltungen Zuweilen tani von
seinen Lippen das Wort «Kind«.
wenn er fühlte, daß ein Kuß aus sei
ne durchsiehtig Hand gedruckt wur
de; denn oerktuinmte er fiir lange
Stunden uno irrte mit seinen Ge
danken in ferner-. Ländern de-. Jen
seits umher.
Man wußte ini GutghoL daß der
Tod Jeden Augenblick eintehren, daß
ein leiser Atenizug seine Seele ins
Jenseits entheben tonnte. Daher hielt
man alles mit unermüdlieher Sorg
salt von dem Großvater fern. was
ihn aus dem Gleichgewicht bringen
und seine nn zarten Fäden schwin
gende Seele erregen könnte.
Die ganze Welt mit allen ihren
Angelegenheiten ob gering oder be
deutsam. blieb siir seine Empfin
dungssiihigkeir unverändert, ebenso
wie die ewige Sonne, die tagein, tag
aug Eber dem weißen Gutshos treiste, l
stets dieselbe blieb. :
I I I
Auf den fernen hiigeln tauchten
jeden Augenblick tleine weiße Wolten ;
aus und oerteilten sich wieder. Durch s
die Last zog ein gedämpstes, bedroh- l
lich-s Despite-» pas vie Baums ims
Schloåpart erheben und die Fenster- s
scheiden in den Zimmern des Schloß- «
hauses ertlirren ließ. Der sonnigJ
heiße Augusttag nn dem weder ders
Wind die Blätter bewegte, noch einj
schwur-: Druck eine Wettekvkxandesj
rung ankündigte, war von einer uns !
ruhigen Fiberatrnosphäre, von denl
Zuckungen einer unbekannten, sucht-s
baten Kraft, die nus weiter Fernez
herbe-zog, erfüllt. (
Die Sonne näherte sich bereit-J dem
Zenith, aber alles blieb unverändert
Hetr Anastasius wurde durch die
mag- Erwartung des Gewitters un
geduldig; er wunderte sich, baß auf
den Wegen keine Staubrvolten auf
stiegen, baß der Sturm nicht wie;
sonst mit seinen gewaltigen Flügeln.
gegen die Wände des Schloßbauses
schlug. Und bet- noch schienen Don
nerschläge mit beängiiigenber Regel
miißigleit jeden Augenblick zu ertö
nen. Er- befnhl Michael, ihn in fei- !
nein Rollitubl auf eine im Bart ge- i
legene Anbiibe zu fahren, bie vonj
After-i und Levloien umsäumt war. !
Der Diener zögerte zum erstenmal l
in seinem Leben. Er wußte nicht, !
was er tun sollte. Er kannte die;
Ursache des fernen Dröhnen-, von-J
dem bet Fußboden itn Schloß sit-;
trete. Er betreusigte sich und illi-!
stertu
,Gnäbiger herr, ein Gewitter ilti
im In us.« »
«Un unt Fabr« zu! Ich will mich .
selbst überzeugen Ein iolchei Gewit
ter habe ich noch niemals erlebt.
Stundenlang rollt der Donner, nnd
dennoch scheint die Sonne ungestört
und es regt sich fein Wind«
Der Diener lob ich verzweifelt
hilfefuchenb um« an hatt. ihm
streng angesagt. Herrn Inaftisius
unter seinem Vormund auszufahrm
Aber der Greis blieb unerbittlich. Er
wurde lebendiger. In seinen Augen
Platte uckiees neugierig auf Die Lippe-«
Werten unbernehtnbare Worte. Die i
veichende Leber-setz ethaivnllöekschieeiie .
M WM te s·
Tuskwauns M net Oel-er- ;
keine-W
«Warurn fährst Du fo langfnin?«1
mndnte Herr Misituk set Diener
magisch- us os- Ioumi sich wiss
vie sustkeiende Alle-e unter dein gold
geibes Baldachts Un sprnbäuinen
ve: UND-Sprie- Der alte Die
rüclre sich noch tiefer und stieß nun
mehr ohne Widerspruch den mit bun
tern Damaftstoff bezogenen stopfte-pl
vor sich her. Noch ein paar Rai-dre
hungen, und der Sessel stand am
Rand der Gerne.
Der Greis war befriirzt An die
ser Stelle, die fonft von teinem Men
schen ausgesucht wurde, an der er
früher fein Gebet uin einem glückli
chen Tod zu verrichten pflegte. stand
eine Gruppe Menschen, die die An
tuan des Alten nicht vemertt hatten.
Sie ftorrten regungslos in vie Ferne
und fpädten auch fernen Horizonten
aus. Du- einzige Fernrohr ging un
ter allgemeinem Schweigen von Hand
zu Hand. — .Michnl, brennt est«
fragte er.
»Ich weiß nicht, gnädiger Herri«
Ein furchtbares Donnergetöft, das
eine ganze Stola einzelner, schauri
ger Töne umfing, wiederholte sich
alle paar Sekunden. Jn diese er
fchiitternde, rhythinifche Musik ergos
fen sich andere Stimmen, die sich
bald wie das Uechzen eines von einein
Geier entführten Kindes, bald wie
das Heulen einer Hundenieute anhör
te; diesen Stimmen folgte ein furcht
bares Stöhnen, als wurde die Erde
von einem Ende zum anderen ber
iten.
Der Alte richtete das Haupt ern
par und legte die Hand an’ö Ohr,
um die stärteren Klangniellen aufzu
fangen. Plötzlich wurde er bleich,
zapfte Michal am Aermel und illi
tterte ihn in s Ohr:
»Das ist kein Gewitter. .das ist
ja .Kanvnendonner!«
Das lehte Wart sprach er so laut.
daß die anderen es hörten und sich
ängstlich nach dein Greis nmichauten.
«Graßvater!« riefen einige Stim
men. Die Gruppe verließ ihre Stel
inng und ntngab eilig den RollftuhL
Frau Sofja, die Lieblingsentelin des
Greises, tniete bei ihm nieder und
bedeckte seine Hände mit heißen Küs
sen, ohne ein Wort zu sprechen. Der
Alte iiihlte heiße Tränen, die auf sei
nen Händen brannten
«Sofja, Du weinst,« flüsterte er er
regt. »Wind, Ihr habt die Wahrheit
vor niir verheimlicht. Dort tobt eine
Schlacht nicht wahrs«
.Ja, Großvater!«
«Ausstiindifche’i« fragten feine blei
chen Lippen fliisternd.
.Polniiche Legipnen Init den ver
bündeten Armeen.«
Der Greis erbebte, richtete Frau
Safjas Haupt mit beiden Heini-en em
por and blickte niit glänzenden Augen
in ihre blauen, ilaeen Augen.
«Polnische Legionen,« wiederholte
er, »und die derbiindeten Armeen?«
«Ja, lieber Großpapa Von-. balti
schen Meer bis zu den Karpathen tobt
ein großer-, furchtbarer Krieg Er:
dauert bereits länger als ein Jahr . . . l
Wir habe-: es vo: Dis mkhkimxicht,(
aus Angst, daß diese Kunde. .. DichJ
erregen tönntek
»Ich durfte nicht aus dein Lebens
icheiden,« fagte here Anastasius, ins!
dein er dein jungen Weib das Haar
aus der Stirne streifte, .ahne von
diesem gewaltigen Ereignis erfahren
zu haben. Jeht verstehe ich Eure ftili ;
len, heimlichen Gespräche, Euer Leid.
Eure Tränen. Jch glaubte, Ihr woll- ?
tet irgendein Familienangliia vrtir mir -
derheiinlichen. Jch stannte iiber Dein!
graues Haar, das Dir eigentlich noch
nicht zutonmix Da bist ja noch so
jung!«
Frau Sosja druclte die Lippen se
ster aus seine hond und sagte mit
Stolz, obgleich in ihrer Stimme Trä
nen zitterten: »Mein Sohn ist mit
ihnen.« '
«Tein Sohn?«
»Ja, er dient in den Legionen, mit
achtzehn Jahren."
Herr Anastasius lehnte den Kopf an
den Sesselriicten. Ueber seine wächsers
nen Wangen rollten silberne Tränen,
während das Silberhaar seine Schlä
sen wie ein heiligenschein umsäumte.
Aber im nächsten Augenblick richtete
er sich aus, seine Gesichtdziige wurden
hart, in seinen Augen loderte ein
Glanz ausgestapelten Willens aus.
»Es-rich, Sosja, und Jhr anderen
alle!" sagte er mit seltsam tlangvol
ler Stimme. uKrieg ist in unseren
Landen? Legionen tiiinpsen... und
verhändete Armeent Wer gegen weni«
Sosjn knirschte die blinde des Grei
ses mit ihren Zotten «nden und he
gann mit qhgeeissenet timnie zu be
richten.
.Vor mehr als einem Jahr ist ein
europäisehee Krieg ausgebrochen«
»Im Osten hat es begonnen, jak
seagie der Alte.
,Ja, Großpapa. Deutsche und
österreichische Truppen haben jeht sast
das ganze Königreich olen beseht.«
«Deutsche Truppen « unterbrock
der Alte. »Gegen wen liimpsen stei«
Niege- Ausland-P
Der Alte qtinete aus. »Der-tsc
Trupspen gegen Nußlanhk wieder
holte er mit lau-n vernehmhneee
Stirn-rie.
»Ju, Studenten Und mit ·den
Deutschen kämper als Seehündcte die
Desteereiesey »,ngarn und polnische
hereil s «MleMl-Q
such-adde- merk-qui
«Jrn legten Aussinnde habe auch ichsp
mitgetiinrpst, um Polen ooni russis
schen Joch zn He seien·
Dann sakete ee die hör-de unsd
begatlsiu bete-.
Der staunend-neuer wurde immer
mächtiger Aus den sernen Anhöhen
rollten sich schlangenhaste Trnppenabs
teilnnges ans. Kaoasserietenpden
sprengten vorüber, man sah durch das
Fernrohr, wie die Batterien die Stel
lungen wechselten, wie endlose Reihen
der zersprengten Jnsanteristen aus den
Klüfte-n Wiesen und Hainen hervor
tauchten. Jn den mächtigen Kanonen
donnet mischte sich immer die trachens
den Schüsse der Jnsanteristen und
das Prasseln der Maschinen-getrieben
Rauchwolten jagten hin und her, wie
ein Redelschwaden, die der Morgen
wind verscheucht. Wie ein Geiser
spritzte die Erde haust-ach empor, aus
getrieben von den einschlagen-en Ge
schossen. Blise zucklen aus den Roh
ten der Geschiipe Die Schlacht war
in vollem Gange, und ihrem Rohen
folgte die Gruppe aus dem Hügel mit
einer Ausrnerisatnteit, die das Blut
rascher kreisen, den Atem stocken ließ
Aus dein Wege, der zum Schloßhos
führte« seigte sich in der Ferne eine
Schwadron russischer Dragoner. Die
Reiter sprengten in gewaltigem Ga
lopp daher.
Alle Bewohner des Gutshoset starr
ten mit verhaltenem Atem aus die
Reiterschar. die sicherlich wichtige
Nachrichten brachte, denn sie verlang
sonnen den rasenden nein man sur
einen Augenblick. Sie huschten wie
ein Traum durch die Einsahrtsallee
und lentten die Pferde dirett aus das
Haus. Der anfiihrende Offizier hatte
wohl die auf der Anhöhe im Port
Versammelten bemertt. denn er zwang
das Pferd mit den Sporen, til-er die
Bortiere zu sehen und sprengte iider
die Blumenbeete vom Weg dirett die
Anhöhe hinauf.
Jn einer Entfernung oon zehn
Schritten, die ihn von den un- Herrn
Anastasius gesammelten Verwandten
trennten, brachte er das Pferd zum
Stehen.
Er sprang aus dem Sattel, zog
den mit Staub überdectten Waffenrort
glatt und trat auf die Versammelten
zu.
»Ich bitte, den plöhlichen Ueberfall
zu verzeihen!" rief er. »Aber der
Krieg wartet nicht! Aus Befehl unse
res Führers zieht sich die Front
nördlich hinter Lublin zurück. Jn ei
ner Stunde werden deutsche und
österreichische Truppen in Ludlin sein.
Eine Schlacht der hinteren Truppen
mit der feindltchen Armee und den
mittiimpfenden Legionären tann jeden
Augenblick entbrennen. Jch muß Ih
nen mit Bedauern mitteilen, daß die
Mauern des Purzycer Gutsgedöudes
teilweise das Gesichtsfeld unserer Bat
terien versperren, die auf jenen An
höhen aufgestellt sind." Er wies dabei
mit der Hand nach Norden. —- »Auf
Befehl des Generals soll das Haus
niedergedrannt werden!« l
Wie, um jede Gegenrede abzuschnei
den« wandte er sich turz um und stieg
wieder zu Pferde.
Er salutierte, das Pferd fühlte die
Sporen in den Ilanten, und sprengte
mit einem Seitenwurs hinunter, wol
aus den Gedauden bereits dichter
Rauch, von roten Flammenzungen
umschliingelt, ausstieg.
Alles geschah mit solcher Blitzes
schnelle, daß die Bewohner des Pihrer
Schlosses weder einen Schrei des Ent
sesens nach eine Bitte laut werden
lassen konnten. Sie standen wie er
starrt da. Es war teine it geblie
ben, etwas zu retten, und o verharr
ten sie stillschweigend zu einer Schar
zusammengedrängt, und blickten aus
das wütende Feuer-, das ihre Habes
zerstörtr. (
Herr Anastasius richtete sich in sei
nem Sessel auf, als begrifse er nicht
das Unheil, das seine Angehörsgen be
trosfen hatte, beugte sich in das Ge-:
töse hinaus, das aus dem Schlacht-I
gewimmel mit den zischenden Graun-i
ten, Bomben, Schrapnellen und den’
Tausenden von Gewehrlngeln herüber
brauste, die ihr furchtbares Mähwertl
verrichteten, und sprach mit gespann-!
ter Stimme: »Von diesem Kriege ha- !
ben unsere Großunter, unsere Väter;
und unsere Enkel geträumt, sie haben
ihn sehnsuchtsnoll erwarten-'
Er richtete sich qui eigener Krust;
nas. Den sitt-rohen stiihten die Arss
me der Enleltinder. Er hob die handi
empor und machte nach allen Richtun- (
gen der Welt Zeichen des Nreuzeö,j
während seine bleichen Lippen er-.
schüttet-de Worte sliislertem s
»Ich segne diesen Krieg, der meins
Voll aus Brand nnd Ruinen nmt
Licht und zur Freiheit hinnussiihrenj
» wMan legte ihn vorsichtig aus den
Rollstuhl nieder. Er schloß die sagen, ;
streichelte die Dände und die Gesich-«
ter seiner Angehörige-, die ihn umga
ben, und sagte noch: »
«Jch segne Euch alle on diesem
Tage, an dem unsere Logik-neu aus
Tod und Leben nett den Deutschen
gegen die Aussen kämpfen an dem
der politische Adler empor-fliegt . » zu
neuern Leben. ..«
Er verstummte nnd wurde regungs
los.
. Die blossen Ieslexe des Feuers, das
die Wohnhäuser verzehrte, nnd die
set-eigen Flammen der im Zentth ste
henden Sonne ltlszten sein vergeistlgi
:- uud den herligenschejn sel
MW
Glu- den Eriiiiierunqeii eines Arzt-J
Staber Di. Ist-m seit Mode
is begrifk eines dreirigiqen Urlaub
ans-treten, als der Bursche des Ritt
iiieisiecs Spliiigerbee ihn dringend
irr Ferne- petrs dist. «
»Das-verlor —- iii einer halben
Siuiide geht mein Zugs Die Droichte
wartet schon. Was ist's denn mit
dem Verm Riiiiiieisiec?«
.Der Herr Riiiiiieiiiet befinden sich
nicht gui."
Jliazi gut. So. Und wann ifl der
here Rinmeistek gestern aus dem
riaiind hiemgelonimeiik«
»Gegen drei, Herr Stadtkirle
»Na also. Gehen Sie mal in die
näiyiie Apotheie und holen Sie —
ich werde es Jhnen hier gleich auf
schreiven —- diei Aniiphriiipulver.
Davon nimmt der hetr Riiimeiiiee
alle drei Stunden eins, vie ihm wie
der giii ists
Der Bursche schaute auf das Pa
pier, welches der Siiidsakzl ihiii in.
iie Vond geschehen. Dann bemerkte
et zogeriidz »Der here Niiinieister
habe-i schon vier Id ’ne Pulver genom
men — auf das Rezept. welches der
here Stab-arge vorige Woche ge
schrieben haben. Dazu sah- Fiaiihen
Seit-r und —«
Dr. Römer winkte ab.
»Herr du meknes Ledens«. liiurrle
er in fiih hinein, Haus der einen
Brand habe-il s- Also gut. Jch"
ionime." 1
Wenn man bereits mit einem:
Beine aus Urlaub ist lind muss dannl
noch in die Praxis, so löst das auch
bei dem psltchtireiiesten Arzte nn
sreundliche Empfindungen aus —
nnd nun gar, wenn es sich ilin einen
Patienten handelte, der seine Unpäß· ·
iichteiken so gründlich selbst zu ner-i
schulden pflegte, loie Ritinieister
«Settproppen'·.
Der Bittdsarzt slnchte denn auch1
ein Ertleckliches um sich herum, niarl
aber doch entschlossen. feine Abreise«
um drei Stunden bis zum nächsten
Zuge zu oerschiebben. Er hatte nur eine
tleine Erholung-sahn ins Gehirns
vor, und da tuni et schließlich nicht«
so sehr daraus an, ob er uin drei
oder um sechs an den lenzbrauttichen
Busen der vlatur flüchtete. Jmmers s
hin — siir einen andern hätte er das
nicht getan.
Mit dem dicken Rittineister ter-.
banden ihn langsiihrige dienstliche
und freundschaftliche Beziehungen
—- uiid aus Grund der teIteren»
nahm er sich par, diese Gelegenheit
zu benutzen lind dem Unberbesserli-»
chen ein-nat ganz gehörig den Kopf
zu w.ischen. s
Ehrensried Splittgerber verdanlte
seinen stadtbetlinnten Beinainen »der
Settvcoppew teineswegs einer besan
deren Vorliebe siir Schauniipeiiie. Er «
war lni Gegenteil ein ausgesproche
ner Feind dieses «schtcimpigeii
Zeug-III wie er den Seit ibesgrderseiid
bezeichnete. Wenn er ihn iei sests
lichen Gelegenheiten trinten mußte,
sv geschah das nur unter Protest und
mit einein Gesichte, als wenn er eine
Misetsung don taltern Kariiillentee
und Rizinujöl zi. sich zu nehmen hät
te. Das einzige, was ihn dann
schtieszlich mit diesem Genußmittet
:mmer wieder oersöhnte, wor, daß
man einen wundervollen Bierdursi
danach betont. . .
Der Spitzen-nie bezog sich aus sein
Aussehen. Ein mächtiger Schädel
saß aus einein kurzen, gedruiigenen
Korpey der sast immer mit einem se
ner weiten, salteneeicheii Umhänge
verhüllt war, welche in der Armee in
Aufnahme getoinnien find. Die Fi
gur, welche Ehrensried Splittgeroer
darin machte, ivcii allerdings die ei
nes Setttortei.
Die Illusion geitiiltete sich zu einer
volltomxnenen, als der Rittnieistet,
welcher auch im Hause einen solchen
Umhnng als Schlafrock trug, dem
Stavgaezte schon aus dein Flur ent
gegentrat —- anstntt der Mütze eine
tolossale Eisblaie auf dem Schädel.
Als De. Römer gleich auf dek
Treppe mit seiner Philippita einsetz
te, winkte der Ritttneifter Schweigen
und sog ian ins Zimmer
«Mcichen Sie teinen Lärm, Dot
totchcn'·, sagte et heiiee und mit ge
drücktet Leidens-niem: aDie drei
Damen- unten laufen ohnehin zufam
tnen wie dicke Milch, iobald Jemand
zu mir herauskomm- Ehe Sie über
haupt einen Ton lagen, lassen Sie
in ich reden. Wenn Sie nicht wissen,
worum et sich handelt, tönnen Sie
auch teine richtige Ding-wie fällen.
Voreeft vielen Dant, daß Sie se
toniinen sind. Wollen Sie einen
Log-kuts«
»Da-ite. Und Sie werden auch
lleinen trinken, bitte ich mit aus —'«
Z »Nein, nein. J wett« nicht
Einn. Außerdem n«ht das nichts.
lJch habe schon den dritten. Mit
instit überhaupt nichts nah-, Dom
leben. »Was habe ich gestern getrun
lken —- Knappe vierzehn sit-. Eins
davo- hoi Iiit der Klingwuth no
umgefioßem Dabei bin ich tm
Ader ich glaube, das sei-unt ans dem
Gemiit. Und Degen des Oesnilis
wollte ich Sie eben mal tsnfspttieeem
Glauben Sie, das der Men O weni
Iet vertrage- lasnh wenn er am ce
siii leideM
DI« W W U M
Iw. III-sit II Z sei-:
Instrumente zur Zustaltatikn unt-.
Periirsiion aus
«Mlleri Sie mal« bitte. den Eis
beutet und isten Mantel ablegen,
Herr Rittinei ,, i« -
»Eure-sen sie Isol, Mitwi
ich meine, wo et sich uin das W
handelt —«
»Da-on törinen Sie mir isin
schen erzählen. Jch muß zunachst
sehen· ob andre Besiirchtungem die ich
bezüglich Ihrei Zustanvej hege. sich
nicht bewahrheiten. Sie haben meine
häufigen Warnungen ia wenig beach
tet, daß ich intel, nicht wundern wür
de, ioenn ler Zustand veaentticher
wäre als Sie glauben«
»R:ven Sie keinen Hammeltalg.
Menschenstian sagte Ehrensriev
Splitsgerber ängstlich Er war ein
wenig Hyppchonaer, wie alte Jung
gesellsn Mit start beunruyigten
Pan-ten legte e: Mantel und Weste
ab und sotgte mißiranrisch pen Han
tierur·.gen, die der Arzt niit ihni por
nnhin. Dabei redete er in einein fort
—- tvie ein Rino, das sich über eine
Angst hinweglchwatzn
»Das ist Doch Unsinn. Was solt
niir denn schlen, Dattorchentl Jch
habe einen Brustkasten ioie’n Oxlsoit
Auf siins Meter Entsernung vlase
ich einenen Kronleuchtei aus« Wie
können Sie da jagen, daß ich
schwinvsiichtig bin —"
»Das halte ich nicht behauptet.«
«Aber Sie tun doch so! Aussch
— nicht da! Jch bin tistich aus dein
Rücken! Das hat alles keinen Zweck,
was Sie da machen. Jch hab's im
Gemüt, verlassen Sie sich daraus.
Das ist jedes Jahr so iin Frühling. l
WANT schön wird draußen, ivenn
die Vagelchen um ihre Nester piepens
und vie Familien ins Freie ziehen
mit ihren flins, sechs Kindern, dann
packt mich das Gefühl der Verein-l
famnng. Mein Gemüt wird danns
se weich wie Quarttäse —- nnd ich
muß in die Kneipe, nen darüber hin
weg zu tdmnten, dasz ich nicht auch
fünf, sechs Kinder habe, wie die nn
dern Menschen-«
»Ich habe anen schon vor drei
Jahren gesagt, Sie dllen heiraten.
—- Atrnen Sie inni, bitte, tief aust«
Ntttnteistee Settprvppen gab Luft
wie ein Schmiedebtasebnlg. Mit dein
reizten Rest Atem stieß er hervor:
»Veiraten —! Jhr Llerzte seid Klug
schnaiten weiter nichts. Heira
ten —!'« Er zuate ein paar-nat hef
tig die breiten Schultern. «Dazu
gehören doch zwei« nicht wahr? Wol
len mich denn die Frauen-lutes
Nicht in die band — troy meines
tiefen Gemüts. Sie find mein
Freund, lieber Doktor-, nnd Sie wer- i
den mich nicht verraten. Mit den:
drei Lüttentlauschen Damen unten«
bin ich seit gestern durch. Jedes
Jahr habe ich um eine angehalten.
Gleich damals, als Sie mir vor drei »
Jahren ddrn heiraten sprachen, um»
die jüngste, Fräulein bilde. JmI
vorigen Sommer tun Fräulein Aga,
die gerade ihren dreißiszften Geburt-s i
iag feierte. Gestern —- nachdem ich
auf dem Wege zum Dienste zwei.
Krernser mit lauter angeputzten, luii
tigen Rinderchen getroffen —- habe
ich um Reste-trink die älteste, ange
halten, die überhaupt keine Geburt
tage mehr feiert. Die ersten beiden
haben mich glatt abfallen lassen, weil
sie Zweifel in meine Solidität setz
ten -«
Ehrenfried Splittgeeber seufzte mit
der Miene eines Menschen« dessen her
bed Schicksal es ist, dertannt zu wer
l
i
l
(
l
den.
»Und die dritte —?« fragte der
Arzt.
»Wpllte sich morgen entscheiden —
auf unserm Ausflug nach Linden
tal.«
»Na also! Da haben Sie ianacy
Hoffnung«
»Aus ists. Als ich heute nacht
nach Hause tam war mir so schwer
ums Herz, daß ich ein paar-ital auf
der Treppe gestotpert bin Daß
muß die Damen munter gemacht ha
ben denn als ich dann aus ihrem
Flur etwas zu viel rechts Esset nahm
und gegen ihre Türe fiel, wurde die
selbe sofort unter lauten Ausrufen
der Entriistung geöffnet und dann
zugeschnieitert, daß es im ganzen
Hase dröhnie So macht tein tie
Ibench Weib die Tür zu vor einem
Manne, dem sie binnen achtundvieri
Izig E Juni-en ihr Jawvrt geben will.«
I Dr Römer hatte sich abgewandt
und brauchte geraume Zeit, um set
ne Instrumente wieder im Bestea
unterzubringen
«Dai ist allerdings schlimm sagte
er. «Schlinrmer aber noch ift es,
da sz meine BesitrPtungen bezüglich
Jh hres Zuftanbes leider bestati
IDokterchen —« fivttette Rittmeii
s·er Settprappen entschi
.Sie haben ein Bierherz, wie es
I —- in Spiritus aufbewahrt —- fedem
llinischen Museum zur Zierde ge
Ireichea würde. Ferner haben Sie,
neben einer allgemeinen apaplettischen
Anlage, eine eschivollene Leber. Au
Iszerdein find ie Diabetiter.«
I »Mehr nicht —- —«
I Nach einer Pause starrer Fas
Iefunsslosigieit eies Ehrenfried Splitt
er in einem Distant n nur
Idie höchsie Angst einein zwei en Vas
kzu erpressen vermag.
ist fa eine schöne Ueberra
»ich-i Dai Das soll ich denn iun2«
weiden bis auf weit-M ipcs
- ber« Vier nach sonstige altpholische ce
triinte genießen. Das ist die Haupt
s Dann eine Diät beobachten.
dte S Ihnen noch auffchreiben wer
de. , Keine fetten oder gezuckerten
; Its Siifnnittet dürfen
sie nur Sarcharin nehmen —«
Este-schwer —- dao ist ja Giftt«
»Macht-us nicht« Sie haben rntt
den nteten Ort-un die Sie zwischen
Vier zu trinken pflegen, zu diel
Zucker genossen. Das mufz raus.
Lassen Sie fich nur gteich Durcharin
holen. Ein weißes Pulver-, von dein
Sie nur etn paar Körnchen zu neh
mer« brauchen. Trinten Sie nach
her gteich drei Glas gefußtes Wasser
—- Sre scheinen auch etwas Fieber
zu h.1ben, da Zie sich so ichuttetn
—- und Sie werden sehen, wie dor
teithaft das auf Jhr Gemut einwirtt.
Adieu. Herr Rit:meister. Nach dern
Urlaub spreche ich mal wieder oor."
Settproppen faette auf einem
Stuhte zusammen-. Er war derart
oor den Kopf geschlagen, daß er gar
nicht darauf achtete, wie der Stadtt
arzt im unteren Flur von den drei
Luttenttauschen Jungfrauen abgesan
gen und ausgefragt wurde.
tfEine Gemütetranthein meine
Damen«« versicherte Dr. Römer. «Der
Aermste mufz unter schweren seetifchen
hoffnungen oder dergleichen —«
»O Gott —" seufzten Fräulein Hil
de und Aga, indem sie die gefatteten
hände auf die Plattsortn drückten,
unter der ihr her-z pochte.
»Aber Herr Studgarzt,' jammerte
Fräutrin Roswitha mit gerungenen
banden, «er war doch erst gestern
wieder so fürchterlich oe-—trunten,
nafz er —- —"
»Das muß ein Jrrtum sein, mei
ne Gnädigr. Herr Rittmeister
Splittgerher genießt seht absolut tei
ne Spirituosen. Es wird ein
Schwächeanfall gewesen fein. Do ich
verteilen muß, möchte ich Sie bit
ten, auf Jhren unglücklichen Haus
genofsen ein wenig zu achten. Wenn
das nämlich überhand nimmt .nir fei
rein Gemüt, so ist das Schlimmste zu
befürchten —«
Ein Schrei aus drei Kehlen
»Sie meinen, daß er sich ein Leids
antun könnte?!«
Dr. Römer fsog die Schultern hoch.
Dann grüßte er schweigend und ging
s II s
Der Frühriusflug welchen die
Herren und Damen des Bataillons
am folgenden Sonntage unternah
men, war von. herrlichsten Wetter
begünstigt- Man saß bei einer dor
trefflichen Mile ·
Ehrenfried Splittgerber saß ab
seits. Für ihn war Spiel und
Tanz vorbei. Er mochte gar nicht
dir-sehen nach den Kindern drüben
— und nach der Bowle schon gar
nicht. Er halte ein Glas Init einer
trüben Flüssigkeit vor sich. Zitros
nenlisnonade. Und wenn er einen
Schluck davon trank, verzog er das
Gesicht wie icn Kinnbactenlrnmpf.
Nahm er aus Unvorsichtigleit einen
zu großen Schluck, dann blieo ihm
der Mund offen, und es dauerte eine
ganze Weile, bis er ihn wieder zu
belau.
Bei dieser trostlosen Beschäftigung
richtete er gar nicht auf die beforgten,
liebevnll desorgten Blicke, welche die
Lüttentlaufchen Damen unausgeseht
auf ihn richteten Nachdem sie beohach
tet, daß der Rittrneister weder Bier,
no Geog, noch Maiborole, sondern
wo e und wahrhaftig eine Bitte-nen
lirnonade sich bestellt, war eine Wand
lung in den drei sungfriiulichen Her
zenf vor sich gegangen . . .
Seltprvppen aber sah nicht ein
mal aus. Unentwegt starrte er in
Je trübe. sauer dustende Flüssig
ieil «- und im Augenblicke erfüllte
nur ein Gedanke sein umdiistertes
Geniiit: So war das Gesoss un
möglich zu genießen! Er hatte sich
noch nicht entschließen können, das
ihm verordnete Süßmiltel zu benut
zen. Eine so heitige Abneigung
hatte er dagegen. Aber es mußte
sein.
Vorsichiig zog er ein winziges
Fläschchen aus der Tasche des
Wassenrocks, sah sich scheu um unv
schüttete ein paar Körnchen des wei
ßen Pulvers in sein Glas. Er bat
te das letztere aber noch nicht an die
Lippen gesetzl, als die Lüttenklaui
Tschen Damen mit einein Schrei des
Entsetens aus ihn zustiirzten
Fräulein Hilde entriß ihm das
JGlas Fräulein Aga umtlannnerte
sseine beiden hände und Fräulein
»Rvswitha hing schluchzend an seinem
! Halse.
! Rittmetsler Seltvreppen war zu
sniichst kaum weniger tonsierniert wie
;aestern, als er so pliijlich von seinen
svier Krankheiten ersahren. Nacht-eint
sich aber das Mißverständnis ausge
Lliirt und die ganze Gesellschaft mit
öhlichen Gllietwiinschen aus ihn ein
aag, da wurde er sa ties bewegt
»in seinem Gemüte, daß er gleich
eine frische Von-le ansetzte —- nicht
zu klein, dafilr aber etwas lriisiiger.
; —- Seine«Ansicht. »Was ist
denn eigentlich a' Quintessen ?
Da wird sicher was sum sausen
Maus g’niacht!«
I —- NaiveEntschuldiqung.
Taute: Frieda, ich sah dich gestern,
itviihrend des heftigen Regens, mit
I einem herrn zusammen aus der Stra
ße geben« Jhr gingt sehr eng anein
ander gescheniegt, das schickt nicht!
Richte: Dastir tonnte ch nicht«
Sante, —- dem Denn sein Schirm
var so sehr klein.