Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 11, 1916, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-Hatt de
Staats « Anzetger und Rat-old
MWMN Don cxstng
—.
—
Inseln-acht.
Novelle vkn Hans Friedrich. (
An den Vogesen hing die Nacht
eine woltenverhangene, pechschwarze
Juninacht. Die Sterne schliefen.
Aber andere, grellere Lichter waren
wach. Scheinwerfer wanderten um
her, tosteten an den Berghängen ent
lang, suchten Sattel und Täler.
prallten an dunklen, schirnienden
Waldwiinden ab, schwangen und
kehrten mit deiingstigrnder hartnät-.
ligleit zurück. «
Die Kompagnie lag in einer rasch
gegrabenen Stellung und im Schutz
von Felstrilmmcrn Sie hatte den
Sattel nehmen sollen, aber der An
grisf war abgeschlagen Zu start lag
das Sturmseld im Feuer der stan
zdstschen Maschinengewehrr. Man
hatte gehofft, die scindlichen Gräben
durch eine mehrstiindige Artillerie
bearbeitung zerstören zu tönnen. Ader
als die ersten Stürmer vordrangen,
merkten sie, daß alles vergebens ge
wesen war. Da wurden sie zurück
genommen· «
Sie warteten. daß die Geschiiye, die
inzwischen in andere Stellungen ge
bracht wurden, wieder zu sprechen de
giinnen. Auch Verstärkungen waren
eingetroffen. Die Verbände schaben
sich enger zusammen
Der Führer oes einen Sturmzugs
zählte seine Leute. Glücklicherweise
stimmten seine Befürchtungen nicht.
Trotz des rasenden Maschinengewehrs
und Schrapnellfeuers waren verhält
nismäßig nur wenige geblieben· Aber
er hatte nur crsahrene Leute vorge
schiett. Die gingen nicht daraus los
wie in den ersten Kriegswochen Die
trugen den Angrifs vorsichtig und
verschlagen nach vorn und waren
darin ihren Gegnern drüben, den
- französischen Alpenjägern, ebenbürtig.
Mehrere Verletzte hatte man gleich
mit zurückgebracht Ein Unterofsii
zier und ein Mann waren tot, das
hatten die Nächstsechtenden gesehen.
Denen tonnte nsan nicht mehr helfen.
Aber von drei anderen wußte main
daß sie nur verwundet waren und
mit der-e Leben davontotnwen lot-n
ten, wenn sie geborgen wurden. Aber
geborgen mußten sie. werden. Denn
setzte morgen das seindliche Maschi
nengewehrseuer wieder in der alten
Stätte ein« so waren sie alle ver
loren.
»Wer holt sie mit rein?«
Alle meldeten sich, obwohl jeder
von den Beschwerden des Tages
müde war
»Ach-z genügen-« . . . Also ver
wundet liegen draußen Huwald Und
Bock. Und Harnisch.«
Der Gesteite Mithlbrechi. der zu
den sechs Ausgewäblten gehörte zuaie
zusammen. . . harnisch . . . Jetzt
wäre er ganz gern nicht mit dabei
gewesen. Aber er tonnte nicht met-r
zurücktreten. Es hätte so ausge
seben, als stirchte er die Gefahr.
furchte die Gruße der Schrapnelle, die
noch dann und wann iiber dem Ge
sechtssetd plagten.
»Vorwärts! Seid vorsichtig! Wir
brauchen morgen jeden Manni«
Wie die Schlangen wanden die
sechs, immer zu zweien, sich am bang
entlang. Der Boden war von schwe
ren Granaten durchpslügt. Baum
stämme lagen am Boden. Zersplisi
sene Stümpse ragten aus. Nur ein
paar niedere Fichtenbiische schienen
noF underledn .
tiihlbrechr troch an der Spitze. Es
waren lauter junge, gewandte Rette«
Der Zugsiibrer hatte sich schon die
richtigen Leute ausgesucht. Aber
Mühlbrecht war doch der Jüngste-;
Von der Schule sort, mit beschleu-»
ntgtem Abiturium, war er in die»
Kompagnie gekommen. Nun trugj
er die Gesreitentnöpsc und seine Stie-l
sörderung zum Unterossizier war nichts
mehr weit.
Die ersten Minuten blieb alles
sinster. Dann aber löste sich aus
dem Kamm ooen eine unheimliche
helle lob. Ein Scheinwersers tastete
aus sie zu.
Die sechs duckten sich dicht an den
Boden und rührten sich nicht. Wenn
r sie erreichte« waren sie alle dem
Ist-de näher als dem Leben.
Aber er ging oorilber. Nur siins
Meter von dem äußersten Paar lints
entfernt. Aber sie genügten.
Harnisch —- schoß es Mühlbrecht
durch den Kaps. hatte es den also
auch ekwischee arme wan in ums
sagen; Jst eigentlich nicht schade
um den! Aber er drängte es zu
rück. hier war Krieg.
Doch die Erinnerungen konnte er!
nicht zurückdrängerr. Zwei Jahre und!
etwas drüber war ei her. Wie die
Zeit verging! Schon zwei Jahrhl
Und doch war das alles noch so»
nahe. Ein Jahr, wie langsam das
endet, wenn man es in der Schule
wiederholen muß und die Masse habt,
weil man doch hinaus möchte ins
Leben, ins große, lachendh freie
Lebens
Das war von Unter- nach Ober-l
prima gewesen. Und dazu hatte ihm
harnisch verholsen.
Sie hatten alle zehn zusammen
gestanden —- alle zehn Primaner.
Und sie hatten den Professor siir La
teinisch gehaßt, weil er sie rnit ist-ironi-l
matit und immer wieder nur mitl
Grammatik und Regeln und Muster
sätzen und auswendig zu lernenden
Gedichten quälte und nichts Leben
digeni in der Sprache sein Recht ließ.
Und einmal —- da hatte er ihnen
statt des üblichen Extemporalet eine
Uebertragung aus dem Lateinischen
ins Deutsche ausgegeben, ein Kapitel
aus der »Römischen Geschichte« des
Titus Livius, des Zeitgenossen des
Kaisers Augustus. Sie aber wuß
ten, dasz jedes Semester eine solche
Uebertragung kam, und warteten schon
drei Wochen daraus. Und sie wußten
auch, dasz er immer Livius dafür zu
wählen pflegte. Und sie hatten alle
vier Vände der »Römischen Geschichte«
in deutscher Uebersetzung bei sich.
Und da er ihnen zuerst den lateini
schen Text diktierte und sie dann mit
der Uebersetzung bis zum Schluß der
Stunde Zeit hatten, suchten ein paar
trampshast unter der Bank in der
deutschen Ausgabe. Und sie fanden
die Stelle und schrieben in aller Eile
und die anderen schrieben sie ab, und
die treuen Bande liefen verschwiegen
weiter. Da wurde die Uebersetzung
gut. verhängnisvosl gut! Denn der
Professor schöpfte Verdacht, und es gab
eine große Szene, ein regelrechtes
peinliches Verbot
Acht der Primaner blieben stumm,
allen slammenden Erntahnungen des
Direktor-s zum Trotz. Acht kümmer
ten sich nicht darum, daß er schwor-,
sie bei der nächsten Arbeit in der Aula
wie beim Abiturientenexamen jeden
allein auf eine Bank zu setzen, zwei
Schritt Entfernung dazwischen, um
so ihr »verlogeneg Jgnorantentum«
an den Taa zu bringen. Und acht
bebten auch nicht davor zurück. Briefe
mit nach Hause zu bekommen. Sie
wußten, was Fiameradschaft hieß.
Aber zwei waren vorn Blute des
Judas Jfcharioth. Zwei wurden
schwach bei den angedrohten Strafen
und verrieten nicht nur sich und die
anderen, sondern das von Generation
zu Generation vererbte, heilig gehal
tene System, die vier Blinde Livius
in deutscher Uebertragung unter der
Bank, die dort fast zehn Jahre lang
gewissenhaft und ehrlich ihre unehrs
liche Pflicht taten.
Von diesen beiden Verrätern war
der eine der Letzte der Klasse. Er
hatte eigentlich nichts zu verlieren.
Es war sicher, daß er sitzenblieb, und
fraglich, ob er jemals zum Exainen
zugelassen werden würde. Aber er
war von Natur nachgiebig und feige
Der andere war Harnisch, der Pri
muo der tilasse , der zuliinftige
Primus der ganzen Schule. Er hatte
es nicht nötig. Er lonate auch ohne
deutsche Ausgabe eine gute Ueber
setzung liefern· Doch er wurde zum
Verräter, weil er sich feine Note im
Betragen nicht verderben wollte·
Er ertlärte, er hatte leine llebers
setzung benutzt wie die anderen. Er
log ein wenig, nicht ganz, nur ein
wenig. Denn an mehreren Stellen
hatte er die Abschrift seines Nachbarn
doch zu Rate gezogen. Aber Pro
fessor und Direktor glaubten ihm.
Er hatte ja der Wahrheit die Ehre
gegeben!
Die anderen suchten ihn Lügen zu
strafen. Eine Woge von Haß bran
dete gegen ihn auf. Jetzt wollten sie
ihn hineinlegen. Und sie sprachen
die ganze Wahrheit. Aber es half
Richts. Man glaubte ihnen nicht. s
Da nützte es nichts, daß ihre
Fäuste sich nachher an Harnisch nich-J
ten. Den acht ging es schlecht! Dies
paar Stunden Arrest waren zwar»
bald überstanden. Aber in den nächU
ften Wochen wurden sie nach allen
Regeln der Kunst auch weiter peinlich
behandelt, und Ostern wurden vier
von ihnen nicht versetzt. Zwei wären
auf jeden Fall hoffnungslos gewesen«
die beiden anderen jedoch hätten wohl
durchlomrnen können. So aber blie
ben sie hängen, weil Director Magre
und Professor Stievenböck vor ver
sammelte-n Lehrerlollegium erklärten,
es fehte ihnen die sittliche Reife. —
Die französischen Scheinwerfer
wandten sich den deutschen Stellungen
zu. Es wurde unt die Bergangsi
mannfchaft herum wieder finster-.
Mühlbrecht klebte am Boden, als
solle er nie, mehr los· Ein Jahr
hatte ihn das alles gekostet. Zwei
Semester Universität könnte er schon
hinter sich haben. Und Harnisch
hatte seinen Vorsprung benutzt.
Liselatte . . .
Ein Ruf seines Nachbarn riß
Mühlknecht empor. Er biß die Zähne
auseinander und kroch vorwärts. . . .
Er liebte Liselotte, seine tletne
Aufme« nicht. Aber sie war ein
kutei Mädchen Und Darnifch war
brer nicht wert. Er gab tbr nur
schöne Worte, am Staat satt the zu
Imachen. Und wenn er es wirklich
Iernft meinte, tat er es nur weil ihr
Vater einen hohen Titel hatte und
iihn bei seiner juristischen Karriere
behilflich sein konnte . . . ;
Borne Flüstern. Das mittlere
Paar hatte einen Betwuiideten ge
funden. Die Nacht ioar so still, fast
unheimlich still, als hielten alle die
Gegner in den gewehegespickten Grä
ben den Atem an. Mühlbrecht
lauschte. Das war nicht harnischens
iStimmr.
) c r und sein Kamerad gitten weiter
und rutschten in eine Senkung hin
sah die einigermaßen vor dein feind
lichen Feuer geschützt war Da san
!den sie den Vermißteii.
J Er hatte einen Schuß durch ben
Schenkel und viel Blut verloren. war
aber bei Bewußtsein. Als er die
sbeiden lomnien hörte, machte er ein
sseichem
s Sie beugten sich Liber ihn. Da er
lkannte er Mühlknecht »Du« . . .
! Der antwortete nicht Der andere
jhatte sich notdürftig einen Verband
angelegt. Sie untersuchten ihn.
Mehr konnten sie vorläufig auch nicht
J.tun
Also vorwärts!
» Sie schleppten die Last, so schnell
les ging. Die Nacht ioar immer noch
sfinster. Aber bei den französischen
jPosteii mußten sie doch etwas ge
Einerkt haben. Die Alpenjäger hielten
scharfe Wache Ein paar Kugeln
pfiffen
- Ein leiser Fluch Die beiden Trä
»ge- setzten sich schiieller in Bewegung.
IDer Kranke ächzte
? Von den anderen Paareii sahen sie
nichts. Das erste war wohl schon in
sSicherheit, das andere suchte vielleicht
jnoch.
. Wieder eine Kugel. Haar-scharf
;p pfiff sie Mühlbrecht am Ohr vorbei.
sDaiin war nian in der deutschen
Stellung.
Es wurde nach Bahren geschickt.
Harnisch richtete sich auf. Er war bei
dein Stoßen des eiligcn Transports
einer Ohnmacht nahe gewesen· Nun
schüttelte er sie mit Gewalt ab.
d· »Du . . . Mithibrecht. . . danke
ir." . . .
»Brauchst nicht zu danien.« . . .
»- o ." . . .
»Pflicht« . . .
»Ich war doch dein Feind.«
«Bist du auch noch . . . zu Hause
. . . Hier aber gehört das nicht her.«
»Ich iann nicht mehr dein Feind
zsein . . . trotz allem, was du mir
früher gesagt und wic du mich be
ihandelt hast.« . . .
»Doch.« . . .
i »Das heute löscht aus.«
i »Unsinn! Keine Seniinientali
;iäten! Nichts löscht aus. Später
stresfen wir uns wieder-« . . .
’ Mühlbrecht meinte over er meinte
Inicht, er fühlte nur, er wolle Lise
"lotte schützen. Und er dachte an
Säbel und Pistolen.
Aber jetzt nicht daran denken!
Jetzt war das ja lächerlich. Doch
später, wenn es wieder ein Leben da
heim gab und Frauen, die man liebte
. . . und bunte Miiyen und . . .
Oder gab es die fiir ihn nicht
mehr? Wurde nian hier draußen
nicht nur fiir den Krieg zum Mann,
sondern auch fiir den Frieden . . .
fiir immer?
Mühlbrecht schmierte- Der Sprung,
»den er von der Schule hierher ge
macht hatte, erschien ihm auf einmal
ungeheuerlich. Er hatte das bisher
nur nie so gespürt wie jetzt.
Reine bunten Mühen . . . leine
großen Reden . . . ieine Säbel- und
Schlägermenfuren uin nichts, nur um
des Ranfens willen . . . ieine Liebe
leien zum Spaß mehr . . · .
Ein anderes Leben . . . »
Arbeiten . . . ftart fein . . . arbei
ten fiir Deutschland, das Männer»
braucht, um noch größer zu werdeni
. . . und Liebe . . . wirkliche Liebs
. . . keine dummen, zeitberfchwenden
den Liebeleien. . . .
Die Bahre kam Die beiden Feinde
trennten sich. Dieamal war es
Mühlbtecht, der das schwere Schwei
gen brach.
»Wenn du heimionimft, griiß’ Lifes
lotte von mir!«
Jn feinen Augen blihte etwas.
harnifch verstand, aber verstand
falsg . »
» u . . . wenn du im Spiel bist
.. . . ich will nichts mehr von Lise
lotte.« . . .
»Das geht mich nichts on,« unter
brach Mühlbrecht rauh. Aber ganz
heimlich fühlte er doch eine Befrie
digung.
Liebte er sie vielleicht doch?
Aber das hatte ja Zeit. Was
sollte hier Liebes Das hatte noch
viel Zeit.
Vier regierte jetzt eine andere Welt.
Der Alltag war zerbrochen. Man
stand außerhalb feines Ringes in
einem neuen Ring. Wer einst Feind
geheißen hatte, war es hier nicht
mehr. Da drüben las ihrer aller
Wv....
. Die Stimme von mehr als dreiszig
Geschützen zerriß die Nacht. Wie er
wartet, wurden die feindlichen Schlit
zengräben wieder unter Feuer ge-"
nommetn
Mühlbrecht fühlte: Troß des
Donners der Kanonen würde nun
ein bleischwerer Schlummer über sie
fallen. Und dann . . . wer wußte
. dann?
Es gab keine Logik des Alltags
mehr. Man rettete den« der einem
fehr weh getan hatte . . . weil er ein
Deutscher war.
Es gab keine Logik des menschlichen
Fersens mehr. Man schlug Wundernl
nd wenn man sie geschlagen hatte,
verband man sie und fühlte Mitleid
. obwohl es Feinder galt.
Man war nur noch die Hand seines
Volkes . . . bewehrte, todbringende
Hand Und es gab nur noch einen
Gedanken, der gegenwärtig war, und
der hieß Sieg Alles andere . . .
Liebe . . . Feindschaft . . . war nur
ein Herüberwinken aus früherer Zeit.
So wie jener halhzersplittertr. hohe
gichtenstamm jetzt im anfgleißenden
cheinwerserglanz herüberwiatte als
Erinnerung eines gewesenen Waldes.
Liselottr. . . . Jetzt winkte ihr
Bild nicht einmal aus der anderen
’Weli herüber. Noch ferner als sit-s
xvdr war die Liebe . . . so fern, fern,;
daß sie auch nicht den oft begangenen,
»in den harten, traumlosen Schlaf der«
Erschöpfung
Und morgen war Sturm. . . .
l
!
, Zlio Magen.
Sitzer von Halid Zia Vet)
Endlich hatte sie ihren Sohn Alis
wieder bei sich, den sie seit fünf Jah-J
ren nicht gesehen hatte. Als wär-ej
er ein anderer Mensch geworden, sos
kam er ihr vor. Jn ihrer Erinne-»
rung stand er als Siebenjähriger vor
ihr, und jetzt war er so verändern
daß die Mutter den Jungen staunend
betrachtete.
Z Und Ali erzählte seine Erlebnisse
Wenn er von den Ländern sprach. die
er durchquert hatte, spannte er seine
Arme aus, um der alten Frau« wel
cher ihr Dorf die Welt war, einen
Begriff von der Ausdehnung jener
Gebiete zu geben. Dann erzählte er
ihr von den Militärtransporten und
von den Kämpfen. Die alte Mutter
verstand nichts davon, aber sie hörte
zu und war zufrieden, seine Stimme
zu hören. Und wenn Ali einmal
seine Erzählung unterbrach, sei es,
um sich eine Zigarette zu drehen oder
einen Blick aus die Wiesen zu werfen
und sich im Zimmer umzuschauen, wo
er mit seinem Vater glückliche Tage
verlebt hatte, sprach die alte Mutter:
,,Ali, erzähle weiter.« s
Aber auch er hatte mancherlei zu
fragen: «Mutter,« sagte er, »erzäl)lei
Du auch etwas, erzähle von meinem«
Vater-"
Da wurde es plötzlich still um die
beiden Menschen- Tie Alte verbiß
einen Schmerz in ihrer Seele und
hielt dieVTränen zuriick Der Junge
senkte den Kopf. «
Und die Alte erzählte leise, wie
der Vater beim Pfliigen gestiirzt war
und wie die Söhne des Nachbarn ihn»
heimgetragen hatten und wie ders
Sterbende in seinen letzten Augen-i
blicken seines Sohnes gedacht hatteJ
nach den er sich in Sehnsucht ver-i
zehrt hatte. s
Ach, welche Sehnsucht sie nach denii
Kinde gehabt hatten! !
Und Ali erzählte dann wieder sei-»
nerseits· Fünf Stunden lang sprachs
er von seinen Erlebnissen. Und als«
er damit zu Ende war, wollte er die
Mutter noch etwas fragen, fand aber:
nicht den Mut dazu. Warum dachte
die Mutter nicht selbst daran?
Warum erzählte sie nicht ungefrath
Aber die Alte hatte den Blick des
Sohnes verstanden und sprach lä-.
chelnd: »Emine«.
Da sentte er seinen Blick zu Bo
den. wie ein verschämtes Kind. Diese
tindliche Verlegenheit brachte die bei
den einander so nahe, daß die Mutter
ausstand und Ali in ihre Arme schloß.
»Ja, Mutter,« sagte er, »wie stehts
es mit Eminet«
Da erzählte die Alte bon einem
Brief, den Emine vor drei Monaten
aeicbrieben hatte.
Eknine lvur eine nrine Waise. Sie
waren zusammen erzogen worden und
als Ali 15 und Emine 12 Jahre nlt
war, hatten die Eltern immer gesagt,
sie gehöre ihm. Er liebte das Mäd
chen und Emine, die wußte, daß sie
ihm versprochen war, hing an Ali.
Ali schiirnte sich vor seiner Mut
ter: »Das heißt, Emine ist gesund,
weiß sie, daß ich gekommen bin?«
Die Mutter verneinte die Frage. Man
hatte dem Mädchen nichts von seiner
Ankunft mitgeteilt.
Da wurde es wieder still zwischen
den beiden. Die Mutter streichelte
die saure ihres Sohne-, der seinen
Kopf aus den Schoß der alten Frau
legte· Er dachte an vergangene Zei
ten, Ivie er und Emine da draußen
auf diesen Feldern gespielt hatten
Ali war nicht militiirpflichiig ge
wesen und damals freiwillig in das
Heer eingetreten. Emines Augen ver
rieten bei dieser Nachricht Freuden
zeichen versteckter Gedanken, und als
Ali sie fragte: ,,Emine, in Dir geht
etwas vor, was ich nicht verstehen
kann. Was fehlt Dir?«, sprach sie
nicht und lief weg. Einmal«hatte es
den Anschein als wollte Emine etwas
sagen; sie fand jedoch nicht den Mut
dazu. Schließlich aber erklärte sie,
daß auch sie wegteisen werde
,,Wohin willst Du reisen?« fragte
Ali· Ja, sie wollte nach Konstanti
nopel gehen«und dort solange als
Dienstmädchen bleiben, bis Ali wieder
zurückkam. Sie konnte dabei auch
etwas Geld verdienen.
Ali war damit einverstanden Und
als am darauffolgenden Morgen die
neu eingesogenen Jungmannschasten
mit Trommeln und Pfeier das Dorf
verließen, ging Ali zu Emine und
sagte: »Jn der Hauptstadt sollst Du
mich aber nicht vergessen.«
Jenen Augenblick sah Ali jetzt wie
der vor sich und wagte nochmal die
Frage, ob Emine von seiner Ankunft
unterrichtet sei
Die Mutter antwortete ihm, schrei
be ihr, daß sie kommen soll. Dann
könnt ihr heiraten.
Ali versank in tiefes Nachdenken.
Seine Absichten wollte er der Mutter
verbergen. Sie aber verstand seine
Sorgen und bestand darauf, daß er
sich offen ausspreche.
»Mutter, ich gehe weg, um Emine
zu holen.«
Da wurde die alte Frau ganz
bleich. Sie wollte sprechen, fand aber
keine Worte. ihre Augen öffneten sich
groß, und deutlich konnte man ihre
Gedanken daraus lesen: Du wilst
mich verlassen, und ich soll in Sehn
sucht nach Dir sterben, wie Dein Va
ter.
»Aber dente Dir, Mutter,'« sagte
Ali, »Emine hat jetzt Vermögen: ich
aber besitze gar nichts. Was schadet
es denn, wenn ich auch nach Konstan
tinopel gehe. Dort kann ich etwas
verdienen, um mir einen Wagen zu
tausen.« Und er malte der Alten
das Bild seines Wagens-.
Nach einer Woche reiste Ali ab.
Tie Alte begleitete ihren Sohn bis
zum Kreuzweg, zeigte auf einen Fel
sen beim Teiche nnd sagte: »Hier bei
diesem Teiche werde ich jeden Tag
bei Sonnenuntergang auf Dich war
ten.«
Eines Morgens wurde Emine Be
such aus ihrem Dorfe gemeldet. Sie
war an solche Besuche gewöhnt, drei
bis viermal jährlich kamen Bekannte,
die Nachrichten aus dem Dorf brach
ten. Trotzdem kam eine Aufregung
über das Mädchen. Sie stürzte zur
Tür, und überrascht begrüßte sie den
unerwarteten Besuch, indem sie lang
sam nnd erstaunt seinen Namen aus-;
sprach:
»A—l—i!"
»Ja, Emine.«
Sie standen einander gegenüber,
aber keine-«- von beiden brachte ein
Wort hervor.- Einme sah einen
Mann, den sie als funfzehniährigen
Knaben gekannt hatte, und Ali sah
ein erwachsener-, schön gewordene-J
Mädchen vor sich. Von oben aber
hörte er eine Francnstimmet ,,Einine,
wer ist dort-« Sie antwortete:
,,Ali." Da sie aber wußte, das; diese
Antwort der Fragenden nicht genü
gen tonnte, lief sie hinauf, um zu
erklären, daß Ali, ein Verwandten
gekommen sei. Mehr konnte sie nicht
sagen. Da aber im Hause ihre Be
ziehungen zu Ali betannt waren,
wußte man sofort, um welchen Ali
es sich handelte.
Nachdem Einine wieder herunterge
tommen war, begann ein gegenseiti
geg Fragen. Ali erzählte, daß er
schon seit drei Tagen in der Haupt
stadt weile, daß er sich aber aus der
Reise erkältet habe und deshalb erst
jetzt gekommen sei· Und als er mit
seinen Erzählungen zu Ende war,
sragte sie: »Alt, Du bist gekommen,
um mich abzuholen?«
Ali lachte, denn er erwartete diese
Frage und sprach ihr von seinen
Plänen. Einine war nicht einver
standen damit. Wozu sollte Ali in
der fremden Stadt arbeiten. Sie
hatte ja Geld, um einen Wagen und
zwei Pferde zu tausen!
Aber sie schämte sich, ihm das Geld
anzubieten.
Jetzt erst fiel es Emine aus, daß
Ali hustetr. Er legte jedoch keinen
Wert aus diese Erscheinungen und
schickte sich zum Fortgehen an, um
in der Stadt eine Stelle zu suchen.
Als sie sich voneinander verabschie
deten, nahm er ihre band und sagte
leise: »Emine.«
Ei schien. als sollte sein ganzes
Dasein von dieser hand abhängen,
die er aus sein her-z legte. Dann
..-- « .--«———- -.- -»-... -.-—
hauchte er den Namen des Mädchens
nochmal über seine Lippen.
Eine Woche lang ließ sich Ali nicht
blicken. Emine war in Sorge um
ihn. Jmmer dachte sie an ihn. Sie
iiberlegte, was sie ihm zur Hochzeit
taufen sollte, was sie im Dorfe ma
chen würden, wie die Vor-hänge sein
sollten, die sie für ihr Schlafzimmer
kaufen wollte. Sie hatte schon Stoffe
fiir neue Kleider und zwanzig Pfund
zusammengelegt, von denen sie einen
Wagen taufen wollte.
Eines Tages schlug der eiserne
Klopfer gegen die Haustür. Emine
stürzte zur Tür; es war aber nicht
Ali, sondern ein Unbekannter, der sie
sprechen wollte. Und er sagte ihr,
Ali sei lrant, sie möchte rnit ihm kom
men.
Ali lag in einem armseligen Gast
hausr. Die Fenster waren zerbro
chen und das Bett bestand aus einem
Strohhaufen. Ali lag bewußtlos da
und versuchte sich zu erheben, als er
Emines Stimme hörte. Er huftete
in einem fort und sah schrecklich bleich
aus«
Emine laufe Wurzeln und Heil
trauten legte warme Ziegel in sein
Bett und lochte ihm eine Suppe. Bei
Sonnenuntergang bat Ali das Mäd
chen, heim zu gehen. Emine bestand
darauf, bei ihm zu bleiben, doch Ali
drängte-. Was würde auch ihre Herr
schaft dazu sagen, wenn sie die Nacht
über hierbliebe. Da ging die. Jhre
Herrschaft machte ihr Vorwürfe dar
über, warum sie keinen Arzt geholt
habe, und die ganze Nacht hindurch
lagen die Gedanken schwer auf ihrem
Gewissen: Warum habe ich leinen
Arzt aeholth
Als sie am andern Tage auf dem
Wege zu Ali an einer Apotheke vor
beikam, fragte sie nach der Adresse
eines Arztes.
Ali ärgerte sich über Eminr. Er
brauchte keinen Arzt, meinte er. Die
ser stellte eine Ertältung fest. Ewi
nes zwanzig Pfund verminderten sich
Weines.
Alis Zustand verschlimmerte sich von
Tag zu Tag. Emine brachte immer
einen neuen Arzt mit in der Hoff
nung, daß einer ihm das richtige Mit- ·
tel ver-schreiben würde. Jhr Geld
schrumpste zusammen. Ali sagte sie
freilich, ihre Herrschaft habe die Aekzte
geschickt.
Einer der Aerzte sagte ihr, Alt
könne hier nicht gesund werden, er
miisse in ein Krankenhaus oder in
sein Dorf gebracht werden
Ini« Krankenhaus genas Ali, aber
die Blässe wich nicht von seinem Ge
sicht. Da nach Emines Meinung
nur eine Heimreise Ali retten konnte,
schlug sie ihm vor, mit ihr nach dem
Dorf zu fahren. Ali wollte nichts
davon wissen. Aber Emine bat und
sagte: »Wenn Du willst-, kommen wir
später wieder, aber jetzt wollen wir
fort. lind sie erzählte Von den Er
lebnissen ihrer Kinder-jahre, vom
Sonnenuntergang, von den Feldern
und Wiesen.
So schlug denn Ali ein.
Als sie den Dampfer verlassen
hatten, wollte Ali den Wagen eine-s
Bekannten abwarten. Mit rührender
Stimme fügte er dann hinzu: »Hätte
ich einen eigenen Wagen, würden wir
sofort abfuhren-«
Am nächsten Morgen hatte Ali Fie
ber, das mehrere Tage anhielt. An
einem Donnerstag wallten sie reisen.
Jm Wagen war Ati bei bester Laune,
und mit Sonnenuntergang begann er
zu singen.
Unterwegs fragte Ali: »Wirst Du
Dich verheiraten, wenn ich jetzt ster
be«-« Emine antwortete nicht, son
dern legte ihm die Hand ans den
Mund. Er wiederholte seine Frage
nicht mehr, schloß die Augen und
schlief ein.
Als sie in die Nähe des Teiche-Z ta
men, sahen sie aus einem Felsen ein
altes Weib sitzen, dessen Augen auf
den Weg starrten.
Alle Dorsbeivohner versammelten
sich im Hause (smi11es. Sie schluchzi
te, und die Alte fragte nach Ali.
Endlich sagte man ihr die traurige
Wahrheit. Sie weinte nicht, hörte
nur zu. Dann schrie sie unter einem
häßlichen Lachen; Jhr liigtt« .
Und von diesem Tage an geht die
Alte wieder bei Sonnenuntergang
zum Ufer des Teiche-z und wartet auf
die Antunst Aliss mit seinem Wagen.
—
— P r o te st. Missionar: Mein
Vorgänger ist hier spurlos verschwun
den.
Kannibalu Noi. noi, a Zahn hab’
i mi d’bei rausbeißt.
—- Höitichk Aufforde
rung. No, was hast d« denn mit
dem Rassen gemacht, Seppi ·
Na, was werd i’ gemacht hab’n,
zuerst wies i' ihn mit dein Kolben
z’techt, dann trat i’ ihm bona Besuch
und sagte, wann d« jest net dei’ I
wehe wegtust. nacha merk i« steht