Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 27, 1916, Sonntagsblatt, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    . th swaslöäz
v Von Hedioig Juni-ach
»Das einzige, was die Denner
sei entschiidigeii vermagst ße Weib
ist, iß die Mutterschattf0
Die Damen, die uni den reich und
vW gedenken Tectiich der Frau
Land Rhein fuhren förmlich erschroc
ken zustimmen vor diesen derben, inii
Bitterkeit getprochenen Worten. Die
Sprecherin mochte wohl die Jüngste
unter ihnen sein« sicher war ne dje
am gefchiiiackvollsten Gelleidete, deren
reisender Kopf von dein Siiuithui
auts wirtringgosollste gehoben wurde.
Nur tun den Mund lag ein Zug, der
von Leiden und Ehelebeii sprach. Sie
sah sich jafi trotzig iin Kreise der
Erschrockeneii um, die nun mit led
hcrftein Widerspruch auf sie einzu
jtiiririen begannen.
»Aber liebste Frau von Wardorff,
roie das llingtl Ali ob wir Frauen
gerade in dieser Zeit nicht Grund
genug hätten. stolz und zutriedin zu
sein inii dein, was wir erreicht ha
ben und noch erreichen werden!'· Das
intelligente Gesicht einer Frauenrecht
lerin, die bsiher mit überlegenein Lä
cheln dem leichter Geplauder der nn
deren Damen geh-ruscht hatte, bete-die
sich. Sie wollte gerade zu einein
tleinen Vortrag einsetzen, der in dein
allgemeinen Stimmengeivirr doch
ganz ungehört verpuitte, da brach
Frau dori Wardorft auf und schiiti
telte ihr kräftig die Hund« indem sie
init leichtem Spott Ingtec »Ich weiß
nicht, wie Sie darin denken, liebstes
Fräulein Bergmann, aber niir find
die Saiten, die immer mit sich Zu
friedenen eine fiirchierliche Gesell
schaft. Ich fiir ineine Person bin
iinrner hungrig!«
»Das ist nicht gerade schmeichel
haft fiir unsere liebe Wirtin«, klang
ej der Davoneilenven etwas spitz
noch. Frau Lanß aber lächelte nar,
sie verstand die junge Frau wohl am
besten nnd nahen herzlichen Abschied
M ihr-, ändern sie sie hinaus-beglei
iste.
s ·Schade, daß Sie schon fort müs
en!«
«Ja,- mir tnt’s auch leid! Aber
Sie iv sen, unser Umgehen-« rnan
hat mich in das Komme gewählt,
wir haben Sitzung.«. . . .
»Ja, ja, immer aus der Fahrt und
ans der Flucht!« lächelte die ältere
Frau und fügte halblaut hinzu:
»Auch vor sich selbe-l«
Frau von Wardorss- die vor dem
Spiegel ihren Schleier knüpfte. ließ
die echt-denen Arme sinten nnd
wandte sich rasch inn: »Sie fühlen
ei also auch heransk fragte sie fast
scheu, nnd als die andere niclie, legte
sie ihr in einer bei ihr seltenen Aus
wallnng sreundschaftncher herzlichleit
beide Hände ans die Schultern, sich
gleichsam an ihr sesthaltend. »Ja,
Sie Liebe, Sie Kluge, Sie haben ja
recht! Oft habe ias Angst vor mir
selber, vor meinem stillen, großen
Haus« vor den Tagen, die lommen
nnd gehen, ohne mir das zu bringen,
worauf ich warte. Frauen sitzen ja
ost unt tun nichts weiter als war
ten, daß die Tiir ausgeht nnd das
Glück hereintonimt.«
»Warum daraus warten?« fragte
Frau Laut leise und eindringlich
»Wenn macht so müde. Gehen Sie
ihm doch entgegen, suchen Sie es!
Wer sucht, der sindet."
»Das ist es ja! Uebel-all sind der
Frau die Grenzen gesteckt! Jeder
Straßenjnnge hat den Freibrief siiro
Leben in der zerrissenen Frisch-, n
weil ans rein Jungen ein Mann
wird. Ein Franenleoen ohne etwas,
das sie lieben lauen das ist ein zweck
loses Dinnndherrennen Genau so,
wie ich jetzt renne! Addizl Addiol'
Arn Teetisch hatte man sich noch
nicht beruhigt
»Sie war Ieyr unglucrlicy verhei
ratet, ihr Kind iiurb in zartem Al
ter, der Mann wurde zuletzt Mor
phinift und erschoß lich. Das war
viel schweres und ganz einsam ge
tragenes Leid für vie junge Seele.
Sie lebte viel auf Reisen und wird
hier in Berlin sehr start umworben.'
So erklärte Frau Lang, aber vie
Damen begriffen darum doch nicht,
wie man lo schroff urteilen könne«
uan meinten, Frau von Wordorss
hätte doch allen Grund, sich ihre-l
Æivlums von Versen zu freuen.
Miitlerweile stand vie in ihren
warmen Pelz gehüllte junge Frau
lonrtend an ver haltestelle der Elek
trifchen. LEin gutgelleibeter herr,
der neben ihr wartete nnd ihr preist
ins Gesicht starrte, lüstete den hist
und sprach sie an: »Der-f ich Sie be
gleiten, meine Giiäsigfte?« . -
Sie drehte ihm wortlvs den Rücken
zu. Sie war es gewohnt, daß mü
ßiggchetde, leichtfertige Männer sie
auf der Straße belästigtem dennoch
empfand ße ei jedesmal wie eine
persönliche ständen-. Warum Das
terr sie es Weihe-Mk Nur, weil sie
FIM "allei1r. weil fte ein seid
sen-. XENIEN-kircde
Ort-If , He, sub ein wehrt Ge
ists du s Ists-TM tie, Je
MM die Untier sie schien
ihr den Mitten zu und winlte uns
unslzärlich zueäch Wer dein Wagen
her liesen drei Kindes-kein denen das
kleinste-von eine-e M erwachsenen
Mdtlss net der Hause geh-alten wur
ze- sog Wieseelle Fee Hultestelle
jagten sie dem Vater nach, ohne aus
Wagen und Straßenschmuß zu ach
ten, meiner wieder, gerade wenn die
Fahrt weiterging, tauchten aus die-n
palbvuntel die vier heilen Gestalten
aus« Hände und Arme reckten sich
dem Scheidenven nach, die vier hei
len Stimmen tlnngen zu ihm her
auf: »Vater! Aus Wiedersehenl Ba
ter! Auf Wiedersehen!« Und immer
wieser Uns herrliche, liebevolle Wort:
»Vatek3 Vater!« —- Dcinn blieben
ne endlich erschöpft zurück. Der
Lärm der Großstnvt schluette die Kin
derstimmen auf, das Dunkel der
Straße stellte ihre laufenden, win
lenven Gestalten ein. Der Mann
drehte sich dein Licht zu, ein blank-eh
gutes Gesicht. Die Augen waren ihm
naß, verlegen zog er das bunte To
schentsuch scheu zu ver Dame hin
überblickend. Der over liesen die
hellen Tränen iiber das zarte, schöne
Gesichte-km sie hielt ihm die Hund
hin, er schlug trustig ein
»,,Aus gesunde heimlehrl« sagte sie
weich und lächelte ihm zu.
Da brach e- aus iym hervor-: »Ich
habe einen kleinen Laden gehabt, da
oben arn Bauwerme alles ging
so gut, da kam der Krieg, ich war
schon init bei Tannenverg und dann
in Galizien. jth zuletzt in Russland,
und du". » .er schluette mühsam. . . .
.da ist mir vie Frau hier zu Hause
gestorben : und vier Kinder —- ich
holte u Lage urlauo — rote ein
Wahr-sinniger hat man in die leeren
Ecken gestnrrt.— alles ist zu —- alles
vorbei —- nun muß ich wieber rat-si«
Frau von Warvorsss Herz zitterte
vor Mitgesith
.Schnell, bie Kinder, wo sind sie?«
»Ja-ei im Wiisenhaus« —- er
nannte ben Namen ver Anstalt —
»bie Uelteste in Stellung, eine bei
Bekannten untergebrachi.·'«
»Ihr Name-« Der Wagen hielt,
sie mußte aussteigen, ber Mann ries
ihr etwas zu, sie verstand ihn nicht
genau. Schon ging es weiter, und
lle mußte eiligst einem Ante mis
iveichen. —
EH war schon spät, als Hei-in War
bbrss sich endlich von den Herren unb
Damen des Komitees sreinmchen
tonnte. Mit strafsem, schnellem
Schritt strebte sie ihrem stillen, schö
nen Heim in ver Fasanenstraße .zu.
Es war mal wieder so gewesen, wie
sie das nun schon kannte nnd bisher
selber ganz vergnüglich mitgemacht
halte. Viel Elegnnz, ein bißchen
Neid unb spike Reben-arten, sehr biel
start betonte herzlichteit, sehr viel
Schwatzen von Yeebensachem Lachen
nnb Sichttitisieren — alles in allem
eine tiihle,- herzlose Oberslächlichteit«
bie tros aller zur Schau getragenen
Wärme innerlich doch völlig kalt ließ.
Sie hntte heute so absolut nicht in
biesen Kreis hineingepgszt, der wohl
tat, weil es guter Ton war, wohlsit
tun. Jhr klang der Rus: Eimer-,
aus Wiederse !' noch sort unb sort
ini Ohr. Zwischen bern eleganten
Tee nnd der eleganten Wohltätig
teiissisnng bk beibe so recht eigent
lich vie Pole zeigten, zwischen benen
ihr Leben sich bisher drehte, hatte sich
ihr plötzlich ein Blick in bie uner
bittliche hörte ausgetnn, mit ber der
Krieg in manches Leben hineingesch
ren war. Nun stand sie, von Mit
leib ersiillt, mit leerem Herzen da,
empfand diese Leere wie ein schwere
Unrecht Unb wußte, baß sie sich und
ihrem Dasein einen iieseeen Inhalt
geben miisse. —- —
Der Direttor bei B. . . .stistes sah
mit ernstem Priisen in das lhmsvoll
zugewanbte Gesicht ber reichaeileibes«
ken, jungen Frau, die ihm gegenüber
faß. an allgemeinen liebte et diese
Damen der großen Welt nicht, die da
manches Mal zu ihm hereingeran i
kamen, in plotzlichein Jnlereffe sur
einen feiner Schutzbesohlenen ihn be
fiiirniien, ihnen das Kind in Pflege
oder als Sonntagsbesuch zu geben«
Seine Schützlinge waren ihrn lieh
wie eigene Kinder, et hatte nicht nur
ihr törperlicheg Wohl im Auge, ihre
Seeleneniwilcklung lag ihm beinahe
mehr am herzen, obgleich es wirklich
seine leichte Aufgabe war, die Pfhche
jedes einzelnen Kindes von den 78,
die die Anstalt aufnehmen konnte,
eingehend zu pflegen.
»Es-allen Sie rnir die Kinder ge
ben, Herr Direktor? Der Mann tat
mir so schrecklich leid. Es muß ihm
doch eine Ireiide sein, zu hören«. «
»Meine verehrte, gnädige Frau, der
Mann weiß ganz genau, daß feine
beiden Mädchen hier bei uns fo gut
unter-gebracht sind, wie es ir end denk
bar ist« — Er ftoekir. ein Ton
hatte schrosser geil-ingen, all es wohl
feine Adfichi gewefen war. Jeht fah
er wie in Frau hertas sefi auf ihn
sehesteten Armen laanain große Trä
nen aufstiegen,denen sie nicht wehrte
»Ich hätte ihnen fo gern ein-as
Liebes e,«tan fagie sie leise.
Des-missen lenMann schmolz das
herz. Er war Wen chenlenner ge
nirg, am n sehen, d er Frau war's
rnfi iun ihr Wollen, niki
einer Laune hatte
in ihr WÆ, sie fand nur noch
nicht den richi
hnendiecinderoni
Worts-WI- exiser
Derta Public ihn dnnldar nn und
ging, froh, daß doch ein llinfnng ge
sät-ji« eine Möglichkeit gegeben war.
Aber Fehle Dieser Sonntgznui
des sit Ich sie ein Schulkindfqefrenl
hatte, war Eilet in allem eine herbe
Enitäuschung geworden Die beiden
tleinen Mädchen hatten sehr schlich
tern und ängstlich en dein wunder
schon rnii Blumen und einem großen
Kuchen gezierten Tisch gesessen nnd
ihre Schotolnde mit mehr Verlegen
heit als Vergnügen noch vielem Zu
reden ausgetrunken Die Jänner-e
war noch die leckere von beiden, die
außer «jn" und «nein" doch wenig
stens innl ein paar Worte sprach und
auf Frau Herier dieje, liebevoll ge
duldige Fragen antwortete. Als die
spanier dein Diener Franz, den
die Kinder in ehrfiirchtigem Staunen
von den Seideniiriiinpien aufwärts
anstarrten, einen Auftrag gab, hörte
fie, wie die Kleine der schwefler zu
tufchelte: «Ob se bald mal rausgeht?«
Also ihre Gegenwort bedrückte, he
engie die kleinen Seelen, die gewohnt
waren, sich erst frei und ungebunden
zu fühlen. wenn »das Fräulein«, die
Lehrerin. der Herr Dicettor oder wer
es sonst von Respektspersonen sein
mochte, das Zimmer verließ. Frau
von Wnrdorss wurde traurig. Fand
sie denn gar nicht den rechten Weg zu
diesen Kinderhersenis
Sie ging mit ihnen in den Zoo
nnd hatte da doch ihre helle Freude
an dem Jubel der Kleinen vor den
lustigen Affen nnd den herrlich dun
ten Vögeln, nn ihrer schutziuchenden
Zutrnulichteii vor den Kirsigen der
Raubtiere. Doch mit einein Male
h-- -ll-I h--c.-: all-Lis- IJs-J- II
IUUO IIIIDU III-VII- POVOIIW lqsss III
Aeltere auf: «Teinie Voigtt Tante
Voigt!". Und siiirrnte, gefolgt von
der Schwester, den Weg entlang, ei
ner dicken, herausgepuyien Frau ent
gegen, der ein Federhut stolz und
schief über dem gutmütigen, roten Ge
sicht thronte. Sie fing beide Kinder
in den Armen auf und begrüßte sie
laut und herziith
..Na, ihr tleinen Maufeschwiinzei
Wast macht ihr denn hier in’n Zoo?«
Und es war ein Lachen und Schwar
zen, ein Sichsteuen und Sieh-nicht
Loslassern daß Frau von Wardorff
vor dem Wortichroall der guten Frau
ganz hilflos dastand. Als sie dann
aber mit den Kindern weiter wollte,
mnulten sie erst, und schließlich wein
ten alle beide, als sollte ihnen das
bitterite Unrecht geschehen. Das
Ende vorn Liede war, daß Frau
Voigt es übernahm, die beiden Mäd
chen rechtzeitig irn Siift wieder ab
zuliefern und Frau Herta niit einem
wihen Gefühl der Cnttäujchung, ge
mischt mit rntloiern Bergen den ja
doch nur erzwungenen Dank abweh
rend, allein ihrem Heini zuschritt.
Der lange, stille Ader war oall
bitterer Selbsttritit und zog die her
brn Linien uin den Mund der jun
gen, einsamen Frau ncch tiefer.
So ging es nicht. Das war nicht
der Weg zum Glück, zum Liebegeben
und Liebenehinen, nach dein ihr herz
so heiß verlangte. Sie war nun ein
mal durch jene Begegnung auf der
Elektrischeri aus dein Gleichinaß ihres
bisherigen Lebens geworer worden.
Es half nichts, sie mußte sich darüber
llar werden, was ihr ganzer Daiein
fiir einen Zweit und Wert habe, wo
fein Univert steckte, wo sie den Hebel
ansetzen mußte, uni das Pfand ihrer
.Jugend, ihrer tatsrohen Gesundheit
ihres Reichtums nicht tvie der unge
treue hauöhalter ins biblischen Gleich
niz zu vergraben, sondern es arbeiten
zu lassen. es zu mehren. .Du bisi
über wenigem getreu gewesen!« Welch
issitiches Lobi Und sie war iiber
soviel gefest!
Grübelnd stand sie an ihrem
Schreibtisch und nahni halb gedan
tenloi den Brief ihrer Jugendtreuns
din auf, den sie ain Morgen nur
flüchtig gelesen hatte. Da stand:
«Entsinnsr Du Dich noch der Meta
harder aus unserer Klasse? Du
weißt, sie war trotz der traurigen Jus »
sent-, die sie, einran bei Verwand
ten verlebte, so ein tüchtiges, sleiszi-i
ges Mädel, dasz wir sie alle gern
hatten, obgleich sie ja eigentlich nicht
so ganz in unseren tleinen intinien
Kreis gehörte. Sie stand seit Jah-»
ren aus eigenen Füßen als städnsche
Lehrerin, war verlobt, aber er zu;
arin zurn Heiraten, sie warteten und
arbeiteten. Da tarn der Strieg, erI
ging sosort als Freitvilliger mit, der
Abschied, Verzweiflung Ahnung,’:
nenn es, wie Du willst, ließ sie alles-s
vergessen. Genug, er fiel im Märzz
dieses Jahres und sie ist hier vprl
vier Tagen in der Politlinit gestorsj
ben, nachdem sie einein Mädchen das:
Leben gegeben hat« Einsatn und von i
den Verwandten geschmäht, ist sie
dahingegangen. Armes, junges Weit-!
Wer sorgt nun siir das Würmchen?!«
So weit hatte Frau von Wardorss
in wachsender Erregung gelesen —
war dni nicht ein Wink des Schick
sal-i Wie hatte Frau Lang gesagt
Waruni warten, warten macht so
müde Gehen Sie doch dein Glitt
entgegen. suchen Sie eil« Sie hatte
geglaubt, daß mn Oliietlichsetn nichts
weiter nsti sei nli still lten und
des en inssen, und i war
rniide vix-les Mle zugleich lgix
W, t und inner
einsant. see Liebe desiien will, der
mirs e erwerben, rnusi nnr sie dienen
nnd als Löst es an jede-n Tage
neu z- erringen Hen. Das ipae
des W , ; tiefer sinn.
sltrch tun Kindesliebe rund die Mut-s
ter werden« ninß seinem Wesen ta
stend nnd leise nachspiiren, in eitle
PS chen der jungen Pstrmze hin
ein selbst , Neste-sten. Lämmer »
M und immer reicher an Liedes-i
trust· je mehr non ihr gefordert wird.
Als die nlte C-lsrisiine, neben Franz
du«- Inttotum des hause-, ilsre junge
»dann aln andern Morgen gewentj
limite, tanr sie kopfschüttelnd in die!
Küche zurück: Les-te will ver-reisen, i
Franz, aus acht Tag-e, ganz ptösttets -
und mich hat sie qesrcigu .Chrisrine, «
weißt du noch mit dem Soxhletsselw l
parat Bescheid? Nun sog’ bloß, i
was sollen wir rnit ’nem eoxhiew
»Nunn,' sagte Franz. «sie wird
doch nicht-m
..Oller Quatschtoppl Unsere Frau!
Ner! Die nich!'« Entrüsiet ließ fle
ihn stehen.
I I O
Frau Hei-to stand am Fenster und
blickte sinnend in die schweigend-e Win
terprncht ihres Gnrtens hinaus. An
neliese schlies, ihre süße, tleine Toch
ter, ihr Kriegstind, ihr KriegsgtiietS
Die Gesellschaft hatte es ihr übel
genolnrnen, daß sie sich so don allem
zurückzog und nur diesem Kinde lebte.
Man tuschelte und muntelte allerlei.
fand sie extravngant nnd unvorsichtig
und ließ es sie fühlen, dass man ihr
Tun mißbilligtr. Frau von War
dvrsf lächelte vor sich hin. Jht wa
ren sie nichts Neues, diese Schran
ten. die der Gesellschafthodex der
alleinsteljenden Frau iivemll als Hin
dernisse aus den Weg stellte. Auch
Mutterrechte wollten erst ertärnpst
sein« wo die Natur sie versagte. Sie
würde sie sich erlörnpsen, des war sie
nett-ite
Tief ausatinend im Gefühl bestei
ter Kraft imt sie nn das Bettchen
ihres Kindes. Mit großen Augen
lag die Kleine still in ihren spiyenbn
festen Kissen, etwas wie lachendes,
dämmerndes Erlennen wurde darin
wach, als sie den liebevollen Blick der
Mutter senden, laut lrähte sie aus
vor Lust nnd griss mit den Aermchen
nach ihr. Frau hertn aber sank enn
Bettchen ans die Knie, legte den dont
len Kopf neben die blonden Löselchen
und wußte nicht, daß helle Tränen
ihr die Wangen netzten.
-
Brief des englischen Soldaten Tom
nty Spleeshend an sei-en rsssis
sehe- blsinernden Jnnm
Wudkswitsels.
Denk leiencll
«l liave erhalten your Bries mit
die Geschichte von Eure Heiligen
bildet aus Wertheim in Germnnh,
weis ist gewesen grober Unfug. in
dern alle Heiligen nicht lbnnen ek
retten Russland aus Klein-ne satale,
in what is geraten selbige5. Mir
gehn es seht very Aue —- ich sein
swiedet daheim in London, liegen in
Ithe greatest nnd schisnest Laznrett
lot tlie town und erhalten täglich
Besuch den Großinama. welche mir
lbringt Marmelade, Bonbons nnd
ssiße Wohlgeriichr.
) Meine Wunde ist geheilt beinahe
idollstiindig —- ich aber haben ge
lsunden tressliihes Mittel. zu bleiben
noch a long time an dieses ange
Tnehtne Ort, denn ich haben wenig
Sehnsucht, wiederzusehen Mister
Hnig anil tlie damncel Gewinns
at ehe iront. — Laß erzählen Dir,
my day-, die Erlebnisse, welche ich
hat-en verzeichnet, seit ich bin gewe
sen gesellen rnit Sihinstruinent eins
Pelz von Stadelsehweim Illka Ich
lein geworden Gewanden hinter
Itont von a very nicc yoimg
Kranienschtvestey welche mir hat ge
nannt einen helden und gemacht ei
nen deiratsantrqg Vielleicht wer
den ich erwidern ihre Liebe, wenn
Auslanst iiber Vermögensverhiilts
nisle sein gegangen ein.
An right —- ich dann bin gest
kommen in s slcälnck Occk callitll
bactc to London. hier haben rnich
umjubelt große Menschentnengen und
alle haben wollen bestchtigen meine
Wunde. Jch haben erzählt blutige
Abenteuer und große Heldentaten —
Mister Reuter tann nich managen
seine Sache er als ich. Dann
ils sein getorn in Lazorett und
liegen hier nun schon seit vreiWos
chen. Meine Wunde ist sich gewesen
leider very schnell neigend zur hei
lung, und ich habe betornrnen heu
len und Zukwgetlapper in Gedan-«
ten an neue Heldentaten Aber
Groß-nam, wo mich haben besucht
all day-, ist eine very tluge Frau
und hat gebracht mein Gehörn aus
eine gute Idee, indem sie mir hat
geschonten eine Büchs voll Steckt-a
deli. Dear stieneL Du weißt, ich
sein ein tapferer Englisbman und
können verbeißen viel Schmerz, aber
ich haben doch müssen s nokpsen fest
auseinander rnit nIein bis-, wenn
ich Radeln heimlich bohren ties in
Ititclen von mir, neu auszztstackeln
alte Wundent Doch mein ut sein
belohnt: Arzt hat geschiittett bis
hart und gesagt, hast Wunde ge
worden schlimmer und ich mit en
bleiben noch länger in Lazareth . ch
sein gewesen very srob und hat-en
sssle geschrieben an Dich. my
irren .
. Indern ich liessen ein neues Ge
btinbel Sterlnabels in meine tild
tviirtiae Verbindung, ich begrüßen
Dich unter Freud und Leib «
your tapsereI Aamerab
III-sey Stils-send
.-"- -,-k
Skizze von Illig-:- Knopf.
Herbei-i Wer hatte Pest-sehnte
.Ee was ehe Ensngedent schließe-.
trotzdem er init seinen jungen Jah
ren bereits zu den bekannten und
gen-bieten Beetiner Schnuspielern
gehörte. Jn nllen Siiiteln seines
Beruses war er geeechi.
Der junge Schauspieer hatte viele
Freunde und Vewnnderen meist
weiblichen Geschlecht-. aber eben kein
Engngensent. Und über diese gar
stige Tatsache hats ihm teinertei
weibliche Bewunderung hinweg- In
edler Auswullung bnite der selbst
bewußte, "unge Mann. den ein nn
geerbtes rzteiden zum Meter-dien
ste uniougtich gemischt, einige Ange
bdte abgenan weit ihm die Kriegs
gage, die geboten wurde, durchaus
nicht entsprechend erschien zu seinem
Taient und den Leistungen, die von
ihm erwartet wurden.
Schwere, hatte denen! Herberts
Ersparnisse schwanden dahin. Die
Eltern, die guten, vrnven heitern, die
ein bescheidenes Leben in eine-attei
nen Prodinznest subrten, bin-en dein
Sohne aud, so biet sie vermochten.
Aber mich sie tonnien nicht biet ge
ben, es waren ndcq unniundige Rin
der im Hause, die diet Geld iosieten.
Jedoch sheebert Krügen in oee
Bduitasi dee Jugend und im Rausch
der Zutunstsbdssnnng, ließ sich nicht
ducken. Er lebte in den Lang mitein,
punipte auch nint glücklichen Rolle
gen un und blieb seiner Wirtin die
Miete schuldig. Und die derwitivete
Kanzleisrtretiir Knote, die zu dein
frischen, tebenspruyenden Menschen,
als einer kommenden Bekühmibeii,
ebesiircdtig aussah, inntsnie auch nicht
allzu dringlich.
stillt Killlslclscllclck Illlllc succ
nett unb liebenswürdig gegen ihn
Allerbings wurde auch ihr Geldbetr
lel täglich dünner, wie ver Lassen
den sie ihm.nnstischte. Zwar war
der Mietszins nur gering dort drein
ßen irn hohen Berliner Norden. in
ver Anlininer Straße, aber auch
die Witwenpension war es, vie sie
vorn preußischen Staate slit vie neu
geleisteten Dienste ihres Seligen ec
hielt.
Doch Herberi Krügen so gut-nü
lig er auch war nnb ein so weiches
heiz er auch being, beschwerie sieh
ebenso wenig mit Geübeleien iibee
seiner Frau Wirtin schwierige Lage,
wie iiber vie seine.
Doch sein Gelb hatte leider frü
her ein Ende genommen, ais ver
Krieg, unb es- stellte steh bee Tag
ein, an dein hervert Kruger bei der
genauen Aufnahme seiner Barmittel»
die peinliche Entdeckung machte, baß
sein itn Gelt-deutet besindliches Vet
Inögen — zu einein Geldspind oderi
einem Banlgullxiven halte er es nitnts
gebracht —- ous einer Mart unoj
zehn Pfennigen besinnt-. Fürs
eine schrisljleuecische Gelegeiiheitsnt-j
beii tvur ihm-zwar ein Donat-it voni
einigen zwanzig Mart zugesagt wor-«
den, doch wie Das immer un neben1
ist: wenn innn sinsQeld wnrleH
dann lbminl es nichts
Dnsiir aber lnm ein entziickenben
schmeicheihaster, nach seinsiein Wohl
gerttch bustenbet, umfangreicher Rohr
posibries. Absenderim Frau Kon
sul Glas-nann. Die Frau Konfnl
wandte steh an den «hvchgeschötzten
Künstler und edlen Menschenseennd«,s
dessen gutes Herz in Anspruch zu
nehmen sie so srei war. Sie erinner
te den Jungen Meister« tin eine Ge
sellschaft, in ver sie ihn bor einein
Jahr als Lautensänger lennen ge
lernt, nnb klagte ihnt in beweglichen
Worten ihre Verzweiflung Jn ihrer
Ban ntn Dohenzolleenvnmin ivllte
ein Vortrag-abend stattfinden, heute«
zitnr Besten dee triegibeschäpigtgi
wrnnvenburger, und nun ynne vie
hauptattruttiom ein berühmter Hos
schauspieler und Sänger zur Laute,
im leylen Augenblick til-gesagt
Eine tönemorbende heiserleit war
über den Aermsten getommen. Und
so war Herbert Krüger ihre letzte
Zuflucht, er, an dessen Lautensnng
sie sich entzückt hatte, und sie slehte
ihn nn, silr ven trunken Kollegen
einzuspringen «
»Sie hanc-« so schloß sie sent-i
voll, »ni-.bt vergebens an des hoch
geschätzten Künstlers Menschenliebe,
Wohltätigkeitesinn und nicht zuletzt
an seine Ritterlichteit nppelliert zu
haben, die es ihm nicht erlnuben
würde, eine Dame ber Gesellschnst in
ihrer Bebröngnis im Stich zu ins
sen.«
Herbert Krüger überlegte nicht
lange. Ratiirlich sollte die Frau
Konsnl sich nicht umsonst nn ihn ge
wandt haben, wenn er nach — das
hatte Erfahrung ihn gelehrt —- um
sonst zu singen hatte. Noch nie war
ihm bei einer derartigen Veranstal
tung tlin endet Entgelt geworden.
Er seite hin, schrieb seine zu
saqe nnd sandte sie selbstverständlich
durch die kehrst-ist«
Das-kostete 30 Pfennige.
siieben ihm als Vermögensbestand
nur noch achtzig Pfennige.
Eilig stuberte er seinen-Gesell
schaftseinqu hiigelte tadellose Fett-s
tentnisse in seine Beinkleiber uns
schickte u Kante zum Dutincichen
III s Zylinber nusbitgeln zu
lassen. Denn Denn man in bie Ville
esyee start sonst-l geloben ist, muss
man M einen Zylinder tragen. EI
ren MS
" - suspiigeln »wer allerdings
biglä II Instier der betont-e-i
kjit mßiinde, vie Frau Kanzleilei
tretär mit dortige-n Zungenlchlag
erschlie. nahm ver hultnacher nur
40 Pfennige. ;
Aber immerhin —- sein Kapital
fchniolz damit auf dir Hälfte zu
sammen. Vermögensveftmm vier
zig Pfennige
Dann provte Herbert Krüger eini
ge Lieder, meist zeitgeiniitze, und wnr
zufrieden mit sich und ver Welt.
-.Denn feine Stimme tlang besonders
an dieiem Tage klar und voll. lo
daß er —- dellen war er sicher —
an dem Abend gut til-schneiden und
Triumphe feiern würde. Und was
begehrte fein junges Schauspielerherz
in diesem Augenblicke mehr!
Irsu Kanzleilekretär Antrie, die
andiichtig zuhörte, konnte ihr Ent
zücken nicht unterdrücten Und nach
dein letzten Lied rief sie begeistert
«Iiee, yet-r Krügerl Wie Sie wie
der gelungen haben! Ich habe mal
Bötetn gehört, als Postillion von
Lonjmneuu, wissen Sie, wo er im
Irner lo mit der Peitsche gelnnllthut,
wie ein richtiger Berliner Dreisch
tenluticher — aber was war Bölel
gegen Sie, Herr Krügerl Der reine
Wiiifenlnabet Sie sind ein Sän
ger von Gottes Gnaden!«
L Der junge Sänger von Gottes
IGnaden fchrnunzellr. .Die ungeliini
iltette rächende-zieren seiner pur-spen
jden Wirtin tat seinem Künstler-her
Jzen unendlich wohl und deuchte ihm
eine gute Vorbefdeutung file den-Er
folg.
»--k,-k-! .»,.,t , EI, « k.,« -
uraqzung ruht-I u flu- Iu Inn-u
Feftanzug, stülpte mit liihnem
ischwunge den dlitzblant polierten
Zolinder aufs blonde Lockenhanpt
nnd bedingte sich wohlgefiillig in dein
hitlbblieideii Mahagonispiegel, der seit
beinahe einem halben Jahrhundert
etwas schief an der bunttapezierten
Wand hing.
Reitger war zufrieden. als er sich
im Spiegel erbltcttr.
Da sollte mal jemand kommen
nnd behaupten, dafz fein Mittag
mahl aus drei Kartoffelpuffern und
vier troclenen Brotfchnitten bestan
den hätte, und fein Barveemiigen sich
auf vierzig Pfennig beliefel! —- —
Jndcffen die 40 Pfennig erlitten
eine Einbuße von weiteren fünfzig
Prozent, denn die Fahrt nach dein
Hdhenzollerndamtn toftete 20 Pfen
nig.
Blieben ihm gerade noch 20 Pfen
nig für die Rücksährt. ’
Ein bißchen gering, diefer Kassen
beftand, das fah er ein-i Doch alle
peluniaren Betlemmungen fielen don
ihm ab, als er in das Prachthasus
am Hohenzollerndamni eintrat. Huld
voll, mit unverhohlener Freude. hieß
ihn die Frau Konful willkommen
und stellte ihn einigen Damen der
glänzenden Gefellfchgft vor . ..
Herbert Krüger fühlte sich wohl
und glücklich und war prächtig bei
Stimme und Laune. Man zeigte sich
begeistert, es gab einen großen Bei
sall, und die Damen, deren Be
kanntschaft er gemacht, beeilten fich,
ihn zu umwerben und ihn einzula
den. Man konnte nicht wissen,viel
leicht leitete man felbst mal eine
ähnliche Veranstaltung . . .!
Ali Herbert Krüger feelenow
gniigt, in gehobener Stimmung die
Billa verließ, schlenderte er hinein
in die fternenllare Winternacht. Es
war empfindlich kühl, er fchlug den
Kragen seines Uebetziehers hoch und
befchleunigte den Schritt.
Da, in der Nähe des Bahnhofes
hoizerizollerndamm, stellte sich ihm
ein altes, zerlnmbtes Weib in den
Weg nnd bat um eine tleine Gabe.
Er blieb ftehen. Ein kurzer; har
ter Kampf entspann sich in seinem
Innern. Der Kon sagte: «Menfch,
welch ein Efel wärst du. wenn du
einen Nickel opfern würdest. Die
Frau vor dir macht et nicht reich,
dich aber fo sma, daß du nicht ein
mal nach hause fahren kannst. denn
das kostet zwei Wiesen« Sein here
dagegen redellierte: mVerliert Krit
ger, da kommst du pon einein Wohl
tätigkeitsfeft zum Welten deutscher
Krieger und willst hartherzig gegen
eine deutsche Frau lein? Du haft
im Dienste der Wohltätigkeit gelun
gen, und nun, da die Armut flehend
bei dir anpocht, willst du dich hatt
herzig entziehen, deine Ohren ver
ltopfen und deine Augen verschlie
ßeas Netter Wohltaten der du bis!!'«
ilnd wie imnler bei dem innqu
Schauspieler, unterlag der Kopf« und
das herz errang wieder einmal ei
nen glänzenden Sieg. Verliert-Mit
ger zog den« Gelddeutel, und n
einem freundlichen Blick überreichte
er der Frau seine leisten beiden Zehn
pfennigftiickr. Eins allein lonnteihm
ja doch nichts nützen. Sie dantte
mit zitternder Stimme in bewegli
chen Worten.
Reichllch anderthalb Stunden dat
te Verliert fKriiger zu gehen, ehe er
daheim tvar. ·Aber eTi machte ile
nichts aus-. Die Freude an ieinem
Erlol e, das Bewußtsein. mit fei
nem alent ein Scherflein iiir das
Wle der Krieger beigetraaen zu ha
ben, die Erinnerung an den rühren
den Dank der alten Frau — all’ das
klang und iana in ihm und stimm
te ihn froh. Or hatte leiaen Pfen
nig in der Tasche — aber fiir tau
iend Mark Freude ln der Brus