Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 09, 1916, Sonntagsblatt, Image 10

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    III M MU
T Von Hans Laßbiegler.
Potar Gradnikass verstand es Os
gezeichnet mit dein Feivwebek Simi
lagento. Er war bereit-ir in seinen
zweiten Dienstjahe Kospagaitschreis
ver. Ein unerhörter Fall in der Ge
schichte des Reginierita. Jn Pater
Mannitoss mußte etwas Besonderes
s:eaen. In seiner Umigergenichnkt
eth Kompagnieschreiber war Po
tar Gradnitafs ein Künstler and
Menschensteuno. Ein Künstler ans
Veraniagung, ein Menschensteunv,
ohne es zu wollen. Die Buchstaben
seiner Berichte und Gesuche malte er
ans den verschosienem an den Ecken
umgebogenen Attenbogen mit
Schwang, dazu mit Genauigkeit und
Beaächtigteit. Die beiden tetztgenanns
ten Eigenschaften mußte Der zeldwebel
Stowiiagento besonders zu schätzen.
Sie ließen ihm Zeit für seine Geflü
gel- und Kaninchenzucht; er war ein
Liebhaber erlesener BratenJm Krieg
war ihm Potor geradezu unerken
1ich. Denn er verstand sich rvie keiner
darauf, selbst da. wo russische Trup
pen Land nnd Leute ausgefressen hat
ten, ein Hahn« einen Dahn over ein
Kaninchen auszntun nnd diese kecker
zuzuvereitern Dabei war er von Be
ruf — nun. das ist eine Geschichte,
der wir noch aus den Busch klopfen
werden. Ja Pater Gravniiofs steckte
eben etwas Besonderes.
Die Jompanie in der er stand, ge
hörte zu den Armeen die den Besei
sungstrieg in Galizien führten. Seit
gerade zwei Tagen lag das Reginient
in einer vargeschobenen sehr gefährde
ten Stellung. Pater Gradnitofs hat-«
te ei lieber gesehen. wenn man das
mit großer Mühe veseste Dorf ganz
ausgegeben nnd sich hinter die in sei
nem Rücken gelegenen höhen zurückge
zogea hätte, zumal die östereichischen
Haubiken mit beunruhigenver Sicher
heit schpssen. Und wenn Pater Grad
nitoss dieser Ansicht war. so tatn
das nicht allein daher, daß ver Feld
webel Stosaiiagentp sich siir ihre Rich
tigkeit ihrn gegenüber ins Zeug gelegt
hatte.
-, - -- s - - ss se- »
ZU clllclll llclllcll Yuuv tun viru
chen Ausgang des Dorfes hatte der
Feldwebel rnit seinem Stab, Das heißt
rnit Potor Gladnitoss, Unterschlupt
gesunden. Eben war dieser damit
beschäftigt, in ver Küche ein Huhn,
das er im Schweinestall aufgestöbert
hatte, in einem leidlich gereinigten
Kohleneinier mit einigen erfrorenen
Steariiben unter Zusay von Neuen
psefser und etwas Zimt abzubriihen,
als er sich von seinem Feldwebel, der
gestieselt und gespornt quer aus ven
beiden Betten der vertriebenen Hauz
bewohner in der kleinen Schlafstube
lag, gerufen hörte.
»Von-r Gradniloss, Du hast var
geftern einen Bries belornmen Jch
habe niemand gesunden, der ihn mir
vorlesen kannte. vie Schweine! Lies
Du ihn inir vor, Söhnchen!«
Poror Gradnitoss nahrn den Brief.
Seine tleinen Augen glänzten. Das
heißt, eigentlich glänzte wohl nur sei
ne Seele; denn die Augen waren ganz
hinuntergeschlupft unter die zusam
mengelnissenen Liver, vie ihrerseits
von einein Kranz von Falten uni
geben waren. Dann aber hielten
vehiniitige Züge Eintehr in sein Ge
sicht, und seine Augen glänzten nun
wirklich.
»Nun, was steht in dein Brieer
Lied, Du Hundes-thut«
»Das ist ein sehr trauriger Brief«.
sagte Pater Gravnilvss und weinte
dabei so gut ein Mann weinen kann.
zumal wenn er keinen Grund dazu
hat. »Das ist eine sehr traurige Ge
schichte! Jch habe es erwartet! Jch
habe es bestimmt erwartet! Nun bin
ich allein. Jetzt ist auch Jwan ge
fallen. Der arme Jtvan! Er war
der weitjüngste und wäre jeht schon
ein lbez Jahr in ver Reserve. Die
öftereichischen Schweinel Samsit,
sein Freund und Nebenmann irn
Glied, schreibt mir. Er hofft, daß
ich noch lebe, der gute Samfir. Aber
nunfzvill ich auch den Oeldenlab su
»Patpr Grad-näpr Du. bitt ein
Ochse-schöle Las andere Leute den
heldentpd suchen, Söhnchen die tein
Inst haben wie Dul —- J«st das allei,
was in dein Brief steht?«
»Ja here Zeit-wedeln
»Wenn Du mich belegen hast, Du
Wohn, dann schlage ich Dir die
sagen ase dein staatl«
»Aber heiligen Jungfrau«
MAX-.- MU VE- TM
r e
stut
.-.... sawkw »aus
w
Fee-we Mammon nat wteoee vor
seinen Einm, in den« die Steckküben
um das Hahn hetumstolpetten wie
Ameisen um einen großen Fliegentai
davet, den sie nicht fortschleppen kön
nen. Noch einmal laß et den Brief.
Seine Aeugleia schlüpften wieder un
ter die Liber, aber sein Gesicht legte
fah nickzt mehr in wehmütige Züge,
vielmehr war es eine einzige grin
eude Falte. Dann steckte per den
tief in die Brustkasche, tnöpfte
des M sorgfältig zu und rührte,
ohne zu verfchnavfem heftig mit fei
säht Seitengeweht in der Zähne
NUMUI rührt hatt« ieet
ÆMMML Nun see-»
Ost- stit . M « m
Ehe-:- tdwevet Stpwnagseutp die
fertige uppe in dem Eimer hätte
darbieten müssen. Da setzte pas
Schicksal zu Dem Streich an, der die
Brühe und dein M Felde-edel
die Rechnung Faden-L Ein unbe
fchreiäich hast«-es Sewehrjeuet, das
wie M Nagel-;- einxes Weitere klang,
Lprasselte nrfi einein Mal in vie Stra
ßen ve- Dvrfes, auf das armselige
Häuschen, riß ans den Außennrauern
Staub und Steinbroaem llirele durch
die splitternven Fensteescheibem
llalfchte querichlugend auf die getünch
ten Zimmerwiinde und spritzte knal
lend auf dem holzboden umher. Po
lor Gradniloff witterte. worauf das
hinaus sollt-» Wie eine erichteklle
Katze sprang er in die Zimmerecke an
der Fenstern-anv, rollte sich zu einein
einzigen Häuflein zusammen. Hier
war er am sichersten vor den österrei
chischen Springflöhen. So halte er
gute Weile.
Da fing es auf einmal im Neben
zimmer an zu ächzen und zu lnirfchen
wie von aneinander sich teil-enden
Bettplanten, dumpfe Stiefelhiebe
dröhnten auf dein Einsch, wie wenn
ein Schlaftrunkener aus dein Himmel
der Träume mit den Füßen auf den
Boden der Wirklichkeit fällt, brum
mige Laute lnutrten zu ihm herüber
Dann quälten sich überflürzende Wot
tc heiser und trocken durch die geschlos
sene Zimmertiire:
»Von-n Du Hundesohn. die öster
reichischen Schutten kommen· Pack
Dich her zu mir, jetzt lönnen wir noch
fort! Vergieß das Hahn nicht und
beeil- Dicht«
Potor Gradnitoff buckelte sich fe-i
f;er in die Ziininerear. Was ging
ihn der Feldwebel Stowilagento an
Er hatte ihm ja gesagt, er wolle nuni
auch den heldeniod iuchen MochteI
der denken und tun was er wollte.(
Dann hörte er wie er aus dem Haufe
polterte und wie seine heiser alariris
brüllende Stimme von der Luft und
von der Entfernung verfchluitt wurde.
Nun wurde er fti li. Das Gewehr
seuer hörte auf. Potor Gradnitoff
I wußte, was es galt: Leben oder Tod.
Er rührte sich nicht. Sein her
tuckerte wie ein Telegraphenappart.
Das Verhängnis mußte kommen. Und
das Verhängnis tain Kam gröhlend
I und trainpelnd vor die Tiir des hau
I fes, stopfte durch das weiland Schlaf
Iziminer des fursorglichen Feldwebels
Hiåiowilagento und polterte Gewehr
Tspieße vor sich herstoßend, in das
Zimmer. Da wickelten sich aus dein
zusammengebuitelten Häuflein in der
Eae der Zimmermand zwei lange Ar
T ine heraus, zwei schinuhige Handteller
zinit ausgespreizten Fingern flattern
? n und her wie zwei Papierdraehen
f im Winde. Gespenstethafte Arme ei
nes Ermordeten bie aus dein Grabe
Ideii Nachegeiftern winken. Aber Pp
tpr Gradnitvfi war noch nicht tot, er
;atinete auf: die Geioehrspieße senkten
; sich und staten in dem dicken Brodern
Isder berdunfieien hiihnerbriihe und in
dein aualinigen verschwelenden hols
feuer. Paior Gradnitdffs Mundwins
tel grinften von einein Ohr zum an
kderru seine stumme Sprache war ver
standen worden Als er, von vielen
«Muitelhebeln unporgerifsen, auf den
breiten Füßen stand, mußte er sich
die bihelnden Kiiietehlen reiben, sonst
wäre er gusanimengesuntm Dann
packte ihn einer unter den Arm schob
ihn var sich hin, hinaus aus dein
haus hinterb Darf, iiber Felder, bis
ei vor einem Offizier stand.
i »Was hist Das J- weichem Regi
inent stehst Dui Wie heißt der Füh
! rer Deinei Regimenist'
i Ei, das traf sich gut! Ein öster
Treichischer Offizier, der Russisch
spra . Potor Gradnilosf gab Rede
und ntwort, wie es sich einein Offi
zier gegenüber für einen Gemeinen ge
lbührt Als er zu Ende berichtet,
jtiißte er dein fremden Offizier die
Hand. Der wischte sich die Hand an
der hpse und sprach:
»Warum hast Du Dich ergeben und
Dich nicht gewehrt, wie es sich fiir ei
nen Soldaten gehst-ti«
«I)as ging nicht mehr, here Offi
zier« . antwortete Peter OradiiilofL
Juchbeni Aletsejtsß heiser-egerK und
Jwaii sich ergebenhat
nun alt der Leste an der Reihe.
reii sie gefalle-, hätte den Helden
tpd sterben müssen. ber wir sind
vier Qriiber und hatten es uns ge
sehn-bren, uns wiederzusehen«
.Unb varuin dass«
.Sehcn Sie, here Osfizier, wäre
nur M m »das gefallen, so wären
hie anderen sich dein Kriege ins Un
gliia »Hm-ten Wir haben zusam
We ein Geschösi, das
unb meine alte Tante ernähren
aus«-' ,
»Ein d was für ein Gefchaft ist4
vasW
»Es ist eine wahre hundearbeit und
man muß die händc dabei rühren
Jeder von uns hat sein schweres Teil
davon zu tragen. Unsere Tante ver-:
sauft auf ver Puschinötaja in Odessa
silberne Hüler für Streichholzfchachs
teln, das Stück zu fänfzig Kopeten,:
auf die ich mit dem Stichel dag- Wort;
»Vergißmeinnicht« eingraviert habe-!
Aktiejess hat ihnen die fchmucke Jotrnj
gegeben und sie poltert, bis sie «echt«1
geworden sind. ejess hat He ins
einer Maschine gego en. Und die al
ten Myosin und die weggeworfe
sen Metallreflh vie Jwansn
wiss-set schmiss- ms um Isi
den Kehrshg nnd es den Sie
ßen mit M gefertigte-UT
»Wer nun einer von Euch vier
Brüdern wirklich gefallen, hätte da
bin Fremder für ihn in den Handel
einspringrn tisiijnenim
«M here Offizier es sind da
nich andre Sächelchen dabei. Ei
gibt Zeiten, wo das Geschäft sehr
schlecht geht. Da muß rann sich zu
helfen angen. Eint Maschine, in der
silberne streichholzfchochlelhülsen zu
fünfzig Kopelen das Stück gegossen
werden« ist wohl auch gut für Silber
stiicke zu fünfundzmonzig und fünfzig
Kopelen das Stück. Dabei kann man
sich ganz auf sie verlassen Man
weiß aber nie ob nmn in einem
Fremden eine ehrlichen Menschen vor
lsich W «
»Nun begreife ich allerdings«, sagte
der Offizier, »dan feiner von Euch
vier Brüdern fallen durfte.«
w
steiget-sen
Eine wahre Geschichte von Brun-)
Verm-et
Es war Anfang Juli 1914, an ei
nem herrlichen Sommerabend. Ein
frischer Westwind strich vorn Finnis
schen Meerbusen über das erschlasste
Petersburg und brachte nach des Ta
ges Last und Hitze die ersehnte Küh
lung.
An solchen Abenden ist die Nenn-(
Jnsel Jelagin das Ziel vieler, die
Erholung und Zerstreuung suchen«
Hier liegt, inmitten eines prächtigew
alten Bartes, das kaiserliche Schlole
Jegalin, seit vielen Jahren von tei
nem ·Mitgliede der taiserlichen Fa
milie mehr bewohnt. Ungehindert
ergehen sich hier zahlreiche Besuchen
Wie ein gewaltiger Feuerball ging
das Tagesgestirn zur Rüste. Tit-set
und tiefer sank ei, und dunkler wur
den seine Gluten. Dann tauchte es«
ins Meer, und wie flüssige-i Feuer
tvie schwimmende Glut, wie ein Meer
von Blut wogte ei überall. Und alte,
tindische Leute sagten: »Es gibt
Krieg.«
Langsatn zerstreuten sich die Besu
chen Zu den legten, die sich zum
Gehen wandten, gehörten zwei Män
ner, ein stattlicher, strasser Fiimzis
ger und ein schlanter, junger Mensch,
noch nicht zwanzig. Schweigend gin
gen sie nebeneinander her, unsicher
und bisweilen schwankend, wie Leute,
die nicht recht sehen. Jn ihren Au
gen stand noch die Glut der sintenden
Sonne, in deren Pracht sie sich so
lange wortlos vertiest hatten.
Als sie über die Krestotvstistriicke
gingen, »der Stadt zu, deren Dunst
treig bereits zahllose Lichter durch
drangen, brach der Jüngere das
Sehn-eigen- Er sprach Deutsch.
»Vater,« morgen iiber acht Tage
tann ich meinen— Urlaub antreten.
deren Lebedetv ist ei lieber, ich gehe
seht bei stillexn Geschäft als später,
wenn es wieder lebhafter wird. Er
gibt mir drei Wochen. Und tvenn
die abgelausen sind und nicht mehr
zu tun ist, als seit, noch eine vierte.«
»Es herrscht in allen Zweigen von
handel und Gewerbe eine merkwür
dige Stille,« bestätigte der Vater
Prqturist des angesehenen Banthous
sei haase ä Co» Ren-M 13.
»Ja, siehst du. Und diesen Urlaub
möchte ich in Deutschland verbrin
gen.«
Der Vater sagte nichts.
»Ich liege dir nicht auf der Ta
sche.« begann det Junge wieder. «2u
weißt, daß ich 800 Rubel dasiir ge
spart bade.« .
Der Vater schüttelte den Kopf.
»So meine ich’5 nicht. Ader in do
litisch unruhigen Zeiten geht rnan
nicht in- Iusland.' .
«Ausland?« fuhr der Junge über
rascht aus. «Ausland? Das sagst
du« Vaters Du, Karl Berg-nann.
der Deutsche? Der mich mit Liebe
stir alles Deutsche erfüllt hati War-i
urn bist du nicht Russe geworden
tvenn du Ausland als deine heimat
ansiehsti«
»Deinen tann keine Rede sein,·
meinte Bergs-rann sen. unsicher.
«Jch bebt mich M- lchvu so dat
aus geseeut,« sagte der Junge in bit
ter-dem Jene. «Soll ich auch 52
Jahre alt werden tpie du, ebne mein
Vaterland gesehen zu haben?'
Es war dunkel geworden; der
Junge sah nicht, daß der Alte wie
schuldbetpaßt in sich zusammenbrach
ach dem-use Zeit sm- togte er
nach einer M gepreßt. »Mein gan
kes Leben ist Tebeit gewesen· Lan
agt hier nicht umsonst: Der arbeitet
wie ein Deutschen - Und dann nahen
ich eine Frau. Und dann tatest du
und dann die Ilse, der Hans und
heute··
Der Junge tqsteie nach der Hand
fein-I Vaters und hielt sie fest.
»Aber du hast tschi Fris. Ich will
dir nichts in den Weg legen. Geh
und sieh die dein Deutfckiland an
das gelobte Land der Ordnung, des
Fleißes und der Soubetkeit So
nannte es immer mein Vater. Und et
fügte hinzu, wenn in Russland nicht
Ordnung, Ehrlichkeit und Tatkraft
entzöger werde et nie eine utnnlt
WHAT-ZU vgl-« itzt-Heiz
n il n .
land. seh M noch heute M
Berlin tm Onkei VAL« —
Mitte us h- Ztli Nun-un
nach Den Aus-IS Die
Briefe an feinen baten von denen al
lerdings nur die ersten nntnznem
schtldetten seine Empfinme. M
tnnn man in Peteksbnrg leben, wenn
man Bin-tin kennt! Im Erfassen
thokt Ver-Eint sind die Straßen
besser gepfinstett als im besten Teil
Petersbuegs. Und von der Ord
nung und Saubeeieit hier machst dn
dir feinen Begriff.« —
Dann kam der Krieg, Der Schwung
und die Bogeiftetung rissen auch den
jungen Betgmnnn mit, nnd et fand
es ganz selbstverständlich, daß ee
gleich unter den Ersten als Stein-illi
gek in das deutsche Heer eintrat. —
Zur selben Zeit fand in Peters
bnrg der von der Nowoje Wkemja
angestiftete und von ihrem Resol
Etionshaufe am ROHR-Prospekt aus
sgehende Sturm auf vie deutsche Bot
fschaft statt
Karl Bergmann sah ihn mit an und
wußte nun, daß auch seine ctunde
bald geschlagen haben mußte. Nur
seinem vorgerückten Alter hatte er es
zu danken, daß er nicht toie andere
deutsche Staaten-gehörnte in entfern
te Gouvernements im Innern Ruszs
lands ver-schickt wurde
Eines Tages ließ Herr Hause, Chef
des- Bankhauses Hause O Co» seinen
Prokuristen rufen.
»Ich muß einiges Persönliche mit;
Jktnen besprechen, lieber Betgrnnnn.'««
Der Chef sah nachdenklich zum Sen-(
ster hinaus. 1
»Mach’s kurz," dachte Bergmann.
—- »Sie müssen mich entlassen, Herr
Haase.« sagte er laut.
»Um Gottes willen, ich denke nicht
daran. Aber Sie müssen Rasse wer
den. Sie miissen noch heute Jhr Ge
such um Ausnahme in den russischen
Staatsverbtind einreichen. Sie sind
in Petergburg geboren, haben Nuß
land nie verlassen — ich werde auch
an zuständiger Stelle daraus hinwir
tin —- es wird zweifellos in kürze
ster Frist genehmigt-« .
Bergmann schwieg. Dann schilt
kelte er den Kopf.
»Ich werde kein solches Gesuch ein
reichen, Herr haase."
Machen Sie keine Geschichten,
Bergmann. Lassen Sie sich durch die
ties vedauerlichen Vorgänge der leh
ten Tage doch nicht in falsche Gesich
le hineinhehem Sie haben Deutsch
land nie gesehen, na, und schließlich
—- ubi betre, ibi patria.«
» Jch kenne nichts Berlegeneres
als dieses Sprichwort. Jhr Vater,
Herr Haase, blieb innerlich doch ein
guter Deutscher, obwohl er —- aus
Geschäftsgeiinden — Rasse wurde.«
»Es verlangt ja auch kein Mensch
von Ihnen, daß Sie innerlich Rasse
werden sollen. Machen Si« wie
enein Vater und« —- der Bankier
dämpste seine Stirn-ne noch mehr —
—»ich. Gedanken sind zollsrei. Emp
findungen auch.·'
sergmann sann einige Augenblicke
nach. Dann sagte er mit einer Stim
me, die von weither zu kommen
schien: »Ich entsinne mich. in meiner
Jugend eine merkwürdige Geschichte
gelesen zu haben. Von einem Mann,
dessen Gestalt keinen Schatten wars.
Der Mann hieß Peter SchlehrniL Der
sehlende Schatten war das Vater
land.« Berg-sann richtete sich strass
aus. »Ich reiche letn Gesuch ein,
here Haasek
Ein langes Schweigen entstand.
Der Bankier- war sehr ernst geworden.
·Ueberlegen Sie auch noch eini: El
ist seibstoetstiindlich daß das Bank
haus haase de Co. einem alten, hoch
derdienten Prokuristen sein Gehalt
als Ruhegehalt weiterbezahlt. Der
Tag ist aber nicht fern, an dem alle
älteren deutschen Staatsangehörigen
Rußland werden verlassen müssen
Sie werden nach Deutschland gehen.
Jch innre nicht bliesen, daß ei i mer
möglich sein wird, Jhnen auch et
hin Geld zu senden Ganz abgesehen
davon, daß man mich nach Sibirien
schickt, wenn es herauskommt daß ich
Deutsche im kindlichen Ausland un
terssiisr. Un denien Sie nicht« daß
es Ihnen in Deutschland leicht sollen
wird, sosork eine passende Stellung
zu sinden Erwägen Sie das alles
nteresse Ihrer Familie und dann
han ln Sie, wie Sie müssen«
»Ich werde Steine klop en und
Schnee lchippen »M- Und
damit wäre auch Heut
»Dann leben Sie wohl. deer seen
tnannf sagte der santiey und seine
Stimme bebte leicht.»1lnd seien Sie
versichert ich alles daran sehen
, die
»Da-sa- HJM ask-a »;
e Glas co ineingrtokuristen hesilr
YOU-Eilet litkoc W lchsls
i
Ueber das Schiäsal der deutschen
Familie Bergs-man ist nur noch we
nig zu berichtet-. Sie wurde mit vie
len anderen durch Erlaß des Stadt-·
hauptmanni von Pefetsbutf ausge
wiesen und lehrte über um and and
Scheidew- nach Deutf land zurück.
Aber so sann man ja von der Za
milie Bergamo-u nicht sagen, denn
war nie in Deutschland kewesem
eii Berg-now wurde
t bei Kntnp verwundet und
so f Mslut der W
am Etliche-Zeichen
m W in ihr Vaterland
bis-knien W
sei-Masse- site-sum
Inn Alsred Kröger.
·Wer einmal Gelegenheit gehabt hats
Spanien und Port-geil zu besinne-.
der wird sich den W Iris Ists
bin Mien- sich M dar-lim- leis
Vergnügen beider Länder-, M tier
lcnnps, anzusehen Was ihn aber in
Spanien mit Ekel und Entsesen er
füllen wird, das wird ihm in Portu
sgal eine Belustigung sein. Dem por
tugiesischen Stiertamps oder auch
»Corrida« genannt, seblt vollständig
das bluirünstige und ekelerregende,
das die spanischen Kämpfe auszeich
net. obschon sich der Kampf in snsi
Hderselben Form vollzieht als in Spo
lniem so gibt es in der portugiesischen
Arena doch niemals Tote, selten Vers
wundetr. Weder der Stier-, noch
fein Pferd sind ernstlich bedroht.
Am eindruclvollsten und schönsten
sind die Stiergefechte natürlich auf
dem großen Stierlarnpfplan, dem
Campo Pequeno in Liffahon, in def
fen Mitte sieh ein eigene hierzu er
bauter steinerner Zirlus befindet.
Jm Innern des gewaltigen Rund
baues, dessen steinerne Sise sich mir
in einem römischen Amphitheater in
die höhe schlängeln, ist schon alles
lange vor Beginn befehl. Händler
mit Kissen, die vor Hartsinen fchuhem
durchlaufen schreiend die engen Pas
fagen und auch der unvermeidliche
Capiliioerliiufer, der sein Gemisch von
Sirup, Wein und eler anbietet«
macht hier seine Geschäfte. Um 4 Uhr
ist die Corrida angesagt und piintts
lich um 4 Uhr beginnt es auf den
Galerien und von dort aus in den
Logen und den Manegepliitzen zu
trampeln und zu zifchem als wäre
man lurz dar dem Ausdruche eines
Vollsitufftandes. Das sind ader Um
stände, die die Sitten des Voltes mit
ficht-ringen und der Eingeweihte wird
sich keineswegs iider die Unruhe des
Bolles wundern, er wird vielleicht
auch selbst mit lraleelnx denn lein
Theater, kein Zirlus, tein Vergnügen,
in welchem nicht die Zuschauer durch
unruhiged Benehmen das Signal zum
Anfang geben. So seht denn auch«
kurz nach dem Spettatel die Musit
ein und das Spiel nimmt seinen An
fang
Von den beiden Herolden begleitet
halten die Stierlämpfer, die Tone
ros, ihren Einzug Voran die Espa
das oder Matadores, die den Stier
töten fallen, wenigstens provisorisch,
ihnen folgen die Kanag, die mit ih
ren blutroten Tüchern das Tier in
Wut bringen. schließlich folgen die
Kavalleiros oder die Lanzenreiten die
mit ihren schönen und edle-, oft sehr
wertvollen Pferden den Cloud M
Feftes bilden. zum Schluß folgen
noch eine Anzahl Galegos oder Bau
erndurschen. ganz in der National
tracht gelleidet, deren Aufgabe es ist,
den wütenden Stier durch oft recht
gefährliche Kunststücke zum Gaudium
des Pudlitumt zum Narren zu hal
ten.
Von Gold- und Silberfticlereien ift
die Arena nun doll. Der Zug der
neigt sich nun zuerst dor der Trihiine
des Präsidenten det Stierlätnpsen ehe
er gleiche Ehre dem Präsidenten der
Repudlil, der in einer gegraut-erlie
genden Lege Pla genommen hat,
zuteil werden lä t. Nach kurzem
Rundgang verlassen die Kämpfer die
Arena in der Irihenfo e wie sie la
men, nur einige Capas llen sich hier
und dort in der Arena auf und zwei
Bandarillod mit einer kurzen, mit
Bändern geschmückten Lanze in jeder
hand, erwarten nun das Auftreten
des Stieres.
Dn ein Tasch· Die schweren eiser
nen Türen össnen sich, und hinein in
die Arena stürzt sich, geblendet von
qdem hellen Sonnenlicht, wild schnau
qsend der Stier. Das Publikum be
willkommnet sein Erscheinen mit wil
dem Geschrei Und Getlatsche und ob
dieses Mordsstandals steht das arme,
verblendete Tier. dem übrigens die
Hörner abgeschnitten und mit Bleib
umwickelt sind, erstaunt in der Mitte
der Arena und scharrt mit den husen
gelangtveilt den Sand. Es bedarf
nun erst von seiten der Bandarillvs
und der Capas wiederholter Aussat
derungen, ehe sich der Stier bequen1t.
seine Wiedersacher anzugreisen. Co
scheint sast, als sei er sich seines Da
seins nicht recht tiar. aber endlich de
ginnt er doch keinen Spaß zu ver
stehen und stürt sich, begleitet von
dem wilden Au zanchzen des Volkes,
aus die roten Tücher. die ihm die
Capai sortgeseht vor die Nase halten«
Nun ist der Stier endli wiitend ge
worden und das ist ja ie hauvtlas
che. Mit kunstvollem Sprung spießen
ihm die Bandarillos dann noch einige
Lanzen in den Nacken und die Wut
ist volllommen. Jst nun der Stier
aus der höhe seiner Wut angelangt,
dann bricht das Spiel plönlich ab,
eine herbe zahmer Milchltihe wird in
die Arena getrieben und in deren
Mitte iii t sich der buntbeslaggte
Stier an andslos absilhren.
act-m dieses Bild folgt ein andere-.
ersten to vollzieht lich such
hierdie Iiei uns des Sile-ten nur mit
dein U Hieb, daß an tt ver
Band-eitles die Lan-ein oder
cmlleiros in Atti-n treten. hre
kniest besteht nnn darin, dem
den umactieeden sie mit ihren Lassen
Linse-»seiner
und ihm hinterrücks ihre Lenz-n in
den Nacken zu stoßen. Dieser All des
Kampfes ist eigentlich der interessan
ieiie. denn obglei dem Stiere die
- abgefnnn sind, so wäre
einefsraft doch genügend, sie in vie
Meile del Pfades zu bohren, und
In hie Pferde, deren sich diese Lan
zesciter im portugiesischen Sxieri
come-se bedienen, wie gesagt, oft evter
und wertvoller Rasse sind, so kommt
es hier ungeheuer viel auf Gewandt
heii und Ueberlegenheit an. Jeder
gutgezielte Lanzenstich, bei dem die
untere "lfie mit Fahnen und Bän
dern ge chmiickt im Nacken des Stie
res verbleibt, wird auch vom Volke
mit brüllendem Beifallsgeilnische an
erkennend belohnt. Jst nun der Stier
genügend gereizt, dann beginnt fiir
den Matovor die Arbeit.
Bin tchriues Trompetensignal ver
tiindet sein Auftreten. Ganz wie in
Spanien verneigt er sich erst tief vor
der Loge des Kampfpriisidenten und
dann vor derjenigen des Präsidenten
der RepudliL Ganz wie in Spanien
beginnt er sein Spiel mit dem wun
den Stiere· Bald läßt er ihn tniend
an fich vorüber schießen, bald seht er
mit tiihnem Sprung über ihn hinweg,
und schließlich wirft er Hut und
Mantel in großem Bogen über die
Arena, stellt sich mit entdlößtem De
gen dor dem Stiere auf, und der
spannendste Moment des Kampfes
beginnt, den eine toteniihnliche Stille
auszeichnet. Genau wie fein spani
scher Kollege nimmt er den Stier, der
miide und mit ·tiefherabhiingenoem
Kopfe dor ihm steht, aufs Korn. Er
oisiert einen Augenblick feine Mut
teln trampfen sich zum Sprunge, er
schnellt vorwärts. Einen Augenblick
lang bilden Mensch und Tier eine
ctnzige Masse, dann löst sich die
bunte Gestalt des Mannes, stolpert
ein paar Schritte ad und der Stier
steht unbeweglich da. Aus seinem
Nacken ragt, laum sichtbar-, die Spitze
des Degens (die beim Stoße von der
Klinge abdricht), genau ·an der Stelle,
wo im spanischen Kampfe der ganze
Degen stecken würde. Jn jenem ioiirde
sie den Tod des Tieres unweigerltch
zur Folge haben. hier aber verwundet
sie ihn nur und kennzeichnet die Ge
schicklichkeit dee Fechters. Lauter Ju
bel des Volkes beglückwünscht ihn zu
seiner Leistung. hüte, Stöcke, Zigars
ten und Blumen von manch einer
Schönen fliegen in die Arena, er ist
der Held auf einen Augenblick. Ein
neues Trompetensignal ertönt, die
Milchliihe treten in Tätigteit, und
der Abgestochene ist froh. daß er mit
einer leichten Wunde am Nacken da
dongelommen ist« und läßt sich ab
führen.
Das dritte Bild vollzieht sich ge
nau so wiedai erste und zweite, nur
dass zum Schluß, nachdem der Mo
tador sein Opfer prooisorisch abge
ftochen hat, eine Schar Galegos in
die Arena stiirmt und das arme Tier
bei den Beinen, Schwanz und Kopf
festzuhalten versucht. Daß es dabei
nicht immer ohne hautabschiirxungen
abgeht, versteht sich, doch was st das
gegen die schöne Belohnung von 6
Milreie (20 Mart), die jedem zuge
sichert ist, wenn es ihm· lingt, das
wütende Tier auf Augenh iele zu bän
digen.
Zehn Stiere ist das wenigste, die
in jedem Kampfe zur Vorführung -
langen, und daß es sich bei die en
zehnmaligen Vorfiihrungen — immer
um einen, frischen Stier handelt. da
fiir birgt die Vernunft der Direk
tion, die es auf eine Täuschung dem
Publitum egeniiber doch nicht on
tommen la en möchte, denn der Por
tugiese versieht darin keinen Spaß·
(Es ist schon oorgetommen, daß das
Publikum, als es in einem der vor
gefiiheten Stiere einen bereits erledig
ten Stier ertannte, und alo die Di
rektion troh des Protestei der Zu
schauer dennoch das Spiel fortsegen
wollte, Feuer an das Gebäude zu le
gen drohte.)
Dem portugiesischen Stierlamps
fehlt also vollständig das diistere lei
denschaftliche, das den spanischen
Kampf durch seine Abtötung des
Stieres auszeichnet Der stampsstier
ist iein Todes-opfer, er ist nur ein
sehr achtunggebietender Gegner, dessen
Wehrlosigieit dadurch ausgeglichen
wird, daß man ihm nicht nach dem
Leben trachtet.
Wenn sich abends das Spiel seinem
Ende neigt, dann tut ver Feier-lie
bende gut, sich noch vor dem eigent
lichen Ende sortzubegebem denn in
der Regel entspinnt sich in den engen
Gängen und Ausgangen eine Dran
gelei, die nur zu vst in Schlägerei
ausartet und dem hänvelsintztigen
Charakter des Portugiesen zuzuschrei
ben ist. Zwar sorgt ein grase
Schudmanntausgebot unterstützt von
einer Anzahl berittenet Garben site
Ruhe, doch der Paris-sieh der keinen
Respekt kennt und am allerwenigsten
Regen die hohe Obrigteit ist mit dein
esser sehe schnell bei der band
Ha des sansgen Chatattete der
portugiesis chen iekiiimpsh nimmt
das ubiitum mit sast der gleichen
Begei erung an ihnen Anteil spie in
dem panischen Rachbarlande und in
Lissa on ist ein Stiersechter Gegen
stand allgemeiner dulvtguna
Obgleich der portugiesische Stier
tamps weniger geosattigi . als der
see-nistet- ls ist et such get ersu
am und biegt en seinen einzelnen
eine liebenswürdi e Unmut
wie ein bietet-spanischen eena vdsig
I