Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 03, 1916, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-Hatt de
Staaks Anzetger und II set-old
« trag vJstkm ,Nev Ton erst-Es
In Zeit-like Ie- sinnst-!
tiefem-M
Von Prof. Dr. J. Menge
Dir Professor der Nationalöko
nomie an der Universität Münster
I. B. De. J. Menge hat kürzlich
feinen Studenten eine Krieg-vor
lesnng über die Volkswirtschaft ge
halten« die in nächster Zeit bot
Julius Sprin e in Berlin erschei
nen wird- tnertenswcrt ist in
diesem Zufannnengenw vafz tad:
· i der bekannte ndotf Kse en in
, ownqu in seinen bei S- Hitzel
ckfchienenen ,,Jdeen von 1914"
Ptengei Gegenüberstellung der
Idee-n von Nil-I nnd der Ideen
»von 1789 aufgenommen at· Wir
geben nachfotgend den « miß der
Anspruche Pienges wieder:
Wir erleben boltewirtschaftlich ein
Schauspiel oon einer so überwältis
senden Größe, daß es sieh schlechter
dinge mit nichts dergleichen läßt, was
je geschehen ist. Die Volkswirtschaft
. sieht nach einem plötzlichen scharfen
Stoß, der sie mit jäher Uebereumbe
lang aus ihrem Friedensznstano her
ausrisz, unter der unmittelbaren
Wiriung des ungeheuersten Krieges-,
mit feiner Zerstörung von Mentchen
nnd Gütern, mit seinem riesigen Ver
lranch, mit seiner Lähmung und mit
seiner künstlich belebenden Wirtung
Der Zusammenhang der Weltwirtq
schaft ist zerrissen. Die nationsleJ
Volkswirtschaft stellt sich mit ein-ins
selbständig gewordenen Kreislan vonl
Geld und Kredit nach aller Möglich
teit in rascher Anpassung ans das
innere Gleichgewicht ihrer Produttivs
tröste und ihres Verbrauchs ein, wo
bei don dieser Umstellung und dieser
veränderten Tätigleit schle terdingg
alle Teile des groben Wirt einstm
!eni, alle Zellen des Wirtschaftsbe
pere in Mitleidenschoft gezogen wer
den. Ohne Störung geht ei bei dem
starken Heiegsberbrauch und dem gro
ßen Ausfall an gewohnter Zufuhr
nichtah Die einzelnen arbeiten kurz
fkchtig und unsicher gegen einander.
So tärnpft die ordnende Gewalt des
Staates mit immer neuer Mühe
einen aufgezwungenen Kampf, .urn
dad sonst im wesentli n fieh seth
ikki use-tagen- roikn einer-ei pq
zu einem neu Regelten Verlauf zu
Mino-t- m " erst-m
austreten, bei der Rohstoffoersorgung
des herred und aus« dein Lebensmit
telrnartt. Und überall tritt mit ihrer
ganzen Schwierigteit die Preisfrage
aus, denn die freie Preisbildung re
gelt den friedlichen Vertehr und hölt
ihn zusammen, und wo der friedliche
Vertehr in Unordnung kommt, tomrnt
entwendig nuch der Preis in Unord
sinng.
Lku t« Ast-— ntZ--« L-- III-L
ists- lpl lll ils-us »Oui«-es sus- »Ist
des bei uns und überall in diesem
Weltiriege aus den Fugen aeriiteuen
Wirtschaftslebens. So ist die Volls
rcirtschaft gegenwärtig ganz etwas
andere-. als fie vor dem Kriege war,
und das ist selbstverständlich Ader
Itenn der Krieg vorüber sein wird«
wird eine andere weltgeschichtliche Pe-«
tiode der Voll-wirtschaft ihren An-·
san-g nehmen als die, in Ader wir vor
dem Kriege standen. Vor dem Krieg
war die Volkswirtschaft Kapiraligi
mus, nach dem Kriege wird sie -—4
erschrecken Sie nicht — Sozialisnius
sein« Es tommt nur darauf an, was
unter diesem Worte zu verstehen ist.
Wird der neue Name unseres Wirt
schaftslebens richtig verstanden, so
lann er ein großes Zeichen der Verei
nigung werden« unter dem sich viele
Gegensäne zusammensinden, die vor
dem Kriege unser Voll zerrissen
Der Kapitalismus i das Wirt
schaftssystem des 19. echt-hunderts:
lit. Jahrhundert und Zeitnlter des
Kapitalismus fällt im wesentlichen
zufammen. Dieses Wirtschaftssystem
bedeutet einerseits streng durchge
führte Wirtschat mit Geld auf den
Erwerb von ehrgeld zum Vorteil
tes Geldbesitzes (Geld hätt alle Pro
duktiviriifte zusammen und fest sie
in Tätigteit), und anderseits höchste
Entfaltung aller modernen technischen
Hilfsmittel unter dem Einfluß dieses
Strebens nach möglichstem Goldgr
rrinn. Es it ein Wirtschaftssystems
ron allerhit fter Lebendigkeit und.
titegsomteiu Kein Wirtschaftssystems
lznt je solche Arbeits-nassen in Bewe
izun gefest, solche Gittermen en se
schafsen und in so raschem usdau
immer wieder an seine-e eigenen Ver-i
grösserung und Ausdehnung gerrrlseissl
ret. Aber est-It auch ein Wirtscha ts-»
systein der cksichtslofen Jntere en-’
e enfeisn und damit hängt die Ge
fn einer Schädigung der Schwachen
durch« die Starien rnit- seiner inner
gn Natur zusammen. Vorzüge und
hier ciqu wie bei qaeu meuichiiss
chen Eine tungetu nahe zusammen
Das Wirtf aftsfystem des Is. « ahe
fntnderts hatte a die ganzen än
t seiner Kraft. ielen von uns ist
«eses Wirtschaftisy em so politoms
seen selbst-er til-edit , daß es so hin-·
genommen d, als wenn es immer
« san d « u- -
«W3exek«iioi«k"dii Mit-F Fall
txsfei Wirtschaftssystem des W
Iahrhundekts erst im Verlaufe einer
langen Geschichte entwickelt. Ebenso
toohl die durchgeführte Geldeswert-s
ivietfchaft tvie die moderne Technik
mußte erst gelernt und im langsa
tnen Fortschritt entwickelt werden bis
es im 19. Jahrhundert fo weit war
km 19. ahrhundert folgen dann in
der fortf rettenden Entwicklung die
ses Wirtschaftssystems noch etwa drei
Perioden aufeinander: Meinst-Mia
liginus, Mitteltapitalismus hochm
tpitalisrnui Der Kleintapitcilismus,
Jetma bis 1840 oder Ende der 40er
Jahre erst mit den Anfängen des
.Mafch entvefeni und den Anfängen
ree dernen Vertehrsniittet, ohne
einentlichen Großbetrieb in der Jn
dnstrie. Der Mitteilapttalismus mit
voll entwickeltem Eifenbohnfyftent und
DAMPIIUUUGU UND cillcm UOUUUII
lebhaft in Bewegung gebrachten
Weimaer mit überall start ver
mehrter Maschinentechnii, mit iiberall
zu ganz neuen Größen aufsteigenden
Fabriibetrieben und einem scharf-as
manchmal vernichtenben Wettkampr
c.s! dieser Betriebe untereinander
issndiich der hochtapitiriisnius, ber
etwa 1880-——90 beginnt, die Zeit der;
Konzentration und Organisation, bie’
Zeit ber Riesenbetriebe in alten wich
tigen Industrien und im Baniwesemi
isie Zeit der Vereinigung der ans
rustrie zu Kartellen zu gemeinsamem;
Vertrieb ihrer Produite und sogar!
der Versuche der Trustbiidung, Iooi
aus einer ganzen, großen Jnousiries
tin einheitiich geleitetes Unternehmen
gemacht werden soll. l
Dieses Zeitalter nun hat mit dem;
Kriege sein Ende genommen. Ich habe;
schon im vorigen Winter geglaubt,s
dieselbe Vorlesung, die wir heute neu
beginnen. mit der Feststellung schlie
ßen zu können, daß da- thk mai
Un großes Wendejahr in der Wirt
schaftsgeschichte ist« und baß vorher
und nachher ver chiedene Epochen lie
gen werden. J habe anen vorhin
gesagt, baß das Zeitalter nach dem
Kriege als das erste sozialistische
Zeitaiter bezeichnet werben muß, bas
Fremvtvort ist zunächst berstiinblicher.
als wenn toir gleich sagen wollten,
bcsr ei das erste wirtschastliche Zeit
aitter does Vollegensssenschast sein
wird. Das heißt das-? « —
Die Organe unserei- Wirtin-ans
iebeno bleiben gewiß alle äußerlich
Umiichst dieselben, die sie waren: die
selben großen Bauten, dieselben Jn
dustrieunternehmungen, dieselben Ar
ieiterorganisationem und wenn wir
:!ug sind, behalten sie alle einen urba
tichst großen Teil ihres alten Spiel
rau s zur freien Selbstbetiitigung
Ni is wäre verkehrter, als wenn wir
die Noteinrichtungen der Kriegt-wirt
schaft unbesehen in unser lünstiges
Wirtschaftssystem hinubernehmen
trollten. Was davon gut ist, mag
auch bleiben. Ader nur« wag gut ist
und wag seine Zweckmäßigleit auch
im künftigen Friedenszustand behält.·
Tag Neue ist nur, daß alle großen
Organe unseres Wirtschaftslebens-,
die sicb im Hochlapitalistnus gebil
oet haben, ein anderes Verhältnis
zjkn Staat, zum Willen der Allge
meinheit betornmen haben, und daß
so eine sestere Gesamtverbindung aller
Organisationen unseres Wirtschafts
lebens mit allen Organen der staat
lichen Willensbildung in bewußtesier
Zusammenarbeit entstanden ist. Dos·
ist das lomrnende Bild von außenu
Und von innen wird eine neue be
wußte Bereiisehast vorhanden sein«
nicht nur aus reinem Selbstinteresse
zu handeln, sondern als ein durch die
eigenste Erlenntnis eingeordnetes
Glied in der Lebenseinheit des gan
zen Gesellschaftslörpers mitzuwirteni
Aber gerade dieses Aussen und diese-is
Jnnen unserer deutschen Zukunft ist»
das äußere und innere Wesen des
Sozialisnrus, genau, wie es sein Be
griss angibt. Von außen isi der So
zialioenus höchstbewuszte einheitlichel
Zusammenfassung aller wirtschastiis
chen Kröste eines geschlossenen geselH
schasilichen Lebensganzem wobei diese
Zusammensassung leineswegs eine
narte Verstaatlichung zu sein braucht,
sondern den einzelnen Gliedern der»
Bollswirtschosi utn ihrer höhern Lei
stungssäihigleit und Beweglichkeit wil
len ein möglichst großes Ma selbst
ständigen Interesses und selb ändiger
Alersligungssreihet lassen mus. Und
von innen ist Sozialiirnus bewußte
Eingliederun des einzelnen mit sei
nen ganzen ebenszweelen in den hö-»
hern « Lebenesuiammenhang, von dem»
erJnrr ein Teil ist« l
Also die Merkmale sind unweiger-.
lich da- Das Uirtschastsleben nach»
dem Krieg wird Sozialisrnus sein.k
Rath seiner äußern Verfassung naij
tionaler Sozialisrnus, denn die Ra-;
tion saht ihre wirtschastltchen Kräste
Deus-innrem Rath seinem innern
sen sozialer PateiotistnuL Die
ses Schachte-on der radikalen So
zialdemokraten gegen ihre Parteiges
nasse-, die ihre daterliindische P licht
ersiilli haben, tvird gewiß zu bren·
samtnen So wird die Boltswirts
schast der Zukunft ganz anders ein
heitlich mit ihrem Staat verbunden
sein« wie die Volkswirtschaft der
Vergangenheit, und darum der Aas
bau der Wirtschaft und der Ausbau
des Staats ganz anders als Einheit
verstanden werden müssen als bis
her. Aber es wird auch ein anderer
Staat sein, der sich mit der kom
menden Volkswirtschaft-so viel enger
verbindet, als der Staat der Vergan
fgenheit Denn der Staat erlebt in
allen Organen seiner Willensbilvung
und in dem Vollsgeist, der sich durch
IHe sum Ausdruck bringt, dieselbe gro
! e Veränderung, die auch die Volls
Iwirtschaft erlebt.
; Es ist auch dabei wieder für uns
Halle ganz selbstverständlich, daß auch
der Staat mit allen seinen Organen
in dieser Gegenwart des Krieges
ganz anders tätig ist als im Frie
den: Regierung nnd Voll wirken in
anderer Weise zusammen, andere
Uemter haben das Vorgewicht in der
Verwaltung, die Beziehungen und
Bestrebungen aller Parteien sind an
ders ineinander geschoben. Und eben
so selbstverständlich ist fiir uns alle,
dafz alle Kräfte des Vollsgeifies an
gespannt sind, und baß tm- starle
Erlebnis all der Millionen einzelner
ein ienberwifchbares Erlebnis des
’.«drr-.if«.den Volk-s wird. das fiir im
mer in seiner Seele nachwirlt. Das
selbe gilt übrigens wie beim Wirt
schaftsleben von allen lriegfiihrenden
Ländern. Ueberall arbeitet der
Staatsliirper anders als sonst, und
iiberall steht der Geist der Nation
vor der Aufgabe, ein neues überwal
tigendes geschichtliches Eriebnis in
sich zu verarbeiten. Und diese Er
fahrung der andern ist bisher bit
terer gewesen als unsere eigene Er
fahrung. «
Aber nach einer solchen weltge
fchichtlichen Lebenslrisis kommt we
der der Staat noch« der Geist der
Nation einfach zu dem Zustande zu
riick, der vor dem Kriege war, wenn
die Bedriingnis vorüber ist. Dazu
ging die Erfahrung zu tief, dazu
war der Druck zu schwer. Deut
scher sein wird nach dem Kriege et
was anderes bedeuten als vor dem
Kriege. Dir derben vieles fiir ine
mer aerlernt und uns hoffentlich vie
les siir immer gemerkt. Wir wol
sen auch in unserm Staat keine Rück
ledr zu der politischen Verworren
heit vor dem Kriege, und wir wollen
darum auch nach dem Kriege ein
anderes Zusammenarbeiten unserer
öffentlichen Organe, als wir vor dem
Krieg hatten. Dieser Weltlrieg wird
aller tommenden Geschichte under-gess
lich fein und als eine Jlias der Völ
ter weiter leben. Die Geschichtfchrei
ber werden wetteifern. aue Faden
der diplomatischen Bemühungen zu
entwirren und den Gang des unge
heuern Kriegs mit seinen unver
gleichlichen Waffentaten übersichtlich
darzustellen Aber in einer Geschich
te, die die große Veränderung von
Staat und Wirtschaft in ihrer Tiefe
erfaßt, wird diese Zeit dargestellt
werden müssen als »die Zeit der gro
ßen Umbildung des europiiischen
Willen-« in allen Organen seiner
Staaten und in dem innersten Grun
de seiner Bölter. Das ist also die
Zeit, das ist der Staat, das ist die
Volkswirtschaft, deren Verständnis
Sie ietzt erwerben sollen. Jch werde
darum taum noch hinzuzusetzen brau
chen, daß sich nicht nur die Wirtlich
Seit verändert hat, die wir durch un
ser Studium erforschen wollen, son
dern auch unweigerlich das ganze
Programm der politischen Aufgaben,
die in dieser Wirklichkeit durchge
siihrt werden sollen.
Alle wirtschaftspolitischen Fragen
der Vergangenheit sind Nebensragen
in dem Programm des politischen
gandelns nach dem Kriege geworden
as gilt nicht nur filr ihre theoreti
sche Behandlung Ein den hochschulem
sondern auch siir ihre praktische Be
handlung in der Tagesordnung der
Regieru und der Parteien. Den
ten Sie an atl die neuen Fragen, die
schon der Krieg als solcher fiir un
sere nii ste Zutunft herausgebracht
hat. D Grundfrage muß neu ge
stellt werden, wie unsere nationalen
Produktivtriifte im Dienste unserer
Autunft zu entwickeln sind, wo un
ere Unabhängigteit durch die Pflege
einer dauernden Selbstversorgung,
wo sie durch bewußte Vorratsbildung
gesteigert nor-den soll. Gleichzth
andern sich alle Fragen der Welt
rnarttsbeziehungem ebenso zu unsern
Verbiindeten wie zu unfern Gegnern,
wie endlich zu den Reutralens alle
andern Nationen werden sieh diesel
ben Fragen stiller-. Neue Fragen
der Kolonialpotitih und zwar um o
neuer und bedeutungiboller. je na -
-haltiger unser Sieg wird! Neue
Fragen der Versorgungspolitit fiir
die Invaliden und die Hinterbliebe
nen! Neue Fragen des Wiederauf
»bauet und der Entschädigung ftir alle
Teu- mqem Westasien-Im vie
duech den Krieg Ieütteu haben!
Neue Frage-I der Firma-spinnt iei
es, daß wir Eber die beste Verwen
duAg einer Redistribution von Millio
nen zu entscheiden habe-, sei es, daß
wie durchkZinsen für die Kriegs
fchuld und durch die neuen Ausgaben
Ifiit den Wiederaufbau nach dem
Kriege eine große Luft neuer Stru
etn zweckmäßig verteilen müssen
Aber auch da, wo die unmittellw
ten Folgen des Krieges nicht so ficht
bae hineinkommen, überall neue prak
tische Fragen!- Jch habe gerade in
diesen Tagen zu einer Dentfchrift
»Ueber den Ausbau einer untereichtss
anstatt zur Ausbildung praktischer
Volks-ritte« ein Beglefzwort »Aus
dein Leben einer Jdeews Vollendet und»
darin ausgeführt, daß wir als not
wendige- Lehre des Krieges einen
großen Neubau des wirtschaftlichen
und politischen Unterrichts brauchen,
zunächst für die praktischen Volks
wirte, fiir die Politiker, Beamten,
Journalisten uswq dann aber varii
ber hinaus fiir das ganze Volk. Mir
scheint es ebenso unabweislich ich
habe das in meinem Kriegsbuch »Der
Krieg und- die Volkswirtschaft« und
in jenem Begleitwort zu meiner
Denlschrist näher begründet« daß wir
unsere Verwaltung in der Zusam
menarbeit ihrer Organe und in der
Ausbildung ihres Nachwuchses we
sentlich verbessern müssen, und ich
bin sogar der Meinung, daß das
siir die Weiterbildung unserer politi
schen Zustände und fiir die Erhöhung
unserer staatlichen Kraft sehr viel
wichtiger und solgenreicher sein wür
d« als die Reform des preußischen
Wahlrecht-, don der man ja auch
schon spricht. So geht das neue
Programm der innerpolitischen Wei
terarbeit ohne weiteres iiber den gan
zen Staat. Aber much Kultur und
Wohlfahrt stellen neue Fragen. Für
die Sozialpolitik werden neue Forde
rungen kommen. Wenn wir aber so
fortfahren wollen, im Interesse der
sozialen Gerechtigleit auszugleichen
und zu verbessern, so muß vor allem
eine klare Entschlossenheit darüber
entstehen, wie wir als Vol verbrau
chen wollen, auch wenn die eigentliche
Entbehrnngozeit-. des. Krieges worü
ber ist. Von allen sichtbaren Stellen
unseres Zfsentlichen Lebens muß ge
rade dafür ein Vorbild gegeben wer
den, wie wir gleichzeitig durch wohl
erwogene Einschränkung den Druck
der Kriegssolgen aus unsere ge
schtviichte Volkswirtschaft vermindern,
fund gleichwohl einen neuen Anstieg
unserer Kultur und unserer Volksge
sundheit möglich machen.
Also überall neue Vorschläge und
neue Gedanken. Ja, es in oeinaye
zu fürchten, daß nach der langen
Ueberlastung unserer Behörden durch
den Krieg auch noch ein Uebermaß
frisch entsesselten Resorinverlangens
iiber uns hingeben wird, wenn nach
dem Krieg die Parteien wieder le
bendig werden und nach einer zu
nächst noch ungenugenden innern
Ueberwindung der alten Gegensätze
im Kampf um den Wähler von neu
em auseinanderstosgm Dann kommt
die Zeit der Projette und.der Kritik.
Unklare Verbesserungen und unkla
rer Tadel über begangene Fehler tön
nen dann bunt durcheinanderwirbeln,
und Sie werden gut auspassen müs
sen, daß Ihnen dann der Kopf nicht
benommen wird. Je größer der Sieg,
um so stärker die Gefahr der innern
Verwirrung sür den.Sieger, der tei
nen klaren Weg vor sich sieht. Hal
ten Sie sich darum schon seht vor
Augen, daß die geschichtliche Arbeit
unseres Volkes noch nicht zu Ende ist,
wenn der Krieg vorüber ist, sondern
laß sie in mancher Hinsicht dann erst
beginnt. Es ist ein alter Satz, daß
das Siegen leicht ist, aber schwer,
das durch den Sieg Gewonnene auch
zu behaupten. Und gerade weil die
Zutunft noch so viele Fragen birgt,
wird auch die Jugend, die jeht zum
schaffenden Leben aufsteigt. ihr Teil
an diesen Aufgaben zu tragen und
zu lösen bekommen.
— Pasfendes Geschenk
Frau Mein-: »Wenn ich nnr wüßte,
was ich meinem Manne morgen zu
seinem Geburtstage taufen foll? Er
ist doch, wie Sie wissen, Begetarias
ner?«
Frau Müller: Ranken Sie ihm
doch ein Billet siir moe en ins Thea
ter, da wird der »Weil enfresser« ge
gebeut«
—- S ch l e cht erfüllter
Wunsch. here X.: Was ist denn
zwischen dir und Fräulein Berger vor
gefallen?
Kunitmolen Ach, ich bat sie neulich,
fie möchte mir doch mal ihren herr
lich schönen Rücken zeigen, ich wollte
ihn malen.
Bett Xa Na und?
un tmaler: Seitdem kehrt sie mir
den Nicken zu
Iet- Ieisrer hat's gefest
Stizze von Sicgfries Mauern-Inn
Der Großvater hatte Feine Schwie
germutter mit ihren besten Jungen,
Mauer nnd Geryon-, zu sich ge
nommen, dafür feine Mifchafterin
entlassen nnd hoffte so, die Kriegs
zeit in seiner griesgrämig-i Wit
wetnöegelei —- Ioie er fis-gie: in
wohlverdienten Ruhe —- zu überste
hen: nun wär-de er ja wieder den
Herrn im Hause spielen können —
denn die Wirtschafterin war· ein
J,Dmche« gewesen — den Herrn
s ielen können drei Menschen gegen
—itber, die von ihm abhängig Men,
«er allem den beides Enkeln gegen-?
tüber —- aber er- hatise sich geirrt. I
ÄVor wenigen Tagen wur keins
Sohn eingezogen worum-, uno fluch
tiqe Karten hatte-n den Lieben zu
nächst nur das Notwendigfte mitge
teilt:. aber heute« war eins Brief vom
Vater angetommen,. und die Jungen-(
sprangen so laut· vor Freude durch
die» Zimmer» daß Großvater die
Stirn zu runzeln begann; Werner,
der stramme Obertentianer in oer
graugtiinen Uniform der Jugend
Htompaaniem »und Gerhard, der rund
jliche Quintaner, in lustigeni Ma
trosenanzug, rissen sich förmlich um
den Brief, und. obthhl er schon
mehrmals laut vorgelesen worden,
so wollten sie ihn doch selbst in der
Hand halten ihn selbsi lesen. Das
war ja auch zu köstlich, zu erfahren,
wie Vater, solange er noch in Zi
vil aus dem Kasernenbvs gestanden
hatte, von den in der Nähe befind
lichen Leuten der heimischen Nach
barschaft, wie dem Milchhändler,
dem Bartputzetz dem Schlosser, der
die Beleuchtung für die neue Woh
nung besorgt hatte, und dem Schuh
macher, der den Jungen jeht in der
ernsten Kriegszeit Eisen unter die
Stiefel geschlagen hatte, von all
diesen achtungsvoll mit »Den Dot
:tor« angeredet worden war. Raum
Tabet,« so hieß es in dem Brief wei
-ter, »hatte der Zahlmeister Mühen,
Zhalsbinden und Stiefel zum Ber
Tpassen ausgelegt und wir uns einl
Lieder das Zusagende ausgewahlt und
korrigiert-selig als allmählich die un
ter uns im Zivilleben aufgerichtete
Schranke fiel. Wie wir nur gar
erst Litewta und Hofe angezogen
hatten, lächelten wir uns mit freund
schaftlich treuem »Du« an. Schu
ster Lehmann drückte mir die Hand
und sagte: »Kamerad Doktor, du
bist uns nicht böse, wenn wir »Du«
zu dir sagen; wenn du die Kluft
wieder aushast, sagen wir wieder
«,,Sie« und »Herr Doktor« zu dir.
Jch wehrte ab, er fuhr aber unbe
irrt sort: »Bei muß so sind; und
wat fiir uns zu schreiben is, wie
so’n anständjet Urlaubsjesuch det
machst-e uns doch.'««« .
»Ich om gtuclncy uoer so gute
Kanreradschast und stolz aus das
richtige Verständnis in unserem
Volle bis ans den Untersten hinab,
stolz aus so richtiges Verständnis
siir unsere große Sache, daß ich
nur wünsche: Möchten unsere Jun
gen die Kriegszeit mit Gewinn für
ihre ganze erhabene Zukunft durch-«
leben! Teure Saat muß unbezahls
bare Ernte bringen. Hoffentlickh
lernen das die Jungen zu Hause beis
euch und auf der Bant in der;
sSchuleP .
s »Das werden wir schon machen!"
rief da der tleine Gerhard. »Wir
haben jetzt im Winterhalbsahre einen«
neuen Lehrer; der will uns seine
Geschichten erzählen«
»Von wem denn?« brummte der
Großvater dazwischen.
»Vom Großen Kursiirsten, vom
alten Fritz, von Kaiser Wilhelm mit
Bismarck und Moltie.«
»Was ihr ileinen Kerle schon da
von versteht,« brummte der Groß
vater wieder. »Die Schule will
sich in alles einmischen-.«
,,Wieso denn?« wagte die be
scheidene Schwiegertochter leise zu
fragen; aber ihr mutiges Söhnchen
wartete keine Antwort ab
»Wir verstehen alles; wir wissen
ganz genan, wie der sranziisische Ge
sandte unseren guten, alten Kaiser
in Eins ärgern wollte.«
»Die Schule hat ja doch eben erst
wieder angesangen,« sagte der Groß
vater und rieb sich sriistelnd vie
Hände. »Ich habe allerdings in der
Zeitung so etwas von neuem Ge
schichtsunterricht gelesen; soll denn
das aber gleich losgehent Da schwatzt
so’n Dreitiisehvch von Ems und
Benedetti. Woher weißt du denn
dass«
»Na, der,Lehrer ha» doch ge
sagt.«
»Ja, Großvater,« silgte die Schwie
ertochter hinzu, »da lassen sich die
Zungen nicht dreinreden, wenn sie
rufen können: Der Lehrer hats ge
soc-W
»Na, das sollten meine Jungen
sein- Allerhand Krone lernen sie da.
Kümmekn sich um den Krieg, ums
tägliche Leben wohl auch, aber eine
nchtige gediegene, wenn auch alt-I
taliche Schulbildung bekommen sit
nicht-«
»Na, nn, Großvaiet«, fing nun
Wernee an,
« »Wenn auch ihr mich ärgern
wollt"..
l· »Auch?« unterbrach die Mutter.
’ »Nu, jn. Ihr habt wohl noch
«ng nicht gemerkt, wie ich alter
Mann hier friere; jetzt denkt ja
alles nur an die Zukunft Die al
ten Leute können ja sehnedie Zentral
heizung dasitzen und sichdse schön
ste Lungenentziindung holen-«
»Bei all folchew KWgteilen sol
len wir nn unsere Fell-grauen den
ken,« zitiert Werner stolz
»Wns? KleinigkeitenT Wer hat
dir denn« nun wieder so etwas bel
gebracht?:
,- ---. p- -. u
- »Y(L Ochs-cl- VULV gcsugk
s »Der Lehrer.« -
»Siehsi- du, Großvöterchen,« fügte
jetzt auch tinutigs die jungev Frau hin
zu. ,,Bisweilen« können auch die
Jungen den« Alten- etwass sagen-. Und
wenn im Oktober nicht gleit- so
start wie iin1 tiefsten Winter geheizt
wird, bedenledoch du« Mindestan
du dein Haus noch hättest, einen
Mieter, wie dir jetzi- einer bist, min
destens einen Quängelfritzen nennen.
Es wird fix-doch werden« Vorläu
fig-» zieh’ diis deine dick-T sappe- und
die gestkickiens Schuhe ein-; es wird
schon gehen-«
»So-? Meint· ihri-y qu,. da leis
ich euch doch einmnls owns anderes
erzählen; das-— hab« ich auch ans
der- Zeitung,. und das beiriissst auch
die« Schule. Die Schüler sollen in
den Bahnwagen vor den allen Leu
ten aufstehen-«
»Ja,« das hist der. Lehrer gesetng
brüllten die beiden Jungen durch
einander. »Abet,«· fuhr Weinen stet,
»et(h«nt auch htnzugesiiglcf nor jedem
noch- so jungen Fell-grauen erst recht.«
,,Ja,« sagte-Gewoka »und auch
vor-« jeder Frau,. diev einen Korb
tränk vor jedem( älteren-« Arbeiten
der von seiner Arbeit kommt; nnd
dann sollen wir im nich-c schen w
Seite-rücken, wenn ein« Lahmer oder
ein Berwundeter schief- dasilm eiijt
viel mehr als wir-, ob« in Unifsrrn
oder nicht insUnifdrm-.«
»So, und so’n guter Stoßpnpm
der seine heilen Knochen nicht frie
ren lassen möchte... jn,. wäre ich
nur junq...«’ .
Die junge Frau, die an ihren
Mann dachte;. konnte sich nicht ve
hetrfchen, ungesehen mit den Achseln
zu zucken.
»Und woher habi- ihr all diese
Weisheil?«
»Na, der Lehrer links gefagt,«
rief Gerhard.
»Ach, Ia, ihr frechen Rangenpoer
Lehrer hat euch ja wohl auch gesagt,
daß ihr Finstanien aufsammeln sollt
siir gute Zwecke; aber doch nicht bis
in die Nacht hinein; nette ErLes
bringt«
»Au; mir klingen die Ohren,«ries
Werner plötzlich dazwischen, »Vate:
wird an uns denten."
,,.Oder Qntel Willi,«' meinte Ger
hard. Der war nämlich sein »Lieb
lingsontet««, er hatte ihm schon ans
dem Osten so schöne Karten ge
schickt, und nun- tamen sie ans dem
.Westen; immer mit so köstlich hu
kmorvollen Zeichnungen mitten aus
den fürchterlichen Kämpfen.
»Ja» es tin-n schon sein, daß einer
von beiden gerade jetzt besonders in
nig an uns herdenlt,« sagte die jun
ge Frau. »Da haucht einer von
beiden vielleicht seine letzten Wünsche
siir uns aus-, nnd wir...«
» ,,Na,, stell dich nur nicht so sen
»timentat an,« brummte der Alte
’,,dein Mann ist doch bloß Armiek.
rungssoldat.«
i »Die kommen auch in Gefahr, und
Ytrotzen ihr mutig!«
»Die Arinierungssoldaten?«
. ·Hübsch Deutsch sprechen, Groß
vater,« mahnte Werner.
»So? Warum denn nun wieder
das«?« «
»Der Lehrer hats gesagt.«
»Er hat recht,« bestätigte die
Mutter. »Wenn das deutsche Wort
hier auch weniger sagt, so ist es
doch st) schlicht und anspruchslos,
und wir sind stolz aus unseren Ba
ter, wenn er auch — Schipper ist«
»Ja, das iiinnen wir auch; der
Lehrer hat mir’s ja gesagt,« ries
der Jüngste freudig, schwang den
Brief und überschrie den beunnnens -
den Großpapa, der. so wie er es
sich gedacht hatte, nun doch nicht
Herr ini Hause war; es gab keinen
Einwand gegenüber der Jugend-Der
Knabe ries laut: »Vater ist nicht
Aemierungssoldat, Vater ist« was
unser Lehrer auch war, Vater ist
Schippert Der Lehrer hats gesagt!«