Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 23, 1915, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-hinkt de
Staats Anzetger unbd Icerold
apszt va JTZImEc wiss-I UDI Tät-äu
M
see senmmsiessfh
micgsitizec von Hans Hynn
Er summte aus einem Schloß in
der Gegend von Drinant, und ee
hieh, der entflohe-re Schloßheer sei
ein berühmter Naturforscher geweiem
der die seltensten Gegenstände. vie
merktviikdigften Tiere auf feinem
wunderschönen Lands-n zusammenge
bracht hatte.
Das große Tier mit dem Antlih
eines melancholiichen Will-en wäre
mangels jeder Pflege zugrunde ge
gangen, wenn sich nicht ein deutscher
Pioniethnuptmann feiner angenom
men und es unter manchen Schwie
rigteiten tnitgeführt hätte. Der Affe
wollte non feiner Stärke vom Mur
fchieren nich-s wissen; er hockte, in
einen alten Soldatenmantel gewictelt,
auf dem Bagagewagen und nährte
sich. wenigstens im Sommer und
herbst, von dem überall reichlich vor
handenen Obst. Seinen Herrn liebte
er; die anderen Soldaten betrachtete
er mit der Gleichgültigieit eines alten
Philosophem dem auch der Krieg
nur eine bunte, läetnende Ausdrucks
form des Weltgetriebes darstellt. Ader
ein danielernnes Auge belebte fich.
nnd das lotossale Gebiß blelte vor
Behagen in dem vorgettiebenen Mau
le, wenn jemand Ihm eine Zigarre
oder Zigarette anbot. Die zündete er
an, mit einer Geschicklichkeit sonderg
gleichen, und nahm den Dampf über
die Lunge. wie der passionieriefte
—
Mancher
Llls in ver Mnrneschlacht der ios
nierlieiuptniann siet, schien sein sie
den letzten Rest von Frohsinn mit
ins Grab seines Herrn getan zu ha
ben. Er ipar so uninteressiert, oasi er
selbst tteine Neckereien nicht mehr wie
sonst init derben Pitssen und Ohrfei
en vergalt. Den Pionieren machte er
einen Spaß mehr; so gaben sie ihn
nn ein Landivexirbatailton ab, das
sich da irgendwo an ber französischen
huiidertineilensront eingriib und sein
Leben zwischen Quartier und Schüt
zenaraben binbrachte, wobei freilich
unter dem seinbtichen Feuer fortwäh
rend Teile von biesein Leben abbröts
text-ON sofort durch den Nachschein
ans der heimat wieder ersetzt toter
den.
Bei der vierten Kompagnie stand
ber Zoologe Dr. Emanuel Winter,
der sich des Assen, in dein er mit gra
sier Befriedigung einen richtigen
Schimpanfen ertannte, sofort mit Be
geisteriing annahm. Er nannte ihn,
nachdem er die verschiedensten Na
men angprobiert hatte, »Eniil«. und
darauf hörte ber große Viert-Linden
der nach des Doktors Ansicht ein Al
ter von vier Jahren und etwa vie
Figur eines zwölsjiihrigen Knaben
hatte, dabei aber start triie ein aus
gewachsener Mann war.
Ernil liustete manchmal ein bischen,
was Dr. Winter jedesmal einen Stich
ins Vers gab; ioiifzte er doch, wie
leicht bei den Menschenaffen in unse
rem Minu- die Atniungsoraane er
kranken nnd wie sie seist alle, selbst
bei sorgfältitzsier Pflege, an Pbtbvlis
suskuury Hei-Im «
I Da aber Dr. Winter Feinmeoei
und in feiner Kompagnie befanden
beliebt rvar, fo tat jeder Soldat fiir
den Affen, was er nur konnte. Und
Ernil vergalt das durch allerlei frei
willig geleistete Dienste. Er schleppte
Wasser herbei, holte hplz, rupfte fehr
gefchiat, nachdem er es einmal gefe
hen hatte, Enlen und Bühner und
ftahl außerdem fiir feine Mannfchaf
en wie ein Rabe. Das war das ein
ige. was feinen Aufenthalt bei ver
ompagnie zeitweife etwas in Frage
ellte. Denn die Frauen aus Eun
cellei, wo das Batalllon in Quartier
lag. rannten wütend daher und be
schlvtkim sich: txt-tief böte-, le- singt-,
habe ihnen ein huhm eine Mnftente
oder gar eine Gans aus hem Stall
geflphleni
Emil safz dann, eine Zigaeette itn
frech vorgefchobenen Maul, und blies
, den Rauch munter von fich; kam ihin
eins von den Weibern aber zu nahe,
fo machte er eine plönliche Aitaae,
. und dann entflohen die Klägerinnen
funter lautem Getreifch Freilich be
zahlte Dr. Winter in jedem Falle den
anaeriehteien Schaden; er tonnte fieh
das gut leisten. weil er vermögend
s wars für feinen Affen märe er zu
federn Opfer fiihig gerufen
Am ineiften aber iirgeete die Fran
zofen Erniis Garaner Alt es tät
ter wurde konnte die Decke, in die
der Affe fich hiillte, nicht mehr geniis
gen; ee neu te alfp eingetleidet wer
den« Nun-f ng es hoch aber auf
reinen Falk daß man i eine Eg
niglirh Prsußllche Uni- arm ansagt
Und da verfiel der Fiifilier Meyer li
auf hie Idee, dem Affen eine fran
zösifche Uniform vom Kompagnie
! fchneider paffenh machen sit lassen
« Eisva
Das gewa nnd her Schimpanfe fah
etnfa tvali aus in feinen roten
X« slkansdif en nnd dein blauen
Wsschvmndas
lisppi immer ein wenig schief anfi
Dhr gerllcki trug. .
Der Divisionär besichiigle etade
das Baiaillmn als Cmil in einem
neuen Staat zmn erstenmal ausging.
Und der alle· wei bäriige handegen
wäre beinahe vor qchen von seinem
Sireithengst hetuntergetuischi, als
der ie, ein bißchen lrmntn un
Kreuz, aber doch menschenlihnlich auf
gerichtet, so gul ei eben gin , Froni
und, wie feine feldgrauen reunde,
honneur knacken-» Er ergri dann,
was man ihm trefflich gebracht
halle, die Muslete nnd machte mit
feinem herrn einen Gang irn Duja
neiife ten, der diesem ein paar gehö
rig nue Flecke und dem Affen das
uneingeschränkte Lob des Generals»
eintrag· (
Wenige-.- löblich war feine entschie-;
dene Vorliebe für französische Sang-J
linge, von der er seinen Leuten dass
durch Kenntnis gab. daß er eines
Tages aus einem Bauernhause einen
firnmmen «Einj"jhrigen« stahl. mit
dein er sich dann außerordentlich ge
wandt qui das Dach des Hauses be
gab, in dem sein Herr wohnte. Der
ichluininerle gerade ein bißchen, war
aber mii einem Sah nus den Federn,
nlg die Mutter des Entführien vor
der Tür ein rafenves Lamenio erhob.
Zu der einen Frau kamen mehrere,
und alle schrien »wie»beiessen. End vie
III Kompagnie clllllc Im Vlllcllis
chritt an, während oben der liebe
Emil, wie er das wohl bei den fran
zösischen —Mitttern gesehen hatte —
die, in dieser Hinsicht sehr ungeniert,
ihre Kleinen an jedem Orte und
rornm publica stillen —. sich die
Unisorm auskniipste und dein tlei
nen. ebenfalls brüllendrn Franzosen.
eine eingebildete Brust reichte.
Die Soldaten lachten Tränen·
Aber dem Dr. Winter war's nicht
wohl zumute. Er wußte, daß sein
hanptmnnm an sich kein großer As
sensreund, diesen neuesten Streich des
geliebten Quadrupeden sehr ernst rn
grn würde... Deshalb gab er den
Beseht, die Sturrnleitern ans Dach
anzulegen! Was denn auch ans meh
reren Seiten des Fausts geschah..·
Aber da machte mit dem Scherz,
webt in der Ertenntnis, daß seine
Position aus die Dauer doch unhalt
bar sei, von selber ein Ende! Jrn hni
war er vorn Dache nnd das Pfirsichs
spalier hinab, wars seinem Herrn.
der es geschickt auffing, das Kind zu,
und war mit einer wirklichen affen
artigen Geschwindigkeit wieder aus
dem Dachsirst, sich so am besten vor
allen Folgen seines Gernestreiches
hegend «
r. Winter war eben dabei, ein
silbernes Pslaster aus das berwundete
Mutterherz zu legen, als sein haupt
mann mit langen Schritten herzu
tarn und sich mit seinem Feldwebel
zu einer geheimen Besprechung zurück
zog. deren Text war: wenn noch ein
einziges Mal ein derartiger Standal
vorkommt, dann gibt's teine Gnade
mehr, dann muß der Asse weg!
Die Soldaten ließen die Ohren
hängen und schlichen ftiil vom Platze,
und Dr. Winter sah fchwercn her
zenz das Ende seiner Freuden vor
aus. Solange die Kompagnie un
Quartier lag, würde schließlich noch
alles gut geben« besonders wenn mnn
mebr als bisher aus Emil acht gab,
dessen Unversrorenheiten den Leuten
im übrigen ja einen beidenmäßigen
Spaß machten! Aber wie wurde is,
wenn die Truppe wieder abmars
schierte in den Schätzengrabem wohin
der Affe laut strengem Befehl des
herrn Kompagniechefe nie mehr mit
durfte. nachdem er, unbekümmert um
die franzbsischen Kugeln, mehrmals
auf den Grobenboed gesprungen war
und dem empörten Feinde bobnooll
etwas vorgetanzt hatte?... Oben
drein begann der Schildengrabem
dienft noch an demselben Abend! Da
band man dann den Leuten von oer
dritten Kompagnie. besonders aber
dem Koch, «dem Emil aus guten
Gründen febr zugetan war, mit tan
iend Veschwörungen den Affen anö
Hers- —
Der Mörzwind strich «iiber die
Gräben, und der Bierielmond lugte
ab und zu zwischen den jagenden
Wollen am Nachtbimmel hervor.
Dr. Winter saß aus einer Mani
tionsliste, qualmte aus seiner Pfeife
und dachte an die heimat. Er hatte
da niemand; und die eine. die er ein
mal zu haben glaubte, war lurz oor
itriegsansbrnch mit einem Maler da
vongefloaent nach Jtatien... Das
machte ihm heute gar keinen Schmerz
mein-; er lächelte über fich, der damals
fast verzweifelte; itber sie, die nur
ein buntes Pilppchen gewesen« und
über den etnstigen Freund, der fo we
nig file so viel eingetauscht tte.
Denn De. Winters Vers bng start
unb·fest an dem, was es einmal er
griffen hatte, nnd wenn's nur ein
roher Menschenaffe warl Merlwitri
tote dentth Gelehrte- ten-n
der Geruch seines Lieblian verfolgte
Uefer ein wents beliebt-e Heiland-It
« !
den Dr. Winter aber durchaus nicht
unan enehm empfand...' Auch den
murtfendrn Ton, den Ernil vor Ver
gnügen hören ließ» wenn sein here
lam, meinte Dr. Winter fest zu ha
reu... Und ohne ed eigentlich zu
wollen, drehte er sich zur Seite.
Da saß Emili Er war seinem
Herrn gesalgtz den Weg in den Gra
ben kannte er längst, und nun war
er da und lachte herzlich. Ja, tat
sächlich er lachte! Er sletschte das
gefährliche Gebiß und tromrnelte mit
der linken Faust aus die breite Brutt,
als wollte er zeigen, was unter dem
blauen Franzosrnrdck silr ein treuer
Here schlug!
»Ernil!« sagte der FeldtvereL
«Eknil! Du machst mich unglücklich!
Du bringst mich noch an den Baum
mit deiner Unverschämtheit!«
Der Asse grinste noch toller. Er
tam geräuschlott näher, legte den lan
gen, behaarten Arm mit der schwar
zen Hund um seinen Freund und
preßte sich eng an ihn. Dr. Winter
sah beim Schein einer Laterne in das
dunlle Gesicht, dessen Zähne blitztem
während geheimnisvolle Lichter ans
den sprechenden Augen des großen
Tieres leuchteten.
Jndem tam die Sappe herauf
schnell der Horchposten einer und mel
dete: er habe vor dem Graben ver
dächtiges Geräusch gehört. ohne jedoch
etwas sehen zu können.
’ Sofort übergab Winter dem Ser
igeanten Krause den Beseht und eilte
rnit dem Horchposten an dessen
Stand. Er dachte gar nicht daran,
daß sein Asse hinter ihm sei.
Der zweite Horchpostem der eisen
bar sroh war, daß fein Kamerad zu
rückkehrte, sagte, das schiirsende. wie
in die Erde bohrende Geräusch daurre
«an, aber zu sehen sei noch immer
nicht-!
Nun lauschte Dr. Winter eben
falls. Er lauschte lange Zeit. Auch
er konnte nichts weiter feftftellen, als
daß irgendwo in der Erde gearbeitet
wurde. Eine Mine etwai Nein, dafiir
klangen die Geräusche zu offen und
zu wenig dumpf. Jndem sich Dr.
Winter noch in der, wie er wohl
wußte, nicht ungefährlichen Situation
den Kopf iiber die Ursache der merk
würdigen Töne zerbrach, hörte er das
murrende Schwaden seines Affen
hinter sich.
»Na, Emil,« Dr. Winter drehte
sich um, »was meinst du denn« was
das ist?« ,
Ein Knarren lam aus der Brust
des Tieres, das mit seinen so unend
lich viel schärferm Sinnen Menschen
nähe witterte und erlauschte.
Seinem herrn fiel das auf; er
merkte, der Affe wurde wütend. Aber
worüber, wrshalbi Das wußte er
nicht.
Er gab aifd telephonische Meldung
in den hauptgrahen Und als er wie
der aufsoh, erblickte er seit-n Affen
auf dem Rand des horchpostenioches
sihend Er lpckte ihn herab, doch Emil
tam nicht. Er. der fonft einen Ehrgeiz
hatte, aufrecht zu gehen. sprang plon
iich in großen Sprüngen, auf allen
Vieren, vdm Graben fort nnd stieß
wuienoe Schreie aus. In diesem Au
genblick stieg das hellweiß aufleuch
tende Steilfeuer der Leuchtratete in
die Nacht, die taghell wurde siir Se
iunden· Dann gierte der Scheinwers
ser rnit weißen Augen iiher die
Drahtverhaue oor der preußischen
Linie und weiter ins Feld hinein,
das wie eine Wüste ing.
Das Geräuch hatte aufgehört, aber
der Wind stand oon draußen herein.
Zehn Meter vor der letzten Sapoe
sprang Emil ausregt hin und her
und treisehte von Zeit zu Zeit durch
dringend.
»Er sieht Geipenster!« sagte oer
eine horchposten
»Nein, er sieht etwas, was wir
ni t sehen!« erwiderte Dr. Winter.
« «ndessen inallte es oon der srans
zösischen Seite. Der große Affe
sprang noch weiter vor und ver
schwand plöhlich, als hätte ihn die
Erde verschlungen Aber gleichzeitig
inallte es dort an der Stelle, wo er
verschwand! Ein Wutgeheuli An it
sehreiei Und wieder Schüsse! Man sah
geuer aus der Erde blitzen! Dort!
a! Dicht vor dem inneren Draht
hinderniii Keine zwanzig Meter vor
den Gräben!
Fu demselben Augenblick rollte und
ra elte der Tod schon hundertsiiltig
aus den deutschen Stellungen! Die
Maschinengewehre tnatterien, und die
Oeschiise sangen ihre Donnernielodiei
Die Franzosen hatten rntt großer
Geschicklichkeit einen Laufgrnben io
oorgetrieben, daß sie unter holde
chern sich weiterarbeiteten, die vorge
ichoben wurden und keine Oessnung
in der Erde sehen ließen. Sie waren
schon unter dem vordersten Stachel
draht weg und eben dabei, das zweite
sindernis zu beseitigen. Aber jetzt
mußten sie unter dem rasenden Zeu
er, das von iiberallher nach ihrem
Graden iingelte und leckte, aus l -
rein her i Und oben aus der Or
—
saßten Eisen nnd Blei sie erst recht!·
...Wohl wenige lehrten zurück· Die
meisten deckten mit ihren Leibern das
Feld, iiver dem in der Frühe etne
Iitternde, rote Sonne ausglomm.
Jn ihrem Schein sah Dr. Winter
seinen Affen wieder. Er lag, wie ein
Kamerad, zwischen zwei Franzosen
einem Leutnnnt und einem Gemeinen
Jn seinen Händen hielt das Tier
einen Teil des Degenö, der dem Leut
nont gehört hatte. Und durch sein
gutes Glas sah der Feldwebel deut
lich den schrecklich wütenden Ausdruck,
der auf des toten Assen Antlitz lag·
Der junge Gelehrte mußte sem
Glas absetzen: die Tränen rollten Ihm
in den Bart. Er schluchzte wie ein
Kind.
You der Liebe nnd dem
Hausrat-if. -
. .. - . f
Eine Erzahlunq aus Schwedan sit-Ich
tagen· —- Von Leon Haksan
Es war der letzte Tag, den Crit
in seiner Heimat bleiben durfte, denn
morgen schon mußte sein Regimei:t,
die Södermaniänder, in den Krieg
its-dem Er ging umher nnd nah-n
Abschied von Freunden und Bekann
ten, von der heimatlichen Erde und
vom heimatlichen Himmel. Es schmerzt
ein weni in der Brust, wenn man
alles la en muß, und nun in der
Abschiedsstunde war ihm alles so lieb
wie nie zuvor. Fast schien es, als
wolle er aus die Knie fallen und die
schwarze Erde küssen, und als er an
den hochstämmigen Birken vorbeikam,
konnte er nicht anders, als seine Wan
ge an ihre Rinde legen und sie mit
seinen Händen liebtosen.
Aber er hatte auch eine Liebste, von
der Abschied genommen werden musi
te, und das war das Schwerste, viel
leicht deöhlab so schwer, weil ihr Va
ter, der Bauer Tureson, von einem
Freier« der nur fein Gewehr als
Lebensunterhalt hatte, nichts wissen
wollte. Darum tonnte er seine Lieb
ste nur auf heimlichen Pfaden treffen,
wenn es diimnierte und sie niemand
sah. Aber heute wollte er geradewegs
in Turesone Hof gehen, denn heute,
da ihn das Vaterland ries, meinte er,
trotz seiner Armut ein Recht daraus zu
haben.
Als Eril in den Hof lam, arbeitete
Tureson gerade an seinem Pfing, hielt
aber sogleich inne, als der junge Sol
dat aus ihn zutarn. Er mass Crit
einen Augenblick lang. nicht böse und
verächtlich, sondern ruhig und for
schend. Denn Tureson hatte teinen
Groll gegen Erit, obwohl er es nicht
ertragen tonnte, daß dieser ein Auge
aus seine Tochter habe nnd dadurch
anderen, dornehmeren Freiern im
Wege stand. Tureson tonnte sich mit
dem Gedanlen, daß seine Tochter tei
nen Bauern heiraten sollte, nicht be
sreunden. Nur der Bauernstand diint
te ihn was Rechtes. Ein Soldat war
in seiner Art wohl auch etwas wert,
aber so einer besaß ja nichts und
mußte darumÄ zu jeder· Zeit Ader
Trommel und Trompete folgen. Ya
bedachte er, als er Erit betrachtete
Da reichte ihm Erit die Hand zum
Gruß. .
»Ach so, nun ist es Zeit, Abschied zu
nehmen,« meinte Tureion.—-»Ja, nun
ist es Zeit.«
»Fürchtest dn dich nicht?«-—,,Nein!
Sah man schon einen surchtsamen
Soldaten?«
Der Bauer lächelte derschmiyi. »Es
macht sich ja auch niemand Sorgen
um dich,« meinte er
Und Crit dachte, daß es nun Zeit
wäre zu sprechen. »Doch, eine," er
widerte er.
Tureson verstand, was er meinte,
stellte sich aber, als ob er nichts wüß
te. »Und das wäre?« fragte er.
»Gertrud — wie Tureson doch
weiß.«
»So-o, glaubst du, daß sie sich
Sorgen machen wird?"
»Ja, wie sollte sich eine Liebe nicht
Sorgen machen?«
»Halt ein,« unterbrach Turefm
»ist sie denn deine Brautk- Das ist
mir neu. Wohl habe ich bemcrtt, daß
ihr mitunter beisammen waret. Aber
das hat nicht viel zu bedeuten. Wie
ich jung war, habe ich auch immer
einen Schatz gehabt.«
»Aber eine wurde doch heimgesührt.
Und das wird Gertrud auch werden«
faate Crit ernst, »und zwar von mir
und niemandem anderen«
Tutefon schüttelte den grauen Kopf
nnd klopfte Crit freundschaftlich aus
die Schulter. Was Crit gesagt hatte,
ärgerte ibn zwar, aber nun, tn der
Abschied-stunde, wollte er sich nicht
widerhaar« zeigen. Das hätte teinen
Sinn geha t. da sicher Jahr und Tag
vergehen würde, ehe Crit beimtam
tlnd indessen wiirde schon ein anderer
Wind wehen.
»Du bist nicht dein eigener Herr
Erit, wie ein sauer ei ist. Jm Krieg
eh» heiß zu; die Kugel heischt pie
e Opfe- and die Klinge auch. Ehe
m dich's verstehst, liegst du da und
kannst weder an Gertrud denken noch
an sonst etwag.« «
»Das liegt in Gottes Hand,« sagte
Zeit ernst. »Aber so ist es auch mit
deinem hoff
»Der steht auf festem Grund.«
«Doch nicht so sest, daß er nicht
einmal meiner Hilfe bedürfen könnte.«
Tureson konnte aus diese Arabe
rnng hin ein verächtliches Lächeln
nicht unterdrücken nnd sagte: »Wenn
der has deine hilse braucht —- so
kannst du auch Gertrud haben.«
»Ist das dein Ernst?«' rief Crit
aus«
»Wenn ich es gesagt habe, ist es
auch so. Aber damit hats noch seine
guten Wege."
»Gut, doch ich kann warten und
komme zurück. Leb’ wohl nun, Tun
son! Jetzt geh’ ich zu Gesund
«Und er ging.
Aber Tureson nahm seine Arbeit
wieder aus und dachte, wie voll Hofs
nung doch die Jugend immer tei.
Es ist schön, solche Treue zu sehen,
aber mit der Zeit wird sie doch ver
gehen-. Dir Jahre werden kommen
und gehen —- nnd eines schönen Ta
ges wird Crit alles vergessen haben
Darum, meinte Tureson, könne er ru
hig sein Ziersprechen geben.
s I
Winter und Sommer zogen über
die Welt — die Erde blühte, die
Bäume wurden gritn und wurden
im herbst wieder welt und harrten ei
nes neuen Sommers. Die Dunkel
heit lam und legte sich schwer über
das Land, aber sie schwand wieder,
und das Licht breitete sich siegreich
aus und verschwand wieder. Viele
Winde bliesen durch das Land, und
das Glück derschentte seine ungleichen
Gaben. Aber daheim auf dem Hof
wartete Gertrud aus Erit, indessen
sie still und schweigsam ihrer Arbeit
nachging. Sie« wurde älter, aber man
mertte es ihr nicht an, denn sie wurde
schöner mit den Jahren, ihr Haar
leuchtete heller und stand wie eit: gol
dener Schein urn ihren Kopf, und
ihre Augen leuchteten in blauer Treue.
Freier tamen und gingen. Alle tses
lauten die gleiche-Antwort, denn Ger
trud war dem Fernen treu.
Und die Zeit verging
Von Kriege tam eine Nachricht nach
der anderen. Meist von großen herr
lichen Siegen —- aber auch Botschaft
von Not und Tod«
Zuerst larn Kunde von Narva. Da
läuteten die Glocken, und das Bett
jubelte. Schweden war doch ein star
les Land, mächtig und reich in seiner
Armut. Dann solgte Sieg auf Steg,
einer herrlicher als der andere. Eu
ropa erzitterte dor dem lleinen Land
im Norden, als die Kanonendonrer
vom Schlachtfelde über die Erde roll
ten. Das war eine lichte Zeit, voll
Glaube und hoffnung, obgleich die
Rot mit ihren Schrecken von Dorfl
zu Dorf ging.
Und bei jedem Siea dachte Ger
trud: Nun siegt Erit, nun war er da
bei; er ist es der das Land schützt
lieber seinem Haupt wehen die blau
gelben Fahnem und siir ihn läuteni
l
!
die Glocken. Da leuchteten ihre Au
gen vor Stolz, und ihr war als wür
de ihr junges Blut mit den Trom
meln auf dem Schlachtsetd im Init
schlagen. j
Darum konnte sie ihre Sehnsucht
leichter tragen, und ihre Treue er
starite; denn Crit wiirde einmal zu
rückkehren als Sieger iiber alle Hin
dernissr.
Böse Jahre kamen und zogen brül
iend über das Lond. Der Donner oer
Siege-stammen wurde immer seltener
und blieb zuletzt ganz aus. Die Glor
ten in den Kirchen hatten aufgehört
zu läuten, und das Volk jubelte nicht
mehr. Arm wurde Schweden, arm,
wie nie zuvor —- Mißernle und Hun
gersnot, Niederlage aus Niederlage
Aber Gerirud dachte, daß noch nicht
alles verloren sei; noch lebte der Ko
nig, noch bestand das Heer, noch lebte
Erit, obgleich er so weit fort war, tief
drinnen in Ruszland. Und solange
er lebte, mochte sie nicht trauern. Der-s
raus hatte sie lein Recht.
Zuicßi kam Puitawa. —
Da brach Gertrud zusammen. Es
war, als stürzen Himmel und Erdel
ein und als sei der jüngste Tag ge
kommen. Da verbarg sie sich und
weinte in der Stille, um nicht zu zei
gen, daß sie trauere. Als sie wieder
hervorkom, hatte sie ihre Tränen ge
trocknet, und niemand konnte sehen,
daß sie litt.
Wieder vergingen einige Jahre,
während die Not wuchs und das Voll
im Elend beinahe umkom. Aber noch
hatte das Unglück nicht seinen Gipfel
erreicht, noch stand vieles bevor.
Neue Niederlagen - mußten ertragen
werden und neue Sorgen.
Zuith begannen die Rassen zu sen
en und zu brennen. Von nah und
fern kamen Nachrichten von Untaierh
—
sine schlimmer als die andere. Rings
um flammte der Himmel von verheer
ten Dörfern und Städtem die Luft
war dick von Rauch, und die Funken
tanzten auf dem Nachthimmel.
Und immer näher zu Turesonz
hof kam der Feind. «Da seufzte der
Alte schwer und dachte an sein Ver
sprechen, das er Erii gegeben hatte.
»Jetzt wäre es gut, ihn da zu ha
ben,« sagte er. —- ,,Er tornmt,« er
widerte Gertrud noch voller hoff
nung, »noch ist nicht alles verloren."
Dann brannte es eines Tages irn
nächsten Dorf und die Rassen zeigten
sich in der Umgebung. Da machte
sich der alte Tureson zur Flucht be
reit, und Gertrud Packte das Not
wendigste zusammen. Tureson war
ein gebrochener Mann, nnd Gertrud
konnte die Tränen nicht zurückhalten.
Nun war alle Hoffnung vorbei, denn
nun kam der Feind über sie und der
Hof würde in Flammen aufgehen.
Das toar der schwerste Augenblick
ihres Lebens. Wofür sollte sie noch
leben. Die Heere waren geschiagem
das Reich zerschmettert und Dorf nnd
Hof verheert. Tureson dachte mit
Bitterkeit an Eriis Worte einmal var
langer Zeit und er wiederholte sie
bei sich:
»Das liegt in Gotte-«- Hand-"
Gott wollte nichts mehr von den
Schweden wissen und hatte seine
Hand von ihnen abgezogen, und sie
den hönden der Mordbrenner und
Uebeltiiter überlassen. Der Bauer
batte sich vor seine Haustür gestellt. An
seiner Seite stand Gertrud und beide
dachten, daß sie nun zum letztenmal
ihren Hof sahen. Wenn sie zurück
tehtten, falls dies überhaupt sein wür
de, wird alles zu Asche und Trüm
mern geworden sein und die Arbeit
eines Menschenlebens vernichtet.
Da hörten sie in der Ferne Schüsse
donnern, tnatternde Gewehrsalven und
dumpfen Kanonendonner. Jhre Blicke
trafen sich fragend und erstaunt.
»Das ist die Schlacht,« sagte Tu
reson mit leuchtenden Augen.
»Es gibt noch Schweden, die käm
pfen!" .
»Sie iämpsen für uns,'· sagte er
und faltete seine Hände, «bete fiir sie
Gott gebe ihnen Sieg!«
Durch Stunden raste dort der
Kampfs bald lauter, bald schwächer
rollte der Donner ringsum. Aber ge
gen Abend wurde es stiller-, und nach
nnd nach wurde es ganz still und ru
hig, wie nach einem Gewitter.
Die beiden waren in Angst und
Spannung umhergegangen, die mit
dein Abnehmen des Kampfes nur zu
nahm. Wer hatte gesiegt? Die Ih
rigen oder die Russens Sie wußten
es nicht und machten sich aus alle
Fälle zur Flucht bereit.
Plötzlich hörten sie Trommeltvirbel
von Norden kommen, der Donner kam
näher und näher; zuletzt vernahmen
sie beide die tattsesten Schritte mar
schierender Soldaten.
Um zu sehen, ob Freund oder
Feind nahe, toar Tureson auf das
Dach seines Hauses gestiegen. Was
er zu sehen betxinn füllte seine Augen
mit Tränen, denn es war eine schwe
dische Fahne, die über schwedischen
Soldaten wehte.
AlLs er l)erabkani, zitterte seine
Stimme:
»Gerettet," murmelte er leise.
Und Gertrud dachte, daß sie noch
nicht verloren waren. Es gab noch
Hoffnung für den« der zu glauben
wagte
Die Soldaten näherten sich dem
Hofe. Es war ein Fähnlein des Sö
dermanländifchen Reqiments — und
an ihrer Spitze ritt ein junger Haupt
mann. Die Trommeln schlugen noch
und die Fahne leuchtete im Abendrot.
Turefon und Gertrud sahen, wie der
Hauptmann auf ihren Hof zuritt, und
als er vor die Haustür tarn. sprang
er vom Pferd und ging auf sie zu.
»Nun magst du dein Versprechen ein
löscn, Tureson,« sagte er, »das Vir
sprechen, das du vor achtzehn Jahren
gegeben haft. Nun hat dein Hof mich
gebraucht. da bin ich nun, heiße mich
willlonimen!«
Und dann ging er auf Gertrud zu
und ergriff ihre Hände.
,,Kennft du nun Eril wies-er, mein
Mädchen?« sagte er. »Dein Haar
ist noch golden und deine Augen sind
noch ebenso blau. Das war ein lan
ges Warten für dich« —
»Aber nicht vergeblich,« sagte sie
mit zitternder Stimme, »nun tommt
zuletzt noch das Glück.«
»Du haft dein Versprechen wie ein
Mann gehalten,« sagte Tureson, »und
ich halte das meine.«
Aber Eril flüsterte feiner Geliebten
zu:
»Durr!s duntle Jahre hast du met
ner gehnrrt. Durch Blut und Tränen
hab’ ich für dich getämpft. Zuletzt
kommt der Sieg. Nun geht die Son
ne unter. Aber eine neue Sonne aehr
morgen für uns aut·'«