Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 16, 1915, Sonntagsblatt, Image 9

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    Sonntag-Matt de
Skaats »An-Zeiger und Jserold
W
Der sanft-niedersti.
Eine Geschichte nach dem Leben ban
Eise Ausst
Jn einem von den Franzosen längst
verlassenen, halb zerfallenen und lehr
nassen Schüyengraben un Oveteliaß
fand man ihn
Dle vakttgen Landwehkleule vom
xlen Miniwglmeny die von ehren
Sol-ausarbeiten aus dem Vogelengei
biet in die stät-deutsche Festung zukäm
maefchletten, hielten das braunqols
dene. bewegliche, nasse Gan lnll
dem der Heebslwind spielte, für Laub
und fließen es mit den Füßen zur
Seite. Und da gab ei einen Wim
metlnul« so hetzeclvejchend und hei
ser, daß die ganze Kompagnie »Au
geu rechts« machte und beinahe
want
»E Hundche... du liess Herrgott
che. da habe wir nach ne kleine Fran
zos« gefangen«, sagte der dicke Flü
gelmann vom leylen Zuge. indem et
sich bückte und feinen zoppelnden
Fund wellerkelchte.
»O Hundchr. « e kleiner Feanzof’«,
ging die Parole unler den mühen
Leuten weilet, »Mit-en sie dir net tol
gelchasse, du dummes-, armes Labet
schel« ·
Beinahe wie eine Ausfrischung war
diese plötzliche Sorge silr das hilf
lose. blutjunge«und halb verhungerte
Tier. Die Fuße schmerzten weniger,
die Bagage drilckte nicht mehr so start,
und selbst der Hauptmann an r
Sdise wendete den Kopf aus seinem
Gaul und öffnete gerade den Mund
zu einein Donnerwetter wegen der
heillosen Verwirrung hinter sich, als
lhtn sein Leutnant auch schon den
jeht bis zur Spitze der Kompagnie
herausgereichten Gefangenen entgegen
hielt. «Verzeihung« Herr Hauptmann,
aber es ist leider nur ein vierbeinigee
Franzose.«
«Zum Kuckuck noch mal, das ist
doch lange lein Grund, unt io einen
Iipt gleich lilomeiertveile zurückzu
bleihen. Zusammentreten. Leute, zutn
Donnerwettesnoch malt«
.Fidt", hatte der Herr hauptnmnn
Magd «Fips", lockten die Soldaten
M zwarfllisterad nur und Kuh
ordnungagemliß zurechtreißendz a er
der Name war doch da und blieb
llnd nun beugte sich der gestrenge
Lompagnieches sogar sehr tief von sei
nern Gaul hernieder, sah sich den ruin
selnden und leitenden tleinen Franzo
sen genau an und grisf in die große
Tasche seines Umhangg, in dem noch
allerlei Liebe-gaben stellten.
«Lassen Sie einen Augenblick hal
ten, dadril das Stück Unglück gesiiti
tert werden lann und die Leute ihre
Ruhe haben. hieri«
Das zweite Fruhltuck des Herrn
haupttnann ward zur ersten Mahl
zeit in der Kompagnie siir den- halb
verhungerten Gefangenen. Und Lörz,
der Pferdedursche, ein prachtvollen
baumlanger Landmann aus dem
Schwarzwald, wurde dazu auserse
hen, in seinem unergriindlichen Ruck
sau siir den kleinen Franzosen Plan
zu machen, so daß nur das niedliche«
oldhraune Köpfchen tnit den lurz ge
iutzten Ohren über der breiten»
Schulter dieleö tetdgrauen Krieger-«
zu sehen war. .
Also zog ipB unter sehr vollzähliss
ger mittinrtcher Bedeckung mit der
dritten Kompagnie des xten Land-i
wehrregtrnenls in der Festung ein,’
und das gerade, als Inan das schönei
Lied sang: « n der Heimat, in per
Heimat, da gi t’t ein Wiedersehn.«
IEll-er Iipi blieb ganz teilnahtnss
los. Denn er war regelrecht einge
schlafen in feinem Ituelsatt Und
dann auch — toer wußte, wo seine
del-nat war's —
I I O
thl selten hatte ein Keiegsgesnni
gener so gute Tuge, wie sie teyt siir
Monsieur Fips in der Festung ve
gannm Allein schon das Bat-iden
!even, in dem die Kompagnie sich hin
ter der Front aus weitere Befehle be
reit hatten mußte, machte Spaß.
Der Kommende-weh der von den
Bergen her über das weite, weite
Feld hetüberhallte, störte vie Freude
absolut nicht. Und dass er etgentlich
ttn Zeindeslager Gnadenbrot aß, hatte
Zins auch vergessen· Denn dieses
nahenbeot tvoe vie höhe aller bie
lser qekannten Genüsse· Die ganze
Kompagnie wetteiseete, die besten und
Zettesten Bissen iheein Kriegshund zu
etntnen zu lassen, der immer da aus
tauchte, wo Mannschastsessen dumpfte
oder Liebesgadenwtlrste txt-stetem Al
les wurde in den ersten Tagen der
Gesanqenschalt dates-probiert Die
die-stets Erbsen, vie dünnslen Kohl
suppen, das schwätzeste Soldatenhkot
und die silbefte Schvtplavr. Am mei
sten aber imponierte iplt dee Bra
ten wen Ossiziereti ch aus dem
Hauptwennsquartier. Dies mit Sens,
Essig und Oel bes knieet, nahm er
ihn am liebsten. euau pie der
Kmnpasnteches« betet der gute Ge
ichmatt des kleinen, geil-braunen
Franzosen sichtlich Spaß machte. Auch
litt et es stillschweigend-, daß der Ge
sangene die waeme Osenecke im
hauptmnnnszimmet dem Strahle-get
bei Lörz. dem Pserdedurschen, oder
Will, dem Leibbarschen, iiber Nacht
verzog und die Liebesgnbenlarions
aus der heimai als Spieldälle be
mitte, nachdem ihr Inhalt redlich mit
dem Sindengenossen geteilt war.
Spät abends, wenn das Nachisigi
nal gebissen war und der Ches der
dritten Kompagnie müde und gee
schlagen von sinndenlangen Jnspizies
eungsritien der Wachen in sein stil
les Quartier zurückkehrte, lam es
vor, daß sich die Hand des Gesinn
gen wie suchend gegen die Osenerle
aussieeclie, aus der ein Paar wun
derschöne, eehbkaune Augen aufmerk
ssam jede Bewegung des endlich Heim
gelehrten verfolgten. Und bald lag
»in dieser ausgestreckien Hand ein klei
ner, warmer-Kopf, drängte sich gegen
»die kalten, suchenden Finger und saß
sund blieb da lange, lange. Und es
wae beinahe so, als sähe Fipö auch,
Zwas sein Heer dann sah: ein serneösz
Fseriies Haus« um das der herbstsiukni
!ging. und in dem eine blonde Mut
ter sür den Vater im Kriege betete.
l Und der müde, einsame Mann sand
»ein weiches, gutes Wort nach dem
sondern süt den kleinen, anhänglichen
fKriegslameraden
Wintermonate lamen.
Zur-, der Rompagniedund, trug
jede eine regelrechte Soldaten- und
iErtennungsrnarte des Regiinenii, ein
Wulst-and rnit dem stolzen Namen
«Fips«, an den beinahe ein »e« ange
hängt worden wäre, weil einige Mitg
Ller unter den biederen Landwehrlew
ften erllärt hatten, es sei lein Mon
l
. Die Wochen vergingen, und die
steur, es sei eine Madetnoiselle, die
man «Fräulein Fipse« aus gut deutsch
anreden müsse
J Eines Tages aber, mitten irn Ja
nuarichnee und Wintersturm, geschah
etwas Unerhories.
« ZW, der sreie, sröhliche Kompag
niehund betone ein scheußliches Un
getiltn von Gitter oor das Miiulchen
gelegt nnd eine stählerne Kette dazu
Lain haliband die der Gipfel irr-ital
Jster Vergewaltigurpz war. Und also
zerrten Lörz und Will den Ausreißey
»den sie gerade noch abgetangen hat«
ten, als er mit dem Kopfschutzer des
Deren hauptrnann in einern ver
schneegefrillten Feitungsgräben Mäuse
sangen wollte, in das Quartier zu
riirt« roo ein gepadtee Feldlofser stand
und unzählige andere Kriegsausriis
stungen ver-schnürt und verstaut um
dalagen
,.Jawull, du insamsch’ Ludersche«,
sagte Lörz l·bevoll, indem er die
prachtvolle Gezalt dehnte und reckte
wie ein Schla tengott, »nur ist’t aus
mit dern gute Lebe un Brateschleckel
Nu tummst halt wieder in’n Schüses
grabe un wirst totgeschosse!«
Und Will, der schöne, schlanke Will,
lachte uver diese oerheigende Austicht
über das ganze Gesi i und schob mit
seinen ungetoichsten tiefelspitzen den
Kompagniehund vollends durch die
Tür.
»Jetzt sollsie aber mal ne deutsche
Hunde perre iennen lernen und ne
ratternde Eisenbahne, du französischer
Handel-raten du! Als eiserne Ra
tron toirste rnitjenommen ins Feld,
jawoll, Monsieur Fipet Mit oder
ohne Essig und Oel, schmecken tuste
immer·"
»Nei, na«, lachte der here Haupt
mann, der ganz ungewohnt sreudes
voll und eifrig ein Stück nach dem
andern in den engen Zeldtosser hin
einzwängtr. »Ehe wir dich ale
Krieglbraten im Magen haben.
gehi’s erst mal nach Hause... Juni-,
Frechdlichs, hast du denn über aupt
’ne Ahnung, was das Wort bedeutet
»Ja hanie'·?«
Fips stand ganz still und tliiglieh
und sah durch das Zolterwertzeug,
das man ihm umgebängh in das rote
Gesicht seines Oerrn
,3u hause?'« Das mußte in der
Tat ein ganz wundervollej Wort siir
einen Kriegerimnnn sein, denn der
here Hauptmann riß ihm plishlieh
den Maullorb von den bettelnden
Augen fort und warf das ganze zap-;
winde. winselnde hundel wie eineni
Ball in die Luft, um ihn sehr sanft«
und weich wieder auszufangen
s O I
Es folgte eine ratternde Eisenbahn
fahrt, die man zum grössten Teil
ichlasend zubrachte, ein Uebersehreiten
eines von Menlchen und bunten Lich
tern iibersliiteten Sah-ihon dem sich
wiederum eine Fahrt in einer Art
hdllenqiasehine anschloß, die noch
mehr snulhte und schnauchte als die
Etteabahrn
Als dann endlich irgendwo in einer
sehr z nen und nachtstillen Straße
die llenmaiehtne hielt, sah Fipz
lauter hellitrahlende Fenster in einein
we hause, hörte ein-, zwei, drei
Zu licht-ein und dann war es eine
ganze Weile still, und die vielen neuen
,Gesichter, die plöhlich vor ihm ausge
taucht waren, hatten sich alle an das
seines,Herrn gedrängt, komisch war
das. So koas hatte er noch nie ge
sehen. Eine rasende Eifersucht stieg
in im hoch, wie wild zerrte er an
der eite, die Lörz, stramm wie beim
Paradematsch stehend, trampshast
festhielt, und versuchte gleichzeitig,
durch den Menschenlnäuel tliissend
hindurchzudringem der ihm seinen
Hauptmann so völlig mit Beschlag
belegte
»Zwöl« jauchzte da ein helles
Stimmchen aus, dem im Echo ein
zweites, noch helleres solgte. »Ach
sieh doch bloß, Multi, der Papa hat
den Kompagniehund mitgebracht, den
Franzosen! Ach du geliebtes, du
Süßes nun tomme doch. ach, du
Goldstück, Zucker lriegst du, meine
ganze Schotolade kriegst du, bloß aus
lauter Wonne, das; wir nun endlich
mal den Papi wiederhaben in dem
langen Krieg. Nu lomm doch bloß,
du Süßet.«
Süßer-, Goldstück, Geliebtez, brrr,
das waren ja Ausdrücke, die man
wittlich nicht gewohnt war als edler
Kompagnie- und Soldatenhund. llnd
Zucker und Schololade; da sollten sie
ihm man ja nicht mit kommen, das
Zeugs kannte er von den vielen Lie
besgabenpiickchen her, nicht satt und
nicht sroh wurde man davon! Und
zu den kleinen, streichelnden händem
die ihn wie ein Wickeltind aus den
Arm nehmen wollten, gesellte sich nun
auch noch eine andere, die zwar sehr
weich und warm war, aber die ihn
absolut nichts anging. Eine Stimme
aber sagte, die unter Tränen lachte:
.;Dat ist also dein kleiner, treuer
Kriegstamerad, Schatz, den hatte ich
schon lieb, ehe ich ihn sah —- nun
lomm doch mal her, du reisender,
lleiner Kerl, ich habe dir auch schon
einen prachtvollen Knochen aufgeho
ben.
Das war also » u hause«, toar
das fremde, neue ort, das den
hertn hauptmann in solchen Wonne
taumel verfeßt hatte.
Jips war außer sich. Sämtliche
bisher feeigegebenen Neigungen wa
ren plötzlich verboten. Seidene Kis
sen wunderfeine Strümpfchen und
Schuhchen. tote, dumme, ilachserne
Puppentinder, alles, was sich zum
Spielen für ihn eignete, zog man ihm
unter den Pfoten und Zähnen mit
einem Hallo fort, als ob das Haus
brenne, und wenn er als patriotischer
Kompagniehund sich wirklich mal eine
Negimentofahne irgendwo in einem
Winkel erobert hatte, nahm man sie
ihm sicher in der nächsten Minute
sichnöde wieder ab und behauptete, es
ätoiire Bubis bestes Häkchen oder
jMädle feinstes Sticlereiröclchen.
. Aus der Küche, dem einzigen ek
träglichen Raum der ganzen Woh
nung, hatte man ihn schon ein but
zendmal herausbefördert, weil er die
festgesetzte Mittagsstunde zur Ein
nahme der Leckerbissen nicht einholten
wollte, in den vorderen Gemächern
machte der Aufenthalt auch durchausL
feinen Spaß, wenn man nicht mal so"
ein Paar lumpige Troddeln oder
Spitzendecken frei zur Verfügung be
halten durfte, und im Kinderziminey
da hinein ihn die beiden kleinen
Menschlein immer wieder zogen,
mußte er wahre höllenqualen erdul
den. Man trieb es sogar so weit,
ihm, Monsieur Fips, dem Kriegs
und Kompagniehund, Puppenhosen
einzuziehen, trebgrote Röcklein und
buntbebänderte Mützen unter das
Kinn zu binden nnd sich dann noch
hinterher halb tot über seine wüten
den Sprünge bei solchem Mummens
schanz zu lachen. Hochbeglückt atmete
er daher auf, ais er am zweiten Tage
an der allgemeinen Aufregung und
erneuten Parierei merkte, dasz der
Herr Hauptmann und seine beiden
treuen Burschen dern weißen, stillen
hause wieder den Rücken kehren wür
den. Und jeht sollte es an die Front
gehen, mitten in den Krieg und
Kampf.· Oh, das war sicher etwas
sehr Schönes und GroßariigeL Dun
tet erinnerte sich Fipö an erste Le
benstage voll Feuer, Kanonendamps
nnd Duera, so ähnlich würde es wohl
nun wieder werden. Und an eine
freiheit, da er niemand zu gehorchen
tauchte und doch von allen geliebt
und gestreichelt wurde.
Ali sich darum alles in der gro
ßen, hellen Diele wieder versammelt
hatte und man schon unten auf der
Straße wieder die höllenmaschine
sauchen hörte, die hier »Auto« ge
nannt wurde, war er einer der ersten.
der an dem herrn Hauptmann hoch
sorang, um ihm seine Befriedi ung
siir den Abschied aus diesem Ge ang
nie »Ja hause« auszudrücken.
Aber der gen hauptmann sah ihn
gar nicht« r hielt die zarte Frau
an sich gepreßt, die immer wieder die
Tropsen hinunterschluette, die in das
tapsere Lachen tommen wollten, und
mit der anderen Hand suchte er die
kleinen blonden Menschleim die sich
weinend gegen ihn andriingten.
»Nun laßt man, Knirpse, macht
der Mutti das herz nicht ,schtoer»
Papa kommt ja sicher wieder, wenn
ihr weiter so fleißig betet wie bis
her«, sagte er mit einer ganz weichen
nnd seltsamen Stimme. »Und damit
ihr was von mir und dem Krieg hier
zurttctbehaltet, lasse ich euch den Kom
pagniehund hier, den lieben Fins,
damit der arme, kleine Kerl nicht tot
geschossen wird. Ja, wollt ihr ihn
gerne behalten den kleinen Franzo
sent«
»Ja« , janOchzten die Kinder unter
Tränen O,Papa wir haben den
Süßing ja schon so lieb!«
Und mit einem ganz unerwarte
ten Leidenschastsausbruch stürzten sich
die vier beweglichen Händchen auf den
erstarrten Fips nnd drückten die blon
den Köpfe gegen das goldbraune
Fell, unter dem das Herz vor Angst
und Entsetzen schlug wie ein Maschi
nengewehr.
Der arme Fips. Wochen ging das
nun so fort. Kette, Maultorb, Kno
chen und Erziehungstünste blieben an
der Tagesordnung, anstatt trästige,
frische Soldatenliedrr hörte er: ,,Eia,
opeia, was raschelt im Stroh« und
sonstige Kleinlindergesänge, und zu
seiner echten Kompagnie- und Erren
nungtmarke vom Regiment hatte ihm
das kleine Fräulein mit dem Blond
zops ein silbern Herzchen an das
Kriegshalsband gehängt, auf dem
»Aus Liebe« stand, und das vorher
eine von den vierzehn Puppen an der
Gipibrust getragen.
Die Sehnsucht nach dem alten, fri
schen, fröhlichen Soldatenleben zehrte
an dem rundlichen Fips, so daß er
merklich schlanker wurde
Die Frau Hauptmann meinte
zwar, erst fest hätte er die richtige
araziöse Form, und erst jetzt könnte
man ihn unbesorgt in den Stuben
lassen, nachdem er ein gesitteter Hund
geworden wäre und zweimal in der
Woche gebadet würde.
O dieses Baden! Wer das ersuns
den hatte, war der größte Hunde
seind. der sich denken ließ· Kurz,
W war tief ungliittlich und hegte
die siasiersten und tühnsten Pläne
sur Aenderung dieser unwiirdigen
Situation eines Kriegshundes, dem
man das Feld entzog.
Eines Sonntagvormittagg —- der
Schnee war längst geschniolzen und
die hundesperre seit drei Stunden
mit dem Frühlingsanfang vorüber —
lag Monsieur Fips müde in dem
Votgärtlein der weißen Hauptmanns l
villa bei den Schneeglöckchenbeeten und
ärgerte sich über den Standal der!
Kinder, die über ihre neu im Gartenj
angebrachten Turngeriite heute den
vierveinigen Freund ganz vergesseni
zu haben schienen. Nicht einmal schla-(
sen konnte man vei diesem Gejauchze
in der wärmenden Lenzionnr.
Ida-« was war dass Ein Lied
lam von irgendwo, ein altes, längst
vertlungenes Lied. Schwere, schwere
Soldatenschritte mischten sich darein
genau im Talt:
»Es pfrifl die Eifetiiialnic,
Ade, Frau Nachbar Erinnidn
Tier Landjkukni muß zur Kultur-,
Der Landiturnn er gctn nni.
n Frankreich nnd in Polen,
-a tnnsscn wir veriulitcn
Ganz schnelle Ia
Tie Felle- da
Franzosen, Musi« und Brit’."
Fips ließ sich das nicht zweimal sa
gen. Wie ein Rasender fuhr et
hoch, tlemcnie mit unsägticher An
strengung den schlanien Körper durch
die eisernen Gitter-spalten des Vor
gartleins, und hui... haste, was
tannste, hin nach der Richtung dieses
wundervollen, attvelannten Marsch
liedee aus glücklichen Zeiten.
Ein.« zwei... drei tleine Stra
ßen rannte er wild suchend umher,
und da... da hinten aus der früh
lingödegliinzten Chaussee sah er es
marschieren in Fett-grau . . eine gan
ze Kompagnie Soldaten, singend ..
und an der Spitze hoch zu Roß der
herr Hauptmann, der zwar hier ei
nen Bollbart trug... aber denselben
Mantel. . . oh, und alles beinahe eben
so wie damals im Obereisaß aus den
herran Märschen und Gefecht-'s
iibungen...
Ein Taumel des Glücks erfaßte den
tiriegjhund Aus und ah, an bei
den Seiten der marschierenden Krie
ger jagte er, zwischen den einzelnen
Zügen setzte er in wundervollen
Sprüngen durch, durch die Beine des
haupimannigauiö, an dem daneben
schreitenden Leuinant, an den Offi
ierstellvertretern und den anderen
åugfiihrerm wedelnd, liiifsend, selig.
Man lachte, man lockte, Brot«
Spectwiirfel, riesengroße Wurststiicke
flogen ihm zu, ah, endlich wieder
Kommiss, endlich wieder der alte
Duft, die alte Umgebung, das alte
Futter aus Kriegerhändem
Und die alten Ausdrücke! Die
herrlichen deutschen Worte. Nicht
H
.Siißeg«, »Gott-stach »aus-hier«
Mausebraten«, nein, würdigere, irriti
ttirische Kraftausdriide, wie es sich
für einen Kompagniehund gehörte.
»Na komm, du tleeneg Luder«,
»Hierher, Hundetöle«, »Na, Kerl, du
willst dir wohl Inang uns mang bei
de Julaschkanone drängeln«, also
schwirrte es um den froh und stolz
bewegten ips.
Er tra te in gehobenster Stim
mung mit. Jmmer geradeaus, wei
ter, weiter durch die Frühlingssonne,
mal link-, mal rechts am Zuge, mal
vorn, mal hinten an der Kompagnie
»Wenn die Soldaten
Durch die Stadt marschierer
chfnen die Mädchen
Die Fenster und die Türen,
Ei warum, ei darnnr,
Ei warum, ei darum
Et bloß wegen des Tschingtcrratta,
iTschingtcrrattq . . dami«
xES war erreicht. Fips hatte wie
;der feine Kompagnie Nicht gerade
die dritte und die alte aus der Fe
.ftung, aber es waren doch Soldaten,
die ihn verstanden, zu denen er ge
hörte, es waren Krieger, die in Ba
racken, die auf Heu und Stroh schlie
fen, und die bald, bald an die Front
gegen den Feind gingen
hurra, die ließ er nicht mehr los,
da blieb er! «
Und so geschah es, am Tage des
Frühlingsanfangs im Kriegsjahr
1915, daß Fins, der Franzosenhund,
seine deutsch gewordenen Empfindun
gen wieder in der patriotifchsten Weise
zeigen konnte. Er riß aus —- und
hatte wieder feine Kompagnie.
Ueber die deutschen Schützengräben,
um die ein friilser Lenz Blütenreifer
streute, pfiffen Kugeln, sprühten Pul
vervampf und Feuerbagel, plagten
Tag und Nacht die schweren, tob
bringenden Geschosse und liimcnerten
sich tveder um Frühlingsahnen noch
um mahnende Auferstehungswunder.
Der blonde Hauptmann, der mit
beispielloser Tapferkeit unv Frische
seinen braven Leuten mit gutem Bei
spiel vorangegangen war, der jedes
eigene Ruhebedürfniz immer wieder
von sich abgewehrt, solange das Stück
Erde, fiir das et die Verantwortung
hatte, so start gefährdet war, tauerte
in dein halb zerfallenrn und ange
schofsenen Unterftand und schrieb
beim Licht der Taschenlaterne Noti
zen fiir seinen Nachfolger auf ein
Blatt Papier. Auch er fühlte von
Minute zu Minute mein-, daß er am
Ende seiner Kraft war und daß er
seine Pflicht biH zum Aeußersten ge:»
tan.
Die Ablösung würde gleich korn
men, ja aber der Ansinarsch in ein
lurzes Ruhequartier hinter ver Front
würde schwer genug sein, tvnen so
viele seiner prachtvollen Jungen in
ver Kompagnie fehlten vie beim Ein
tnatfch in die Schützengräben noch
gelacht hatten wie Rinden denen das
goldene Tor der Hoffnung immer
weit offen steht»
Der grübelndh zermlirbte Mann
wischte langsam die Tropfen vom Ge
sich, die da still und schwer herunter
glitten.
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s
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Wut es Regen-Z
Die Feldpost hatte auch seit Ta
gen nicht bis in die oorderste Linie
kommen können· Man wußte nicht,
was draußenway ob es noch ein Zu
hause «gab mit allein Glück, das er
zurückgelassen, ob die Frau noch ge
sund, die Kinder noch janchzten und
ob im Gärtlein daheim schon die
Veilchen blühten unter der Weiß
dornbeckr. Und Fip5, der kleine, treue
Kamerad aus den ersten Krieg-mos
chen, von dem er sich der Kinder tre
gen so schnell und unbedacht getrennt,
wie der wohl das ungewohnte, stille
Leben hingenommenL Nichts —
nichts wußte man mehr.
Der Hauptmann fuhr aus«- rniidcn
Träumen empor und starrte Will,
dern treuen Burschen, der den linken
Arm in der Binde trug, in das dünn
gewordene Gesicht.
»Herr Hauptmann, sie sind schon
in den Laufgröden, es wird Zeit,
und eingepackt haben wir auch alle.«
»Was denn?« fragte der Mann.
»Ahmklösze mit Regeniviirmern —
feine Bagagr. Na, Kopf hoch, alter
Bursche! Morgen früh dürft ihr
ausschlafen und euch satt essen· Zum
Donnerwetter, Kerls, laßt das Koll
fen beim Abz und das Hosianna
singen! Kein Born ehe ihr ·ne halbe
Stunde gekrochen seid!«
Er kroch selber mit, der Herr
Hauptmann, eine Geschicklichkeit hatte «
man schon in dieser Vorwärtsbewe- «
sung, die zu bewundern war.
Gut ging’s aber doch nicht. Bei
keinem. Die schmutzstiirrendem nas
sen Riicke und Mantel glichen Eisen- «
panzern —- linls und rechts, vorn «
und hinten fielen Ausriistungsstiioke,
rutschte Bagage und blieb liegen, wo
fie lag —- ganz gleich, txt vorwärts
--kiicltoiirts vielmehr. ( ndlich, end
lich . . .
Der here Hauptmann tauchte über
i
all auf, wo es nur anging. Mit
den frischen, jungen, starken Mann
schasten, die heute gerade zum ersten
mal in die vorderste Schützenlinie ta
men, wehte es bereits wie heimatli
cheö Größen gegen ihn an, und ein«
mal, als er über einen nassen, beweg
lichen Gegenstand, der unter seinen
Füßen umhertullerte, ausglitt und
auf der Nase lag, hätte er schon bei
nahe wieder ganz start geflucht, wenn
dieses Hindernis unter ihm nicht
Laute ausgestoßen hätte, die hier, so
nah im Feuerbereich des Feindes, bei
Todesstrase verboten waren.
Hinter ihm tnipste jemand seine
Taschenlaterne an, da noch einer, und
bums glitt der Herr Hauptmann
schon wieder in dem nassen Lehm
aus, über dasselbe Hindernis. Und
gleich mit beiden Händen hielt er es
umklammert und starrte sassungslos
in ein Paar rehbraune Hundeaugen,
auf ein Köpfchen, so zierlich und
wundersein, wie es nur einmal noch
auf der Welt gab, und aus weiße,
vor Entzücken und Glück zappelnde
Pfötchen, die zwar unglaublich naß
und angeschwärzt waren, aber die
doch ganz wahrhaftig zu Fips, zu
Monsieur Fips, dem Kompagniehund,
gehärtem
— se .- - s, is -
Okl- chlp VUUPSIUUIUI ZlUuUcc II
zwar in den ersten Minuten nicht. Er
dachte mindestens einen Sinn zu viel
oder zu wenig zu haben oder bereits
erschossen zu sein und aus himmli
schen Pfaden Zeichen und Wunder
zu sehen. Er saß regelrecht fest, es
gab eine Stockung im ganzen Rück
wärtskonzentrierem und selbst das
mörderische Feuer da hinten bei der
feindlichen Linie wurde schwächer und
hiirte rücksichtsvoll eine Weile ganz
auf
»Fips«, sliisterte der Herr Haupt
mann, wie er noch nie so weich hier
an den Lehrnwänden gesliistert hatte.
»Fips, du kleiner, treuer Kriegökame
rad, wie hast du nur den Weg bis
hierher gesunden?«
Mit einer prachtvollen, warmen,
sreudedurchsluteten Stimme dirigierte
der Hauptmann den sehr ins Stocken
geratenen Zug weiter, und mit diesem
Zug zog Fips, der Kompagniehund,
so stolz und würdevoll in das Quar
tier hinter der Front zur Ruhe und·
Erholung ein, als hätte auch er Siege
errungen.
—- Das Konversationgs
lexilon. Vater (zum Sohn, der
aus kurze Zeit aus dem Felde beur
laubt wurde)5 Hast di’ denn mit dii
Leut’ in Frankreich aa’ a bißl ver
ständigen tönnas .
Sohn: Dös glaubst —- — siir
was hatt’ i denn mei’ G’tvehrl g’
habt! "
— A ch so ! Gnädige: Das muß
man sagen, Jhr Bräutigam ist schnell
befördert worden! Vor drei Monaten
noch Rekrut, vor zwei Monaten Un
terosfizier und jetzt FeldwebeL
Minna: Aber, gnädige Frau, das
war doch immer ein anderer!
—- Pech. Arzt: Drei Glas Bier
sind zuviel fiir Sie, mehr wie zwei
tann ich Ihnen nicht erlauben!
Patient: lind gerade daö dritte
hat mir immer am besten ge
sctscnetttl
—- Auszi Nilolais Kriegs
in ge b u di. »Was Die Regiercnden
doch manchmal für Marotten haben:
Sinrl V. mijlne sich nd, Uhren in glei
chen Gang zu bringen, mein kaiserli
rver Nesse will einen Krebs- vorwärts
gehen lehren!«
—- Ein Beispiel. Wie is
denn döH eigentlich rnit dem Zeitun
terschied zwischen hier nnd Rnßlnnw
Sehr einfach, die Rassen haben
heut’ scho’ n Stund’ länger Priigel
gekriegt wie die Franzosen!
-——Psassenoer Ort. Mutter:
»Wi) sandest Du Zeit und Gelegen
heit, die Feldposllarie an die junge
Dame zu schreiben?«
Sohn: ,,Jn einem unserer »An
« «
nähernngsgräben .
—- Nimbus. »Sehen Sie mal,
unser Opernhausmitglied, der Tend
rist Schinetlerer bat auch das Eifer
ne Kreuzk«
»Nein Wunder, er war doch schon
immer hell-entmer
—Gnigegeben· Vor Kriegs
rusbruch nahm an einer Fesilichleit
n der Pariser Aristolralie auch eine
unge deutsche Künstlerin teil, die zum
Tischnnchbarn einen großmänligen
Franzosen harte. Dieser leedenzle ihr
kir. Glas edlen Rheinweines mit der
iptmistischen Prophezeiung: »O,
Madame, es wird siir uns Franzo
"en auch die Zeit lominen, wo ioir
neses edle Getränl dort genießen
verden.wo esivächsl!« Die schlagfertige
grwiderung der jungen Patrioiin lan
eie: »Hu-en Sie wirklich angenom
nen, daß wir unseren Gefangenen
schegnwein zu trinlen geben wer
-en «