Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 28, 1915, Sonntagsblatt, Image 10

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    In sinkt der zertr.
Von site-org Ruielsm
Die lleine Pendelnhr zeigte aan
zehn. Es toar in dem Reservelazas
rett,da5 tiornrnerzienrat Langenau in
seiner Bill-J vor dem Tore eingerich
tet hatte. Das geräumige haus lag
in einein großen Garten, seitab von
dem Lärm der Straße. Man betrach-·
tete ei rne r als Genesungsheint fürs
solche Sol 1ten, dte seelisch unter den«
ungeheuern Eint-rücken des Kriegeo,«
unter seinen jähen Schrectniffen gelit-l
ten hatten. Auch waren hier solches
Verwundete unter-gebracht. die leichtj
zu pflegen waren. obgleich ihnen dag-1
Schictsal manchmal besonders schwerl
mitgespielt hatte.
Oberlehrer Dr. Freiburg, Leutnant
der Reserve und vor kurzem noch
tkompagnieflihren war aufgeftanden«
und hatte sich allein angelleidet. Er
wollte sich daran gewohnen, zumal!
er sich doch ganz gesund und kräftig;
fühlte. So traf ihn der junge Milisl
taroer der in seinem Berufe eigent-!
lich ifacharzt fiit Augenheillunhe
war. Beide kannten sich von her
Schule her, wenn ver Oberlehrer auchl
um einige Jahre älter war. Hier intl
Lazarett waren sie in kurzer Zeit;
Freunde geworden, schondadurch daß ;
der Arzt dem Verwunveten so man-«
chen kleinen Gefallen erwies, wofür’
dieser in seiner hilflosen Lage dank-I
var war. Jesst hat er, ihn in den!
Garten zu geleiten. aber der Arzt wars
nicht damit einverstanden; er führt«
ihn zu einein Liegestuhl und hieß ihn
stch niederlegetn Dann breitete er
sorgsam eine leichte Decke über ihn
aus. Er sagte thn niit ernster Stim
me, dass er sich noch schonen müsseJ
wenn die Wunden auch gut in Dei-s
sung seien; vor alten Dingen solle ers
sich vor seelischen Erregungen hüten-(
4 Dr. Freiburg lächette. Seelifchel
lxkkcgllllgcn Illtsslcke et mwl mer-tul
Früh um süns war er von sdems
Schlage der Uhr erwacht, die er sich;
vesouderi ausgedeten hatte als stan-’
dig redenden. ewig munteren Kante-«
raden, weil ihm ansangs in seiner?
Einsamkeit die ununterbrochene Stille:
schwer aus die Seele gefallen war. Er
isatte seither noch einmal in aller
Ruhe sein tünstigeg Leben überdacht
und war sich ganz tlar darüber ge
worden, welchen Weg er einzuschlagen
have; er war zu einem sesten Ent
schlusse gekommen, und seitdem er
siillte ihn eine stille heiterteit, trö
stend und stärtend nach den lezten
furchtbaren Wochen. Jest bat er den
Arzt, ihm noch einmal das Bild sei
ner Braut zu geden, und als er es
»erhalten hatte, betaslete er es mit
den Fingern und führte es an die
Lippen. Er vermochte es nicht zu se
hen; denn Stirn und Augen waren
verbunden.
»Zum les-ten Male«, sagte der Ver
wundete in entschiedenemTone, ·sortan
hahe ich tein Recht mehr dazu. Und
nun wallen wir an Dagmar Walram
schreiben, wenn ei dir recht ist. Die
Täuschung muß ein Ende halten« und
sie soll die Wahrheit ersahren, die
ganze Wahrheit.«
Der Arzt sing zum Tische und
sekte sich zurecht. Er nahm Feder
und Papier, schrieb Ort und Datum
und sagte dann: aBitte, diktiere!«
Aber im selben Augenblick trat ein
Kranlenmärter herein und meldete.
eine junge Dante hüte, den herrn
Dotter wegen eines Kranken zu spre
.Bitte, sich ein paar Minuten zu
gedulden", antwortete der Arzt
.Sie sehen, Neu-nann, was ich zu tun
han«
Der Warter ging aus den Gang
zurück- Dort wartete ein Fräulein
i-.it hübschen, energischen Zügen.
»He-rinnen Sie mit ins Besuche
ziininer«, sliisterte Neun-kann »Heut
rtunt Freiburg diktiert dem Herrn
Tottor gerade einen Brief.«
Jm Antlitz der jungen Dame malte
sich Erstaunen und Ueberraschung.
und dann sliisterte sie glücklich; »Bei-t
nant Freiburgt Gerade den möchte ich
ja übern-schen Mein Verlobterl Und
auch den Herrn Dotter kenne ich·
Gehen Sirt Jch werde mir selber
helfen.«
Der Marter zögerte einen Augen
l-tiet; aber alt er die entschiedene Mie
ne des Fräuleins sah, zur-te er die
Achseln und ging
titun stand Dagmar Walran hoch
ausatmend vor der Tür, die nur an
gelehnt war. Sie saßte den Griss
und wollte eintreten. Da hörte sie
ihren Namen nnd ließ die Tiir wie
der los. Mit einem Male schoß es
ihr dur den Sinn, daß ei weder
passend ei, ohne weiteres einzudrin
gen, noch hier In tauschen. Sie wollte
sich Inkiicziehenz aber die nächsten
Worte baunten sie sest und nahmen
ihr den Atem.
Eine junge Dame muss man ei
Wlich nicht warten lassen«, hatte
ihr Vers-biet gesagt. Eber wir wol
len ei ists machen, das ist auch
karmheeziwt Jch habe den Wortlaut
im We Its-« L Das-nah
ina- tetten Male rede Dich mit
dieses Rassen an, der sie ssr ewig
teuer ist; fortan habe ich nicht mehr
das Eli Dich se I nennen. Er
liebes ind! Ein nn
with-de
lasen, nnd arm reißt ei Ins dich
« enteinder Ich rnnsr Die Deine Frei
heit zurückgehen weil ei ein Verbre
..------ f—
W
chen wäre, Dich fest nosch an mich
fesseln zn wollen. Ich werde Ditzi
niemals wiedersehen; denn ich bin
schlimmer daran als der armseligne
Krüppel. Jch bade Dich bis jetzt ge
tiiufchtx die Kugel traf nicht Hand
nnd Wange, fondetn fie hat mir veioe
Augen genommen- Ich bir. blind fiir
alle Zeiten« —- —
Weiter kam der Verwundete nicht.
Ein tiefer Seufzer ertlnng«und tieß
ihn innerhaiten Dagmnr war ins
Zimmer getreten; sie ftnrrte entgei
nett auf den Verlobten, der wenige
Schritte von ihr entfernt ausgestreckt
lag, und beide Hände preßte sie aufs
Herz.
»Was haft du s« fragte der Bunde
«Dn feufzeft beinahe wie ein junger
Mädchen
Jetzt erft bemerkte der Arzt Dag
nmr; ein Schreet fuhr ihm durchs
Herz, aber er begriff sofort, was er
zu tun habe. Er legte den Finger
auf die Lippen, zum Zeichen, daß sie
fchweigen solle, und dann fügte er in
gieichgnltigem Tone: «Ver·zeiy. wieder
Störung! Was haben Sie, Neu
r.anni’ Die Dame tonn nicht warteni
Ich tomme."
Und nun folgte ein Wirrwarr von
Schritten, den der Verwunvete sich
nicht deuten konnte. Eine Tür ward
geschlossen, und dann vegonn ein Ge
fliifter auf dein Gange. Aber er hörte
nicht hin; denn feine Gedanken weil
ten wieder bei««dem, wag fein tiefftes
Herz veschiiftigtr.
Der junge Arzt hatte Dogmen
Weitre-m die gnr nicht tviderftrebte,
au- dern Zimmer gezogen.
.Wollen Sie ihn denn töten, mein
Fräulein?« herrfente er sie an, aber
immer im ierfeften Tone. »Es wird
’hn zerschmettern wenn er erfährt,
ofz Sie hier sind, wenn er es unver
mittelt erfährt."
Barmherzigkeit, Herr Doktors
Blind? Wirtlich blinoi Beide An
nm P«
»Sie haben es gehört,« sagt der
Arzt rauh. ,Fassen Sie sichs Jni
Kriege muß man vieles ertragen ton
nen, namenttich in einem Kriege wie
dein heutigen. Gewiß, blind. Aber
ist nicht notig, daß wir ihn nun auch
noch unibringen
«Hätte man Vertrauen gehabt und
mir Die Wahrheit geschrieben!« klagte
Dagniar. »Nun hats ich geiesen:
reichterwundet, und da wollte ich ihn
heute überraschen."
Recht hatte sie eigentlich. Der Dot
tor war entwassnet, und zudem hatte
er die Gefahr jeyt vollstandig abge
wandt. Er bat um Verzeihung,
daß er so heftig gewesen sei, und
dann ging er sosort in das Zimmer,
um den Blinden vorzubereiten. Er
teiite ihm mit. es sei tatsächlich Be
such eingetrossea. und zwar siir ihn.
So ging er Schritt siir Schritt weiter
und übermittelte ihm zuletzt die
Wahrheit Zwar war Freiburg et
was überrascht, aber er erschrat doch
nicht mehr. Tief ausatmend sagte er:
«Da«e hatte ich gern verhindert und
und ihr und mir erspart; nun es
nicht andere sein kann, soll sie mir
willtorninen sein. Nimm aber den
Brief, ich will es ihr persönlich sa
sein«
»Sie weiß es', sagte der Arzt.
.,,Jch habe ei siire beste gehalten, sie
; vorzubereiten.«
LHO lallt Langmut Willkum Denn
zum toeiten Male in dnrs Zimmer·
Leise fanl sie an dein Liegeftubl nie
der, worin der Verlobte lag, ergriff
seine Hand und bedeckte sie mit Küf
fen; und er fühlte,· wie sie von ihren
Tränen benetzt ward.
»Mutter-. lieber Witlter!« fchluchzte
sie.
Er richtete sich auf, taftete nach
ihrem Gesicht und firich leite iiber ihr
Haar-·
i
- entfernt.
l
,,Armer Dagntnr,««
tonlofer Stimme.
Einen Augenblick schien es bann,
als ob er, von tiefstern Gefühl über
toöltigt, sie an feine Bruft ziehen
wollte; aber er bezwang sich männ
lich und liefz sie los. Dann bat er
sie, aufzuftehem er habe ihr vieles zu
sagen.
Der Arzt hatte sich'an den Zehen
Die Verlobten waren al
lein. Einen Augenblick herrschte
Stille im Zimmer, nur unterbrochen
durch das gleichmäßige Ticken der
Wanduhr. Dann tiegann Dr. Frei
burg: »Es war bei einein Sturm
auf eine Stellung der Englanderz als
mich die Kugel traf. Jch wurde be
wußtlos-, und all ich wieder zu mir
zorn, trug ich bereits einen Verband;
fagte er tnit
Hdazu war rnir der Kon fo benommen,
«daß ich gar nicht auf den Gedanken
lau-, worin die Bertoundung eigent
ltch bestände. Dann haben ste rnir
tropfentoetfe die furchtbare Wahrheit
beigebracht, und ich fühlte mich wie
vernichtet Niemals die Sonne wie
derfeben diirfen, dich nicht« keinen
Menschen: alle Wogen der Verzweif
tung durchflnteten meine Seele, und
ich dachte daran, mich felbfr zu töten.
Mich nackte ein wilder Schmerz neun
ich rntr vorstellte, daß I ans de
serufe ais-gestoßen speie, voran inein
Seele fo fehr gehangen hatte. Me
nali feste ich vor Inelner klafft
sieben m den tritsteu Juno-n- sitt
denen ich verwachsen tvaez nie-als
Rede ich siedet sit ihnen durch
Mnudslurtnaudetn,wteichel
fe seen getan hatte. Junker sue
fchltininttes Einsamkeit verdammt
innner allein in biefer ewig nährende
W
Finsternis- welch ein gunlnller Se
vantel O lieber sterbens«
Walier Freiburg ward unterbro
chen. Dagniar preßte seine Vnnb
und ries leidenschastlich: .Ja, lie
ber sterben! Und mich las mit dir
sterben!« «
Der Beriviindet lächelte; er
drängte sie sonst zurück und sagte:
»Nein, Dagiiiar du sollst leben und
ich will auch gar nicht mehr sterben.
Höre, wie ee wieder hell geniarven ist
in meiner Seele. Jch hohe mir Ge
sellschaft erbeten, die Uhr dort, unb
nun hielt ich ständig Zwiesprache mit
ibi. ich, der Zerbrochene. der ganz"
aus seinei Bahn geworfen war unb
immer seiern mußte, mit ihr. die vom
Schweigewichi des Daseins zii rast
loser Iatigleit getrieben wurde. Zieht
mich die Erde nicht an ivie sie und
wem alle meine Begabung zu unab-;
lässiger Arbeits Arbeit, Art-eitl
Begycilb bin ich unglücklich weil ich:
nicht arbeitennann Aber gibt es
denn nicht anbere Arbeit ale Kna
ben uiib Jünglinge zu unterweiseni
Wenn ich dne nicht iiehr kann, find
dann schon alle Brunnen meiner
Seele versiegt? O nein, ich fühlte,
wie es in meiner dunklen Nacht rei
cher nnsing zu quellen als in den
lichtesten Tagen und darüber wölbte
sich der Himmel in nie gesebenerPriicht;
neue Sterne tauchten hervor, neue
Sonnen, und sie verbreiteten einen
unbeschreiblichen Glanzf
Der Blinde hatte sich aufgerichtet
Der Glanz, von dem er redete schien
aus sein are es, oerbundeiiee Antlig
übergegangen zu sein als er nun
von ieineii planen und Absichten
sptach cr svollte zunächst in eine
Blindenaiistalt gehen und dort alle-II
zu lernen versuchen was ibin dienlich
unb förderlich sein konnte, nament
lich bie Braidsche Schrift und die’
Schreibmaschine. me schwebte das
Beispiel der helen Keller par, der
jungen Ameritaneriin die blind und
taub von sriibester Kindheit an, T
nicht nur fertig trachte, lesen un
schreiben und sprechen und die ver
schiedensten Sprachen zu lernen son
dern auch noch ties in die Geheimnisse
der Mathematik einzudringen. Da
dürse leiner verzweifeln. der wie er
bie reichen Erinnerungen seiner Ber
gnngenbeit habe und zudem noch das
et.,abene Feuer einer großen Zeit in
sich nachwikien sagte.
«Und nun will ich die sagen, was
ich eigentlich vorhabe", fuhr et sott.
»Ich denke Schriftsteller und Redner
zu werden. Die Gebiete sind mit
nicht ganz fremd, und ich meine, daß
ich schon einige Proben meines Ta
lents gegeben bade. Warum soll ich
nicht weiiettedeni Mein Anblia
wird meine Zubötet nicht beleidigen,
fweil ich nicht entstellt sein werde.
Freilich kann ich fte nicht sehen, und
das iit schade; denn die Strahlen
die von Aug zu Auge geben, begeg
nen sich und weben unmettlich sast
und doch bald fübldae die feinsten
Verbindungen. Aber wenn mit auch
das Licht det Augen seblt, das Licht
det Seele, das sich in mit entzün
det bat, ist hell gennug. alles zu
Jubetsttablen und auszugleichen Jn
s mit wogt es von Gedanken und Ideen,
kund ich weis fest. daß ich etwas
l zu sagen habe, und das ist die haupt
sachr.«
s- e si- ges-»
; St INUI flw ul drscsfiuung ge
jredet und diefe Glut ging über auf
idas Mädchen, das vor ihm ftand,
l»fr) daß es beinahe die Schwere des
kllngliåels vergaß das sie beide betrof
sfen hatte.
f .Ja'·, rief Dagmar aus« »fo ift es
gut, du wirft leden und fiegen, und
jich werde mit dir leben.'
» Da wurde der Blinde plötzlich wie
der ernft und fagte: »Du mit mir
; leben? Das wäre ein Opfer ohneglei
Ichen« das ich nicht annehmen kann
-Wenn ich auch das lebhafte Gefühl
habe, daß ich durchdringen werde, fp
werden mir doch Enttäufchungen
lnicht erspart bleiben. Du haft rei
znes Glück verdient, und das wird in
,meiner Nähe nicht zu finden fein;
zdenn ei wird viel der verlorenen und
; derdeoffenen Stunden geben« nnd wer
immer an meiner Seite fein wollte,
der müßte die größte Entfa
gung üben lönnen und das gibt ftille
und traurige herzen."
»Walter, ich lann entfogen.«
»Das follft du nicht. Meine Nacht
darf nicht zufammengehen mit deinem
Tage. Darum tft es meiene Pflicht,
dich freiziigeben. Wir müffen Ab
fchied nehmen, Das-nah nnd es ift
für uns «beide enn beften, wenn es
rafch gefchielft.«
Der Blinde faßte ten Ring an fei
ner linken hand und wollte ihn ber
nnteezieben; aber er lam nicht dazu.
Dagmar fiel ihm in den Arm und
fagte leise, Init ficht-Idee Stimme
.Bitte, Waltet laß das! Liebftee Wal
ter, laß mich bei dir bleiben!«
Er verfuchte das Mädchen fanft
züriietzudeiingen nnd erwiderte: «Jn
diefer schmerzt-allen Lage dürfen wir
ans nicht leiten laffen durch nnfee
Gefühl, fondern müssen die ruhige.
llaee Vernunft fee-ruf
( o sen-, gest-, kenn seist-te im
imer beiden W, sub sein se
fI fast sit. dal- II dich nicht ver
en darf.«
Das is Mitleid. und Mitleid
same nicht ewig wären-'
»Nein, das ift Treue, und Treue
lann alles überwinden. wenn fie aus
der Liebe heraus geb-ten ist. Sieh.
Weitre, ins hast Miit kniest-. als
du in vielen Schlachten dein Tode
gegenüber-treten mußtest Sollte ich
da nicht den Mut haben, dein Leben
ine Auge zu sehen, dein Leben mit
dir-i Darf ich nicht auch etwas
wachsen in dieser großen Zeit, wo ol
leg wächst? Als wir un- verriet-ten
dr. ward nicht die Klausel daran
geknüpft« daß mein Versprechen hin
fällig sein sollte durch das erste Un
gliict, das uns in den Weg treten
würde. Und du tannit mich auch
gar nicht entbehren. Du willst einen
neuen Berus ergreisen; aber wenn
euch noch soviel straft und Reichtum
aus deiner Seele quillt, so mußt du
doch in Verbindung bleiben mit sder
weiten Welt. Dazu tann ich dir hel
fen und so einen Teil deiner Arbeit
:.vernehtnen.«
So ging die Rede hin und her. Er
vezweiselte nicht die straft reiner Lie
de; aber er siirchtete das Einerlei der
Tage in seiner Nähe und wollte sie
dem nicht aussehen. Da ward Dag
mar letdenschustlicher und inniger
und der Mann immer leiser und
amtier Er fühlte. daß seine Gründe
onhinschmolzen unter solcher Hingabe,
und da wußte er kein anderes Mittel,
als sich starrsinnig in Schweigen zu
hiillen. Dagegen tonnte sie nicht
tiimpsen und sagte voller Weh: »Du
hast teinen Glanver an mich und mei
ne Liebe-"
«Dngntar, ich darf nicht. Gib es
auf, mich zu quälen, ich darf wirtlich
III-us lsut Uns-uns Guts-sur aus
Linde. und sie wußte nichts mehr
zu sagen. Jhre Tränen slossen; aber
das Schluchzen unterdrückte sie bald
Da hörte man nichts im Zimmer
al- daa Tiefen der Uhr. Es war
eine von leiser and stiller Art; sie
gehörte nicht zu denen, die die Zeit
so laut und aufdringlich zerschneiden.
Selbst in ihrem Tiataa lag etwas
von melodischeni Klang, noch mehr
aber in ihrem Schlage. Sie hatte
längst ausgeholt und nun schlug sie
e!s, ruhig. bedächtig, ohne hast, und.
als ihre Zeiger dann weiterstrebten
nach der Höhe des Tages, da blieb
in ihreiii Gehäuse noch eine gute
Weile ein tiefer Nachtlang wie von
einer wehevollen uni- doch so glückli
chen Zeit
Und dann schwieg auch sie, und
Dagmar Walram lain zu der Ueber
zeugung daß sie scheiden müsse.
.Jch will gehen,' sprach sie in
tiessteni Schmerz. »weil du mich nicht
langer habe und weil du an meine
Liebe und Treue nicht glauben willst.
Zum Abschied will ich dir aber noch
das eine sagen: Du hast von dem
Licht der Seele gesprochen. und so
wird es in dir hell und leuchtend
sein; ich aber, die ich noch meine bei
den Augen habe, ich muß sortan
durch ewige Finsternis schreiten« Nun
leb wohl, Walten das hast du ge
:rollt.«
Als sie ihm nun die Hand reichte.
da siihlte sie, daß er leise zitterte·
und von seinen Lippen rang sich
taum hörbar das eine Wort: Bleib!«
. Von diesem Wort ging ein Strom
des Glücks aus durch zwei junge
mutigen herzen Nichts ward weitei
gesagt. Es war wieder still, und nui
die Uhr iündete mit ihrem leisen Tidi
stitl den unaushalisainen Gang dei
’großen. gewaltigen Zeit.
f und zwei leid-nahm- Malta-ei
snahmen zusammen den Weg aus, dei
Jdurch Finsternis zum Licht führt.
de. Der Schneidermeister Krittliii
ist im «Goldeiien Löwen« wegen tei
lner Rörgelei und Knielrigteit beim
Isiellner nicht sonderlich beliebt. Ei
inett Abends geht er wieder zuir
«Abendschopven. verlangt ein Glai
zDier und siini Tageszeitungem Mitt
slerweile erscheint ein Dutzend in dei
Stadt einauartierier Krieger-leine, di·
umständlich Speisen und Getränke be
stellen. Der «Ober" bedient die Sol
idaten der Reihe nach, was dein biedes
creii Schneider natürlich arg mißiiillt
Irr macht sich bemerkbar und sährt dei
FKellner an: »Warum bedienen Si
mich denn nicht, ich habe doch zueis
bestellt7« « .
—MarsregiertdieStuni
»Bitte, mein Vett, unt-voller oex
jGeitagtg »Militiitliefetungen gehet
«voi!«
i —- Der Offizietstellvet
Heete r. Gutsbesihek Volk-nann, in
Militärvethöltnie Reserveossisiet, i!
zu den Fahnen berufen worden. D(
ee ein Junggeselle ist, hat er feinen
Johann das Heu-wesen suntekitellt
lebt nun daheim wie Gott in Franc
reich, trinkt Wein und Lilöee seines
beten, taucht dessen Inn-orien, tätel
sich auf dem Dis-am kurz, et ässt all
Manieten seines ten nach. Da e
die übrige Diener cheft für feine per
sönlschen Dienste in Anspruch nimmt
enttiäitet sich die Köchin: »Was fäll
Ihnen ein, wer sind Sie denn segen
lich?« Und lakonifch nöfelt et: «Jd
bin Offizieestellvettteter.
—Uebetflij»ig. Ruisische
Soldat: Einmal sollten wie uns vor
die Füße was n.
Kamerad: oqu Jeden Augen
bli- tönnen sie uns doch abgefchossn
werden!
—- Gutee Rat Ansat: Nicht
zu essen — sein Schnape — kein Jus
tet für Pferds-W was sollen wie tun
Jason- seiideechen —- ikessJI wi
auf dein Pferd!
s sie Lipple schneidet-.
i Stizze von Gustav Seht-öden
7 Wer ein rechter Kerl ist« der muß
sein wie der Lipple Schneider Phi
Jli p Freund heißt er. Die Adtiirs
zu g «Lipp« liege man sich ja noch
Fgesatlen, aber «):ipple", das ist ehren
riihrig. Es ist oder nichts dagegen
izu machen. Wenn sich die Bauern
keinmal in etwas verbeißen, drum ist
ihnen das mit teiaer Gewalt wieder
san-s den Zähnen zu triegen· Klein
;ist der Schneideemeister Philipp
lFreund nun einmal. Klein und
zschmal wie ettoa ein gut gewachsen-r
jBierzehnjiihriger. lind gewandt und
jslint wie ein Wieset. Heißt er halt
-,.Lipple". Erst hat er sta) dagegen
gen-ehrt mit dein Zorne, mit dem det
Zweeghnhn gegen den faulen Brah
tnaputrmGoltath anliiust. Nun läßt
er’ö gehen.
Seine Schneiderhölle ist hoch. Dar
aus hält er. Was tut’s, daß er sich
einen Stuhl hinstellen muß. um hin
auszukommen Herunter ist er alle
mal rnit slinletn Sprunge. Das- sieht
unternehniend aus und beweist, was
siir ein Geist in dem tleinen ttötper
wohnt. Hinauf aber steigt er nie,
wenn es jemand steht
Auch an seinem schönen Familien
namen hat er allerhand aus-zusehen
Sagt einer tuez «Jreund" zu ihm,
so läßt er aus den Dreisten einen
giftigen Blick lob. »Bin nit jeder
manne Freund,· sagt er, .,ist teine
Ehre das.« Tituliert ihn der andere
daraus «herr«, so paßt ihne das wie
der nicht. Der Lipple hats über
haupt schwer. Sagt er etwas in der
Gemeindedersarntnlung, dann muß es
schon etwas besonders Gescheites sein,
wenn sie nicht lachen sollen
Nun aber ist eine Zeit, in der der
Lipple Schneider zeigen tann. was
tin ihm ist· Ali der Krieg drohte,
da was-ev, als hätte der Lipple Rä
der unter den Füßen. Von seinem
Dörstein rannte er in die Stadt
inach den neuesten Nachrichten. Jeden
«Tag. Dann stand er vor der Re
tdattion, wo aus schwarzem Brette die
Eingänge angeschtagen waren, hatte
die Hände in den Hosentaschen und
schob sich zwischen den Leuten durch,
bis er vorn stand. hernach hatte er
ein verächtliches Lächetn um seine
dünnen Lippen.
«Zeigen wollen wir«e ibnen,'« sagte
er von obenher, »den den Frie
densbrecherw zeigen wollen wiss id
nen, wirt«
Und wieder waren da etliche, die
dazu lachten. Das verdroß den Lipp
1e. Weit aber mit den Stadtleuten
nicht gut Kirschen essen ist, drehte
er ihnen verächtlich den Rücken und
wanderte beim. Im Dorfe bewie
er mit genauen Indien« wie start
wir seien, allein das attide herr,
hernach die Reserven, die Landwebr
und die Freiwilligen. hernach ward
da. Der Lipple schloß sein haus,
übergab seinen Finten und den
Schlüssel der Nachbarin und sagte-:
»Ich hats einen Weg vor, von dein
ich Ieicht nicht wieder heimkehren
tönnte."
So zog der Lipple aus, und die
Nachbarn sahen ihm nach, mit einem
wunderlichen Gesiibl im Versen Der
Ordnung wegen hatte er sich beim
Schsizen- abgerundet »Das willst.
Lipntei Ali Freiwtltiger gehn? Du
bastdas Mast ntt«, sagte der Schutze
.Maß«, antwortete der Lippie ge-«
ringsumer »als av- heure kuriqu
ankäme. Das wuchs-F lind er
schlug sich gewichtig dahin, wo das
Herz sitzt
Acht Tage später trat er in der
Abenddämmerung wieder ein. Ganz
leise trat er aui und ging hinter den
Häuiern weg. hätte ihn die Nach
- darin nicht zufällig gesehen, er hätte
- den Schlüssel nicht abderlangt vor
. Scham. So brachte sie ihm denn
- den Finten und den Schlüssel, und
der Lipple zog wieder ein. Er hatte
wahrhaftig das Maß nicht gehabt,
und alles Bitten war spergedlich ge
wesen, zumal er noch dazu dicht an
die iiintzig war. Das war ein reich
liehes Maß Wermut in seine reine,
schöne Begeiiterung. Berichiichtert
war der Lipple und verbarg sich,
dir der Pfarrer zu ihm tanr, ihm die
band auf die Schulter legte und
tagte: «Lipp, es rniissen auch etliehe
Männer irn Dorfe bleiben. Wir wer
den daheim genug zu tun triegen·«
So wird denn der Lipp lich daheim
als ein rechter Kerl zeigen.
Einen Plan hat der Pfarrer, zu
dessen Ausführung er des Lipptes
Dilie braucht. Jn Qitpreußen iit
rechtfchafien Nol. Wie wäre es,
wenn man bei den Bauern hier und
in der Runde Getreide ianuneltei
Der es aber sammelt, das rauh ein
Kerl fein, der herz und Mund aui
dem rechten Fleck hat. Das ist beim
Lipple der Fall. Alls zieht er aus.
Erst von Haus zu hau- in der hei
rnatgemeinde, dann qui zehn Dile
F fern in der Runde. Einen Brief
V dem Pfarrer hat ee in dee Taiehr.
Den liest er jedesmal vor. hernach
gibt er aus enenr ioqiel Gutes
dazu, das den uern das Legen
ilber den kleinen Anwalt der st
Neuheit vergeht. Jn vier Wochen
hat er dreihundert tner beisam
men. Its aber der iarrer berichten
will, daß das der Lipple gesammelt,
da wehrt der sich rnit hörst-en und
WI
Jiißen dagegen- Mnß halt ver Pfar
rer wenigstens to tun, all ginge ex
auf feinen Namen, mn den nat-gereg
ten Lipple zu beruhtgern
Arn selben Abend läuft dem der
Vermann Adlung in den Weg. Es
geht start in den Herbst nnd sitt mäch
tig falt. Der Hernrann aber steett
in einem ftp-dürftigen Gewande, daß
ihrn die Glieder tmpperm Zufällig
weiß der Lipple einen. der ein an
ständig Zeug tür annehmbaren Preis
liefert. Acht Tage darauf Läufe der
Herrnann in einem Wams und ein
Paar Hosen umher, die ihn warm
halten, mag ver Winter ton mer-, wie
er mill. Aber es ist ihm bei bättes
ster Strafe verboten, zu sagt-m von
wem er es hat.
»Lipp,« iagt der Pfarrer wieder,
»wir müssen sammeln. Wie wäre
es?'« »Ei, freilich, freilich«, erlldrt
der Lipp. Und er sammelt Mit
dem Tippfles Bauern hat er einen
harten Strauß. Was der gibt, ist
zn wenig fiir den reichen Mann. Der
Lipple rechnet ihm vor, daß er bei
einem Daferpreiie von Jst-ZU Mart
am Zentner über 5 Mark mehr ver
dient habe, als vorige-El Jahr, und
35 Zentner hat er geliefert. Es nützt
nicht-. · Der Bauer gibt nicht mehr
nle 5 Mart. Weit er aber gerade
einen neuen Anzug braucht, laßt er
den Lipple gleich Maß nehmen. Der
lacht hernach verfchmttzt vor sich hin.
»Auf dem Wege triege ich dich,
Bauer«, sagt er.
Für den Anzug erhält der Lipple
20 Mart Arbeitslohn. »Wart, du
Geizhals", sagt er daheim, kriegt die
Liste her und schreibt beim Namen
des Tippfles Bauern eine 2 vor die
5. »So Bauer, fett hast du wenig
stens rechtschaffen geblntet.«
Dummerweise klopft ver Pfarrer
nachher dem Bauern ans vie Schul
'ter. »Das ist recht, daß Sie soviel
gezeichnet haben. 25 Mart ist nnch
fil: Sie ein schön Stiick Geld.« So
kommt des Lipple Schandtat nn den
Tag. Als-sich der Jrrtum 2iuflliirt,
lacht der Pfarrer laut vor sich hin,
und der Bauer tnurrt.
«Lipp", sagt der Pfarrer, «d;: ite
hen 10 Mart, bei denen ver Name
fehlt. Wer gab die«."
«Dnrf’ö nit sogen, herr Pfarrer.«
»We) ist Ihr Name?'« — »Ich hats
nir gegeben«
»Lipp, er ist ein schlechter Mensch-«
Dabei hat der Pfarrer wahrhaftig
eine Träne im Auge.
Was hnt ver Lipple nicht alles noch
gemacht. Brieftriiger ist er gewesen
sund acht Wochen durch Schnee unp
Schlackerwetter geftapft, Kirchendiei
ner ist er. Alle die Aernter sind ja
verwaist. Einmal, gegen das Früh
fnhr hin, zieht er die Feuersvrise
ans dem Spriyenhnusr. Er zerlegt
fie, reinigt sie unt- bringt alles in
schönste Ordnung.
.Was stillt Dir ein, Lipple?« fragt
der Schulze. .
- -.
.- J
«:Welllsl, ed konnt oted Jahr sur
ioieder einschlagen, wie dorigee Jahr
Soll’n wir hernach dastehen und nix
tun können, iveil der Schmied zufäl
lig draußen Munition fährt-t« Da
mit läßt er den Schulzen stehen.
Das Schicksal aber schwebt über
des Lipplee haupt.
Der Pfarrer hat über ihn mit dein
Landrat gesprochen.
Der hat versichert, daß er tun
wird, was er kann.
Nun ist's ba, und der Lipple tann
dem Schicksal nicht entgehen.
Ein Autotnbbil hält bot dem
Schneiderhöujlein Der Landrat
steigt aus« und um die Ecke kommt
der Psarren gerade als wäre er be
stellt. Lipple springt aus der Hölle
aus die Erbe. Sein kleines Herz
pocht toie ein samtnen als die Her-·
ren in die Stube treten. »Es- freut
mich,' sagt der Landrat, »Ihr-en
selbstlosen Eiser belohnen zu tönnen."
Dabei hestet er dem Schneider eine
Medaille an die linte Seite, gerade
über dein Herzen. Die Rote-Kreuz
Medaille. Er drlickt dein Lippte,
der dasteht wie ein Stein, die Hand,
rredet noch allerlei von seiner llns
eigenniigigteih und daß er dein Va
tertande auf die Weise gerade so gut
diente, als wenn er draußen wäre,
und hat uni die Lippen ein leise
Lächeln.
Jn der Tiir erhascht ihn ver Lipple
an ver Hand
»Herr here Landrat, ivofiir
ist dast« Soviel also hat der Lipp
von der Rede verstanden, daß er
nicht einmal weis-, wosiir er geehrt
wird. »Für Jhren selbstlosen Ei
ser.« Nun ist der Landrat hinaus
und mit ihm der anrrey der über
haupt nichts gesagt at und nur von
der Seite her mit zwinlernden Augen
aus den Lipp gesehen hat.
Und der Lipple steht und sieht auf
das blintende, runde Metall. »Jetzt
soll ich das tragen, wenn ich in die
Kirche gehe und so?- Iiir selbstlo
sen Eiseri Aber ich hol-« ja nik
getan, gar nir. Sie haben mich ja
nit brauchen können. trosdem ich in
zwanzig Garnlspnen war-. Zett, wo
bleibt der selbstlose Eiter? Ach
Gott, wenn ich doch nur wüßte« wie
ich das verdienen soll, das Ehren
reiche-Il«
"—-— D a «- Universaldieb.
Kann Jhr Waldl auch schwimme-it
Und ob. —- der gehört zum Thi
, der UnterseesDaeteL