Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 21, 1915, Sonntagsblatt, Image 10

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    W
. Erinnre-ges
—
Erziihlimn von Geer-a Piderin
Herr Benno Rad-e, der eine groke
Schmuekfedsernfadrik im Osten der
Stadt besaß, war aus kleinen In
fängen durch unermüdlich-en Fleiß ein
reicher Mann geworden. Er hatte
die Weisheit bestätigt gefunden. daß
Geld auf der Straße liege für den,
der sich danach zu bücken verstehe.
Herr Rade war in der oberen
Etage des alten hauses am Ufer des
Kanals wohnen geblieben, wenn auch
alle feine Geschäftssreunde nach dem
Westen zogen, dessen Häuser jenen
»unentdel:rlichen' Komfort der Neu
zeit baten.
Seine Fabrik und die übrigen Ge
schäftiräurne befanden sich in einem
Seitenfliigel des Hauses; wie hätte
es ihm in den Sinn kommen kön
nen, eine Aenderung vorzunehmen!
Der bald sünszigjiihrige Jungge
selle war nicht nur reich. Er war
auch bequem geworden. Wenn er in
feinem Korbsesfel saß, der dei jeder
Bewegung leise knifterte, pflegte feine
Schwester, die ihm die Wirtschaft
führte, zu sagen: Jst ist schade um
dich, Bruna, deine Wodlbeleidtheit
läßt dich älter erscheinen, als du
dist.«
»Wen kiimmert mein Aussehen?
Wer fragt danach, ob ich schlank oder
breit din·?«
»Ich, deine Schwester.«
»Du, meine Schwesterl« Es sollte
spöttisch klingen und bekam einen
zärtlichen Untertan.
»Du hast in deiner Jugend eine
gute Figur gemacht, damals-, nach
dem Krieg gegen Frankreich —- als
du zurückkamst. Wie schlank warst
du! Welchfgute Haltung hattest dul«
»Das ist gewesen —- und wenn du
mir Vorwürfe machst über mein Aus
sehen, was soll ich von dir sagen?
fDir könnte eine Liegetur oon Nutzen
ern."
Fraulem Irr-inne lachte. Use
müssen wir in diesem Jahr unsere
Sommerreise getrennt unternehmen,
weil wir entgegengesetzte Wirkungen
erzielen wollen. Jch meine aber,
schließlich gehen wir doch wieder rnit
einander in ein billiges Ostseebnd.«
»Ich ginge gern noch einmal in
das alte Nest zurück, aus dein wir
stammen-«
»Ich nicht«
»Warum denn nicht?'
.Weik ich gennu weiß· daß die
höuseiz die Berge. der Fluß, die
Wälder in meiner Erinnerung ge
wachsen find. Viel schöner sind sie
geworden. Die Gärten vor den To
ren erscheinen mir in Gedanken
prachtvoll. Die Rosen dnsten süßer,
und wenn wir hinkt-innrem seuszen
wir über die Wirklichkeit Denn auch
die Sterne ans Abendbiminel haben
nicht mehr den hellen Schein, den sie
damals hatten.«....
«Wann damals?«
»Als wir jung waren und nur im
Reich der Oeffnung lebten."
»Du übertreibsi, Rosalie, und das
tatest du immer.'
»Du nicht, Bennoi Deine Gedan
ken und Hoffnungen flogen niemals
zu hochs»
Benno Rade lachte gezwungen und
sagte zwischen zwei Zügen nus seiner
Pfeife: «Viel—-leicht.«
Fräulein Rvsalie ließ ihr Strick
zeug in den Schoß sinken und lausch
te. Durch das pssene Fenster kamen
die Töne einez Liedes, das eine junge
Frauensiirnrne sang.
»Die neuen Leute moran nnd
aus der Provinz-«
Herr Benno Rabc niclte und
lauschte dem Volk-lieb und blies
Rauchwaltenin die Lust und dachte
an die Zeit nach dem Feldzug, als
er eine gute Figur genacht hatte.
Ja, damals hatte er wirklich im
Land der Jllusionen und Hoffnun
gen gelebt.
Jn dem alten Eckhauz am Markt
betrieb sein Vater-, here Benno Rade
wissen-, ein Schnittwarengeschtist —
Benno Rade jin-sol- batte niemals
etwas anderes gedacht, als daß er
der Nachfolger seines Vaters werden
tönnte, aber als er aus dein Feldzng
heimtatn, ein junger Held mit dein
eisernen Kreuz und einer schweren
Verwundung, bildete er nur knapp
ein halbes Jahr den Mittelpuntt des
allgemeinen Interesses. Man pflegte
ihn, bis er gesund war — aber als
er wieder hinter dem Ladentisch stand
und mit der Elle hantierte, war er
wieder Benna Rade jsini0r, der nicht
zu den honaratioren gehört und den
die Töchter dieser Kreise rnit Zurück
haltung behandeln.
Das hatte Benno Rade nicht ertra
gen tönnen, denn sein hetz wallte
von solchen Schranken nichts wissen.
Er sag in die Welt und konnte sich
nicht entschließen in den Schnittwm
tenladen arn Warst zurückzukehren
in detn Rosette all Stsse der al
ternden Eltern waltete nnd ähnliche
Erfahrungen nachte. Die seien-. Rat
daß sie die EIN-Ist die ide
Issessst W« set-Mast und
still Ideen-and. ·
MADE Its-fis der die-: Ost-site ver
vsten W - " stim,
und M Inder tu
W
sein Sommer tros deiner Abmachung
in die alte Heimat.·
Resolie zuckte die Achseln.
»Du magst recht boden. Jm Lin
sang ist man enttiinscht. Aber wenn
die- Vergoldung absiillt, die wir der
Wirtiichleit geben, bleibt nicht genug
übrig. an dem man sich srenen lnnn?"
»Ich weiß nicht."
»Aber ich weiß es —- die alte Liebe
bleibt.«
Die alte Liebe! Benno Rade er
schrak selbst, ali- er das Wort aus
sprach.
Rvsalie wiederholte »Alle Liebe.«—
Dann nach einer Weile begann sie:
»Weißt du noch, wenn Marline Bör
ner tiber den Martt ging? Dann
tratest du erst in vie eine Tiir des
Ladent, die aus den Markt siibete,’
und dann in die andere. die den Ein-!
gang von der Straßenseite bildetei
Und das alte Fräulein von Jsselss
barg, die pensionierte hosdame, die
uns gegenüber wohnte, und das Trei-;
ben aller derer« die am Miikltplngs
wohnten. von ihrem Fensterspiegeli
aus beobachtete. hat zu unserer Mut-i
ter gesagt, als sie sich eine schwaer
seidene Schürze lnnster «Gut, daß!
Jhk Haus km Eckhau- ist —- sp ecmal
Herr Benno wandelnde Gegenstände
von verschiedenen Seiten und Per
spettiven betrachten." «
»Damals schalt der Vater zum
erstenmal iiber deine Dummheit, die
er eine Eselei nonnte.«
»Ja —- und meinte, hossentlich
bliebe diese Liebe nur eine Episodr.
Man lönne viel Mädchen lieben. aber
zum Heiraten gäbe es Mir eine.'·
»Unser guter Vater-. Wenn du
ganz ehrlich sein willst, war dies
blonde Mädchen daran schuld. das-,
du ledig bliebst-«
Benno Rade lächelte webmiitig
gliiellich. »Wenn dn es so bestimmt
weißt, warum soll ich widersprechen.
Jch durchlebte vorhin in Gedanken
alles das, was du eben laut werden
ließest Jch babe die blonden, schlan
ten Mädchen immer m schönsten ge
t-.-k-- «
just-III
»Nun wollen wir nicht länger zu
rück-. sondern vorwäetjblicken.«
.Nein, ich habe das Bedürfnis, zu
rückzudenten, und nun halte still und
laß mich reden. Es ist ganz heil
sam, davon zu sprechen. wie steil der
Weg war-, den ich zukücklegte —- bis
zum reichen Mann. Die Hahnenfe
detn, die ich auflas und gläiieie und
un den Enden mit dem Fedetmesset
träufelte, um sie iiit deinen Winter
hut zurecht zu drehen, bildeien den
Anfang meiner Schmuckfedekninbtik.'
»Wir waren sehe bescheiden erzo
gen nach dem Motiv: »Aera-sie nicht
dns Getingek««
Die beiden hingen wieder ihren
Gedanken nach. Der Abendwind
trug den Wassetgetuch des Kunnli
herauf — zwischen die Lieder. die
ein junge Stimme immer noch sang,
midte sich det inniieknde Flügel
schlng der Wildenten, die tagsiibet
den Konnt aufsuchten, um abends
nach dem nahen Waldiee zurückzu
fliegen.
O I i
Am anderen Tag um die Mittags
zeit, als Herr Benno Rabe die Treppe
hinausitieg —- eine breite Treppe mit
altmodischer Raumverschwendung an
gelegt —, überholte ihn die Nachbarin
von nebenan, die junge Frau, die mit
ihren Liedern alte Erinnerungen ge
weckt hatte. Sie trug ein hellblaues
Sommertleid von billigern Stoss, das
sah Benno Rabe aus den ersten Blick.
Wollmuiielin, aber geschmactvoll ge
macht, nicht letzter Schick, nein so,
als ob es die junae Frau selbst zu
geschnitten und genaht hätte.
Auch daß sie blondes Haar und
blaue Augen hatte, entging ihm nicht.
Er war ein wenig bestürzt, als sie
an ihm vorbeiliei, und ließ ein Palet
Brieie aus der Hand fallen, weil
er ins Stolpern geriet. Seine Au
aen, die der Vorübereilenden solgten,
hatten das Sinsenmaß falsch genom
men.
Die junge Frau bückte sich und
hals die auseinandersallenden Blät
ter aufsammeln
Er wehrte ihrer Höflichkeit aber
sie war slinler als er und reichte ihm
lächelnd die zusammengerassten Blät
ter hin.
,.Rabe. Benno Rabe«, stellte er sich
bor, nachdem er seinen Dank ausge
sprochen hatte.
»Ich weiß es, here Rabe. Jch
lese jeden Morgen den Namen aui
Jbren Tüeichild. Jn dieser großen
Stadt weiß man nicht viel mehr von
den Mitbewphnern eines hat-sei als
ihren Namen. den man aus Im Tite
kchäd sieht, wenn man ihn überhaupt
. «
here Rabe sagte, im Beitetqehern
wie sehr ihn und seine Schwester ihr
Gesang ersreut habe
Ali er sich von ihr dem-di det
hatte, warf er einen Bli- nu ihr’
Tsirschild. —- «deubnet, Oberlestee.«
·- Und dann blieb er eise- -
blies nachdenklich M nnd Ist-s
wie ihn das san-te W M,»
alt morden zu seit-· cis- TMJ
behenden Mann hebt eine fresse see-as
lein M ans. ;
Und dann hatte ihn die Feste ans
etwas erinnert —- eae sei-e Meinst-z
sche heimat. Sie TM seit esse-s
leicht since-sey III- Istk das Wes
Wes-«- -« TWFI
Jst-ish- sowme ums-il
W
Augen —- selche Auges-braven hatte
EMarline Wer —- Unsinnt Er
Ischakt sich einen alten Esel und schloß
Edie Tiir zu seiner Wohnung aus.
Als er Rosalie sein Erlebnis er
zzälfth lachte sie und gönnte ihm die
Erfahrung
s »Auch das noch.«
« Dann lachten sie beide, um zuletzt
»wehmiitig zu werden. Es ist eben
ein sonder-dare- Ding, tpenn das Al
ter auf einen Menschen zukommt.
Benno seufzte: »Mit unseren Er
innerungen sind wir beide nicht ganz
fertig geworden, sonst tviirde mich
nicht jede junge Frau mit blondem
Haar und dunklen Brauen iiber
blauen Augen an —- meine Jugend
erinnern — und du würdest weniger
Scheu haben, in die alte Heimat zu
reisen.«
I I I
Einige Tage danach kam die junge
Frau, um die Schwester des herrn
Rade um einen Rat zu bitten. Sie
tam gegen Abend. Die Geschwister
saßen in ihrem Erker
Die junge Frau klagte, dasz sie sich
in der großen Stadt nicht zurecht
tinde.
»Sie lommen aus einer kkeinen
Smle fragte Fräulein Rosalie.
»Ja, aus Buschenhagen —- mein
Mann stammt aus der Mark, ihn
zog es hierher zurück
.Sie —- sind mit den Börners ber
tvandt?« fragte here Rabe und fühlte
einen Stich im Herzen
»Gewiß — das ist meine Mutter
— Martine Börner.«
Nun übernahm Rosalie die Un
terhaltung Sie fragte und liesz sich
erzählen. Mariine Börner hatte den
reichen Fabrikanten hegelmann ge
heiratet. —
»Wie befinden sich Ihre Frau
Mutter?' Benno tam seine eigene
Stimme ganz unwirtsich vor.
.Oh, der ging es aut. War sie
wirklich einmal das schönste Mädchen
im Ort?«
.Tas war sie. Tie Schönste weit
und breit.'
Rasalie erzählte und Benna ezss
gänztr.
»Es-roch Ihre Frau Mutter nie
mals von der Zeit nach dem Zelt-zug,
von dem großen Friedensfest, bei dein
alle Häuser illnminiert waren — die
Gloden läuteten, und alle jungen
Mädchen schwarzweißrate Bänder
trugen?«
.Ja. gewiß ost, wenn sie etwas
recht Lustigek erzählen wollte, sprach
sie von jener Zeit —- von einem pral
ligen Verehrer-, der unendlich somi
sche Manieren hatte — ich glaube,
er hat ihr sogar die hanp geküßt
und eine Liebesertlärung gemacht. —
Sie sagte dann immer zu seiner Ent
schuldigung: .Er war im Grunde ein
ehrenwerter Kerl —- aber damals ge-.
rieten die Menschen leicht in eine
Art Rausch und vergaßen Rang unlt
Stand.« Nachher kam alles wieder
ins alte Geleise. Ach Gott,« sagte
sie immer zum schloß, .es mag leich
ter sein, eine Kanone zu erobern —
als ein Mädchen, das jin Rang über
uns steht.«
Die Geschwister schwiegen. Die
junge Frau bemerkte nicht ihre blas
sen Mienen —- sie erinnerte sich an
das vergnügte Gesicht ihrer Mutter,
die so herzlich lachen konnte.
»ilebrigens —- wie ist mir denn —
herr Ruhe —- «Benno« Rade —
steht nicht auch Jhr Name aus der
Ehrentafel in unserer Stadttirche2'
»Ja — ganz recht,« sagte Rosalie
und feste sich geraden »der Name
meines Bruders steht dort — denn
er eroberte bei Spichern eine Ka
none.«
Die junge Frau zog die seinen
Brauen hoch. — Wie war das denn?
— War dieser alte Herr am Ende
jener Verehrer ihrer Mutter, iiber
dessen drollige Manieren sie heute
noch lachte? Das wäre fatal· —
Sie verabschiedete sich bald, es lam
teine rechte Unterhaltung mehr zu
stande. Sie ging und dachte, es
taugt nichts, wenn man in der Groß
ftadt Betanntschaften anlniipft. —
Als die junge Frau gegangen war,
stand Benno Rade auf und trat ans
Fenster. Er blickte auf die Baum
kronen, der Sommerftaub hatte ihren
Usttern schon eine graue Färbung
gegeben.
Aller Glanz war von seinen Erin
nerungen gewichen. Nun wußte er
ej —- der große Liebesschrnerz seiner
Jugend war siir Martine Bittner
eine lustige Episode gewesen.
Ein schriller Pfiff zerriß die
Abendstille —- das Feierabendsignal
slir seine Fabr-it. —
Da fiel ihm seine Arbeit ein —
sein Wert, zu dem ihm jene Ent
tiiigfchung seiner Jugend den Anstoß
ga
Er hatte eine heimat verloren und
ein Arbeitsfeld ewonnen. —
Seine Sch er war zu ihm ge
treten. —- Sie legte ihre cand auf
seine Schulter nnd sagte: «Deine
Musche und Miasma-n flinme
einer falschen Richtung damals,
Benno — aber unglücklich bist du doch
nicht, nunf da du Crit deiiien ftzrtni
neru ertigtper niu
.M cergoldung ist betreffan
abgetrifchk Malie —- aber es bleibt
Mir meine Iriett und die Verpflich
.Wut zu fein.«
den sang wieder die junge
»Frau, und von unten hepuf klang
der Wunder Mohsiadt
W
Cis-« Ischthhrt sit der
stattsam-L ·
Etiize ans den-i Hamburger Infeiilelien
von C. L
Die Brise war zum Sturm ange
wachsen. Tief ning der hiinniel
über dein Strombett; fcharf wie Ru
ienliiebe ttatschten mir schwere biegen
iiopfen ins Gesicht, und nur mit
Miibe konnte ich« bart an ber häufen
reibe entlang schreitend, den Böen wie
dersteben, bie die Wellen des Stromes
mit solcher Gewalt gegen den Kai
peitschten, baß der Gischi bis weit auf
di Straße brandetr.
spie-such sitt-in Weine-i Stoß ge
gen die Schulter, daß ich suriicttaiis
inelte, und im gleichen Moment tauch
ien, aus einein schmalen Seitengiifzs
chen toiiiinend, zwei mit Booteriemen
beladene Gestalten auf, die sich iiiit
einein flüchtigen .wo:srschii« Wehmt
met- in achttf an mir parbeischaben·
Dein Aussehen nach tonnten es
Stromsischer sein« und sie wurden
inir auch kaum fonderlich aufgefallen
seiii wenn ich nicht an der Backe bei
einen eine flammenbiote, tiefe Narbe
beobachtet hätte, vie dein fcheucn Ge
sicht einen wilden Ausdruck gab· Ueb
rigens mußten sie es sehr eilig haben,
denn sie verschwanden, ohne sich zu
eilt chiitdigen oder auch nach mir um
zu lieten, am fenfeitigen Simsienians
de. wo eine sogenannte Jakob-leitet
zum Jollenponton ainabfiihrtr.
»Die können doch bei dein Sturm
nicht fischen wollen-« dachte ich un
willkürlich; aber mir blieb teine Zeit,
ihnen nachzufpiilien denn iim zwölf
Uhr sollte ich an der Riedeibaumi
brücte sein, und es fehlten laum zehn
Minuten an ber Mitternacht Doch
ich ereichte mein Ziel und fiaiid nun
harrend auf dein spärlich ethellten
islnlegepontom der bei dem Westen
itoß beängstigend tnarrte und ächzte
itnb wie ein gefesfelteo Tier an feinen
Besestigungen riitteltr.
cis Sud Also M iustitiam-II«
i »Ich werde mich doch nicht vor ein
Haar Regenböen fürchten, erwiderte
lich lachend und sprang aus das Fahr
zeug über, das sosort seinen Kurs aus
oie Mitte des Strome· nath Der
Führer begleitete mich in oie ileine
Knjute. woselbst pas Gespräch oalv
aus den Dienst inm.
»Ja den legten Wochen sind unge
wotsnlich viel Oiebstähle und Eindru
che auf Schiffen vorgekommen«. be
richtete jener, ,die Tater müssen mit
groser Vorsicht zu Werte gehen und
—- gute Abnehmer haben, sonst
würden sie unseren Leuten, deren Ei
ser und Geschick ich oielsach schätzen
gelernt habe, nicht vie jeyt entgangen
sein.'
T .Jr. einer Nacht nie der heutigen
swerven oie Piraten wohl zu hause
ieiben.«
«Mögiich —- doch sind gerade sol
che Nächte sur lichtscheuee Gesindel wie
geschossen. Bei dein Lärm ver Natur
wird ihr «Vtrbeiten" arn teichtetten
überhört.«
,.2a haben Sie freilich recht —
und wohin gedenken Sie die heutige
Streife zu rich«en?«
»Ich werde den Hauptliegeptah der
Oberlander Kahne, den Saalehafen,
überholen lassen; eb aber die Streife
Erfolg hat oder nicht, wird sich erft
zeLgen mussen.« «
Jn diefem Moment fchrillten im
Maschinenraum mehrere rafch aufein
anderfolgende Gloaenzeichem und vom
Dea ber wurden Stimmen laut. Aue
der Raiiiie tretend, sahen wir, wie
der Steuermann das Ruder herum
warf und das Schiff feinen Kurs
fah änderte, um bald darauf zu ftops
pen
.Wnt is, Laufen?" fragte der Füh
rer.
»Er Kerls sind jatooll fpruttens
»dann, dat fei bi Nach u Nebel ohn’
Dichter feil’nt Gliet weur iet up den
jverfluchten Kasten «rupfol;rn. Hallo.
»flapt ist«
, Keine Antwort· . . aber hart an
Steuerbord trieb eine duntle Maer
iachter auo dem inneren hafen zu. Es
jwar eine beladene Schule, die der
Sturm oon ihrer Beriäubung gekif
fen unr die nun führerlos vor dem
Sturm und Strom trieb und dem
Sinten nahe war. Da sie den Ver
tehr aqu außerfte erfährt-ein mußte
fie fo rafch toie möglich geborgen und
an einen sicheren Liegeort gebracht
werden, was unfere Weiterfayrt um
eine halbe Stunde oerziigerte.
Bald liefen wir in den
Hauptbafen ein, der durch ei
nen schmalen Kanal mit einer Schleu
fe mit dem Saalebafen in Verbindung
siebt. Troß der Rachtftunde ruhte der
Verkehr nicht ganz; eine Viermaftbart,
die zur Ausreife tiarrnachte» wurde
von zwei Schleppern auf den Strom
verbote. Um Kai machte ein eben
eingelaufener Dampfer Mi- wobei
ebenfalls mehrere Schlepper affiftieri
ten
dann fuhr unfere sarkaffe in den
Schleifentanah wurde durchge
xchleufi und gelangte in den Saalehai
as
. ier al o vollen Sie H -
essend nrsienk fragte täw m
Der iibrer antwortete nicht gleich,
fonbern horchte eaiif den ten einer
Standpfetsp die troi des Sturmes
versieht-UT toar und vorn lmfeitiaen
Ufer aus untre-betet wurde.
.Uir find gerade noch sur Zeit ge
der Arbeit. Fertig, Kerl-l«
Schon hatten sich die an Bord he
t'..edllchen Untergebenen, silnf an der
Zahl, ihrer Oelröete entledigt und
handlaternen hervorgeholt. «Sall iek
fleutenk fragte einer ln dienstlichee
Haltung.
»Noch nicht, vorwärts Stürmann....
full peed!'
Wieder schrillten Pfeifenssgnale
durch die Nacht. Auf mehreren Röh
nen schlugen Hunde an, hier und dort
wurden ärgerliche Stimmen laut.
Während das Boot oortoärtsschoß,
musterte der Führer mit feinem
Nachtglas die Reihen der oertäut lie
genden Flußfchissr.
,Dot rechts achtet de drütte Zill,
iel will rni hangen laten, wenn dor
nich -n Jos' verstounn Hebt ji nix
sehn, Lüdt«
Zwei von ihnen glaubten eine
ähnliche Wahrnehmung gemacht zu
haben wie ihr Kommandeur5 die
andern konnten nichts Bestimmte-c- sa
gen.
.Vortvörtö, Stürmann. . . .mehr
Backbord!«
Noch hatten wir die Stelle, wo die
verdächtige Jolle verschwunden sein
sollte, nicht erreicht. als vom andern
Ende des Hafendeaens her eine Bar
laffe auf uns zu hielt. Auch diese
toar mit Beamten der hofenpolizei
befest, deren Führer untern-. Kom
nmndeur berichtete, daß man ein ver
dächtiges Boot mit zwei Jniassen ge
:!chtet, ed aber wieder ans den Augen
verloren habe.
«Siiid beide User borschristtmöszig
belehrs«
»Jawol)l, herr Kommnndeur. Vor
ver Sachsenbriiae liegt außerdem die
Bartasse V.'
»Gut, so können uns die Burschen
ktiuin entgehen.'«
Er gab nun seine Befehle. Schnell
waren beide Bartnssen neben den Hil
len festgelegt and diese selbst von den
Beamten erstiegen. teliich der Kom
niandeue schloß sich der Streise an,’
um die Maßnahmen persönlich zu
überwachen Linn dein Klassen der
Bordbunde ausgeweekt, erschienen meh
rere der Kahnechnssee, uin sich nach
der Ursache des Lärms zu eriundis
gen. Auch eine Weiberstiinnie wurde
hörbar; da iiber niemand aus inr stei- :
ien Rücksicht nahiii und ier der Nord-s «
irsest unsanst uin die Ohren pfiss, ver- I
schwand die Frau bald wieder uniers
Led. i
Erst nach etion 40 Minuten ersl
schien der Komniaiioeur wieder. Eri
war sehr ernst geworden. »Nun has !
Sie etwas erreicht?'· sragte ich. ]
Einen der beiden Spiybiiben ha-’
ben meine Leute nach vieler Muhei
und unter eigener Lebensgesiitirs
dixigsest gemacht; der andere iii entq
weder entkommen oder —- traun-«
ken." ·
«Ertriinken«k« ries ich schaudernd.
«Walirscheinlich, denn auch den
Fesigenommenen mußten ivir uns dein
Aussee holen; er hing, um nicht ent
deckt zu werden, an der Irr-sie einer
Zille bis un den hal- im Wasser und
würde schwerlich gesunden worden
sein« wenn er nichi schließlich selbst
m Dilse gewinselt hätte. . .der Feig
ling.«
«’.sia, da tvunsche ich Zhnen zu oem
Erfolg von Herzen«. .
»Dann Sie auf', unterbrach er
inich rauh, »nur das nicht! Ich hätte
v·«.l darum gegeben, ivenn der Lump
versoffen aber wenn ich wenigstens
nicht babei gewesen wäre, als sie ihn
heraufholten . . aber das ist nun mal
jber Dienst·«
. Er wandte sich ab und starrte in
die Nacht hinan-, ohne sich uin mich
weiter zu tiirninem Sein Benehmen
wiirde mich ernstlich verletzt haben,
wenn ich niir nicht gesagt hätte, daß
den sonst so liebenswürdigen Mann
etwas Besonderes, Niederschtnetterns
des aus dein seelischen Gleichgewicht
gebracht haben musztr. So enthielt
ich rnich aller-Fragen
Nach turzer Zeit wurde die Jolle
längsfeit gebracht, die ben Dieben altl
Fahrzeug flir ihren Raubzug gedient
hatte. Sie enthielt zwei Oelrcite, ei
nen Satt voll Garberoben und Wä
sche, ein Faß Salzfleisch, Messing
hähne, eine Blenbluternr. Dieiriche,
Vrecheisen und Tal-wert usw« Alles
wurde genau zu ';!rotoioll gebracht,
die Jolle selbst aber samt den sorgsam
iiniwickelten Nabern (Ri sue-U ins
Schlepptait genommen· bleichoein
noch die Meldung eingetroffen war,
gaß der Verhaftetr der nächsten Wa
che übergeben fei, ließ der Korn
mandeur die Rikckfahrt antreten, wah
renb einige-der Beamten die Suche
nach dein Ver-nisten fortsetzen muß
ten.
Ali wie daran wieder in der Ka
jute zusammentraf-m verhielt sich
niein Fiihrer zunächst noch so schweig
sain wie zuvor. Plöiiich aber ließ
er die Faust schwer auf ben Tisch fal
len und rief: «Entschulbigen Sie bit
te, niein Benehmen . . . aber ich
lsnnte es nicht o schnell überwinden.
Es ergeben sich in Dienste site unser
einen bisweilen Situationen in denen
inan sein seaintentiiin ziiin Teufel
wsnschen nnd niie Mensch sein mischte
. . . leider ohne es zii tönnen Sie,
wissen, baß ich vor meinem Ueberteltt
ins dasenpolizeitorps alt Osfizier der
handelsniarine fuhr. Ill- er ter Steu
erniann der Vierniastbart «cllen«
hatte ich in meiner M — Jun
gen von guter hertnnri usw erzie
hung, den seine bereits seit Jahren
Iverioittwete Mutter, derlnian re an
sah, dass sie bessere Zeiten gesehen,
Krisis-l an Bord brachte und —- da
der Kapiiön abwesend wnr —- mir
ist-ergab. Der Bengel war gutmütig
und sehr anstellig, so dass ich allerlei
Hoffnungen aus ihn setzte uno dies
auch der Mutter gelegentlich brieslich
kuritteiltr. Nur ein gewisser Hang zur
Ungebundenheit und zum Leichtsinn
niißsielen inir an ihni. weshalb ich
ihn bei passender Gelegenheit vornahm
und unter vier Aussen ein ernsies
Ist-Hort init ihin redete. Er versprach
finir das Beste und hielt sen mich
slangere Zeit zu meiner Zuttieven
Hheit. Als ich später die Führung der
T»lJ-llen« selbst übernahm, liatie ich
’ihn gern als Matrosen an Bord be
halten, aber mein Jnteresse an seinem
Fortlonitnem vielleicht auch meine ge
legentlichen Vorstellungen wenn ihn
der Leichtsinn weiter als gut war zu
siihren·vrohte, müssen ihm wohl unbe
esuesn geworden sein, denn sobald er
toniite. zerriß er bar Band zwischen
uns unp nahm aus einein englischen
Schisse heuer. Das war nun zwar
sein gutes Recht. euch sogar orgreiss
tsch; dass er aber seiner alleinsteltenden
Mutter von diesem Schritt leine Mii
teisung machte, sie auch bis an ihr
Ende ohne jede Nachricht über seinen
islusentbalt lies-» nor niedertröchtig,
und ej hat niir in der Seele ioeh
getan, ihr aus alle Llnsragen nichts
äiber ihn melden zu sonnen. Denn
auch ich holte ihn. von einer einzigen
unersreiilichen Benennung in Ant
iverven abgesehen —- er war an einer
Schlägerei beteiligt und lsntte einen
tiesen Messerstich in die rechte Blute
erhalten. die ich verbinden cals —
nicht wiedergesehen —- dis heute. Daß
aber gernde ich diese Mochi Dienst
liriden, daß er gerade mir eile gemei
ner Spitzbube in die Hände rennen
n ußte« dxio wiir mir bitterer nie altes
Voraussetzungen Weiß Gott. ich hät
te ihn lieber aus dem Grunde der
Elbe gewußt, ais ihn so wiedersehen
zu müssen. . . oder wag dar-um gege
ben, wenn wir den ans-ern stritt seiner
ges-ißt hätten«
Er schwieg und sliiszte den Kopf
schwer aus dir Hund; eine Träne
stahl sich zwischen Pen Wimpern her
vor.
Da erhob ich mich leise und trat
our dur- Teet hinaus, denn auch mir
ioar eigentümlich nino Herz gewor
den. Als ich die Erzählung meines
Freundes überdachte, fielen inir plötz
iich die beiden Stromsischer ein, mit
denen ich vor dem Anboidgehen zu
:nininenxieitoszen mir. Linie nicht
oer Lomrnondeur oon einer tiefen
Wunde in der Bin-e des jetzigen
Arrestonten gesprochent Und hatte
jener Mann, oet sein »wohrschu«
murmelte, nicht eine tiefe Nurde ge
z.'.gt? . . . , «
Es wehte immer noch eine harte
Brise, over ihr Hauch tat rni- roch-.
Wir waren wieder nus dein breiten
Strom und drimpiten dein Niederha
fen zu. Mo wir uno der Fährnelle
nin Baalenhöst not-irrem erschou vom
Pontrn her laute· Girhleii und wir
sehen im hellen Schein der gegen
den Strom hin utgedlendeten entni
ittpen Bogenlnnipe einen schwerbezechs
ten Makrosem dre unser Fahrzeug siir
drio Iiihrdoot holten mochte und mit
-i:eiden Händen ncch uns winkte. Der
Leomniniideur besuhl dein Steuer
mann. langsnni on deni Ponlon ent
lang zu fuhren. damit er den Schierke
riuitliireii und zur Ruhe innhmn
iiSnne. Da entriß letzterem eine Bis
den hat« und bei dein Bemühen, ihn
wieder zu ergreifen, torlelte er vor
wärts, stolperte und siel über neii
Rand in den hochgehenden Eiter-i.
Mich iiverlies es soli, denn bei oein
Wellengang hielt ich ihn siir oerios
ren. Ader noch eininu: sollte sich die
Brot-our der Schiffsleute glänzend
bewähren.
,Mann öwer Bei-ht« —- ,,-?-topv!"
staunt tauchte der Verungtucrte wie
ver aus, als auch schon, von geübter
Faust g:schleu.)ert, eine tveiszgetxrichene
Rcuungsvoje unrt neben then am
Wossek fiel. Diese ergriff er zwar,
aber ver Strom silhrte Mit-en und
Boje schnell davon.
«Ttvee Mann in e Joll raich!'«
Schnell war die im Schlevu ge
,·’:hrte Jolle oen:a:-nt und loszetoori
sen. Butt- hatte incn den achtet
uus Treibenden erreicht, tnit einem
Bootehalen erinszt —- und ihn -.nr
Bord geholt, tvv er mit Decken um
hiiltt wurde
,,Rn de Wuch, Stürme-um«
Mit voller Krnst rauschte unser
Fahrzeug dem weithin sichtbaren Ge
viiude zu.
Bevor ich mich verabschiedete, hielt
ich es siir meine Pflicht dein Kom
mnndeur von meiner Begegnung mit
den vermeintlichen Stromsiichern
Mitteilung zu machen. Er hörte in
teressiert zu und :ies·. »Nein Zwei-·
sel, es sind die beiden Spisbuben ze
toe en; bei solchem Wetter gehe tent
It cher aus den Strom. Geben Zie,
bitte, Ihre Wahrnehmung zu Proto
koll. 4sollte der eine wirklich entkom
men ein, so di tet sich vielleicht ein
Anhalt, leinetn ersten -.:. « Spur
Zu situierten-«
Natürlich ersullte ich seinen
Wunichz dann aber gab ich den wett
tern Männern die hand. Diese Nacht
hatte mir einen Einbliet ln ihren ge
enhrvollen und aufreibean Verus ge
Ohr-It