Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 02, 1915, Sonntagsblatt, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    M
stillst-.
Eine Erinnruqu Von Dr. v. Dur-Tau i
Canuruiam (
....Llls ich heut in der Sonne
saß. im mit den sum-, weitausl
gen Bund. den ich mitgebracht hol-H
ehrte ich den« friedlichen Lärm der«
nach hause strsinendedi Schulkinder.
Ueber die Mauer-. die den Lazaietts
Harten von der Straße scheidet, wars
ten lich hell und ungestiim ihre fri
ichen Stimmen in die ruhige Lqu
Ein junges Lachen klang to herzlich
von weitern, daß ich den Kopf geJ
wandt habe, urn zu sehen, wo der der
gniigte Junge steckte. Aber mein
Blis itai nur die stille Mauer, die
rnich von der Welt da draußen ad
trennt.
Wie lange ist es her, da habe ich
selber solche»tufligen Buben unrei
richtetl CI scheint iiiir immer-, als
lägen diele Jahre dazwischen und
nicht nur wenige Monate. Ich lann
ei manchmal noch schwer verstehen.
Die Leute find alle rührend nett zu
mir und den anderen. Jch rede mit
ihnen, und der sitzt macht jedesmal
einen Witz. Die Verwundung ist
nicht gesayrliche hand- und Brin
schuß. Jin schlimmsten Falle könnte
eine leichte Steifheit zuruableidem
Aber das Seliianie ist« daß ich es
iintner wie eine stille, unsichtbar-e
Mauer uin mich habe. Und wenn!
ich antworten sollte, was ich den san-i
zen Tag tue, io mußte ich sagen, daß
ich mich immer wundere. Ob das-«
noch andern so geht, weiß ich nichts
Jch wundere mich, dkrß die Kinder
jo fröhlich lind. Jch wundere mich,l
daß ich taglich meins schönes, warmesj
esse n vorgesetzt derdm nme ail
die Minute püntilich, wie alle andern
Jch wundere mich. das-; jeder dar- als-T
setdsiderstiindlich betrachtet. Jch svuii s
dere mich, daß ich selber hier sitze lincs
noch immer mit meiner alten sei-titan
spreche. i
Tadel habe ich nichts erlebt, war-F
nicht jeder andere im Feld auch eriedis
hätte. Habe keine Heldentat getan
nnd-habe nichts weiter zurückgewallt-J
als Wunden und diese- kleine zip-ge s
rissene Buch, in dem ich noch immer
am liebsten lese. Mit dein «Fallsi' ,
bin ich ausgezogen, mit dem Jteilens
Testament« bin ich heimgetdinmen. .
Einer meiner Leute hat es mir
geschenkt. Ein Land erhrmcinn de:«
rdn Hause aus Schuster war. Dem!
gehörte eg. Er war ein ruhige-I
Mensch mit versteckten Angen, der mirs
zuersti gar nicht weiter gefiel. Die«
Kameraden hiinselten ihn erst, til-ers
ei ließ ee sich nicht anfechten. Rahm!
es nicht iidel lind zog während ders
Rast den kleinen Bund dor. Jn
manchem Chausseegraben habe ich ihn
ta sitzen sehen, wie er mitten unter
Gespräch nnd Gelächter gleichsam ab
geschlossen in dem Büchlein las. Er
hatte die Gewohnheit, init den Lippen
lautlos die geleienen Worte nachzus
formen, nnd wenn er eine Seite um
schlug, machte er dhrher den Finger
naß. Tle Leute hatten ihm aus ir
gendeinem Grunde den Ep13niimen
»Trittchen« gegeben, und als er ruhia
daraus hörte, als er ohne viel Wesens
seinen Mann stand iind sich doch in
seinen eigensten Sachen nicht deirren
ließ, da begannen die Hänseleien im
mer seltener zu werden, und ein paar
Aeltere hielten sich mehr nnd mehr
zu ihm
Wenn ich heilt an ihn denke, so
glaube ich seist, er sei ein heimlche
Settierer gewesen. Ich habe ihn nie
gefragt. Jch wurde sum erstenmal
aiis ihn ausmertsam, als ich ein paar
seltsame Worte non ihm vernahm.
Er hatte nämlich wunderliche Lied
lingssiiU die er mit einer gewissen
Ergrissenheit zu wiererholen pflegte.
Als mir den ersten Kandnendonner
hörten, nickte er ein Nara-at mit dem
Kot-se iind sagte, mehr zu sich als zu
den Nebeninännerm »Das ist Gottes
Wanderwagen, der durch die Welt
iiiinpeltl" Und in diesem Angendlich
wo wir mit angehaltenem Atem
lauschten und vielen ein menschliches
Bangen durchs Vers glitt,klaiigen die
irgendwo aussean M so
merkwiirdig groß nnd eindringlich,
daß mir dieser. kleine W
rrn Jakob Böhme unt den deutschen·
Myslrtern herzulommen schien. Es
hat auch keiner bat-note gelacht. i
Nun, der «Wunderwagen«, der
Schrecken und Tod spie, rumpelte na
hek; er rumpelte über Börse-, me In
Flammen ausgingen;" er rutnpelte
i.sber Gerechte und Ungerechtez er sog
über unsere Häupter-, schlug seinen
eisernen hagel nieder uns riß viele
so gewaltig hin, daß sie niemals wie
der aufzustehen begehrten und in
Ewigleit kein Wert mehr sagen konn
ten. Wir andern aber sind in seinem
Rollen vorwärts gegangen, est tau
melnd vor Müdigkeit, varbeistüemend
an Rot und Tod und unaussprech
lichem Jammer, Gruben für die To
ten und Gräben siit die Lebenden
grabe-Id, ohne Gedanlen an gestern
und morgen. Schaden sich dann ein
mal Ruhm e dazwischen, so saß
Tritt-den unfehlbar vor seine-n suche.
Er las niemals lange. Manchmal
nur ein paar Minuten »Ich her
M seen-c sagte et einmal. Und
txth W dieser und jener,
sich den d von ihm Mit-bargen
Wilh- Die Leute schämten
. sein wenig- »Æ mal her« Tritt
chen«, bunt-ten se kohl« —- «es, ist
M see zn lass-etlic« Und hast
Seht-furchen nickte und gad —- nahm
zurück nnd nieste wieder. Alles ganz
sachte, ohne zu fragen oder sich mit
einem Rat aufzudriingem , (
Da geschah ei, daß wir wieder
einmal vorgezogen wurden nnd uns
etngeaden mußten« Inst zehn Tage
lang lagen wir auf 400 Meter Ent
fernung dem Feinde gegenüber. Es
regnete den Tag, es regnete die Nacht;
das Stroh faulte; feneht nnd verdectr
deckten wir unter dem grauen Sirn
mel; nur im Schafe der Dunkelheit
konnte von den Feldtijehen das Essen
herangeholt werden; ei war teilt.
wenn wir es bekamen. Und alt dae
immer so weiterging, da war es, als
löste sich fremd nnd schmerzlos wie
ein Kleid alles von uns ah, was wir
jriiher gewesen waren und was wir
hinter uns zurtietgelatlen hatten. Es
lernt fehnttenhaft in irgendwelche
Dämmerung Ruhe waren uns der
Feind und der Tod. aber lern, fern
lag das Leben, aus dem wir gekom
men waren. Man tonnte sich nicht
mehr vorstellen. daß man vielleicht
einst zu ihm zurückkehren würde. Man
hatte auch kaum noch Sehnsucht da»
nach. Ei ward gleichgültig und un H
verständlich — ;
Manchmal, des Abends, wenn die:
Knatterei für ein paar Stunden auf-;
gehört hatte, zog ich noch mechanisch
meinen ,Fnuit' hervor und versuchteI
zu lesen. Wir hatten uns in etnerl
tleinen Bodenerhebung einen mit Boh
len verfteiften Höhlenraum eingerich
tet, dessen Zugang schwierig. der sonst·
isder ganz behaglich war. Bei einer!
Azetylenlaterne hab' ich an einem«
Tisch aus Ritter-breitem im »Faust"
gebliitterU ader Ich schäme mich fast,j
eL zu fiigen: ei ltirn eine stunde, wol
auch er mich verließ. Er stint lang-l
fam mit der Welt zurück, aus dereni
schönsten Säften und Kräften er ge
wonnen ift. Er tiiiipste sich an Be
dingungen und Voraussetzungen, die
uns unter den Füßen oetfchwuiiden
waren. Und in einer wunderlichen
Beklemmung hob ich den Blick dar-.
ien Seiten.
Da tnm gerade, ritbig und befchei—
den« wie immer, Irittchen dazu, feste
sich in einiger Entfernung, daß er
eben noch einen Lichtstreiferi der Ase
tylenttiterrie erhafchte, und begann
nach seiner Art an einer beliebigen
Stelle seines Büchleins zu lesen. Und
wie er so ganz abgeschlossen und ru
hig dassfz den Zeigefinger fliichtig an
nie Lippen fiihite und umbliitterte,
die Seite noch einmal zuriictwandte
nnd völlig ausgefüllt war von den
Worten, die er aufnahm und tonlois
nachbilden — da ergriff mich fait
ein Neid und dazu das Verlangen,
jenes Buch, das ihn so gelassen
machte, auch einmal irr-Händen zu
haben. Jch fragte ihn nachher, ob
wir nicht einmal wechseln wollten.
Er gab mir freundlich mit feinem
kurzen Kopsnieten das Neue Teftas
ment herüber, aber als ich ihm dac
Heftchen mit dem «Fnust« reichen
wollte, cantte er und nahm es nicht.
Das ärgerte mich feiiindenlarig, fo
daß ich ihm tlar machte, weiches
Wert er zurückwiez. Doch er blieb
auch dann bei feiner stillen Ableh
nung. Er wolle nicht mehr lesen.
Tag drückte er wieder in feiner inerts
würdigen Art aut. Er sagte näm
lich: »Ich bin satt.«
So habe ich denn nur in seinen
Biindchen geblättert, das durch die
Hände so vieler Landmhrleute ge
gangen war nnd überall ihr Finger
siegel an fich trug. Nach einer Weile
gab ich ej zurück und wollte ein paar
Stunden ruhen. Doch es kam nicht
dazu, denn aus irgendeinem Grunde
fetzte das Schiefyn ein iind dauerte
fast die ganze Nacht ohne Unterbre
chung ein« Wahrfcheinlich glaubte
Jede Seite. daß der Feind einen An
griff pluntr. Erst iin dichten Mor
gennebel wurden wir abgelbfL Frö
ftelnd tappten wir im Zickzack durch
den Verdindiingbgraben siiriich Da
erhielt ich die Nachricht, daß ich zum
Oberlehrer ernannt fei. Zion Ober
lehrerl Und hier erfuhr ich es! Mo
natelang hatte ich sehnsüchtig data-g
gewarten Aber nun war es inie bl
erßaiinlich, als stiffe eine verfunlene
Beli, mit der ich jede Verbindung
verloren hatte, nich einmal nach rnit
biniiber. Und ru- ersinnen-l befiel
mich jenes Verwunderu, das michjesls
aus Schritt und Tritt begleitet. .(
Wie die Toten haben wir den Tags
isber geschlafen Jn der Dunkelheits
wurden wir dann wieder nach vorn
gezogen. Aber als ich nachts an dem(
Kistentische in unserem Unterschlnpfs
saß, latn Tritlchen heran nnd brachte
mir sein Buch. Er war sehe verle
gen; et bot es sonst niemals an. Jckp
nickte ihm zu und legte es aus den
«Fanst'; ich habe wohl auch die Be
merkung gemacht, daß ich nun nicht
verderben könne. Da sagte et ruhig:
«Mein5 ist besser« und frech in den
Schätzengraben zurück.
Diesknal lns ich länger. Es däm
merle mir, mag der kleine Schuster
meinte, alt er vom Atetnhalen une,
Satltvetden sprach. Gegen Morgen
aber verblüsfle er uns mehr als ge
Schon am Abend hallet wir h
und da ein klagen-les Gedtlill gehört
Es was-en einzelne Kühe, die aus den
verlassenen and zeeschossenen Dör
sern kennen. Run, im Jrilhnebel
tauchte löslich hinter uns ein Schal
len qui-M Des-statt jeder andern
Antwort M unser Anrui mit ei
leni dunklen Nutzen beantwortet Ue
Leute lachte-: es war eine Kuh, die
instinktiv die Rübe der Menschen
suchte nnd breitbeinig noch eint-at
schmerzlich anfbriillend, rnit den ent
zündeten nnd aufgetriebenen Entern
heranschantette. «
Mit seinen verfeckten Augen sah
Trittchea immer wieder In ihr hin.
Dann fragte er mich. ob er wohl hin
geben nnd helfen biirtr. Jch hab
ihn angeguckt« alr- ob er verriielt wäre
Wenn sich nar ein Schatten liber den
Graben erhob, tnallte es schon von
drüben herüber, und ost genug hatten
sich die Eeute’ den Spaß gemacht, ein
Brett hochzuhalten das promptvurch
löchert wurde. Nun satilhte nnr diese
Zeit allerdings ver Nebel, aber
schließlich konnten jeden Augenblick
einmal ein paar Kugeln herüberpseii
sen. Doch Trittchen machte nur eine
Kapsbewegung: .Ei«7- muß ihr schreit
lich weh tunl« Und als ob er mir
den Einwand von den Lippen löse:
»Es ist auch nicht gesiihrlieh. Mir
passiert da nichts-" Ich war ver
Hilfst ,,Sind Sie so sicher?« —
,.Ja«« sagte er, bescheiden nnb sach
lich. Da guckte ich vie Achseln uns
wandte mich ab. Ja- wnßte, baß er
rechtbehalten würde. Ich hiitte inei
nen Kopf basrü verwettet, daß ihm
nichts geschah.
Ei geschah ihm auch wirtlich nichts.
Er kletterte auc- dern Graben nnd be
freite die Kuh von ihrer schmerzenben
Last. Jch sehe noch immer das Bild
irn Nebel vor mir. Es war wie ein
Schattenspiei. Dann gab er dem
Vieh einen Klapi, baß es sich trvllte,
nnb tarn heiter zurück. Von drüben
war lein Schuß grsallen.
Man tonntr leicht merlen, dass
fein Ansehen bei den Kameraden
Durch den tleinen Vorfall gewachsen
war. Sie hatten irgendwie einen in
treten Respett vor thin; ohne daß es
ihnen selber zum Bewußtsein lam,
mochte stch damit auch eine abergliitp
lsische Regung vereinen. Sein neues
Testament ward immer begehrter; in
den Ruhepausen setzten sich die älteren
und ernsteren Leute neben ihn unk
sprachen allerhand. Dabei hörte lch
ihn einmal sagen: »Gott gehet immer
in Majtetu lltid wie ein König, da
mit er unertnnni prüfen kann, immer
die schlechteste Maske wählen wird,
und- nicht die schönste, die ihm ge
l-iihrt, so nimmt auch Er immer die
allergewöhnlichste vors Dabei macht
rak Schufterazseii dieselben Augen, mit
denen er nach der schmerzlich rufenden
Kuh hinübergesehen hatte.
Und die Ruh tani jeden Morgen
und jeden Abend wieder. Immer.
ulj ob auch sie ihren Verstand hatte,
im Frühnebel und ini Dämmer
grauen. Es· war selbstverständlich
laß Trittchen das nun einmal geübte
Mellantt nun auch weiter verfah.
Wohl ging er- dabei nicht immer so
ruhig und friedlich her, wie das«
erstemal, aber es lies doch stets gut
ali, und wir verloren allmählich jede
Besorgiiis.
Als die hönertriigerin nach ein
paar Tagen dann plonlich ausblieh
fehlte uns allen etwa-. Vielleicht
war sie erschosseii worden, vielleicht
geschlachtet, vielleicht hatten die Be
sitzer sie wiedergeholt. Der tleine
Schuster horchte -·rinch allen Seiten,
dann fehte er sich ruhig vor sein
Neues Testament. Jch hatte erwar
tet, er wiirde so oder so nach ihr su
chen und sie vermissen, aber schließ
lich sprachen die andern mehr bat-any
als et. Es war nicht leicht, ihn
auszulernen.
Die Tage lamen und gingen. Jms
mer mehr brileteiten ab: Tote, Ver
wundete. mehr noch Kranke. Das
Leben, das irgendwo dahinten Ge
schäfte machte und spazieren ging,
Schule hielt und Zeitungen las, er
irant im Nebel. Ueber unsere Köpfe
fort zogen mit dein unheimlicheusl
Sausen die Geschofse unserer Attila
lerie. Es war nicht schwer, zu der-s
muten, daß wir über turz oder lang
die feindliche Stellung stiirmen wür
den. Von dank zu hand ging ietzt
Trittchent Testament Es ward irri
mer zerl euer und dreckiger. GI«
ward zns U abgerissener und hin
fälliger, als gäbe ei sortgeseht Kraft
ab. Und wirklich ging eine stille
Kraft und Klarheit aus uns Aber.
Wie Plunder fiel alles von uns ab.
Die Reiten wanderten fich. Der eine
sagte und wurde rot dabei: ,Jhe
hadt fremde nagen
Einej Abends setzte fich der kleine
Schuster wieder vor das Buch. Län
ger als sonst. Die Geanaten heulten
heut« bis in die Nacht hinein. Es
wollte nicht still werden. Trittchens
Augen waren versteckten alt je. Als
er fertig war und das Buch zutlappte,
streckte ich die hand danach aus. Mit
dein alten Ricken schob er es niit hin.
Er stand ans, und wie entfchuldigend
sagte er, das ei allmählich schon böse
aussähe. Aber vielleicht wallte ich es
behalten; es würde ihn freuen. Da
heb ich wieder verblüfft den Kopf.
dkch alt ob er anch diesmal fchan
vorher jeden Einwand abschneiden
wallte, sagte er in feiner stillen und
sachlichen Art: «Jch brauche es nicht
mehrt« s
Eine Stunde später tain der se
sehl zum Nachtangriff. Unsere Ue
tillerie hatte gut vorgearbeitet Laut
lai schlichten wie uns näher nnd
war en im Sturm den Gegner ans
seinen Eil-wetten heraus. Mühe nnd
Blut hat ei immerhin seiest-t.
! Unter den Gefallen-en war anZ
Trittchern Wir fanden ihn
»Meine nicht- Er miß Drei det chin
»ren Benennung n ein Ende Dei-;
tergetrschen fein. it der Band
hatte er weht irn Todeitnrnpf in eine’
rriihseligr Greises-de gegriffen. die
Palme spare-Etwa zwischen den irr-z
tnrntnengepreßten Fingern geblieben.
-,Setn Gesicht aber nur ruhig nnd be
?Icheiden« wie trn Leder-. Es schien su
singen: »Bitte, macht euch meinetwegen
tteine Mithck Die alten Wunsche-f
ten begraben ihn; es mußte fehnett
gehen. Ein schrnnler Ditget, ein Holz
rrruz aus Wart-holden den Delrn aufs
Grad und ein turges Gebet. Fertig!
Das Neue Testament gehörte nun
mir. Jrh brauchte et auch nicht;
rnehr zu verbergen, denn eine Bibel-J
geletltchnft ließ ungezählte Tausende
on die Front schaffen. Davon Nie-»
den zwei auch bei uns hängen. So»
hatte ich den alten Band ganz alleine,
nnd immer, wenn ich darin ltliitterte,l
war ej mir, alt oh der lleine Schu-?
ster neben inir stünde, die Lippen!
regte und nritläsr. Er verlor seines
irdische Dürftigteit und äußere Un-(
icheinhartett; er strahlte in der Kraft!
seines inneren Welenj, und teinef
Worte. daß sich der größte König in’
die schlechtesten Gewänder httltte, und
daß Gott stets in Matten ginge»
wollte mir nicht aus dern Sinn. Jus
groben Masken« in dreckigen Verhül-(
tungen lnh ich urn mich tagtägtithl
eine Kraft am Werte, die edutdig
nnd tapfer Mühe, Not und od ersi
trug, und allgewaltig schwoll in mirs
die heiße Liebe aus zu jenem Votte,j
das m der Tiefe rang und arbeiteteJ
rämrnerte und träumte, die Ydurnpiej
Eehntucht zum Licht hatte und act-I;
menlog den fchweren Tod starb. tät-V
les, was nu Erden Großes gefchehenl
ist — ift es nicht durch fein Opferj
gescheheni Wird der diirre Bodens
nicht immer wieder durch fein Blut
und seine Kraft gediingti Und was
tsedeuten ihm gegenüber alle Kaisers
und Könige, beiden und herrsiihrer,i
an deren Namen sich der RuhnrJ
hängti Wirt drängten sich die GesI
Lauten durcheinander, aber das Ge-!
fühi wnr ilar und tief. Wenn ich!
un den tletnen Schuster dachte, waxi
er nicht mehr allein: hinter ihrn ftand,«
aus Werkstatt und Maschinenraum,j
den Feld und Acker tomend, dari«
Voll der Tiefe» . .. »
Jch bin dann verwundet werdens
Ward heimgefchafft mit vielen an-i
dern. Bahnhöfe folgten auf Bahn
böse, und immer waren da neugierige
Menschen« Helfer und helferinnen...
ach, alle, alle haben sie es gewiß gut
gemeint. Aber ich habe die Augen«
geschlossen; ich verstand es nicht; ichs
vertrug eo nicht« Der Arzt sags, ichj
fei noch »verdattert«. Das hatten
tiele. Er gibt rnir Bücher, doch ietz;
schiebe sie zuriich wie Trittchen einst«
den ,Fnuft«. Manchmal möchte ichs
auch antworten: .Meins ist besser.«’«
Das Neue Testament, dessen schlim-,
men Zustand man erst hier in deri
großen Sauberteit so recht empfindet,
genägt mir. f
Jch habe nuch keinen Wunsch. Sil«
fragen mich so oft darum und möch-!
ten mir Liebes tun. Aber ich zer-s
breche mir den Kopf: nein, ich wünsf
sche,mir nichts was ich habe, ist;
schon otel zu viel. So viel. dasz ichs
rnich den ganzen Tag immer wun ;
dern muß. .
Nur ein Bild von dem tleinen
Schuster hätte ich gern. I
Er verschwimmt mir hier wie dass
mal-, als er im Nebel bei der Kuh
stand. Aber wer weiß, wo feine
Leute wohnen! Er hatte wohl ilbers
haupt teinen oerwandtschaftlichen An
hang. Und ich laan mir auch nicht
Unterr, deß er jemals zum Photo
graphen gegangen ist« Er war sich
zu wenig wichtig dazu....
Inzetse aus dein Felde.
Von dem gesunden humor, den un
sere Feldgrauen trotz aller Widrig
teiten behalten, zeugt folgende «2ln
zeige«, die ein Oantbearnter aus dem
Felde nach use gesandt hat: »Mit
herer sank mter empfiehlt sich als
Ofen-« und Strahentehrer, Beizen
Strohflechter, Mauren —- Erdarberten
Dienstmarur, Koch, Schlossa, Flut
erbeiter, Zimmermann Lange int
Uuslond tätig gewesen, bei ersttlafsi-«
gern Unternehmern dein größten der
Welt. Ueferenzeu bei dein Reserve
Jnsanterie - Regiment No...., s.
»Kompagnie. Offerten erbeten unter
»Wenn Friede wäre« an die Expe
keitizn der .Reicefterr ngonachrichsl
i II · — - A l
steil-i sen-ten
:(Aufzeichnungen eines Avsoienheti
mans )
Die Deutschen haben leine Ahnung
von Sitategie und Taktik In einem
Doti, das sie vier Wochen beseht hiel
ten, ist in der ganzen Zeit nicht ein:
han« niedergebrannt worden ;
Die Kriegsgeschichte aller Zeiten1
enthält teinen ähnlichen Beweis von:
Feigheit, wie ihn seht die Deutscheni
dadurch liefern, daß sich nicht ein
einziger von ihnen als Defeeteut zu
Uns hetiiberteant. .
Unhegeeiflich wird immer bleiben
tnit welcher Berechtigung England die
Gefchiiitsliichiisieit Deutschen
iiiechtei. hohe ich doch Linn Beispiel
bis heute noch seine beut Monate
gesehen, die mit Sand sei llt gewesen
,tpiiee.
se- see »tseer« serettet
Eine Erinnermäg eines Berti-anderem
sen nri steife-.
Jn dem idnlliichem von grünen-·
den Dügetn umschlossenen Dosen an(
der Nordspise Sumateas liegt der
neutrale Postdampier zum schien
einnehrnen. Jn, der zweiten Stunde
nach Sonnenunidrgang wurde be
tnnnt, daß unser Schiff Gäste be
tennrnen hätte, und zwar etwa eins
Dusend junge französische Mariae
rnatroien und heiser unter der Füh
rung eines MaichiniftennranienDie
Leute waren sämtlich im Alter von
22 bis 28 Jahren, der Unterossizier
ein Mann in den dreißiger Jahren
mit schwarzem Bollburt und ernsten
Gesicht-zugen: Erstere in Matrosem
uniform, der leßtgenannte in sit-it
Ei war der Rest der von der »Ern
den« geretteten Bernannung des auf
der Außenreede von Penang don
dem deutschen Kreuzer vernichteten
französischen Torpedojägers »He
Mausquet«.
Zwei junge Matrofen machten sich
an uns herun, denn sie hatten das
Vediirfnij, zu erzählen von ihrem
verzweifelten, hoffnungslosen Kampf
für ihr Vaterland, vom Untergang
ihres Schiffe-, von ihrer Lebens-!
rettung durch die «Etnden", aber;
vor allen Dingen wollten dieie Män«
net, die den Tod vor Augen gete
hen hatten, die Bewunderung,fja die»
leuchtende Begeisierung für den Korn-l
mondnnten der »Emden«, die ihri
Gemüt erfüllte, zum Ausdruck drin-J
gen. l
Und auf die Frage-: »Was habt
Jhr denn erlebt-" fingen fie an zul
erzählen:
»Mit dem rufsifchen Kreuzers
»Jerntfchug" hatten Le Monsquet
und noch ein zweiter franzosifcherl
Zerftörer die Aufgabe zu erfüllen,
die Reede und den hafen von Pe
nang zu befchiisen und zu bewachen. l
Unfer Schiff, «Mousquet" hatte in
der Nacht dotn 27. und Zö. Otto
ber die Wacht auf der Außenreede,.
während der andere Zerftorer imj
hafen lag. Jnt Morgengrauen
fichteten wir ein Kriegsschiff -da ’
vier Schornfteine zeigte und daif
wir für das englische Admiralfchiffi
«Errnouth« hielten. Es näherte fichl
uns in fchneller Fabri, und als eoj
nunmehr bir- auf eine Entfernung»
von etwa zweieinhalb Kilometer an«
uns herangetornrnen war, da trachte
plötzlich ein Schuß, und es wurde»
auf dem fremden Kriegefch ff die
deutfche Itagge get-ißt Wir wußtenj
fofort, daß unfer Schietfal besiegelt
war, denn unfer Gegner lonnte nur«
die .Etnden'« fein.'
Auf die Bemerkung daß behaup
tet worden fel, die Finden fühtel
eine fatfche Flagge eine englisches
oder eine japanifche, erwiderten oie«
beiden Franzofen in tebbafteni Ten: l
»Das ift unbedingt unwahr, dennj
wie gefagt die ,,Emden« batteiiberi
baupt teine Flagge gebisz und erftj
beirn erften Schuß ging die deutsche
Flogge hoch!' j
l
i
»Und da- Gefecht?'«
«Bereits beim erften Schuß der
mit großer Präzision uber uns hin-f
weg fiel, wußten wir dafz unferl
Zerftiirer rettungslos verloren feil
Das Gefecht fetbft bat etwa sitan
höchstens acht Minuten gedauert,f
und da war alles zu Ende. Unter
Ammandant ließ und allen Ret
tungsgiirtel geben, felbft nahm erl
teinen; wir fprangen alle in's Meer,
der Kornntandant hielt fich noch eini
ge Augenblicke halb fchwinnnendi
iiber Waffer und dann ließ er sich«
finlen und ertrant. (
Nachdem «Le Mousquest zufam-«
nrengefchoffen war,lan1en fchon diei
Boote der «Etnden«, utn uns zu
retten Etwa 15 Mann ven unsl
darunter einige fchwer undleichtderss
wunder, wurden gerettet«
»Komm Euer Zerftörer denni
nicht rechtzeitig entfliehen und fich
in den hafen retten?« l
.Dad war dollftiindig unmöglich,k
denn laut der uns gegebenen Befehil
te durften wie nur einen Kessetl
unter Dampf haben, und daher bat
unfere Geschwindigkeit, die bei Vollsl
dampf 32 Knoten fein tönnte, nur
böchflens 19 Knoten betragen, wiity
rend die »Er-iden« ficher eine wesent
lich böbere Gefchwindigtett zu ent
wickeln inrftande war. Und unt
unfeeen zweiten Kessel unter Voll-l
darndf bringen zu tönuen, dazu bitt-l
ten wir 15 bis 20 Minuten geil
braucht
,,War Euch von dem Schicksale
russischen Kreuzers .Jemischug« noch
nichts bekanni?·
.Zur Zeit dei Kampfes mit der
»Es-den« nicht! «Jemischug« isi
an demselben Morgen in der Jn
nenreede von der «Ecnden« iorpes
dieri worden. Daß wir von der
«Emden' überrascht worden sind,
daran isi nach unserer Meinung un
ser Kollege — der zweite französi
sche Zerstörer schuld. Denn hätte
man dori richtig Wache gehauen, so
wäre es ein Leichies gewesen, uns
rechtzeitig von der Anwesenheii des
seindiichen Kriegtschissee in unseren
Omässern zu benachrichiigem haiien
Dir doch an Bord deahiiose Seie
grqphie.'
«Wie war sdie Behandlung ein
Bord der «Ernden«i«
s «Wir sind vorn Kontinent-unten o.
l
l
i
Miiller, wie von den Ostszieren und
den der Mannsihast ausgenommen
perpfleqt, versorgt worden, wie ins
citernhaul zurüslehrende Kinder.
Der Mmqndant hat uns Kleider,
Leistung, Bei-, Bier, Zigarrerh Zi
gareites gegeben, soviel, wie wir
toll-s ten, wir sind von fotzieren
nnd annschaft in seen-rundlich
ehrenvollster Weise behandelt wor
den« als Kameraden, nicht alt in
de. Alsbald, nachdem wir an ed
der »Sie-den« waren, gab uns Korn
rnandant v. Müller das Verspre
chen, daß wir bei der ersten Gele
genheit nach einem neutralen Oasen
befördert werden sollten. Und wirt
lich fuhr die .Emden« in dieFahrs
siraße der handelsdampser, wo es
bald gelang, ein englisches Schiff
abznsangen, dem der Auftrag er
teilt wurde, uns nach dem holländi
schen Oasen von Sabang zu brin
gen. Das war für dieses seine
Rettung.«
»Welche Erlebnisse habt Jhr an
Bord gehabt?«
»An Bord der «Emden« verstar
ben zwei verwundete Gerettete: ein
Osfizier und ein Matt-ist« Als ihre
irdischen Ueberreste ins Meer der
senlt wurden, ließ der Kommandant
die ganze Besasung zu dem feierli
chen Leichendegängnis antreten lia
pitiin v. Mitller hielt dabei eine
Ansprache in französischer Sprache
Jn seiner Rede lebte er uns als
brave Kameraden, die treu und mu
tig ihre Pflicht als Kämpfer für Ihr
Vaterland erfüllt hätten. Er sagte
noch, er hätte auch nur seinePilickst
seinem Lande gegenüber getan, uno
er schätzte unr- hoch, weil wir mutig
die Ehre unserer Marine gewahrt
hätte-en Und zum Schluß sprach der
Rommandant sein Bedauern dar
über aus. daß et nur dem verstor
benen Offizier die Ehre hätte ern-ei
sen lönnen, feinen Leichnam in der
Tritolore dem Wellengtab anzubre
trauen·
Als wir nuf dem englischen
Dampfer eingefchifft werden sollten·
der uns nach dem holländifchen Ha
fen zu bringen beauftragt war, gab
Kapitiin v. Müller der zuständigen
Behörde durch Inntenspruch Nach
richt, dafz gerettete franzöfifche See
leute in dem hafen eintreffen wär
den, darunter feien zwei, die ver
wundet feien. Das Ergebnis dieser
von Tritt und Umsicht Mitternan
nachrichtigung war, daß bei unferer
Ankunft die Behörden zugegen ira
ren, utn uns in Empfang zu neh
men, und daß auch die fiir den
Transport der Verwundeten erfre
derlichen Tragbnbren ani hafentai
zur Hand waren.
Und damit unfere Leute sich cui
alle Fälle legitimieren tönnten. mich
wenn das Radiograinm nicht in
Sabang empfangen wäre, bat der
Kommnndant der «(-tnden« uniersm
höchsten ien Rang, dein Mafckjinis
iteninaoten, von feiner Depeiche eine
Abschrift mitgegeben«
Soweit die Berichterfiattung der
beiden jungen Franzofen Jnt Lniife
des Abends innern fie noch lviereri
holt zu tnir,um noebnmls nan nene
ibre Beebrung und rbre tiefe Er
lenntlichleit fiir den Fregnttentntsis
tiin b. Miiller zu bekunden Ta
böchfte Lob, das diefe einiaten
Leute fiir den deutfchen Miit-nebs
fizier erdenken tonnten, giisfelie in
dein Saß: »Ja ·der ganzen deutfeien
Maeine gibt es nicht einen zweiten
folchen Kotnniandanten wie dieien
v. Müller!«
Und als die Reife uns nach Eo
lonibo fiiiyete und ich dort einein be
tannten englischen Großtaufniann
einen Freundfchnftsbefuch zu bringen
Gelegenheit hatte, intnen auch skie
eidenfahrt und die rubttireitfen
-eiftunnen der «Eniden' zur Spen
che. Jch erwähnte die Beqeifierung,
Verehrung und Dantbarteit der ne
retteten Franzoer und wiederbrlte
dein Engländer den von diefen Leu
ten gepriigten Los-sprach
Und .tvas erwiderte nun imfer
Engländed »
Selber in heller Begeifterung fiir
den Kobitiin Müller fagte er, ohne
fieb eine halbe Sekunde zu überle
gen, enit einer energischen David-ze
bördr. die Stimme halb qedänivft
vor Bewunderung: »Ach fa, einen
solchen Komnmndanten gibt es in
reiner Marine der ganzen Welt!«
Zuin Schluß fepe ich noch eine
Ieufrerunn des französifchen Mandi
nifieninnaten iiber den Kommun
danten der «Etnden« hierher
«M ich ihn jemals vieren
treffe, fei es in Frankreich oder nn
derttpo, fo werde-ich ihn toie einen
Bruder begrüßen.«
Ein Ehtmktillz aus FCKUVLIIMUT
für den Kommnnvanten v. Müller,
die Offiziete und die ganze Be
mannung der «E-nden«, worauf vie
ganze deutsche Mariae stolz sein
kann!
—
—- Om in ös. —- Leutnnnt: Nun,
Schulze, ist der hasenbrnten mich wie
der so delitni, wie der vorige?
Schulze: Befehl, here Lentnnnt,
der ist noch delitaterL «
Leutnnnt: An —»— Sie beseelen mir
recht verdächtig die Endstlbek
—- Zeitgemöße Wendung.
—- Wie war nun der IMM- von
deiner Schwiegermutter-f
—- O« die Loslöfung vom Feinde
geschah ohne Schwierigkeit! j«..