Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 22, 1915, Sonntagsblatt, Image 12

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    Die seh-le Mele.l
Roman von »Du- pecer.
(12. Fortsetung und Schlus)
Und schnell, leise, nur für sie hsri
bar.
»Ich muß Sie heute noch spre
ihen —- niuß — im Garten unten, ani
Ufer — ich werde warten.« —
Ganz herrisch llnng das, doch ihr
erschien es nur wie ein Ruf zum
Glück —- sie neigte, unmerklich fast,
den Kopf —- und was auch immer
noch in ihr dagegen stritt und sie zu
tiickreißen wollte —- sie wußte, daß
sie feinem Rufe fokgen würde.
Und dann war sie zu ihm gegan
gen.
Ohne ein Wort zu sprechen eilt,
ohne zu fragen, Erklärungen zu for
dern, hielten sie sich in den Armen —
fre schmiegte sich an ihn —- all das
tagsiiber zerrende, zweifelnde Gru
beln war ousgelöschi. ein Jubel in
ihm, vor dem alles andere zurück
wich — nur nach ihren Küssen ver
langte ihn, immer wieder fühlte sie
jeinen Mund auf dem ihrigen —- und
als sie nach Atem rang, küßte er ihre
Augen, ihr Stirn. ihren hals —
jetzt nur nicht sprechen, nichts hören
den Augenblick festhalten, das Glück
nicht von sich lassen!—
Und dann, mit einem Ruck, hielt
er sie doch von sich ai; er wollte
ihre Augen sehen, nochmals die Hin
gabe darin lesen —- und als ob
sieine Liede dadurch noch an Kraft
gewonnen. preßte er sie von neuern
«an sich und liißte sie wieder und wie
-der. —- -- —
Jn der gleichen Stunde stand an
einem Fenster des hotels ein bleicher
Mann und sah mit starren Augen
aus das Bild unter sich.
Schon den ganzen langen Tag über
Ihatte er sich mit Gedanken gequält,
die ihn erfaßt hatten, in ihm wühl
ten —- nachdern er den Brief der
Mutter an ihre Tochter gelesen. Die
urcht, daß der Augenblick gekommen
ei, er Alice verlieren könne, über
ischlich — laurn zurückgedrängt —.
ein banges Gefühl — fein Denken,
eoie oft er sich auch gesagt, daß sie
nicht von ihm gehen, ihr Wort nicht
brechen würde
« So sicher war er gewesen! Der Ge
danke, daß sie ihren Mann nicht der
gessen, seiner im stillen noch gedenke,
diese einzige Sorge war verschwun
den —- der Ruf der Mutter, der Bor
evurf file ihn hatte neue Sorgen her
susbeschroorem
Mußte nicht das Erwachen kom
men. die Erlenntnii, daß an seiner
Seite ihr Leben ein derspieltei sei -—
dasz sre noch jung war, noch Forder
ungen an das Leben hatte — andere,
größere, als mit einem Kranten ans
Mitleid in der Welt herumzureisen2
Aus Mitleid! —- War denn das
ein so großes Gefühl, daß es alle
andere aus-löschen könnte? — Gab
es nicht viel höhere, gewaltigere —»
die, wenn einmal erweckt, darüber hin- j
auswachsem sieghaft und sordernds i
Konnte er nicht selbst ein solches«
— war es nicht die Liebe, die ihn
alles hatte hinnehmen lassen, ihn«
zwang, seinerseits zu fordern, egoi-"
,stisch, ohne Mitleid, das sich auch in
ihm für die sich Opfernde hätte regen z
müssen? s
Und wieder ruhiger geworden; er
lonnte ja mit ihr sprechen, ihr fa
gen, daß sie in die Heimat zurückkehsl
ren, die Eltern besuchen würden!
s« Wie ein Geizhals suchte er —- das
Oeringste — Kleinste, was er geben
Konnte. l
Gleich naai ihrer Heimkunft von«
dein Nit: hatte er mit ihr sprechen»
ihr als- Uhristgeschent anbieten wollen,.
was er sich aitsgetlilgelt —- aber als-.
ksie von Tisch ausgestanden er schon
die Bitte auf den Lippen gehabt, ihm
eine Stunde zu schenken —- sie war
zja heute von allen Seiten in Anspruch
genommen, daß sie nicht einen Augen- (
Obliet allein sein konnte —- wae bieseel
unglückliche Doktor Möllet, der seit’
dein Morgen verschwunden gewesen,
wohl irgendwo bei den Ausgrabuw
gen gesteckt hatte, und den Gras Ek
lenbach schon als Verlorenen aus
teommeln lassen wollte, erschienen und
hatte die ganze Gesellschaft zurückge
halten.
i Feierlich, mit ernster Miene war er
ins Speisezintiner getreten, hatte,
nachdem er alle Gäste um sich ver
sammelt, einen länglichru, schwarzenl
Legenstand aus der Beusttasche gezo-!
gen, triumphierend in die Höhe gehal- «
ten und mit fast entzückteni Blick aufs
Beinen Besis gesagt: s
« «Eine Mnenienhand —- kiir vieel
JSchilling etstandenl Sehen Sie diese
Form« —
- Er hatte nicht zu Ende sprechen
können, denn während lief-tosend seine
ÆZIHUMÆ evae sei lit- :
sehe san der einle Glieder läßt
auf eine Frauenhanb schließe-. ich
schäie bat Alter her Dank-" —- einen
endlosen Vortrag hielt er, und wäh
rend rantville nur den Augenblick
sher · ehnle, mit Mär sprechen su
»tönnen, mußte er hier zuhören und
Hab und zu ein Wort sagen, um den
tDoltar nicht zu verlehem
Später lam dann der Gang nach
dem Kloster-, die Aufforderung zur
nächtlichen Messe, bag Souper —
nicht eine Minute hatte er sie fiir sich
gehabt, fast hatte es ihm geschienen,
daß sie sich absichtlich sernhielt.
, Das war etwas Frembes, Neues
für ihn. Das frühere Qualen seiner
Gedanken hatte wieder angefangen,
und als alle nachts das Hotel verlas
sen, er allein zurisiclgedlieben war,
hatte er nicht schlafen lönnen. war(
unruhig im Zimmer hin und her
gegangen.
Dann, als er das Geräusch der Zu
tiictlehrenden gehöri, war er ans Fen
fter getreten, aus dem fehnfiichtigen
Verlangen heraus, sie wenigstens nach
zu sehen.
Eilig, sich schnell verabschiedenb,
wie es ihm schien, war sie ins haus
gelaufen — er hatt-e gehorcht —- viel
lleicht lam sie noch, klopfte an und
Ifragte, wie es ihm ergehe —- gestern
Ihatte sie das getan. nach dem Ritte
»Hu dem Tempel von Karnat — Heui
jte wartete er vergebens — es blieb
sstill — ihren Schritt hörte er nicht
— sie mußte doch an seinem Zimmer
vorüber! Wo blieb sie?...
Noch immer stand er am Fenster
und blickte hinaus.
Var ihm der mandbeleuchtete Gar
ten, in dem jeder Strauch, jede Pal
Ime deutlich erkennbar war.
’ Und dann —- ivar das nicht ein«
Mensch, der dort ging, unruhig hin
»und her, wie er selbst vorher hier iin
,Zininier gegangen?
I, Ein Gebüsch verbarg die Gestalt
jeinige Selunden —- jetzt trat sie wie
der heraus in das Mondlicht —
;deutlich erlannte er Baron Trojander.
I Und jetzt — vorn Hause toinineiid,
eine zweite Gestalt, eine Frau.
? Er stöhnte laut aus —- er hatte
lAlice ertannt.
Starr blickte er auf die beiden.
Er wollte fort vorn Fenster, nichts
sehen von dein, was da vorging —
doch blieber stehen.
- Er wollte den Blick abwenden, sich
die Augen rnit den blinden bedecken
— doch er beugte sich var, feine zit
ternden Finger trainpsten sich urn den
Fensterriegel, es war ihm, als ob er
das Fenster ausreißen, laut hinunter
schreien niiisite —- und er blieb stunirn.
Ein Lauscher, ein Zuschauer, der ge
spannt auf die Entwicklung des Dra
inaj wartete.
Alles hatte er gesehen:
Wie der Mann die Frau in seine
Arme genommen, geküßt —- toie sie
dann später eng aneinandergefchniiegt
iin Garten aus und ab gegangen —
jede handbeivegung fast jeden Blick
hatte er angstvoll beobachtet
Jetzt würde sie sich von ihm tei
ßen —- ioürve nach dein hause, nach
seinem Fenster deuten —- sie mußte
sich doch erinnern. daß da oben ein
Kranter war, dein sie ihr Wort ge
geben, den sie nicht verlassen durfte!
—- Richts geschah, ruhig wanderten
die beiden aus und ub — so viel
hatten sie sich zu sagen, daß sie Zeit
und Ort zu vergessen schienen.
Endlich —- Alice suchte sich aus
den Armen ihres Begleian zu lösen
— sie lonnte sich nicht gleich befreien
—- irgend etwas, eine Svihe, eine
Schleise an ihrem Kleid hatte sich
verwickelt, daran wurde sie festgehal
ten, sie mußte das erst befreien —
ein leises Auslachen —- ioie ein Peit
schenhieb fiir den Lauschenden —
dnnn standen sie wieder eine tleine
Minute — bei beiden händen hielt
er sie, stumm sahen sie sich in die
Augen. s
Und wieder liißten sie sich —- noch
mals —- ein letztes Mal —- aber jetzt
wie zu tutsein Ahschied —- wie Men
schen, die mit sich llar sind. die ihr
Glück bestimmt haben, die wissen, daß
ihnen ein neuer, leuchtender Tag he
vorsieht.
tlnd nun — endlich — trennten sie
sich·
Alice eilte dem hause zu, einige
Minuten später solgte ihr Trojandek.
Frantville horchte nach der Tür
hin: schon hörte er ihre Schritte.
Wenn er jetzt die Tür öffnete —
zu ihr sprach, ihr sagte, daß er
wisse, was geschehen —- dasz ee alles
gesehen — daß sie ihr Wort gebro
chen, ihn verlassen wolle —- vielleicht
gewann er sie sich zurück
Er sühlte den Schlag seines het
zens bis zum halse heraus.
Ein anderer Gedanke — ein Fle
hen zum Schicksal nach Tod, nach Et
lösung: »Er-baten dich meiner —- laß
mich sterben!« —
Die Schritte Ilieenl kamen näher.
waren schon ganz nahe.
Er mer zur Tiir stärken —- Its
spät — leise llappie eine Tite, et
hörte das seist-H eines sich im
stehenden Esset-.
. spiti
s hätte et ihr tust lot
ileuIGabechleedin
W Revis-hu besiegen lassen wilrtie
—- lvelch ein Leben stand ihm bevoef
Biirde er se sen-sen können, was
eur beiiitåckerleth sägt-de nicht der
nas- ilw W
sesehenf s- VLM IN nicht servet
swetslwng bei jedem Vort, bat sie
mit einem Manne sprach, jedem slich
den sie mit einem andern tat-schief
Welche-i Wahn hatte er sich hinge
geben —- ssich in Sicherheit gerategti
nach jener leiten Aussprache ans der
Fahrt nach Alexandrien!
Nach gestern Hatte er zur gleichen
Zeit hier am Fenlier gestanden, ihre
Rückkehr von dein nächtlichen Ritte
erwartet —- mit Sehnsucht zwar. aber
auch mit Ruhe ——— init der Ruhe ei
nes, der weiß: »Sie tommt zurück zu«
dir sie ist nur aus eine Stunde von
dir sern, sie wird wieder bei dir seithi
bei dir bleiben.
Hatte sie das nicht gesagt, als sie
ihm ihre Beichte abgelegt? War da
mit nicht der letzte Funke Zweifel:
ausgelöschi, der idn immer noch gess
quält hatte, wenn sie in trüber Stirn-.
mung war —- wenn er sich ausge
malt hatte das-, tre noch an jenen an
dern zur-iteman 1
So nahe hatte er sich am Ziele ge
glaubt — nie war ihm der Gedanke
an einen Fremden, Dritten gekom
men — ihm allein würde sie sortab
gehören
Er ließ sich schwer in einen Sessel
fallen und starrte in die Ferne.
Wie gestern leuchteten die Mem-.
nonssäulen drüben in Theben im
Mondlichte herüber —- das gleiche
Bild jeden Abend, jede Nacht —- und
nach den Abenden und Nächten die
Tage, die er hinleben sollte - ohne
fie. —
Ein Grauen packte ihn —- eine
abergliiubische Angst — daß das die
Stufe sei kitk sein« Tei: han- sk·
sie nicht don ihreni Manne lot-geris
sen, ihren hilfloieii, erregten Zustand
benutzt, uin sie an sich zu tetteni
Wäre sie nicht doch zurückgekehrt in
ihr haus, hätte sich versöhnen lassen,
wäre glücklich geworden?
Und nun war sie ihm doch verlo
ren — ein Fremder hatte sie ihm ent
riMn -
Wieder kehrten seine Gedanken zi
feineni künftigen Leben zurück:
Vielleicht nur noch ein paar Jahre
— oder nur Monate —- oder Wochen
Vielleicht auch nur Tage —- aber
gab es eine Möglichkeit, auch nur
diese zu durchleben —- ollein, ohne
sie?....
Konnte er die Bilder der Nacht,
das Nahen des neuen Tages ertra
gen, jedem Morgen mit zerrisseneni
herzen entgegentreten —- iniiner nur
aiit dein einen Gedanken: »Du bist
allein, sie ist fort — ein endtofei
Trümmerfeld, ein öder Weg liegt oor
diri«
Das sollte sein Leben sein!...
Er erhob sich mühsam, schwankte
an den kleinen Tisch, der vor seinem
Bette stand. Er mußte sich festhalten
—- so schwach hatte ihn die Aufre
gang, das qualvolle Denken gemacht.
Dort stand Alicens Bild. Sein
Blick siel darauf —- eine heiße Welle
überflutete ihn. Und dann —- so
dunkel wurde es uin ihn her-«
Müde. in dehaglicher Lässigteit
sant er aus fein Bett. Wie in weiter»
Ferne sah er sein Leben vorüberzie-«
hen: Ein Brausen und Fluten wies
auf dein Meere —- ein Steigen und
Fallen —- und nun diese legte klin
gende Welle....
CI war gut — alles war gut, rote
et geschah. ..
Alice — Trojander — —- sie
würdi glücklich fein on dessen Seite
-—geborgen. —
Auch er war geborgen. Von fern
her drangen leise flutende Töne an
sein Ohr — ein träumender Vogel
— oder Musik —- nein: Alireni
Stimme« Sein Bewußtsein schwand
— noch einmal feste sein Herz. wie
ooii dein lehten Gedanken bewegt,
zain hämmernden Schlage an —
dann stand es still. Um den Mund
war ein Lächeln wie bei eineni Schla
fenden, und auf dein toten Anttii
ruhte teuchtender Friede . ..
Ende.
—- Der beste Beweis. Sie:
Hier in der Zeitung steht, daß in ei
nein Glas Wasser eine halbe Million
Bazillen enthalten sind.
Et: Ja, da siehst du, daß heutzu
tage alles überfällt ist.
— Undant ist der Welt
Lohn. Das ist der Dank von dem
Kerl! Lade ihn zur Jagd ein« und
ruhig schiebt et mit den einzigen ha
sen weg!
— Unter Bettlem Ede:
Du, Lade, komm ins-l tan an de Lit
iaßfäule, ick gtvobe, da steht ein nenet
Telegtamni dran!
Late: Lieber nich, et könnten viel
leicht Schanzskbeitet jefucht wetdent
--- Unter Streichen Unsere
Soldaten, vie Nächte durch in des
Mkenmäben lie» müssen, beneide
ich nich. Unserem-e würde det nich
susthten.
Unsere-net ers recht, denn tote oft
missen wir nachts ten Stensenjtaben
im. um uns-fide mind- is.
—- settug. Dein-den mittä
sem Du, san, mein schauest-i
nie-d hat W der Bethnqchtsninnn
aus Anstand geholt, das tft ja tu
weng mit Säsmehl Ieiiilltt
san Innp d. Dankt-Ist
Ja dem niedrigen Dadnzinisiet
mit der desska Rosenninstettapetts
U der die alten Usdel aus Kirsch
uinhplz so vorzüglich paßten. sa
ßen Tante Tenchen und Tante in
chen, wie sie in dee Familie d. en
wald genannt wurden. Sie bespra
chen eifrigst. wer non den Leawalds
in diesem plötzlich heteingebtochenen
Krieg init ins Feld zog. Und da
Tante Tonchen und Tante Finchen
mit ihrer mündlichen Aufstellung zu
Ende waren, konnten sie feststellen,
feiner-, der den alten deutschen Namen
Leuwald führte, und feiner, der mit
einem dieses Naman in verwandt
schastliche Beziehungen getreten, witt
de fehlen, nun es galt draufloszw
schlagen, nun es zu zeigen galt, daß
man wüßte, was Deutschland von
seinen Söhnen forderte. Nat einen
Namen hatte man nicht genannt. ei
nen Namen, der eigentlich nicht hätte
fehlen dürfen. Aber es war, als
scheuten die beiden Damen davor zu
rück, ihn auszusprechen als hinde ih
nen etwas die Zunge.
Es tlopfte, und ohne das Herein
der Schwestern abzuwarten, ftiirmte
ein blondej, schlanles Mädel inll
Zimmer. Das junge Gesicht strahlte
,Ach, ihr Tauten. da sikt ihr in
euerm altmodifchen Bau und derweil
friert unsere Stadt draußen seine
größten Stunden. Eben ist ein Re
gimeni ausgerückt Herrgott, war
das schön und feierlich!« Ihre Blau
augen leuchteten. »Mit Blumen ha
ben wir unsere Soldaten bewor en
und ihnen tausend ute Wünsche nach
gerufen. Ach« ihr anten, wie tönnt
ihr hier in dein stillen Zimmer hol
ten, während draußen die Wogen det
Begeisterung so hoch gehen. daß man
davon überwältigt ioird«.
Sie sanl atemlos in einen der
steifen Stühle, dessen Sitz mit grü
nem, verblichenem Nil-s betleidet war.
Jung. hlond und rosig san Marie
lene d. Leuwald da und sah die
Tanten fast vorwurföooll an.
Tante Tonchen schüttelte den Kopf.
.Marielene, du bift eigentlich alt
genug, dir die allzu impulfwen Ma
nieren abzugeivöhnem du weißt, daß
wir gewiß patriotisch sind, aber ich
meine. fiir han« Leuwalds Tochter
gebühre sich jetzt Ernst, denn. Vater
und Brüder ziehen auch in den
Krieg.«
»Gott sei Dank. Tante Ton en.
es wäre mir und ihnen wahrhatig
gräßlich zumute, wenn sie daheim
bleiben müßten. Zum Trauern und
Heulen haben deutsche Mädel jetzt
teine Zeit, und frohe Gesichter müssen
wir ihnen zeigen, ihnen, die ihr Le
ben zum Schuhe und zur Ehre des
Vaterlandez aufs Spiel seyenc
Tante Itnchen lächelte weich. ;
»Nicht so stiirmisch, Marielene»
Tante Tonchen meinte es nicht fok
aber wir Alten find schwerfälligekf
als eure Jugend«. l
Marielene niatr.
«Magst wohl recht haben, Tantet
Iinchen", und- dann fügte sie hinzu:
«Morgen muß auch Joachim fort.
er war vorhin bei uns, sich zu verab
schieden, ich denke, er wird auch bald
bei euch antreten«.
Kaum war das letzte Wort iiber
ihre Lippen, da pochte das Mädchen
und meldete: »den b. Courmont,
läßt fragen, ob er die Damen spie-!
chen darf«. i
Im nächsten Augenblick betrati
Joachim o. tioukrnont das tteine
Zimmer-, das einen so tnappen Rah
men siir seine trastig - schlanke Gar-,
desigur abgab. Er trug schon die:
seit-graue Unisorm und neigte sich
zum Kuß über die schmalen Finger
der alten Schwestern. daraus be
grüßte er Marielene mit sestem Hand
schlag und auslettchtendem Blick
Wir wollen hassen, dein Regi
ment nimmt an den Kämpfen im
Osten teii«, meinte Tante Ton-ben
nachdem sich Joachim gesetzt.
Er zuckte die Achseln.
»Glaubt es taum, trotzdem es mir-«
ossen gesagt, auch lieber wäre«.
Ueber Marielenez Stirn zog ein
Wölkchen.
«Unstnn«, entsuhr et ihr. «Feind
ist Feind, und ob du ein paar Rus
sen oder ein paar Franzosen tot
schießt, ist gieich«.
Aber Kind, Kind«, Tante Fin
chen sah mißbillisend aus die blonde»
Nichte, um deren Lippen ei wie Auf-i
ruhe lag, »du weißt doch so gutl
toie tote, daß Joachim der Sproß ei
ner uralten französischen Familie ist,
einer Resugiessamilie, die unter dem
Sonnen.önig die heimat vertieß
Sein Name ist seanzösisch und es!
rollt auch sicher noch sranziisischeil
Blut in seinen Adern und — —« «
«Um Gottes willen, Taute, höre
ans, Joachim ist genau so deutsch
wie wir Anwalt-h oder meinst du
die betrat mit drei Lentoalbschen
Morden zahlt bei den Courmonts
i i et
Yes-s m til-te sich nä» Wams
ist«-. riqu ists-me sitele
eine,Lentoaib an Großvater und
Vater-sen aber so iie nnd lieben-wert
ouen ein mits
sm« weil LmMdgscåttearrierst-iienrenisten unter-i
Oattinnen wühlten, so meinej
,ist das site die Rasse doch nicht
GWMD
s
cWas-Meile . In chreii
Augen sparen dar us W
meet 1
»Nun. wenn den Coarmonti drei
Lenipaldsche rauen nicht helfen
tannstem ganz uisch zu werden, wird
es wohl auch die vierte nicht ists-·
nen, und deihald, lieber Joachim
gebe ich die deinen Ring zariickc Sie
sog den rna aldenen Reif, den sie
als einzigen gchenurl trug. ab, und
fihn aus den Tisch legend, wandte sie
sich den beiden alten Damen zu. die
sprachlos der Szene gefolgt waren.
i «Daß Joachim sich in einer für
sdas Vaterland so hachwichiigen Stan
de an seine stanziisische Hertunst er
innert und sogar noch sranziisischeö
Blut in sich feststellt. genügt mir.
einzusehen, er ist nicht der richtige
Bräutigam für die graut-deutsche
Marielene Leuwald«.
I Sie griss nach ihrem Hut, den sie
,vorhin bei ihrem Eintritt achtlos
"auf einen hocker geworfen. «Adieu,
Tante Iinchen und Tante Tonchem
doch nein, adieu sagt man nicht mehr
und »Mit Gott« tlingi auch tausend
nml schöner. Also mit Gott! Und
das »Mit Gott«', Joachim, gilt auch
dir und noch eins:
I «Solltest du einmal dahinter kom
men, daß deine dunklen Augen und
dein duntles Haar nach lange leinen
Franzosen machen, denn das gibt es
auch hier und überall. dann lannit du
)mir’s mitteilen, salls dir Marielene
iLeuwald jemals ernstlich etwas ge
Fgolten«. Damit war sie zur Tür
shinauT ««- s-- . »U
Stumm sahen sich die Schwestern
an, aber sie außer-ten teine Silbe,
nnd Joachim Courmont nahm bald
Abschied
Sein Gesicht war blaß, aber un
sagbar kühl, und seine Lippen lagen
ssest anseinandergepreßt, als er seiner
Wohnung zuschritt
- Konnte er denn dafür, daß die
JWiege der Vorfahren jenseits der Vo
gesen gestanden, nnd daß er das
Blut des alten Geschlechtes noch im
mer in sich spürte? —- — —
Leb« wohl, Marieiene Leuwald,
ein schöner Traum ging allzusriih
zu Ende. — —- —
Ein so eigenes Gefühl beschlich ihn
bei dem Gedanken, nun gegen die
Menschen des Landes« das die Väter
heimat genannt, das Schwert zücken
zu müssen — ein ganz sonderbares
Gefühl. —- Wie ein Alp legte es sich
aus Joachim Courmonts Brust, da
er darüber nachgriibelte, und »Fort
larg saß er bei den Kameraden. »
heiße Tage solgten. Joachim Tour
montj Regiment war eins der ersten,
die quer durch Brigien zogen, nndz
es blieb ihm im Schlachtgetose nicht.
viel Zeit, an die blonde Marielenes
zu denten. Nur zuweilen, wenn er;
desleends müde umsant, war es ihm,;
als packe ihn Heimweh nach dem Man-!
den Mädel, das sein Weib werdenj
sollte, und das ibm seinen Ring znl
rückgegebern weil er —————
Ja, weshalb eigentlich?
Er war deutscher Offi·3ier und
dachte leine Selunde lang daran, ir-»
gend etwas zu tun« was sich nicht
mit der Ehre seines Standes ver
trug, aber wer durste ihn verdammen,
weil in ihm, dem Enkel, noch etwas
von den Ideen lebte, die einst der
Ahnherr gedacht.
Durch Belgien betraten die deut
schen heere französischen Boden nnd
der Sieg hestete sich an die deutschen
Fahnen, dasz sie sich siotz im Winde
blöhten nnd srendig ansslattierten in
bestied· tem Triumph.
Jn Joachim Couemont aber war
eine Wandlung vorgegangen, seit er
dein ersten Franzosen entgegenge
stiirmt. Nicht eine Sekunde lang
hatte er dabei seiner Herinnst ge
dacht. Ja, war ei denn nur törichte
Eitelteit gewesen, die ihn die Erin
nerung daran hatte pflegen tassent
Mit einem gewissen Staunen, in
das sich Verachtung mischte, blickte er
aus die meist schwächlich wirtenden
ranzosem und er empfand mit
tolz seine große, breite Gestalt.
Der Franzosen Art nnd Wesen stie
ßen ihn ab, und sein eigener Name
sing an, ihn wie eine Last zu
drücken. — —- —
Eines Tages marschierte Joachan,l
etwas hinter seinem Regiment zurück
geblieben, an der Spitze feiner Rom
pagnie durch ein lleines französisches
Städtchen. Die Bewohner hatten sich
beim Rohen der geiürehteten Deut
schen in ihre häutet zurückgezogem
Joachim spähte umher, man durfte
niemals var Kugeln ans dem hin
terhalte sicher fein.
Aber alles schien sich, wie der(
Bürgermeister des Ortes versichert
hatte, ruhig zu »crdalten.
Gans am Ende des Städtchens be
fand sich ein kleines altes han«-, es
hatte etwas Vornehmes, fah aus wie
eine zurückhaltende ariftotratische
Greilin Ueber der halzgeichnitztew
dunklen Eingan tttir fah man an
Wappen. Joachpn strikte
tvei getrenste Schwerter «
as war ja das Wappen der
Canrmants, das war ja das Wap
pen seiner Familie.
Er erinnerte sieh, gehört zu haben.
alte Ema-mont- hätten Frankreich
um Ladung dem vie-zehnten knchel
verlassen, und nachdenklich betrachtete
er das alte, von Wind und Wetter
grau gewordene Dani. Piöillch
drückten die Manns-haften weit nach
links biniiber. ein scharser Knail
hatte sie .
Joacfinr Wut sprang vor, da
los eine Bombe Initten im Weg, eine
Umbe, die, Gott sei Dank, nicht
lexplodiert war
Wie eine Welle, die dem Usee zu
«steebt, so siiirzten sich bie Soldaten
aus ba- Doas zu. iiber dem die zwei
getreu-ten Sei-werter prangten. Die
Holztür war eins, zwei, drei aus
ben Angein gehoben und durch den
schmalen Flur ergoß sich die Schar.
TVoran Joachim Tour-mont. Doch
alle Zimmer schienen leer. Eben be
»trat man ein hübsches dunkelgetöntes
»Gemach, und Joachim wnr es, als
Ibewege sich die Tür eines breiten
Garderobeschranle5. Mit einem Satz
war er dort. Der Schlüssel steckte
Taber troßdem war er nicht zuge
jschlossern Schwer ging vie Tür auf
»sehr schwer-. und Joachim vermeinte
von innen ein leises Geräusch zu ver
snebrnem wie wenn Nägel, die sich fest
jzulmlten suchen, brechen.
J Langsam gingen endlich die breiten
;Fliigeltitren aus. Ein Geruch von ein
Jgelampserten Meinungsstiiaen ström
te Joachim entgegen, und ein paar
Soldaten lachten: «Pfui, Motten
;pulver!«
I Joachimö Augen aber hatten zwi
zschen den,vielen und eng aneinan
sdergepreßten Kleidungöstiicken etwas
erspäht, was ihn für einen Moment
zusammenzucken ließ. Eine alte
Hadernburchsurchte Männerbond, die
.»ben Kolben ls i es Regizlvers um
HWM·ZM.·«SJFI wollte er die
Kleider, hinter denen sich der Mensch
verbarg, beiseite reißen, wollte seinen
Leuten ein Zeickrn geben, da stutzte
er, am vierten Finger der Hand sah
er einen breiten Wappenring —- und
im Wappen die zwei getreuzten
Zchwerter der 6,ourinonts.
Ein karger-» schweres Nachdenlen,
ein Aussirassen der hohen Gestalt, nnd
Joachim Conrmont schlug die Türen
des Schranles zu.
»Ihr habt recht, ed riecht schmis
lich nach Moltenpulder2«
Er tat, als drehte er den Schlüs
sel nach rechtz, aber es war nur eine
blinde Bewegung, die Schranltllr
blieb ossen, wie sie gewesen.
»Schnell, schnell, wir lönnen unt
hier nicht länger anshalten«, rief er,
»die hinterlistigen Bombenwerser wer
den sich längst durch irgendein Seiten
glirtchen in Sicherheit gebracht ha
n.«
.Na, ei wäre ihnen auch schlecht
gegangen. wenn wir sie erwischt hät
ten«, brummte einer mit riesigen
Fäusten.
Joachim aber verließ überhastig
das hart-, an dem sein eigenes Wap
pen eingemeiszelt war, das ihm aber
iekt so fremd, so entsehlich sremd
diinlte.
Sein Kopf hob sich stolz. Er hatte
nichts gemein mit elenden Menchels
minderm und ihm war es, als sei
tein Name fortan ein schwere-, ei
sernei Gewand, das ihn erdriicken
müsse. Und dennoch, die welle, von
hochgetriebenen Adern durchrissene
alte hand hatte sein herz zugunsten
des Mitleids entscheiden lassen. Ein
mal, weil der, dem diese Hand ge
hörte, in einem Alter stehen mußte
in dem ihm wohl laum nach viel Le
benszeit zu neuen Niederträchtigteiten
blieb. nnd dann —- nun dann —
Vordiiter waren wohl einmal Bril
der gewesen, und solange er selbst
den Namen Courtnont trug, wollte
er ibn nicht der Verachtung aussetzen
Hossentlich aber trug er ihn nicht
mehr lange, denn ein Plan erwachte
plöhlich in ihm und nnhm immer
stärker umrissene Gestalt an. Froh
und zufrieden stimmte ihn dieser
Plan und ihm war ed, als nickte ihm
die blonde Marielene zu und streck
ten Tlch ihm ihre schlanten Arme ver
söhnend entgegen.
Eine Woche später stiirtnte die
blonde Marielene Leuwald wieder in
das altnivdische Tantenzimmee mit
der Rosentauete und den Kirschbrnmi
dolzmöbeln Jhr Gesicht war glücke
heisz und ihre Augen lachten.
»Ihr Tauten. ich bringe eine schö
ne Botschaft! Joachim hat mir ge
schrieben, er wisse setzt ganz genau,
daß nicht das lleinste Tröpschen srnns
zösischen Blutes mehr in ilnn sei, ganz
genau wisse er das, den blonden
Leuwaldschen Frauen gebühre dasiik
aber Dant, und wenn er wieder heim
lehrt, dann will er Se. Maiestiit bit
ten, den Namen Eourcnont gut deutsch
in hosberg wandeln zu dürsenl Ach
ilsr Tauten, das tlingt doch anders
—- so gesund und marlig—·.« Sie
kecktk jubelnd die Arme hoch. Juckt
sei Dant, dasz er's nun weiß, wie
durch und durch deutsch er ist, mein
Joachim, Gott sei Dant. daß er sich
nun völlig dariiber llar geworden,
ich —- ach ich wußte und sühlte es ja
längst, sonst hätte ich ihn sa nie, nie
mals lieben lönnen«.
Goldene Abendsonne siel durch die
halb sugezogenen Vorbiinge und biillte
das dlpnde Mädel in einen schien
mernden Strahlenmanteb
Die beiden alten Damen nisten
sich lächelnd zu und Tante Finchen
meinte, die schmalen Dände faltend
«Ja, ed ist doch etwas Wunderschös
nes um das Deutschseieh das einp
sindet man erst ff recht immer und
tief in dieser chtveren, vielleicht
schwersten Zeit siie Deutschlands