Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 22, 1915, Sonntagsblatt, Image 10

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    sie sind-.
Von A. de Nara.
Wie befindet er sich heutek fragte
der Chef den diensttnenden Assisten
ten. während sie die Treppe zum er
sten Stockwerk hinausschrittm
»Wie immer", erwiderte der jnnge
Dotier. »Die Temperatur ist mäßig»
erhöht, der Pnls wechselt, das Herzs
arbeitet noch gut. Der Hastenrei34
aber nnd die Blutung hören nichts
aus, und werden auch kaum enden.
ehe . . .«
»Und die Angeli« (
»Ich habe das Mintgenliild hier-« -
·Starte Schmerzen?« ;
.Jedensalls. Nur ist nichts ansl
ihin herauszubringen- Ohne die
Zuckungen seines Gesichts und sein
leises Stöhnen, wenn er sich unt-each
tet wähnt, wiiszten wir kaum, ob er
leidet.«
«Er liegt also fortwährend in der
selben Apathie oder — Antipathie
wie seit acht Tageni«
»Ja derselben Stumpsheit, Herr
Oderstabsarzt. Oessnet er die An
gen, dann geschieht ej nur« um uns
sonderbar anzusehen nnd dann stun
kdenlang gegen die Decke des Zim
mers zu starren.«
Sie waren var diesem Zimmer an
gelangt und traten ein. Es sah srisch
und appetitlich aus wie ein Jungfer
stübchen. LBlanitveiße Wände mit
guten Stichen in Kirschbaumrahinem
Musselinvorhönge und trog der Jah
reszeit ein paar blühende Gernnien
an den Fenstern. Blitzsauber die Mö
bel, blitzsauber die Diele. Aus einein
Tischchen, woran die Rote - Kreuz
Schwester hantierte, summte sogar ein
Samen-an
Professor Droftenberg der von der
Klinit weg an die Frant berufen und
zum Leiter des Etappenlazarettts in
S ernannt worden war, hatte
aus einer fchtnukigen französischen
Schule dieses freundliche moderne
Krankenhaus geschaffen, mitten in
Feindesland und Kriegsgeioirrr. Nur
Schwerverwundete lagen darin
Der in dein Stäbchen litt an einem
Schuß durch die Lunge und schwebte
zwischen Leben und Tod. Ein fun
ger französischer Leutnant vom 169.
Linien - Jnfanterie - Regiment. gu
ter Leute Kind, mit gepflegt-n Han
den und dein bartlofen Gesicht einer
Rasse, die Tradition besitzt. Uebri
gens war das Gesicht blaß. entblutet,
fast transparent, und von etwas rat
elhaft Starreni, Düfterm verzehrt,
das nicht Schmerz schien, nicht Hun
ger. nicht Schwäche
Er lag ruhig auf den weißen stif
fen, rnit geschlossenen Augen. Sie
öffneten fich nicht, als die Aerzte
eintraten.
Der Professor nah-n seine Hand.
erft wie zum Gruß —- dnnn, da sie
regungslos blieb« zum Iühlen des
Pulse-, und fragte —- deutsch: »Wie
geht es Ihnen, Herr Leutnant?« —
Zteine Antwort
Troftenberg wiederholte lrie Frage
französisch. -Leise lächelnd. Denn es
toar das alte Spiel seit Wochen:
Alle oerwundeten Feinde verstanden
nicht Deutsch« oder —- wollten es
nicht verftehen Erwarteten, daß diese
Barbaren ihre Sprache sprachen, und
ärgerten sich dann doch heimlich,
wenn die Erwartung so wenig ent
iHufcht wurde. Unter zehn Deutschen
traf rnan sicher einen, der Französisch
redete, unter tausend Franzosen taunt
zehn, die Deutsch-zu sprechen wuß
ten. «Deutsch s-— Preußischi —
diefe Pferdefprachei ...« Aber
auch die Mutterlaute öffneten des
Krunlen Lippen nicht. Nicht seine
Lippen, nicht feine Lider, und nicht
die zur Faust getrüntniten Finger
feiner Hände.
Da machten sich die Aetzte ohne
weiteres rat-an, ihn zu untersuchen
Ganz zart und doch energisch, krie
man ein Kind bet)andelt, seine cha
nen übersehend. Der Franzoie ließ
es geschehen
Die Einschußwunde, ein kleines
bieistiftrundeg Loch aus dem Rücken,
dicht unter der rechten Schutter, war
schon fast geheilt. Die Kugel jedoch
war in der Brust vorn stecken geblie:
ben, in ver Lunge nahe den Rippen,
und reizte bei jedem Atemzug heftig
zum Huften und zum Bluten nach in
nen.
Der Professor hatte ihn wieder auf
das Lager zurüagelegt und betrach
tete nun eine Weile aufmerksam das
Antlis des Kranken.
Was verschloß die Tür dieser See
le? Seitdem ihn deutsche Soldaten
vom Schlachtfeld hierher gebracks.
lag diese Maske iiber denI jun en Ge
sicht, lästete fieh nie, erhellte ich mit
keinem Schitn des Dantec, der
hoffnung, bl Kalt and undurch
dringlich wie dickei Eis über einem
brütenden Stern-. War es geistige
Nacht, die darunter hütete, der
Wahnsinn des Kriege-, dein in diesen
mörderischen Schlachten schon man-·
chei weiche, widerstand-Bloß Gehirn
etleaen wart Noch nie te der(
Jzertpundete gelächatt, nie Worts
gesprochen Es ais eine or- solch;
tiefer Melan-hold dieses W« in
nere Mastsetn m
i
«ch«««.« m'i
Verssiirtheit, sondern ein seltsam har
ter glosender Blick. wie erfiilit von
einer tiefen sresfenden Glut. die webt
wußte, wer sie schütte. Der Daßi
Vielleicht! Der junge seindliche Of
sizier wäre nicht der erste gewesen, in
dessen Wegen Drostenberg den Haß
hätte brennen sehen. — Und doch!
Auch dasiir stimmte niO alles in
dem Bilde-. .
Allein aus den Gr. des Brun
nens hinunter zu tschem dazu ge
hörte Zeit — und seit gab es hier
nicht. Gab es is Ufern Falle schon
gar nicht, denn · ging utns Leben»
So entschlosz sich der ProfessorJ
die Eröffnung kurz zu machen, die»
notwendig war. »Wir rniissen one-;
rieren, Herr Leutnant. Verstenew
Siei Die Kugel inqu entfernt wer-:
M.Q :
, Der Leutnant öffnete die Augen.’
»Dieetnat ließ sich's nicht oertennen,?
sdafz ihr Strahl seindselig und daß-i
erbittert war. Und er zischte auch
Lnur zwischen seinen zusammengebisses
nen Zähnen hervor: »Im-mirs Jch
verweigere jede Behandlung durch mei
ne Feindes·
Wieder flatterte das ironische Lö
cheln um Drostendergs Mund. aber
er ließ es irn Keime erlöschen. »Wir
sind teine Feinde, Monsieur«, sprach
er ruhig, »wir sind Gegner. Sobald
der Gegner« ohne Waffen vor uns
liegt, sind wir selber entwafsnet. Er
ift nur tnehr Mensch siir uns, ein
armer brüderlicher Kamerad, dem
geholfen werden muß. Redet er
Französisch, Englisch, Deutsch-i Wir
hören es nicht. Das Herz tennt nur
eine Sprache: das Mitleid!«
.Sie tragen die Unisortn, Herr, die
ich verabscheue, die ich hasse ...«
»Wir tragen den weißen Mantel
des Arztes darüber. Wissen Sie.
daß unter ihm auch alles verschwin
det, was sich Haß nennt?«
Der Krante erwiderte nichts. Der»
Professor wiederholte seine Eröff-;
nung und fügte hinzu: »Wir one-s
trieretn weil Sie —- sonst sterben!
müßten. her Leutnant.« !
«Parsaiternent!« tarn es hinter dens
weißen Lippen hervor; aber zur sel«
den Sekunde färbten sie sich so rot,
,alö sie noch tonnten, ein Schimmer.
ivkm Blut schoß in die Wangen die
fStirn« und das Auge begann glan-!
szend zu werden wie Schnee, wenn
Lihn der Föhn tiiszt.
! Der Professor sah, daß hier aus
J detn Brunnen das eins-erstieg, was er
’suchte, daß eine Rinde zu schmelzen
J begann, die fest gefroren erschien, und
er war gesonnen, den Moment nicht
zu verpassen. Er winlte seinem jun
gen Begteiter, sich zu entfernen, und
irief der Schwester einige stanzösische
sWorte zu. Sie verstand ihn nicht
Hund arbeitete ohne aufzublicken wei
ter. Der Franzose aber verstand uin
so besser, was dies bedeuten sollte,
und zurn ersten Male löste sich die
Larve seiner Juge· Er empfand
oen Tatt und die Zartheit des Pro
sessors angenehm, nnd das Band, das
alle Menschen einer gewissen Kultur
stufe miteinander verbindet, zog thn
leise zu dem Arzte herüber.
Dieser dagegen wußte sehr gut,
daß man tommenben Entschtiissen
Brücken bauen muß, wenn sie dem
bestimmten Wege solgen sollen. Für
ein »Niemcrlg« gibt es teinen anderen
Rückzugstveg als einen noch stärteren
Befehl. »Die Frage entscheide hier
ichs« sprach Drostenberg mit einer
sast brüsten Bestimmtheit. «Sie wer
den sich fügen müssen!« Nochnral
zuate der Haß in den Blicken des
Franzosen aus: er richtete sich steil
und schnell von den Kissen empor nnd
wollte ein Zornwort schlmverm da
erfaßte ihn unvermittett, jäh sein hef
tigster husten. und Mut quoll aus
dein Munde hervor. Ali der Ansall
vorüber war, Arzt und Schwester den
Ermatteten wieder zur Ruhe gebettet
»und gut gelagert hatten, ergriff bie
warnte Hand des Deutschen« sanst
seine tiibte, und streichelte sie. »To
richter Junge! Es stirbt sich nicht
so leicht! Das Leben ist ein Geschent,
das man in Ihrem Alter immer noch
annzbnien dars. Glauben Sie ei
ietit «
Matte Wimpern erhoben sich wie
Plumpe Vögel aus dem Moor. »Aber
— es steht nicht in Ihrer Macht —
das Leben —- -—-«
Die zarten Anobenwongen liber
slog abermals jene erste verräterische
Röte. Und Drostenheeg dachte: Die
also seine tiefste Mundes Den Tod
fürchtet der Junge? Das Sterben
wird ihm schwer, weil ihm vielleicht
das Leben zu leicht war?
Cis schien, als hätte der Junge
seine Gedanken erraten. »Ich würde
Ihr Geschenk übrigens nur anneh
men, um es wegzulversen.'« Jn deinl
Antliy des Prosessors sah er einen
sast verletzenden Zweifel. Da bäum
te sich ein sieghuster Stolz in ihm
aus« der ihn schön und doch kindlich
erscheinen ließ. »Ein D’Aleinbourg
liigt nicht! Sie sollen nun den Be
weis süe meine Worte heiterm
.Strengt es Sie nieht anf«
Der Leutnant zuckte die Achseln
und begann, ohne den anderen anzu
sehen. Er starrte zur Decke empor
und Leuchte seine Worte himml. its-h
weistz abget- ssen, wie der Dampf ei
ner Les-müde m dee Abscheu
M name qui einer alten Soc
datensthh Mein Vater hat 1870
sgegen enq seidene-in mein Ue roh
vater Ists. Dir hetiinepsen, v e —
ed
hassen euch, seit ich denke. Und als
dieser Krieg ausbrach. bin ich ass
geriicki wie einer, der eine Schuld
einzulnssieren hat. Die Schuld des
Sieges, unt den wir uns zweimal
hatten betrügen lassen. Ah, aber
diesmal solltet ihr unt nicht wieder
werfen durch eure brutnte Ueber
rnacht, eure Stierlrästel Wir waren
auch stark, nnd wir waren mehr!
Da fielen diese ersten Schluchten
Jhr hattet den Vorsprung gewonneni
wart in Frankreich eingedrungen wies
Wölfe in eine Schasherde und triedi
unsere armen Avantgarden vor euch
htt. Sacke nrm de Dieul Es
war Zufall, Ueberrumpelung, eine
eielhaste Laune des Kriegsgottes.
der — ever weis-, — gerade betrunken
war —, aber wir. die wir nachrüelst
ten. wollten ihn schon erniichtern!«
Mein Regirnent tain am 20. August
in die Schlacht Hatte Befehl, eine
Höhe zu nehmen. die eure Artilletie
wütend beschoß, und an der schon eine
ganze Division zusammenfiel-rochen
war. Es schien ehrenvoll und bedeu
tend. Wir gingen iin Sturmschritt
vor. Jn eine hätte Eisenregen in
der Lust, der Boden wie ein See bro
delnd vom Auswiihlen der Gen-rotem
und als wir auf halbem Wege wo
ten, sluteien uns von der Kappe
herab die ausgelöst-en Batoillone un
serer Kameraden entgegen. die in wil
der Flucht zurückdrängten. Sauve
qui peut! Les sales Prussienzl Les
lions de Bavicsrel Ich hatte meinen
Degen gezogen und rief ihnen zu,
stehen zu bleiben; da flogen schon die
Rugelsanten eurer Maschinengeivehre
in unsere Reihen, wie wenn man
Körner streut. Und ich hörte das
Gebrüll eurer Soldaten, die mit um
gekehrten Gen-ehren hinterher stürm
ren, gleich toll gewordenen Teu
feln. Und, sehen Sie, da — die
Leute neben rnir schrien auf, fiele-n
kehrten um, liesen — liefen! Offi-?
ziere, Mannschaften, Räder, Pferde
— alles in rosendern Rennen zurück!
—- Da rissen diese verdammten Ner-«
den, —- die ich noch mehr hasse als
euch —- da rissen sie wie Saiten
schlechter Geigen, und —- rissen mich
mit! Jn den Strudel hinein, in die
Fluchci — Ju die Fluche O ich
Feigling, der Sohn und Enkel don.
Generalem bin geflohen, ehe ich einen!
Feind erblickt hatte! Von rückwärts.
traf rnich die Kugel, die Sie obern-T
ren wollen —- don rückwärts —- der-J
stehen Sie nim? Wissen Sie nun,;
was ihr Geschenl für mich bedeutetis
Nicht Leben, um es zu leben, — son
dern Gnade, um es reinzuwaschen
von seiner Schande! Nur so nehme
ich es an! Ich will zurück zur Ar-.
mee, um nochnml gegen euch zu tätnpss
sen, hören Sie? JE-, will nur unten
dieser Bedingung leben, gesund wer
den, und — nun steht bei Ihnen,
dem Feinde, die Endscheidung.
Ohne die Ehre — den Tod...!·
Der Unglückliche hatte diese Selbst
antlage zuletzt nur mehr stockend und
hauchend von den Lippen gebracht,
und sie war onr Ende wie ein
schrecllichez Selbstgespräch eines
Wahnsinnigen gewesen. Jetzt schwieg
er erschöpft und erschüttert stille, nnd
seine Augen suchten langsam, scheu«
fast hoffnungslos die Augen des Arz
Us
Droftenbergs Finger umschlossen
die seinen Knochel des Jungen wie
eine Vaterhand. Er wußte nun, an
welcher Wunde dieses Leben lautlos
nach innen oerblutete, und — rnit
welchen Mitteln es zu retten war.
Sollte er dein armen gequälten Her
zen hier die lehte Freude rauben, die
es mitnehmen durfte aus der Welt
seiner Träume in -- oielleicht den
ewigen Traun-? Denn die Opera
tion war schwer und gesahrooll, noch
schwerer und gefährlicher alt die
Schlacht gewefen sollte «er ihn
auch hier nochmal seige werden las-'
sent Jn wilder Selbstzersleischung
hatte Diese Seele sich heute zu einer
Hoffnung durchgerungen, seltsnm
tindisch und doch scheinbar start ge
nug, um jene Konflikte zu lösen —
svllte er sie enttäuschen? Tag herois
sche Lpser ablehnen, das der junge
held seiner Ehre und seinem Vater
lande schuldig zu sein glaubte, um
rein und glücklich zu werdens
Der Kleine hing jetzt an seinem
Munde wie ein Verbrecher am Mun
de seines Richters.
·Gut! Ich will Sie Jhrer Ehre
zurückgeben, mein Kind! Wenn ich
Sie rette,.inögen Sie mit Ihrem Le
ben tun, was Sie wollen!«
Da ging über das Gesicht des Lei
denden zum ersten Meile ein ganz
neuer froher und gläubiger Schim
mer, und er sie! in einem Rausch
vpn Glück in die Kissen nieder, aus
jenen er sich emporgebeugt.
Zwei Stunden später war er tot.
Deutsche Soldaten salutierten sei
nen Sarg, als läge ein Sieger
darin·
—- Ialsch ausgesaßt Meh
tee (zu einem Zollbeamter-, we
Mit mehreren Kollegen eingeklagt si
treteVjirsjsehsasuggeluIhr von Herren Ei
duldet zu habe-if Ast-Kollege
uns eben schone "lt, beset
den Kaufleuten eher-k- co. Geld
Ein l I
LIMIT- MM m
I set-· »M; W ttt el
toter
sind-.
Aus den Kämpfen ern der Vonefcngrens
ze Von F. M. Lanf.
Die jungen Aethe des Feldlqsas
rette in dem zerfcheffenen Vogefeni
dorf hatten reichliche Arbeit gehabt.
Bis in die fchnell hereindrechende
Winternacht war in den Schienenng
ten — keine viertausend Meter vom
Lazarett — gelämpft worden« und
Wogen undjröger hatten die Opfer
des heißen Ringens In ununterbro
chenen Ziinen herangewacht Junge-.
prächtige Kerls eines Reserve-Botenl
1rntl waren ei. denen beim Sturm
auf die nächste feindliche Stellung
Schrapnells und Mofchinengewehre
hart zugefeyt hatten.
Jn der geräumigen Sakristei der
vom Feuer verschont gebliebenen
Tvrftirche roch es nach Blut und
Karl-ol. Der Chefarzt und feine Af
fsftenten hatten darin die dringendsten
Operationen vorgenommen Zerfecte
Glieder waren befeitigt, hinter der
Front angelegte Berhiinde waren
durch neue, lunftgerechte erfeit wor
ten.
Nun lagen die tapferen Burschen
im Schiff der Kirche auf dicken Ma
trayen und federnden Feldbetten.
Ganz still nnd friedfnrn war es zwi
schen den Pfeiiern des hohen Rast
mes. Nur dann und wann das leise
Stöhnen der Leidenden, die eiligen
Schritt der Schwestern, die beim spär
lichen Licht der wenigen Lampen ihr
Liebeswut toten.
Die Aerzie vom Dienst hatten e·
sich nach dem Fortgang des Chess de
haglich gemacht. Stühle und Tische
waren ans den zerschossenen Bauern
häusern herangeschleppt worden, und
dünnes Vogesenbier stand in reich
licher Menge zur Verfügung.
Man plauderte zusammen, ein we
nig müde und stan, von dem mig
nigdollen Tage und seiner Arbeit.
«Ne tolle Sache, so schneiden nnd
sagen zu müssen, aus Tod und Le
ben. Das hats ich mir auch nicht
träumen lassen, als ich vor eine-a
Jahr mit Weh nnd Ach das Examea
passierte. . . .«
«Sie haben es aber samos geldnn:,
Kollege. trds ihrer teuflischen Narbe
am Arm. Ein Wunder, dasz Sie
nach diesem Schmisz nicht steis geblie
ben sind.«
Der Angeredete streiste anwillliir
lich den Arrmel des weißen Opera
tionstittels aus nnd sahe mit der
Linken tider die alte Wunde. Ein
tieser, dunielroter Graben zog sieh
vom Ellenbogen bis an das handgr
lent hinab, wo er in einem kurzen
Streifen verlies.
Die anderen priisten mit Kenner
lslirl den Arm.
«Vermutlich Säbelwnnde mit dop
pelter Fraitur.«
»Richtig, die Diagnose stimmt! Ne
Säbelinensur slue sit-es bis zu:
Karnpsunsiihigieit.«
»Ja Tiibinaen?«
»Nein, sriiher, in heidelderg. Die
Sache hat damals einigen Staub anl
gewirdelt·«
Der Sprecher griss nach der Fla
sche, die unter dem gotischen Betpnlt
stand, und schenkte die Gläser von
neuem voll.
»Sie denlen natürlich, ein Mädel
stecie dahinter, das stimmt aber nich
Der Fall ist wirklich viel trauriger.
Erst heute, als der kleine Neservist
mit dem Armschuß seinen sehn-erspri
loundeten Kameraden einbrachte nnd
immerfort jammerte, sein Freund
werde wohl sterben müssen, ist mir die
alte Geschichte wieder eingefallen-«
»Das man sie hiiren?«
»Warum nichti Viel zu erzählen
gibt es da nicht. Jn Vetdelberg, wo
ich die ersten tlinischen Jahre ver
brachte, tras ich mit einem alten
ccyuifreuno toreber zusammen. Meut
Jnhre Pennal und die ersten Seme
ster in Leipzig waren wir treulich
beisammen, obwohl er ein Leichtfufz
und Draufgiinger und ich ein imme:
etwas bedächtiger Bursche war. Sein
leidenschaftliches Wesen gefiel mir,
weil es mir fehlte. Als er mich Heis
delberg lam, war er fchen schmähliklz
deriudert. Jeder Schürze lief er nach,
in allen Kneipen war er zu finden
Bnld fehlte ihm Geld, er macht-:
Schulden. Ich half ihm, bis auch
meine geringen Mittel erfchöpft wu
ren. Da gab es eines Tages eine
widerwärtige Szene vor Zeugen. E-.
war betrunken· Beleidigungen fielen
wie hageltörner über rnich her —
na ja, und«fo tarnI zur Mensur.
Zur schweren sogar, weil er mir
Treubrueb und Unredlichleit vorwarf.
Die Wunde nrn Arm verheilte nam
einigen Wochen, das Ende d«
Freundschaft hab' ich dagegen nicht
leicht überwinden lönnen. Ich bin
nun einmal so ein altmodifcher
Mensch.«
»Was ift nu- dern herrn gewer
den?«
»Das weiß der Himmel. Ich hörte
nur, daß er fein Studium auf egeben
und durchgebrannt sei. Getrieben
vielleicht und verdarben, wie es im
Lied beist.».«
Auf der sei-mutigen Dorfstrnße vor
·ber Kirche teurden fliifternde Stim
men laut. durch die Ienfier der
Sakristei too die Aerste plauderten
drang der Schein mehrerer Pindus
ter, in deren Glanz die speise Fahne
mit des Purpurtreuz flatterte.
Ein neuer Transport mit Verwun
teten iras ein«
Die Zerzle eilten an ihre Pliihr.
Die Schwestern richteten weitere La
ger her
Auf schmalen Bahren, vom-kran
lenpslegern sorgsam getragen, kamen
dir neuen Krieg-opfre an. Schwer
verwundete mir totenhlaiien Gesich
tern nnd starren Augen. Auch ein
paar leichtere Kranle schlossen zu
Fuß sich dem Zug an.
Jn den Vogesen nahe der Grenze
war in der Nacht nochmals getämpst
worden. Beim Flammen der Leach
raieten, unterstiipt vom sicheren Feuer
rer Bergariilterie, hatte der Feind
einen lrastigen Vorsioß versucht. Man
mußte es ihnen lassen: Die Chai
sean Ali-ins verstanden sich aus den
Gehirgstrieg Jede Deckung henucs
send, sasr unsichtbar durch ihre
schwarzblauen Unisormen, waren sie
bis an die Drahtverhaue der deut
schen Linien herangetommen. Da
aber solgte die Antwort. Ein mör
derisches Feuer schlug den Eindrings
lingen entgegen. ,Die deutschen Ma
schinengewehre taten vernichtende Ar
beit. Mit Duera ging es heraus ans
den Gräben nnd an die Franzosen,
die dem Anprall nicht standhalten
rannten. Reihen-mise, wie halrne un
irr den Sensen, brach die seindliche
Linie zusammen. Ein währte-Fliehen
begann. Hals iider Kaps, immer hin
ein in die Nacht, die Höhe hinab und
ins Tal, dis schließlich die deutsch-n
Hörner zum Sammeln bliesen·
sent warteten oie Lpser des nacht
lichen Ueverfalls in der Furche aus
hilsr. Dir waren zwei Brüder, tra;
rige elsiissische Burschen, die ein seitw.
licheii bchriipnell zur gleichen Zeii
genossen hatte· Den einen schwer in
ten Kopf- den andern leichter aiii
SchenteL Auch Lungenschiisse unt
Unterleibsiviinden brachten die tol
niatten linmpser mit.
Die Aetzte waren in voller Tätig
:eit. Schon lagen die ersten Leut-«
sorgsam verbunden, in iaiiveren Bet
ten. Unter den alten Deiligeiidilderii
ruhten sie, die von den Wunden iind
aus den Ylischen niil sromiiien Augen
in die Zerstörung blickten.
Ein neuer Beiioundeter wurde in
den Operationeriiuiii gebracht. txt
wrir ein schlanter, stslonder Mensch
Ende der zwanzin Jahre mit efifekii
ilugen, sent sreiiich start entstellteii
Gesicht· ein Griiniitstiiit hatte ihiii
las rechte Bein hart uber dein Knie
zerschmettert Ein Stöhnen unr
irtliinrnern teirii iiber die blutleeren,
halbgeössneteii Lippen. Die blauen
Augen brannten iin Fieber.
Die Aerzte triiten herna, uin nist
hier ihr Rettung-sinnt zu versuchen.
Plötzlich guckte der eine von ihnen
zusammen. Jn säheni Erteiinen
beugte er fch iiber dirs Antlitz de
Wunden und starrte ihn sassurigsloe
fin.
.Fehlt Jhnen etwas, Kollegi? Sie
zittern in on allen Gliedern-«
»Mir nicht, aber dieser dir« — e:
trie- aus den vor ihm liegenden Kör
per —- ,.dieser dii war nein, txt
mein Freund, von dein ich Jhiieii
vorhin erzählte. . . .«
Zu weiteren Erklärungen »wer leinc
Zeit. Die Arbeit drängte. Hier galt
ei- zu retten, werd noch eint Leben wirr.
Mit voller Arnst seine Unruhe inei
sternd, hnls der Arzt der bereitstehen
ten Schwester bei der Jlnrtosr.
Dann sehte er das Messer zuiii
Schnitt über deni deistiiininellen lense
on, während seine Kollegen die Blii
tung bewachten. Geschiett und siehe-,
wie irgend ein älterer ersiihrenee
Chirurg, hondhobte der junge Medi
ziner die Instrumente. Nur beim
ersten Knirschen der Söge wollte bie
jiihe Schwäche noch einmal über ihn
torninen. Er rang sie nieder und ar
beitete-weiter« bis noch vollendeter
Qsiereition der schwere Verband an·
gelegt werden konnte.
«Brinnen Sie den Mann ins But
rnv messen Sie alle zwei Stunden
Lie Temperatan
Tie Wörter trugen den Schlafen
den in die Kirche. Wie ein Traum
nsanvler solgte Der Arzt ihnen nnch.
Lieben dein bunten Mariennltnr stann
das Lnger bereit. Die Muttergottes
——dnö Bild eines schlichten elsässi
schen Malers ·- thronte über ihm im
lauen wallenden Mnntel mit sieben
Schwertern im blutenden Versen En—
gel mit Lilien in den händen um
schwebten sie, Lilien und Rosen nut
Pnpier blühten ans dein Altar neben
klinenven Silbergeräten
Der Arzt lonnte das Auge nicht
von vern Niedergebetteten wenden
To lag der treulose Freund, unge
irsiesen aus seine hilse, die her Leicht
sinnige einst — vor wenigen Jahren
erst —- so schlimm miszhrnuchi hatte
Und alle die frohen und töstlichkn
Stunden stiegen in der Erinnerung
kes Arztes aus: Die Jahre aus dem
Pennal mit ihren Träumen und hoff
nungen. Der Tag des Abituri, bei
dem er dein Strauchelnven tröstig
gehplsen hatte. Die Leipziger Seine
siee voller sechertlans und nächtli
chen Kahnsohrten und schließlich auch
petvelherg mit dein Zusammendruch
der scheinbar aus Felsen gegründete-«
Ists-di spit
Eine fremde Stimme schreckte ihn
nus seizen Gedanken
ver Mann wohl init der-i
Leben davonlonimeni« 4
Reben dein Arzt stand der Adia
tant des Intuition-, das brausen in
den Schildengrähen fp tdaser se
It hatte.
längst hoffe es, Herr Oderlentnant,
aber es wird ein trauriges Leben fein
del diefer Verwundung.«
«Janirnerfchade. Der Mann war
einer der besten im Intuition Ge
ftern noch leistete er auf einem Pa
trpuillengang wertvolle Dienftr. Daß
wir die feindliche Batterie zum
Schweigen brachten, vermuten wir
feiner Aufklärung. Auch heute fokl
e: gelämpfl haben, als wärt feine
ugenfte Sache. erner den anderen
voran beim Sturm Alle mittei
ßend, jedem helfend bei der Abwehr
des Gegners. Und dabei ein fröh
licher Kamerad. Manier und frifch
nicht umzubringen. trdy der der
daminten Schindludeiei in den Grä
ben. Der Kommandeur hatte ihn
schon flir das Eiferne Kreuz einge
eben. Er wird es nachträglich noch
stiegen. . . .«
Das alfo war er! Der Drauf
gängerS Der heruniergeiotntnenel
Der VerdardeneS
Jn stiller Abhilfe strich der Arzt
dem Schlummeenden über den wirren
blonden Kde und die schneeweiße
Stirn. «
Von oben lächelte das Marienbild
Verzeihung und Güte....
Ic
Euckens-seh
Jin Gastbaue MTzurn schlauen
Euch-t« zu Epieszburgöbausen er
schienen eines Abendg- zwei sremde
IHerren und ließen sich an einen-. der
Stamnitische nieder. Bald waren
lsie auch in die Unterhaltung der vie
len anwesenden Stammgiiste ver
wictelt und zeigten hierbei, daß iie
snicht allein auf allen Gebieten der
Debatten beschlagen waren, sondern
auch in liebendwiirdiger Weise atle
möglichen und unsrer-glichen Schnur
ren zu erzählen wußten. Ja, sogar
Inschenspielerliinste gaben sie der
janimierten Gesellschaft zurn besten.
’ Als die Mitternachtsstunde längst
vorüber war, erzählte einer der Frem
;den noch ein« wie ser vorausschiste,
jselbsterlebtes Gaunerstiielchen. .Jch
sehe allerdings ein unglaubiges Lei- .
cheln auf Ihren Gesichtern- meine
»Herren", so schloß er seine Erzählung,
»und doch ist die Geschichte buch
stäblich wahr! Gauner gibt es eben
«iiberall, auch Ihr Städtchen, meine
Herren wird solche aufweisen tön
nen -- natürlich sind Anwesende aus
genorninen!"
Bald earaus empfohlen sich die
beiden Schwerenöter, und auch die
Stamingaste riisteten sich zurn Aut
bruch.
»He r Wirt, zahlen!« —- Allgemei
nes Fäuchen und Wettern. Was
war denn geichehen2 Die biederen
Spiegbilrger nierlten u ihrem Ent
setzen, daß der Schlu passus in der
Geschichte des letzterzählenben Freun
den wirklich wahr gewesen:
»Natürlich sind Anwesende ausge
nonnr.en!«
——-·.-s.—
hörest-end » eitler-e stritt-«
Während mein Pateniunge irn
Garten »Krieg« spielt, erbarme ich
mich mal wieder der häuslichen
Spielecle, der ein gründli s Aul
riiuuien nottut. Als ich da ian die
Schublade dee Spultischet gerate,
weiten sich meine Augen vor Stau
nen. Sauber aus einein Papiervw
gen ausgebreitet liegen dort sriedlich
nebeneinander: eine alte See-intel,
iiinf Baapflaumem ein Apfel, wieder
eine alte-Semrnel i»halbfrisch), eili
che Rosinen laut meiner Speiselaxns
mer) usw. Sprachlos starre ich aus
den ungeahnten Segen. Dann wird
Häuschen herausbeordert. Troydetn
unten eine »ein-he Schlacht« nn Gan
ge ist, lonnnt er sogleich willig ge
sprungen. Jus Zimmer tiexend
starrt der Bude eine Selunde lanq
woetlos, gleich mir, nul die entdeckten
Schäde. Dann entringt sich ihm
unter einem fürchterlichen Tränen
strom das Geständnis-: »Na, ja, nu’
haste mit’n ganzen Spaß verdorben!
Jch wollte doch ’mnl lo ganz heimlich
’n bissel zu die Besser 'riiber knar
ichicren· Und link-« —- die tränen
verglaiten Augen nsänlen vorn-aris
voll nach den Vorräten der indislres
ten Schablone hinüber — »das is
doch meine «Eiserne Rationl« huhns
hu!« «
—
— Aus der Schule.«Wos
pochte lich der Propbet Jenas, als
er sieh im Bauche eines Walfische
befandi«
»Er dachte sich: hier ist's geradefo
wie in einem Unterleeboot.«
—— humor im Felde. Erster
Soldat: »Dort hinter dem Ueehnu
scheint der Feind zu stecken.'·
Zweiter Soldat; »Dann wollen
»wir ihn auch dort gleich verhallen-«
—,- atbe bekannt-— Ima
fznsn ienftmävchen): »Wenn tose
der eine Einladung nn mich zu einer
Abendunieehaltung abgegeben wird,
Leni. io ethmdigen Sie iich leis-et
bei dein Boten, oh eleltrifche Be
leuchtu iit oder nicht-«
v Dienmmiidlcheåu »Bleibt gch denn
ni n i , gniid rau?·
kan: « ein, Lenden muß ich
wi en, denn ich lsnnte ionllnul per
LStiiree In rot oder zu blas leises
X