Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 14, 1915, Sonntagsblatt, Image 9

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    -I
Sonntag-blast des
Staats-Anzetger und II cerold.
fault keck-borgt Jst-.
,- Ugse von Hans ssblbald.
krank Rechberg saß ganz auf der
Ue des zierlichen Rolalastiihlcheni
und trommelte nerdiis mit den weiß
behandschuhten Fingern auf dem ta
delle glänzenden Zhlinder. Er lam
Iachgerade zu der Ueberzeugung. baß
ej nicht fo einfach sei, um die Toch
ter eines amerikanischeu Stahllönigi
, zu werben. Zumal jetzt in der-kriegs
zeit. Ges lagene zwei Stunden hatte
der alte- rig Elwert ihn im Vor
zinimer warten lassen, und als er
ihn endlich einließ, empfing er ihn
mit einem etwas spöttischen Lächeln
und behandelte ihn sehr von oben
herab. Er ließ den jungen Mann
ruhig ausredem und dann tat er gar
nicht fa, als ob dieser um Lilly nn
gehalien. hätte. Er gab ihm eine
Menge gute Ratschläge und eine bis»
ins Detail gehende, ganz genaue Be-.
schreibung, wie er sich seinen zutijnst
tigen Schwiegersohn einmal vorstell
te. Sicher hatte er sich darüber schon
öfter Gedanten gemacht, denn das
Rezept war so fchisn ausgearbeitet,
daß der liebe Gott danach gut und
gern einen Jdealinenschen schaffen
lannte. wenn er je das Bedürfnis
dazu fühlte und :twa felbft nicht ge
nau Bescheid wußte. Frani Rechberg
aber war nicht der liebe Gatt, und
er interessierte sich überhaupt nicht
für Jdealmenschen. Er ärgerte sich
nur mächtig über das ganze Gerede,
und als Iris Elwert endlich fertig
war, sagte er etwas spig:
»Ein so edles Geschöpf. wie Sie
es eben beschrieben haben, bin ich al
lerdings nicht. Jch bezweifle über
haupt, daß es so etwas gibt.« —
Dabei zuate er die Schultern, wag
allerlei bedeuten konnte. »Sie felbst.«
wollte er sagen, »sind auch recht weit
weg davon-" —- Aber er war klug
genug, das nur in Gedanlen auszu
f brechen.
Der alte Unoert sah r-en gungnng
mit feinen Fuchsaugen wohlwollend
väterlich an, rieb seine großen haari
gen Hände und versicherte, er gäbe
Herrn Rechberg völlig recht. Er wisse
genau, es gäbe leider —- er seufzte
leicht — teine volllommenen Mel
schen aus der Welt, sogar er selbst,
Frig iklcvert —- nun lächelte er wie
jemand, der genau weist. daß er lügt
—, er selbst sei ja lein solcher, und
ale Frank nun proiestierend die bei
den Hände etwas gegen ihn hob, wie
wenn eine derartige Behauptung fur
ihn unfaszlich fei, da wurde der Alte
um eine Nüanee liebenswürdigen
Frank Rechberg, sagte er, sei ja
an sich gar kein übler Mensch und
er hätte gewiß manchen Zug in sei
nein Wesen, der einem jungen Mäd
chen wie Lillh gefallen mochte —- ein
hübsches ttleuszeres — Frant errötete
— er sei ein guter Tänzer ——Franl
verbeugte sich leicht —- ein liebens
würdiger Gesellschafter ——· Frank lä
chelte —- aber er habe nichte- —
Frank Rechberg machte ein sehr be
trübtes Gesicht. Das sei allerdings
nicht du« schlimmste —- hier heiterte
sich das Antlitz des jungen Mannes
wieder aus —-- der Mensch iniisse nicht
mit einer Million in der Tasche aus
die Welt kommen, die Hauptsache sei,
rasz er ei fertig brächte, die Millio
nen zu machen. Dazu aber brauche
er nichts weiter als die richtigen
Jdcch
Damit war Fritz Elwert bei sei
nem Lieblingstbema angelangt. Er
selbst hatte sich aus lleinen Verhält
nissen emporgearbeitet. Seine Jugend
verlebte er au einem Spreekahn,
dann hatte ihn er Vater nach Ame
rika abgeschoben, weil er zu hause
nicht gut tun wollte. und hier arbei
tete er sich bald in die Höhe. Ener
gisch und zielbewußt ging er seinen
Weg. Sein Gliick war gemacht, als er
einem armen Teufel siir ein paar
tausend Dollar ein neues Verfahren
zur Stahlfabrikation ribtaufte, das
seine Fabrik zu einer der ersten in
Amerika und ihn selbst zum Deklar
magnaten machte.
Da- war seine Jdee gewesen, auf
die er sich außerordentlich viel zugute
tat, und seitdem beurteilte ee mit
einer reichlichen Defi- Selbftiiberhes
bung jeden Menschen nach der Zahl
seiner Ideen. Auch bei Frank machte
er keine Ausnahme. Eigentlich hatte
er den jungen Menschen gern. schon
deshalb, weil auch Rechbergs Wiege
in Brandenburg gestanden ite. Der
alte Mann hing trog aller llar’agd
zlih an seiner deutschen heimat. ilber
erade ein Deutscher-, sso dachte er,
ei es sich lind se nein Land schuldig,
daß er sich durchsestg auch jenseits
des grossen Wasser-, er habe die
gslichh die anderen aussustechem
as mu te krank seht bis zum Ue
beeflus been und endlich wurde er
hinauitotnplirnentiert, nach einem
energischen hinweis darauf, daß ihm,
trog aller landsmannfchaftlichenShw
pathie, eben jede Anlage zum genia
-— —
klen, von lukrativen Jdeen erfüllten
Menschen absolut fehle, sonst stünde
er als Deutscher längst ganz anders
da in der Welt. Frank hatte auf all
das sein Wort ver Erwiderung ge
funden, aber als er nun ging, da war
ihm ungefähr so zu Mute, wie Adam
nach der Vertreihung aus dem Para
dies. Er wußte, da kam er nicht mehr
hinein. Aber Adam besaß wenigstens
eine Eva, die ihm Ge ellfchaft leiste
te, während er seinen Kummer allein
tragen mußte.
tztn gutgemeinter Iroswries rauh-,
der am nächsten Tage eintraf, erstick
te seinen Zweck nur teilweise. Ledigs
lich der Umstand« daß sie die Sache
durchaus nicht verloren gab, heiterte
ihn etwas aus. Sie schrieb, das alles
tei Unsinn, sie liebe ihn auch ohne
Ideen, ja, sie sei sogar überzeugt,
daß im allgemeinen Ehemiinner ohne
Jdeen solchen mit Jdeen vorzuziehen
seien. Wenigstens habe sie dies bereits
von verschiedenen Seiten gehört. Aber
wenn ej einmal so sei, wenn Papa
absolut, wie er auch ihr gegenüber
betonte, darauf bestand, so sei dies
sicher tein Hindernis siir ihre Ver
bindung. Frant müsse eben eine Jdee
haben, siir ihn sei das sicher nicht
schwer, denn was m der Welt könne
ei wohl geben, das ihr Frant nicht
zuwege brächte.
Das war sehr schmeichelhast ge
dacht, aber es half zunächst wenig
Frank versuchte es aus die verschie
denste Art. Er tauste Bücher iiber
das Leben geniater Menschen, über
den Weg zum Reichtum und zum
Erfolg nnd über die Kunst des Er
sindeneL Er las, daß man durch
Trinken von starkem schwarzen Kas
tsee angeregt wird, oder durch Zigas
rettenrauchen. Es half bei ihm nichts.
jEr trank Bordeuux und Champagner,
»aber auch das brachte ihm teine Ide
en. sondern nur stopsschmerzen Er
;schloß die Fensterliiden und legte sich
aus die Chaiselongue, um sich zu
»tonzentrieren", wie er das irgendwo
gelesen hatte; doch schlies er dabei
ein.
Alle Tage, wenn Papa im Geschäst
war, telephonierte Lilly und sragte,
ob Iraat ieit bereits eine Idee habe,
und immer wieder mußte er die Fra
ge verneinen. Kein Wunder, daß sie
anfing, ungeduldig zu werden. Das
brachte ihn beinahe zur Verzweiflung
Er lies wie ein Schatten umher, ver
griimt und hungrig« denn es gab Ta
ge, an denen er nichts mehr aß, weil
jemand ihm sagte, daß der Hunger
»die Phantasie anrege
i Als der alte Fritz Elivert auf eine
Woche oerreifen mußte, traf Frant
die Geliebte zum erstenmal wieder.
Sie führten in einem Reftaurant eine
lange und ernfte Unterredung; das
Mädchen erzählte ihm von allen Men
lchen, die je Jdeen gehabt hatten und
damit reich geworden waren, von dem
Manne, der die Gummiabfätze er
fand, vom Erfinder der Schreibmas
fchine· der Rähmafchine, der Heftmai
fchine und des Staubfaugerg und
von noch anderen Dingen, fo daß
ihm ganz elend und grün vor den
Augen wurde. Nach feinen eigenen
Erfahrungen hätte er nie geglaubt,
daß fo viele Jdeen möglich feien.
Aber das half alles nicht-, denn all
das, was sie ihm fagte, hätte er gewiß
auch erfunden, aber es war immer
fchon zu fpiit dazu. Gerade feine
Ideen hatten ihm andere vorher weg
gefchnappt. Als Lin nicht aufhören
wollte, wurde er endlich zornig und
fagte klipp und klar. daß er keine
Jdeen hätte und auch keine haben
würde, niemals. Wenn ihr Vater
nicht vernünftig werden wolle, fo
müßten sie auf ewig fcheiden· Lillh
ioeinte ein paar Minuten lang in ihr
Spitzentafehenturh dann aber lachte
sie Frant ins Gesicht.
»Wenn du keine Jdee hafi,« fagte
sie, »fo tverde eben iih eine haben,
und die fehenke ich dir dann. Jn drei
Tagen haft du sie fix und fertig.« —
Er wartete drei Tage, und dann
erhielt er einen dicken, eingeschriebe
»nen Brief. Er riß den Umfchlag mit
Yzitternden Fingern auf, alt wenn
das Schreiben fiir ihn die Enkfcheis
dung über Leben und Tod enthielte.
Erft fiel ein fehr großer, viermal ge
falteter Wogen heraus, der aussah
W— ,
wie ein Rezept, und dann steckte noch
ein ruht Seiten langer Brief in dem
KuveeL Frank überflog die engges
lehriebenen Zeilen. Die Buchstaben
tanzten ihm vor den Augen. Er fah
nur ei elne Worte. —- Papa
Schreibti O — Großes Geheimnis
corfieht —
Ali er das Schreiben durchflogen
lhaite, las er ei nochmals langfani
l und gründlich Wort fiir Wort. Dann
Inahm er den großen Kanzleibogen
Hund ftudierte i n forgfiiltig. Er kam
»si- bern Schlri , daß die Jdee Lil
;lhs glänzend ti.
i is o i
Nach weiteren drei Tagen fafz er
Iris Elwert abermals gegenüber,
———
auf dem gleichen Plac, auf dem er
vor Kurzem seine Absuhr erfahren
hatte. Der Alte schien erfiauni, ihn
wieder hier zu sehen und gab sich
keine Mühe, feine Ungeduld zu ver
bergen
«Ed tut mir leib, Herr Rechberg,«
sagte er, »meine Zeit ist sehr in An
spruch genommen. Jch war oerreisi
und habe eine umsangreiche Korre
sponden zu erledigen. Wenn Sie mit
der Ab cht gekommen sind, die kürz
lich besprochene Angelegenheit wieder
auszuwärmen, so kann ich Ihnen von
vornherein sagen, dasz das gar kei
nen Zweck hat. Jch habe Jhnen mei
nen Standpunkt damals deutlich ge
nug gesagt.«
Frani ließ sich durch diesen Emp
fang nicht aus der Ruhe bringen. Er
sah nicht mehr so schüchtern aus wie
das letztemal und schaute dem Alten
eher srech als zertnirscht in die
Augen.
»Ich habe jetzt eine Jdee,« sagte
er, »ich habe also die Bedingung, die
Sie mir neulich stellten erfiillt ich
lasse mir nicht nachsagen, daß ich als
Berliner mich in Amerika unterlries
gen lasse."
»So, so« —- sagte Elweri.
» Aus seinem Gesicht ionnte man
deutlich sehen, was er von der Jdee
ihielt. Um seine Geringschähung noch
mehr zu unterstreichen, griff er nach
seinem Brief, der aus dem Tisch lag,
schnitt den Umschlag auf und begann
zu lesen.
»Die Idee schlägt in Ihre Bran
che« —- sagie Frank Rechberg.
»Wieso"t«
»Es handelt sich um ein neues
Verfahren zur Stahigewinnungf
Der Stahltönig legte den Brief
aus der Hand. Ein ganz klein wenig
interessierte ihn die Sache jehi.
»Ich bin mit meinem alten Ver
fahren durchaus zufrieden,« wieder
holte er leichihin.
Frank Rechberg lächelte.
»Ich will Ihnen meine Jdee durch
aus nicht ausbrängen« — sprach er
verbindlich —- «aber ich wäre Ihnen
dankbar, wenn Sie mir nur siins
Minuten lang zuhören wollten. Wol
len Sie der Sache dann wirklich nicht
näherireten, so biete ich sie eben an
derwärts an, ich dachte schon an
Sleuth und Mackenzie.« Das waren
Fritz Eiweris schlimmste Konkurren
ten.
»Englisches Lumpenpack,« knurrte
er halblaut.
»Ist die Jdee geschüht?'« fragte er
dann.
Nun grinste Frant Nechberg
«Angemeldet« -—- sagte er. Dann
zog er ein Blatt Papier aus der Ta
sche und las. Elwert lauschte an
sangs nur mit einem Ohr. Aber als
er drei Sähe gehört hatte, wurde er
ausmerlsam, und plöglich wechselte
er die Farbe.
Was Frant Rechberg ihm vorlag,
war Zug um Zug sein eigenes, sorg
fältig gehütetes Geheimnis, das er
aus Angst, man lönne ihm auch nur
einen Teil davon stehlen, nicht ein
mal hatte patentieren lassen. Niemand
wußte davon als er selbst und ein
paar vertraute Leute. Die ganze Sa
che stand aus einem Blatt, das er in
einem geheimen Fach seines Schreib
tisches aufbewahrte.
»Warten Sie einmal« —- schrie
er heiser, als Frant erst zur hälste
fertig war, sprang auf und lies aus
dem Zimmer. Es dauerte nur drei
Minuten, bis er zurücklehrtr. Er hat
te nachgesehen. es war alles in Ord
nung, und das Papier lag an seinem
Platz. War es möglich, daß dieser
junge Mensch von selbst aus den glei
chen Gedanken gekommen war?
»Lesen Sie weiter« — forderte er
Frant aus und gab sich Mühe, so
ruhig alj möglich zu sein —- »wenn
Sie zu Ende sind, will ich mir die
Geschichte überlegen.«
Frant Rechberg las, und als er
sertig war. verlangte der Alte Ve
denlzeit, aber die wurde nicht ge
währt.
»Was wollen Sie also sur Ihre
Jdee?« -—- sragte Elwert wütend.
»Sie nehmen mich als Teilhaber
in Jhk Geschäft aus nnd geben mir
Jhre Tochter.«
«Sind Sie verrückt?« —- brüllte
der Stuhliiinig.
Der junge Mann salieie den Bo
gen langsam und bedächiig zusammen
und erhob sich sehe wiltdevoll — je
der Zoll ein gekränkiel Genie.
»Dann tut ei mir leid,« sagie er
iiihl, »das ich Jhte Zeit so lange in
Anspruch genommen habe. Jch will
nun mein Glück bei Steuth und
Mackensie versuchen.« Er gtiss nach
keinem hat und tat, als wolle et ge
n.
»Dritt, bleiben Sie!« schrie der
Alte und packte ihn am Ann. Die
Gedanken jagten sich in seinem Ge
hirn, aber er sah keinen Ausweg. Er
war vollständig in der hand diese
Mannes. Ging dieser seht zu seinen
L
Konkurrenten, sp war seine Rolle in
der Stahlindustrie ausgespielt
Ein paar Minuten lang kämpfte
er mit sich Am liebsten hätte er
Franc ern-liegt Aber das ging nicht.
Die Vernunft gewann die Oberhand.
Er stieß einen Seuszer ans, der wie
Stöhnen klang, und dann drückte er
aus die Ringel
»Sagen Sie meiner Tochter,« sagte
er zu dem eintretenden Diener, »ich
lasse sie bitten, hierher zu tommen.«
Der Diener verbeugte sich und
verschwand. Er brauchte nicht weit zu
gehen, denn Lin hatte un der Türe
gehorcht und stand im nächsten Au
genblick aus der Schwelle
Sie zwinlerte vergnügt, als sie
die beiden Männer sah, die sich wie
zwei Knmpshiihnewgegeniiberstanden.
»Dieser Herr ll dich heiraten,«
knurrte der Alte bissig. Jm nächsten
Augenblick hing sie Franl am Halse.
Elwert sah von einem zum an
dern. Lilln hielt seinem Blick tapfer
stand und plötzlich lachte sie gerade
heran-T
Der Alte schaute erst ganz erstaunt,
dnnn ging ihm plötzlich eine Ahnung
aus« Er machte ein Gesicht wie ein
Mensch, der nicht weiß, oh er lachen
oder weinen soll.
,,Bande!" sagte er.
Irr Ghin-se.
Stiizc von Max sicut Bdttcherz
Die brennende Windmühle von
Verlaire zeichnete des Krieges rotglü
hende Male in die duntle Nacht,
und der -serne Geschützdcnner vor
Ypern gab den Anstatt schauriger
Schlachtenmusit und erweckte so den
1ungen Tag, einen tristen, graudäm
mernden Tag.
-Die großen Dachzelte des Bataili
long triesten vom Nebeltnn des Mor
gens, aber die wackeren Ftötnpen
drunter aus seuchteni Stroh störte
nicht-te — sie schliefen fest und traum
ten von Heimat, heimtehr und Frie
den. — —
Lch lng wach in dem tleinen Offi
rezelt« das Vizeseldtvevel Zimmer
n in treuer Fürsorge sür uns
hatte bauen lassen. Durch die ver-i
schodenen Zeltbiib· en blintte der vonit
Feuerschein derx lairer Windtnühle
sanft getötete .«itnel in unser klei
nes Gehäuse, und des Morgensternss
silberglänzendes Funteln lentte met-l
nen,tvachen Sinn ostwärts-. Auch
denen daheim, metnetn Weibe, mei
nen Eltern, meinen Freunden, de
nen allen schien der gleiche, silberne
Stern!
Jch erhob mich leise, kroch zur
Tür und trat hinaus in die scheidende
Nacht.
An der Decke der Biwattviese pa
trouillierten mit miidem Schritt die
Posten, das Gewehr im Arm. Als
sie meine Schritte hörten, standen sie
toie Erz, und ich sah im Dämtnern
des Morgen-, wie sich drei Gewehr
laufe aus mich richteten.
«Brav, ihr Jungg, euch entgeht
nichts! Aber laßt eure Kanonen fin
ten, ich bin’s, euer Leutnant!« Da
schmunzelten sie, und ich gab jedem
eine Zigarre, die letzten aus der Hei
mat. Sinnend ging ich weiter —— da
—- ein Rascheln vor mir, ein Ge
räusch, als lröche ein Mensch im
Grase. Jch riß die Pistole aus der
Tasche und warf mich hin und
lauschte.
»Pfl, Herr Ueuinnnr, ias bin f- obs-)
bloß —- Soldai Hartel!"
«Cbinese, Sie sinds-s« »Ja, zum
Teufel, was machen Sie friils siinf
llbr hier im Grases«
Und jetzt erhob sich vor inir ein
baumlanger Kerl mit verwittertem
gelbem Angesicht, die beiden fünf
Zoll langen Schnnrrbartenden zapf
artig über die Mnndwintel herab
hängend. Die geschlitzten, oeeschmitzs
ten Aeuglein dlintten vor Freude und
Stolz.
Die ganze Kainpngnie nannte ihn
wegen seines niongdlischen Typs und
weil er schon den Chinafeldzug init
gema t: den Chinesen. Er war der
gerisse te, geschickteste Spion und
Pairvuillengänger, ein Künstler im
Requirieren, dabei voll unverwüstli
chet Laune und ein Meister der Koch
lunst, wenigstens nach feldmäßigen
Ansprüchen
Nun stand er vor mir, stramin,
und.barrte, was ich sagen würde,
weil et sich ohne Erlaubnis aus dein
Lager entfernt hatte. »Wo kommen
Sie ber, Sohn des Himmels? Sind
Sie denn nicht miide nach den an
strengenden Ingeni«
ct zog sein ewig lächelndez, freund
liches Maul breit und sagte: »Me,
Herr Leutnant, müde bin ich nicht,
aber weil wir Rasttag haben, da
bab’ ich mich ein bissel umgesehen,
wo es heute etwas zu lnabbekn
gibt.«
«hm, und natürlich nischt gefun
den, wa5?« .
Da war er beleidigt. »Herr Leut
nant, ich finde immer etwas! Da
hätt’ ich zunächst für die Herren ein
anfeechen gekocht, drüben in oem
haufe.'«
»Ja, da wohnen aber doch noch
Leute drinnen!«
»Die hab’ ich derweil in eine kleine
Kammer ohne Fenster gesperrt, Herr
Leutnant; aber dafür hab« ich ihnen
ein halbes Brot qefchentt und fo an
die fünf Pfund Schweinefleifch, die
armen Luder hoben nämlich ooch
nifcht mehr zu trabbern.«
»Sie verschenken ja fürstlich! Und
wo haben Sie in diesen Zeiten Brot
und Schweinefleifch her?«
Das schien ihm eine peinlich-· Frage
zu fein. Er dructfte nnd druckfte und
jagte endlich: »Das Brot« Herr Leut
nant, ja, was das Brot ift, das hab’
ich gefunden.«
«Gefunden2«
«Jatvohl, Herr Leutnant. Jn der
Billu da drüben, ou lag es auf dem
Tisch«
Jch lächelte. »Und das Schweine
fleisch? Auch in der-Billet gefun
den«-«
Jetzt lächelte er, sein breites, ver
schmitztes Lächeln. »Nu, Herr Leut
nant, das hat-« ich etngetanschrl«
»Ach, was Sie sagen! Bei wem
denn?"
»Bei die Pumper (Artilleristen).
Herr Lentnant; was die von die
schweren Hanbiyen sind, oben am
holenbuscht. die haben ein Schwein
geschlachtet!«
»Ja, weiß der Himmel, den Kerls
ist der ganze Krieg ein Schlachtfestl
Und was haben Sie frir das
Schweinefleisch eingetauscht?«
»Er-re Kognatflasche.«
»Mensch, sind Sie verrückt? Für
einen Feßen Schweinefteisch geben Sie
eine ganze Flasche KognaM
Und setzt grinste der Chinese vor
Freude. »Herr Leutnant, es war ja
bloß Wasser drinnen in der Flasche,
nnd das haben die Pumper nicht ge
merkt, nnd die hälfte vesn dein Fleisch
habe ich den Leuten da driiben gege
ben, nnd sie hatten mir datiir ge
mahlenen Kassee gegeben und sich da
siir in die tleene Kammer sperren
lassen, und dann hab’ ich in aller
Ruhe Kassee getochr, nnd jetzt bitt’
ich herrn Lentnam nnd Herrn Leut
nant Nudlofs und Herrn Rausch, mit
in das Hans zu tommen, da ist eg
warm, nnd waschen kann man sich
auch, und außerdem mache ich noch ein
seines Bratwiirstel oder Fünsminuten
Fleisch, nnd das soll ——"
»Halt —- wer da!« klang es von
drüben an der Decke lant nnd scharf.
»Gesechtsordonnanz! Wo ist Oberst
nnd Bataillonstotnmandeur Stran
de?"
Jch eilte hinüber. Da saß ein
Meldereiter ans triefendem Ganle.
«Oberst Strande schläft in dem
kleinen Zelt da unter der Ulme. Was
gibt’s’t«'
»Besehl von Exzeuenz: Das Ba
taillon steht sieben Uhr morgens ge
sechtsbereit am Hvlen nsch in Deckung
—— erste Reserve. Weitere Befehle
folgen« .
Jch weckte Oberst Strande, nnd
zwei Minuten später war das eben
noch friedliche dicker ein Hause trib
belnder, haften-Irr Menschen Die
Zelte verschwanden wie weggezanbert,
ein paar Feldzwieoacte waren das
Frühstück nnd nach fünfzehn Minn
ten stand das Balaillon, das soeben
noch so gottegsriedlich geschnarcht,
inarschbereit.
Leb wohl, heiße. Lasser. ein noch
schmerzlichem- Lebewohl der langent
behrten Waschgelegenheitl
Oinans auf unsagbar totigen
Straßen marschierten wir, den-. Fein
de wieder entgegen, geprellt unt den
so nötigen Rasttng. ltnd schon tselegte
uer liebenswürdige Feind nach seiner
nllgewohnten Methode das Hintergr
lände der eigentlichen Gesechtgsront
mit Schrapnell nnd Grnnatfener,
Zufallgtreffer erhotsend. Zum Heile
schossen die englischen Kavaliere etwa
zweihundert Meter zu tveirlinlg un
serer Marschstrasxe, gerade dorthin,
wo sich ans den zerschossenen Gemis
ien etwa ein Dutzend rosiger, setter
Sehn-eine geslüchtet hatte, die nun,
friedlich grunzend, den Boden nach
Atzung absuchten. Wir tauschten
eben unsere Gedanken aus, in welche
Jubelhhnine wohl unser Despite
gungöossizier, Leutnant Bar, ausbre
chen würde, wenn er die wandelnde
nnd grunzelnde Niesenvetpslegungss
tation da sähe —— als eine Granate
mit hohlein Gesause über uns hinweg
Zischte und ini nächsten Augenblick
miten ini Saugehege saß. . .
Dicht vor dem holenbusch ward
halt gemacht. Unser Oberst empfing
uns, gab den Kompagniefiihretn die
nötigen Befehle, und dann rückten
wir in unsere Reservestellung ein.
Wir, ini Verein mit der drit . Kom
pagnie, bezogen den großen Bergm
ten eines Barternhoses. Die Leute
,lagerten dicht am Hause aus schnell
herbeigeschlepptem Stroh, zum ande
ren Teile unter einem Bretter-schup
pen, und unser braoer Chinese hatte
sür mich und die anderen deren der
Kompagnie unter eixezrn vorspringen
den Dache schon wieder einen prächti
gen Strohsth zurecht gemacht. Gegen
Flantenseuer schüyte uns eine riesige
Kartoffelruntsmaschine, gegen Regen
und leichten Schrapnellschlag das
dichte Strohdach. Neben mir saß
Leutnant Nathusius von der Dritten.
Er nahm die Photographien seiner
Kinder hervor und schmiedete Zu
tunstspläne siir die Zeit nach dem
Kriege; die Kameraden Rausch und
Heyde hackten zu unseren Füßen aus
Flachsbiindeln und qualmten eine Zi
garette nach der anderen, und Leut
nont Rudloss vervcsllsiändigte sein
Kriegstagebuch Und wieder war es
der. Chinese, der uns durch seine
treue Fürsorge erquickte. Zunächst
tredenzte er einen Feldtessel schwar
zen, heißen Kasseeg, dann aufge
wätmtes Büchsensleisch und danach
sogar einen aus Feldzroiebacken sind
Kataomehl hergestellten Pudding Es
.tvnr gerader fürstlich
Um Surren in der uusr verrnnoere
uns-, daß sich Flieget nahten. Am
sBau des Flugzeuges und an dem
Fehlen der Eisernen Kreuze an den
unteren Tragsliichen erkannten wir,
daß es feindliche Flugzeuge waren
Und die Flieget hatten auch in der
Tat bald unser Reservelager entdeckt.
Sie ließen lange· schwarze Rauch
schwaden senkrecht über uns fallen,
die wie ein schrecklich langer, ekelhaster
Zeigesinger beten-zeigten
Wir kannten das.
«Herrsck)asten, in zwei Minuten
b-.gelt’s!« ries Oberst Strande der
mit Hauptmann oon Woid unter
einem entblätterten Kirschbaum saß.
Und er behielt recht. Die englische
Artillerie hatte ihr-. Austlärungsslie
ger nur allzu gut beobachtet.
Ein sausendes Schrapnell suhr et
wa zweihundert Meter hinter uns in
eine leere Feldscheune, ein zweites
dreißig Meter lintrz von uns in ein
Brachseld, und schon ein drites saß
mitten in unserem Grasgrabem zum
Glück ein Blindgänger.
»Aus! Hinter das Gehöstt Marsch.
marschi« Und im Nu war unser
schöner, gemiitlicher Reserveplatz ge
räumt, und das zu unserem Heil!
Die Engländer deckten uns mit ei
nem mörderichen Schrapnellseuer zu.
Wir sammelten uns in dein kleinen
Weidengehölz bei Beclaire und zähl
ten durch. Einer sehlte — der Chi
nese. .
»Patrouille in das Gehöft! Frei
tvillige dor!«
Unterossizier Anle, ein wirklich
prächtiger, wackerer Degen, den ich
schon am gestrigen Abend zum »Ei
sernen Kreuz« borgeschlagen hatte,
und der bei jeder schwierigen Sache
der tfrice war, führte die Pa
trouille Es war ein kühnes Stück,
in das so start mit Feuer belegte Ge
biist einzudringen, zumal da uns jetzt
die Enaliinder aiuti mit Granaten be
dienten.
Und nach zwanzig Minuten brach
ten sie den Chinesen, den lieben, bra
ven Kerl; sterbend legten sie ihn vor
uns nieder, und noch im Ver-scheiden
lsliisterte er: ,,Jn meinem Tornister
Hist eine Flasche Rotmein siir den Herrn
Ueutn.int.«
i Er hatte wie Unterosfizier Ante be
lrichtetr. im Keller des Gehösteg ein
Lager alten Rotlveins entdeckt, und
des tvuhnsinnigen Feuers ungeachtet
begonnen in einem grossen Waschtessel
tiir die srierenden Kameraden Gluti
Ivein zu brauen. Und dabei hatte
iibn die Granate zerrissen.
-—. - Os—-——————
i Daher-.
Zin Mnm zum Hindcnimmcr
Im ist« Lokal benannt,
ilind nie-r don iiin heim Wenn-,
Wird von ihm nisn«innnni.
Hm itlbit die sciiill ;«(’·W,
-ic Ivnnicn inne-i tnnii Hauss, «
lind mancher schlijit fein Riuiichlcin
'To« unterm Turm angs,
Tags iit mir ganz exkl-Mini
Eniant euch dcn Namen an:
Tor Wein iin Hindcnbnrgcr
Zusingk immer seinen Mann.
s-——————--.———--————
—- Modernes Braun-nah
Sie: Nun find wir also verlobL
Er: Ja, jetzt gilt es, ernstlich zu
prüfen, ob wir uns nun auch hei
raten wollen.
— Auch ein Trost. Kommis
welcher neu eingetreten ist und das
Buteau seht kalt findet): »Ist es
denn hier immer so soli?«
Buchhalter: »Me. im Sommer ist
es wärmer."
— Von der Schmieer. Thea
ter - Abonnent: »Wie können Sie zu
»Man« Stunrt« den Uniettiiel hin-,
zufügen: oder »Die Räuber«?«
Direktor: »hn, wurde se nich ih
res Throns bewuka