Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 07, 1915, Sonntagsblatt, Image 11

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    f-— f f f ...O
Sekvftecjeknis vsmlöftlichen Kriegsschaa
- p W.
Von Tentam-.
Und wieder einmal geh« vorwärts
durch Sonnenbronv und mnsurischen
Staub bis in die Nacht hinein.
Der Bntaillonsmelbereiter trnvt die
Marschlolonne entlang: »Der Herr
Masse lässt die Herrn haupttente
nach vorne bitten.« —- Bald sind vie
vier häuptlinge um den Bataillonss
tonnnanbeur versammelt.
»Meine Herren, Divisionsbefehlt
Das Dorf M· da vorne ist schwach
von Rassen befest; das Regiment hat
sich in Besitz des Dorfes zn sehen-"
Also Nochtnngrifft Na, in Gottes
Namen los!
Noch 3 Kilometer Marsch durch die
Nacht. dann ist das Dorf erreicht.
Doch schon vorher meldeten Patrouils
len, daß der Gegner den besseren Teil
der Tapferkeit erwählt habe und aus-—
geriirtt fei. —
Auch gut. —
« Wir beziehen um 11 Uhr abends
Alarmqnmtierr. Jch tomme mit
meiner Kompagnie auf einem Heu
loden unter und fchlnfe zwischen mei-:
nen Leuten wie ein Toten
Levhaftes Schützenfeuer weckt mich.
Jch fahre anf, der Tag guckt bereits
durch die Löcher im Scheunenb..·ch.
Die Schiifse fallen in unmittelbarer
Nähe, die dicht vor meiner Schenne
stehende Aufzennmche muß sich mit den
Rassen nefafzt haben; -- einige Ge
fchofse llotfchen nnf das Erkennen
dach.
Meine Jungen schlafen noch nied
lich, doch rauh muß ich sie aus Mor
tshens Armen reißen.
.,’tluffiehen!« beillle ich mit Sten
tr-kftic::me.
Hier und da ein Gebet-min, ein
Wölzen und Steckein im iidrjgen
Stille. —- ----
»Vorwärts, Kerls, die Rufsen sind
dac«
Das wiritl —- Wie die Dachse aus
drin Bau, fahren sie aus ihren Deus
baufen und fangen an, sich auf sich
ieldit zu besinnen. Bald ist meine
Kompagnie auf der Dorfftrasze ver
sammelt.
Die Straße entlang irabt ein Adi
jutant: »Herr Hauptmann möchten
sofort zum Herrn General toniinen!«
»Mein lieber L» ich habe einen
ganz besonders vekantcoortungsoollen
und interessanten Auftrag fiir Sie. -—
Seden Sie, hier« ·— er zeigt auf die
tsenerolftabetarte —- »liegt der Ort
M.-O. Da dort verschiedene Wege
zusammenlaufen, ist es sehr wahr
cheinlich, daß die eingetefselten Ruf-«
sen hier versuchen werden« durchzufiw
fzen. Sperren Sie sofort mit Ihrer
Kompagnie die Wege und halten Sie
die Ortfchnft unter allen Umstän
den. —- Jch fchiete Jlmen bald Attil
lerie nach. Machen Sie Jhre Sache
gut.« ,
"Ein freundlicher Grile — ich bin
entlassen-· —
Bald ift die Kompagnie auf dein
Marsch. — Patrouillen voraue,
denn es geht ein Stück durch den
Wald« dann weit ausgeschwärmt die
Epide, auf 400 Meter folgt die Kom
pngmb
Bei der Spitze reitend, fehe ich- hier
und da icn Walde allerlei Bedächti
ges herumwinirneln, aber Feuer be
tanien wir nicht.
Nach einer halben Stunde —- die
Patrouillen hatten inzwischen des
öfteren auf einzelne herumstreifende
Rassen geschossen —- liegt mein Ziel
vor mir, und gleich vom erlien Gehöft
weht die weiße Flagge mit dem roten
Kreuz.
Wann. Jst das etwa schon ein
Feldlazarett von nngt .Jn diesem
Augenblick länst, deutlich erlennlxar.
ein rnssischer Jnsanterist mit Ge
toelir dicht am Gehöst iiber die Stra
ße nnd strebt einer seitwärts liegen
den ossenen Scheu-te zu. Da « nei
ben snir ein Schuß, der tittisse tim
nielt und stillt.
»Herr Hauptmann, den hab« ich!«
Triumphierend rust’5 der Schütze
»Brot-, mein Sonn, sollst ntchher
mich eine Zigarre haben!«
Vorsichtig dringen wir in das Ge
höst ein« anch die rottoeisze Flagge
schiin nicht immer vor mostotoitischer
HinterllsL Habe ich doch einen lan
gen, von den litnssen im Stich gelas
senen Mnnitionözug gesehen, dessen
mit Granaten vollgepfropite Wagen
das uns heilige Neutralitätsabzeichen
des Genser Kreuzes trugen! —- —
Doch tein Feind tritt uns entge
gen, aber aus dein Wohnhaug stür
sen vier, siins russische Aerztr.
»Messienes, vons etes rnei prison
niers,« rede ich sie an.
»O, toir alie sprechen deutsch«,
wird mir von dem Rangiiltesten ver
Herren zur Antwort, »wir bitten um
Jhren Schust«
Jch beruhige die nusgeregten Leute:
»Meine Heeren, Sie haben von uns
nichts zu befürchten, wir täinpses
nicht gegen Samariter.«
»Aber werden andere Soldaten
tommen nnd ans uns schleszens«
»Auch davor werde ich Sie
schiisenP Jch stelle einen Posten zu
Ihrem persönlichen Schuh« dort vorne
vor das Schifft dann geschieht Ih
nen nicht-t«
Dantbar geben sie sich zufrieden,
liesern ans meinen Beseht ihre Was
sen, Säbel und Browntngpistolen ab
i.
und verschwinden wieder in ihrem
use.
Run aber schleunigst auf meinen
Posient
Jch stehe nm Südrnnd des Dor
fes. —- Drei Wege treffen sich hier
aus siidlicher und westlicher Richtung.
300 Meter vor mir dichte Kieserns
schonnng schnurgerade durchschnitten
von dem seidmärts sührenden breiten
;Wege, nach rechts hin eine große
-Watdbtöße, an 2000 Meter lang,
;rings umtränzt von dichten Waldun
gen.
, Die Wege werden mit Unterossi
zierposten besetzt, mit der Kompag
nie nehme ich im Halbkreise eine
Stellung uni den Südrand des Dor
ses. so daß ich alle drei Wege unter
Feuer nehmen tann. Sofort graben
sich die Leute emsig ein. —
«.f;lerr Hauptmann, Herr Haupt
mann- da Russen!'«
Aufgeregt rust’s mein Hornist ne
den mir und deutet den südlich s;ih:
renden Wall-weg hinunter
Glas an den Kopf ·- — —- wahr
haftig, Russent —
Aus etwa 900 Meter ziehen Fahr
zeuge durch den Wald über die Stra
sze weg. icheinbar eine Querschneuse
benutzend
»Visier 900! Aus die Kolonnen
Schützenieuer!«
Die Leute rechts nnd lintg von
mir. die den Weg einsehen können
gehen in Anschlag, ein scharses Zie
len dann zerreißt Knalt um
Knalt die Morgenstillr.
Mit dem ihnen eigentümlichen
Sinnen ziehen die kleinen Todesvo:
ten den Weg hinab.
Dritt-en häumen sich Pferde, ein
Fahrer stürzt vom Vort, das Fahr
zeug bleibt mitten aus dein Wege
stehen. Einige Leute tauchen aus aus
dein Walde, scheinbar bemüht, den
Wagen wieder tlott zu nmchen, doch
wieder sausen die unbarmherzigen
StahlinänteL und die Helfer ver
schwinden spurlos. —- Das liegenges
bliebene Fahrzeug muß ihnen den
Rudng aus engem Watdwege verte
gen, denn inrrner wieder versuchen sie.
es sortzuichassenz doch kaum zeigt sich
ein Mensch, sausen ein paar blaue
Bohnen, nnd der Weg ist leer.
Sieh da, schon macht sich « mein
Feuerriegel bemerkbar! Von halb
rechts webt ein weiszer Lappen, ein
langer Kerl schtvenlt ibn an einer
Eisinge, zwei andere drücken sictz hin
ter ihn
Russische Jnsanteristen, die sich er:
geben wollen! — Wir winten, sie
tommen zögernd näher. —- Mir ssjllt
nnwillliirlich der Vers aus Hans
Ductebein ein:
»Der Vogel, der mißlraul ilkm
sehr!"
Zwei von meinen Leuten geben iiH
nen entgegen nnd nehmen ihnen diei
Gewehre weg. Willenle lassen fiel
sich abiiibten, aus den stumpsen Rus
sengesichtern augenscheinliche Befriedi;
gung, daß sie nun in Sicherheit sind
und sich nicht mehr brauchen totschirs
szen lassen.
Die drei herrschasten waren an
scheinend Versuchslaninchenz wahr
scheinlich wurde aus sicherem Versteck
gespannt ausgepaszt, wie die Sache
ablausen würde. Denn laum sind
die drei Kerls in Gewahrsam, da we
hen mit einem Male von allen Ecken
weiße Flaggen. Jn Trupps zu sechs.
zu acht und mehr lommen sie ange
zogen, die tapferen Streiter der Na
rewarmee, die in spätestens acht Ta
gen in Berlin halten zu Mittag essen
wollen. Möglichertveise mag ihnen
das noch zuteil geworden sein, aber
als Gesangene unter preußischer Aus
icht.
Manche hatten noch ihren Schick
priigel dei sich, toarsen ihn aber
schleunigst von sich, wenn es hieß:
»Getoehr toeg!« (’)Jterltoiirdig, das
verstanden alle!) Die meisten Hel
den hatten ihre Getvehre aber schon
iriiher itn Stich gelassen.
Räderrollent —- Jm Galopp fährt
eine Feldbatterie aus dem Dorf her
aus in meiner Sellung aus. Ich
tann woht sagen, dasz mir diese Ver
stärlung außerordentlich gelegen
torntnt, und freudig schiittle ich dein
thirnernden von der Artillerie die
Hand. —- —
Aber seht, ein ander’ Bildt —
Ein großer Trupp Kavallerir.
mindestens 2 Schwur-komm totnmt
von halt-rechts ans dem Walde, voran
ein Reiter mit einer mächtigen weißen
Flagge. thhrscheinlich ein gestoh
lenes TischtuchJ —-- Jch sehe durchs
Glas-. --- tttot leuchten die breiten Ho
senstreisen: Ah, Rosalem —
Da habe ich die Lippen zusammen
pressen müssen, damit ihnen nicht der
Fenerbesehl entsloh, der in Setunden
1000 Geschosse aus die Mordbrenner
losgelassen hätte. Denn manches
Elend, manch Wert muttvilliger, sinn
loser Zerstörung hatten wir schon ge
sehen in ostpreußischen Landen, und
immer hatte ej geheißen: »Die
Schlimmsten sind die Kosaten.«
Jch gehe ihnen mit meinem Vizes
seldtvebel Frihe und meinem steten,
getreuen Begleiter, dem Hornisten
Vardt, entgegen und gebe ihnen, mit
ten unter ihnen stehend, den Beseht,
die Massen wegsutversem Anschei
nend funktioniert die Sache auch wie
sonst. denn einige Gewehre tlirren be
reits zur Erde —- da sanst von ir
gendwoher eine russische Granate dicht
itber unsere Mipse weg, und, als tviire
das ein verabredetei Zeichen, seht sich
die ganze Band vorn Fleck in Galopp-:
nnd reitet aus meine Kompagnie los.
Und wir dtei Mannercheni Wir
sehen das Angaloppierem müssen unil
noch höllisch in Acht nehmen, daß
toie nicht über den Haufen geritten
werden, und plöiiich das altbetannte
Glis — biii —- bssi —- — —- W
Mückensurnmen, nur schärfer, kürzer
»—— sitzen mitten drin im Feuer mei
»ner eigenen Kompagnie! —
i Verflucht noch malt —- Wie von.
einer Strippe gezogen liegen wir
ialle drei platt auf dem Bauch. Mir
schoß dabei der Gedanke durch den
Kopf: »Das war Hinteriist nnd Ver
abredung, setzt sind wir im Wurst
slessel!« denn ich hielt das Infan
tertesener im ersten Augenblick fiir
ritssisches, das von einer im Walde
verborgenen Schuhenlinie herkäme.
Wir also liegen platt am Boden,
die Nase im Heidelraut, da gehto
plötzlich aus nächster Nähe: Pengl —
Pengl —- Und schon saust mir
Sand ins Gesicht, den ein dicht vor
mir einschlagendes Geschoß ausgewü
belt hat.
Jch blicke auf und sehe ans fünf
zig big sechzig Schritt mehrere stoss
ten, neben und hinter ihren Pferden
stehend, emsig bemüht, uns ins Jen
seits zu befördern·
Wieder ein Schuß: Peng und
neben mir ein Schrei: »Herr Haupt
mann, ich bin getroffen!«
- Jm gleichen Augenblick habe ich
auch schon mein treueg Gewehr, das
mich noch in jedes Gefecht begleitet
hat, am Kopf, ein richtiger Jäger
schnadpschith — und ein Halt-nie, der
eben wieder hinter feinem Pferd her
vor-schießen will, schlägt hinten
über· —
Ladend sehe ich, wie ein czweiter
mich scharf zielend aufs Korn nimmt,
doch neben mir ein stnalh dem Kerl
fällt die Anat-re aus den hoch über
den Kopf getvorsenen Armen, und er
stürzt tote ein gefällter Baum. Das
war mein getreuer Fritzel Brav, mein
Alter, der Schuß rettete mir das Le
ben!
Doch, es schießt immer noch! Wo!
steett der Kerl! Aha, dort hinter sei-s
nenl Gnnc —- Nn, warte, mein Jung
chenl —-- Der erste Sehnsz dem Psero
aufs Blatt — ein Schweißsuchs war.
es mit snst weißer Mähne, merkwür
dig, wie nebensächliche Eindrücke in
solchen Augenblicken haften bleiben —
der Fuchs fällt rückwärts in sich zu
sammen, und ehe der Reiter sich noch
besinnt, liegt er daneben.
Zu Ende? --— ss Es scheint so;
nuch meine Kompagnie hat dng Feuer
eingestellt. —
Ein vorsichtiger Blick in die Run
de, aber es rnhrt sich nichts mehr. —
Wir erheben uns —— alles bleibt
stil. — —
Mein Hnrdt tlngt nicht, sondern
lacht mich tapfer an.
»Nu, nrmer Junge, was ist denn?«
— »Ach, nicht schlimm, Herr Haupt
mann, man bloß durchs linke Bein!«
Er loill ausstehen, es geht nber nicht.
Zwei des Weges lommenbe wassrnlose
Nussen müssen ihn znm Verbandplatz
trngenp der im Dorf neben dem rus
fischen Feldlaznrett eingerichtet wor
den ist·
Und die KosalensrlxwadronenZ Herr
Gott, wo sind bie geblieben-Z —- zwi
schen uns und meiner Kompagnie bn
liegt«s in schauerlichem Durcheinan
der, Reiter nnd Pserbe, tot nnd ver-H
wnnbet. Reiterlose Pferde irren uni
her, und was von Menschen heil
blieb, drängt sich dort mn Gehöst ener
aneinander-. »
Wir kommen zuriieL mit sreudigetm
Zurus von der Kompagnie begrüßt;
teiner hatte gehofft, uns noch lebend’
wiederzusehen. l
Meine Leutnants erstatten Be
richt. -— Einer meint, dng kussiiilke
Vlrtillerieseuer hätte unter den Floh
len eine Panit hervorgerufen, sie
hätten nichts Feindseligeg mehr iin
Schilde geführt nnd sich nnr retten-«
wollen. I
Doch von den anderen wird ilnn
widersprochen: »Die Kerls schossen
doch mit Gewehren und Pistolen voin
Pferde aug, uns sind verschiedene
Bohnen um die Ohren geflogen! Die
Leute bestätigen das auch.«
Na, jedenfalls hatten sie seuern las
sen, nnd der Erfolgs Zweihundert
Meter nur waren die Kosalen in
schärfster Gangart geritten, zwei
Schwadronen waren eg mindestens
gewesen, und wir-Z tvnr iibrigt —- —
47 zählte ich und lies; sie durch
ein Konnnando nnch M. zuriicttrangi
pottieren.
An uns vorüber ziehen jetzt die an
deren drei Rompagnien des Ba
taillonö und verschwinden in südli
cher Richtung im Walde. llnd wäh
rend weitere Trupps von tussischen
Jnsanteristen von rechts her sich unter
Tücher-schwenken ergeben, prasselt aus
der Richtung. in der dne Bamillon
in den Wald tauchte, heftiges Ins-Jn
teriesener los, nu Artillerie brunimt
dereinzelt dazwis en
» Der Batterieches äugt scharf durchs
Scherensernrohr in die Richtun des
Kampslörms. Mit einem Male fchteit
er ein Kommnndo in seine Batteeie
hinein, blisschnell stiegen die Laset
enschwänze herum, ein kurzeö iel
nehmen, und mehrere Male dr llen
die sechs Geschühe den Rassen ihre
Morgengriisze zu.
Aus einer Lichtung hatte russische
Artillerie versucht, auszusahten, da
kamen unsere Schätzen, und ihr Ge
schoßhagel schmeiterte in die Kolons
nen. fchmetterie Mann und Roß zu
Boden. Kein Wehren half, denn durch
die Schuhfchilde sanften die Stuhl
mäntel, kein Bedienem lein Richteni
der Gefchiise war möglich. Und von
oben her prasseltrn die Schrnpnells
unserer Butterie hinein, Pferde, Men
fchen, Gefchiihe und Munitionswngen:
zu wüften haufen übereinond erwer-:
send —- Do warf sich aller-, long noch
atmete, In wilder Verzweiflung in den
schützenden Wald, Kanonen und Mu-«
nitionswngen uns überlassend.
Der Jnfantetielampf entfernt sich
immer weiter und verstummt allmäh
lich, die Rassen sind geworfen, in den
tiefsel zurückgedrängt
Doch bei uns gehi’s weiter. und
jetzt tritt die Artillerie in ihr Recht.
Am cscherenfernrohr der Butterie
iiihrer auf dein höchsten Tuch hinter
uns einer seiner Leutitaiits, über je
dem Gefchüyrohr die Kunoniere, aus
spähend wie die Lnchse, so haben sie
dng Gelände unter Beobachtung;
nichts entgeht ihnen, jede feindliche
Beobachtung haben fie iui llmfehen
weg.
Hinten im Hochwalde eine hohe
Staubwolle, die eilends von rechts
nach links zieht.
»Im Walde rechts berittene Anton
nen«, ruft der Beobachter vom Dach.
Ein Kommnndo, die tttohre fliegen
in die angegebene Nicht-um
»Schrupnell, Brennziinderi Auf
die Etaubwolte im Waldes 22 Hun
dertI lfine Gruppe!«
Sechs Geschützschliinde liriillen aus.
sausend ziehen die Geschosse davon.
einige Seinnden später, und haar
schars über der Staubwolle, hübsch
gleichmäßig nebeneinander, stehen
plötzlich sechs grauweisze Rauchbe
then, scheinbar so harmlos und doch
Tod nnd Verderben niederspriihend
in die Reihen der Fliichtenden.
; »Gut die Feuerveiteilungt 21
Hundert! Noch eine Gruppe!«
Dasselbe Bild, nur etwas näher
sdie Sprengpnnltr. Die Ztaubwolte
sstockh zerslattert dann nach allen
Seiten.
»L» fix, kommen Eie mai ans
Scherenseriirohr!« Just der Batterie
chef.
Jch eile hin, die Jlisiiche Vergrö
ßerung rückt den Wald greifbar nahe,
—- dn, zwischen den Bäumen durch
loniint’g in vollem Rasen, —- -— le
dige Pferde!
Aha, die Schrnpnellg haben ihre
Schuldigleit getan! —— Der jüngst
von mir so geschmäer masurische
Staub ist heute unser Verbündeter.
Er verrät jede Kolonue der offen
bar in heller Flucht befindlichen Rus:
sen. Und jede Staiibiuolle ist bald
von 12ss18 dieser verderblichen
Rauchbälle nmtriinzt und die Wit
iung ist immer wieder die gleiche:
Umherjngende reiterlose Pferde, zer
slattern oder Zuriictsluten der Stand
wolken.
Unbegreislich nur blieb uns, daß
die-Aussen gegen unsere Handvoll
Menschen, die durch das einige Zurich
transportieren der Gefangenen — es
waren inzwischen sicher schon viele
Hunderte geworden — sich noch er
heblich vermindert hatten, nichts un
ternnhinen. Jeden Augenblick erwar
teten wir einen Feueriibersall und
Angrisf aus dein vor und hinter uns
so unnngenehm dicht an 'unsere Stel
lung heranreichenden Walde, aber
nichts geschah. Nur wieder und wie
der stellen stellen sich siaggenschwin
ffende Trupps lich ergebender Rus
en.
i Es mußte eben im seindlichen Heere
vollkonunende lnirtsiilosigleit und De
imoralisntion einnetreten sein, unders
Jtoar dieser Mandel an Unterneh
;mung"ggeist gar niitn zu erklären.
» ,,iltecht5 ncn Waldrande einzelne
Reiter«, meidet ein Beobachter.
»Achtung, da kunnten noch meiser
tust der Späher vom Dach.
Wahrhaftig, eine ganze Schwadron
trnbt gemächlich den rechts nach links.
—- 1200 Meter unr, diesmal tanu ich
mittun. Und da erkenne ich ja auch
wieder die roten Streifen! Nochnialg
Nosatenl Nu tin-riet! —- — lind iu
den Donner der lsleschiitze plappert
hell mein Geweliricuer hinein
Driiben ein Zinnen und Durch
einandersahren. -« ein Bäumen
und Stürzen von Pferden, dann ein
wildes Davonjngen nach links.
»Wer Pserdelisii.teii vorhalten«,
schreie ich meinen Schützen zu, und
wieder und noch einmal bellen die
Kanonen.
Da ist«-z driilscn ruhig geworden.
Kein Pferd, tein tlieiter mehr zu se
n« —
Wegrasiertl « Schönes Oslpreu
ßen, wir rächen dichl s-— —- —
Gerude als icli meine Kompagnie
erreiche, kommen den westwärts süh
renden Weg drei Reiter daher. Vorn
ein alter, tviirdiaer Ossizier, dessen
schneeweißee Volldnrt hell leuchtet,
sein Adjutant und eine Ordonnanz
begleitete ihn.
Er si t ab und meidet in gebro
chenent entsch, er käme als ältester
Ossizier der noch im Walde befindli
chen T«;uppen, deren Uebergnbe anzu
bieten. Es seien vorhanden 21,Hz Ba
taillore Jnsanterie, eine Abteilung
Zeldartilletie und einige Kavallerir.
Wie erössnen ihm, daß seine Leute
abgeholt werden würden, ilyn selbst
senden wir unter Führung eines Ar
tillerieossiziers nach M. zurück. Wir
gestatten ihm, zu reiten, was ihn «
scheinbar mit großer Danlbarleit er
iiiae i
Gleichzeitig bitten wir um ein stär
ker-es Abholungslommando, wir konn
ten es nicht mehr schaffen.
Jm Abreiten sieht der Oberst — es
war ein Artillerle - Brigade - Kom
mandeur —, durch welche geringe Ge
sechtstraft er sich hatte aufhalten und
zur Uebergabe zwingen lassen, und
Tränen liefen ihm über die Wangen
in den weißen Bart. War’s Grimm,
daß er sich so hatte täuschen lassen,
mass Trauer-, daß mit seiner ge
waltigen Uebermacht gegen die zehn
sach unterlegenen Deutschen nichts
auszurichten gewesen —- wer mag es
sagen? —
Bald iam von M. her eine Kom
pagnie und rückte bei uns vorbei, die
Gefangenen zu holen.
Vom Walde her kommt in endlo
sem Zuge die Schar der Gefangenen
Seelenrnhig, mit ihrem Lose durch
aus zufrieden, ziehen sie dahin. Auch
Viele Offiziere dabei, alles lräftige,
schöngetvachsene, gntgetleidete Mön
uer. —- Ein Drittel dieser Macht hät
te vollnuf genügt, uns- zu erdrücken.
Und sie ergaben sich doch! Warum?
Weil sie nicht wissen, wofur sie
länipsen, Ireil ihnen der große na
tionale Gedanke fremd ist, der unsere
Leute beseelt bis lzum jüngsten Res
lruten, und weil ihnen der Wille zum
Siege fehlt, den Wunden und Tod
nicht schrecken.
-————-—O - - s-———- —
vernichtete.
Krieg-Zither von til. U. Lindneih
Er war zu ihr gelotiinien, erregt,l
mit glänzenden Augen und doch mit
einer Testiglein die iiber seine acht
zehn Jahre weit hinausging. »Ich
»e« mit, Mutter. Sie- gehen alle
»Die ganze Prima.«
Frau Kranse zuckte zusammen
Das hatte sie lommen sehen in die
ser Zeit ohnegleichen, die ihr gewil
tiges »Stirb und Werde« in jedes
Leben hineiuries
Seit Tagen zog es unter ihreni
Fenstern hin zum Bahnhof —- sm- I
gende junge Mannschast, eifrig unds
willig trappelnde Pferde, drohend
rasselnde Geschütze und Munitions
wagen Ununterbrochen rauschte ess
vorbei wie ein S,trom und keines
Stunde hatte in ihrem Herzen diei
Angst geschwiegen, daß dieser Strom
auch ihren Jungen hinwegführeni
wiirde. i
Nun war es so weit !
Sie griss nach seinen heißen jun-!
gen Händen. »Und wag sagt Vater
dazu, Herbert?«
»O, Vater ist samos.« »Geh, mit
Gott Junge « hat er gesagt. »Benei
den tönnt’ ich Dich. Weißt Du, Va
ter hat wohl immer ein bißchen unter
seiner Eigenschast als tlteichgttiippel
gelitten. Man kann ihm das jetzt
so nachfiihlen Außer mir war ich
gewesen, hätten sie mich nicht neh
men wollen. Na damit hatte es ja
nun leine Not.« «
Er rectte seine schlanle Figur ein
bißchen. Wie groß nnd triistig er
aussah.
«Ge h, Miitterchen, sieh nicht so ver
hagelt aus Kopf hoch! Ciehst Du,
so —- und lachen «- so gehört sich-i
für eine deutsche Mutter. Freu Dich
doch mit mir Es ist das Herrlichste,
was es gibt, siir solche große, heilige
Sache mit hinauszugehen Weißt Du
wohl, daß ichs auch ohne Eure Ein
willigung getan hätte? Das wäre
dann aber leine Respeltlosigteit ge
wesen, nur Naturnotwendigteit. »Das
Volt steht aus,« Mittterchea Wie ein
Feuersturm ist das und reißt einen
ohne weiteres mit weg. Nicht-z zu
ivollen.« »
Nun leuchtete est doch in ihren Au
gen aus wie Geberstolz. Wars nicht
ein Großes, dem Vaterland einen sol
chen cohn geben zu lönnen?- Nein,
die iroße Zeit sollte sie nicht tlcin
nnd schwach sinden «
Vier Wochen hatten sie ihn kroch
Vier Wochen, die die Eltern gleich
sain tropsenweise austostetein
Sie wollten ihin diese Zeit noch
so recht schön machen, aber was sie
ihm auch zu Liebe taten, immer hat
ten sie die Empfindung, als ob das
alles ihn nicht so recht erreiche. Jn
wenigen Tagen schien er um Jahre
gereist, wie los-gelöst von allen seithe
ren Interessen. Seine geliebte Che
mie, die ihm Lebensberuf hatte wer
den sollen, die Musik, die seine Mu
ßestunden auggesiillt, die niedlichen
Backsischchen, bie seine ersten Lin-it
stunden aus dem Gewissen hatten, das
alles war blaß und nebensächlich ge
worden vor der Ungeduld, in seines
Volles Schicksalsstunden mit dabei
zu sein.
»Es ist wirklich, als ob er nur
noch halb bei uns wäre,« sagte die
Mutter bekümmert. —
Und dann tain der Tag, da sie ihn
hergeben mußten da sein Land ihn«
iries in der Blüte seiner reinen Ju
gendtrast. Und über Frau ltlrita kam
die ganze Bedeutung des Wortes voni
dem Schwert, das durch einer Mut
ter Seele gehen soll als sie ihn zum
letztenmal im Arm hielt, zum letzten
mal den lurzgeschorenen Kopf strei
chelte. Gewaltsam hielt sie die Trä
nen zurück, die durften später flie
ßen. Bis zuletzt sollte d: r Junge ein
heiteres Gesicht sehen.
»Mein tapferes Mutterchen, —
siehst Du lvohl, Du verstehst Dich
jetzt schon ganz gut aus die Helden
mutter.« scherzte er noch, aber dann
wurde er plöylich still. Nie hatte es
einen Mißllang oder ein NUM
hen zwischen ihnen gegeben, und doch
war's ihm, als erkennte er erst seit
die ganze Jnnigleit des Bemer das
sie verknüpfte. Und damit degriss et
auch erst in vollem Umfang, was sein
Fortgehen ihr bedeutete. Er fühlte.
wie sie in seinem Arm zitterte.
,,Lnsz doch gut sein,« sagte er mit
unsicherer Stimme. »Ich komme ja
wieder. Ganz gewiß. Und wenn nicht,
Mutterchen, dann laß nicht Dein und
Vaters ganzes Leben daran tranken.
Versp:ich mir, daß Du nicht traurig
sein willst, es gibt ja nichts Größe
res, als sterben fiir Deutschland
Und ich bliebe dann immer Dein
Junge, werde nie ein langweiliger,
gesetzter, alter Obttlelkrer oder so
was-. Versprich mirs«
Und als sie nicht antwortete, drin
gender: .,Hörst Du, ich tunn sonst
nicht ruhig fortgehen, und wir yiiisi
sen doch ganz frei sein da draußen.
Versprich mir’s doch Liliutterchen Mir
zu Liebe.«
Da tat sie auch das noch; legte
ihre Hand in die seine.
»Ich versprech’ «Dirs, Herbert,"
sagte sie. und einpf«:nd es gleichzei
tig als ein Wunder, dnsz sie so spre
sclsen konnte. Es mußte wohl so seLn,
sdaß Freude und Not des Einzelnen
sich beschämt verkrochen vor der Freu
de und Not eines ganzen Volteg.
II- Jit st
Die ersten Traiierlniiden kamen.
Sie slogen hierhin und dorthin, und
auf den Straßen sah man die ersten
Trauer-kleiden Ach, sie rerniehrten
sich nur allzu schnell.
»Steht bei Jhneii noch alles gut?"
fragte eines Morgens ein Kollege den
Rechiiungcsrat Krause aus dein Wege
quin Burg
»Gott sei Dant, ja! Aber freilich
—- wer weiß —«
Ja« lver weiß. Schon vor Abend
gab es ein Haus mehr, in dein die
Freude erloschen war, und Herberts
geliebtes »I.Iiutterchen« lag wie zer
schnietterL
Was sie gefürchtet, wofür sie sich
in ihren Gebete-stunden zu stählen
versucht hatte, das liesz nun, zur
Wirklichkeit geworden, doch alles
Vorahnen weit hinter sich zur-lieb
Jhr Junge tot — iiiit zerrissenen
Brust irgendwo in Feindeelond ve
grabent Nie mehr seine hellen Augen
sehen seine fröhliche Stimme hören!
Wäre es nicht besser, auch zu sterbeiilt
Wozu lebten sie nun noch, ihr Mann
und siet Nichts schrecklicher, als vor
eineni öden, einsamen Leben zu ste-«
heii nnd sich angstvoll zu fragen:
Was tue ich diiiiiitks
Jin Korridor jetzt behutsanie
Schritte- Jhr Mann tani. Er hielt
den Brief von Herberlci Feldivebel,
von dein die«"!t.ltutter bisher nur jene
ersten schlimmen Worte gelesen hatte,
die aller- lveitere iibersiiissig zu machen
schienen.
,,lllrile,« sagte er, indem er sich
neben ihr aufs Sofn setzte, »sieh die
sen Satz. Hast Du eine Ahnung, was
das bedeuten kann? Ich verstehe
nicht —«
Mit Aufbietiing cller Energie
zwang sie sieh, noch eiiiiiial in den
Brief zii sehen.
»Es wird Jhnen vielleicht ein Trost
sein, zu erfahren, daß Jhr lieber,
tapferer Sohn taiiiii gelitten hat. Wir
trugen ihn ein wenig beiseite, lehn
ten ihn gegen eine Böschnng Da at
mete er nur noch einmal auf und
niiirnielte etwas. Mii- tlang es wie:
»Versprich inir...« Dann war es
auch schon vorüber...
,,Versprich mir,« was mag er da
mit gemeint haben, Ulrile?«
Die Frau schlug die Hände vors
Gesicht. Ach, sie iouszte es wohl.
»Veriprieh mir, dass Du nicht tran
rig sein ioillst..." Das hatte sie ja
ihrem jungen Helden in die Hand ge
lobt uiid mußte eO nun halten. Ja,
sie mußte; toste es, was es wolle.
Wie ein Motto würde das über ih
rem Leben stehen« dem eben noch jeder
Jnhast gefehlt hatte, heute und mor
gen und all die einsamen Jahre hin
durch. Es ivar die Aufgabe-, die ih
res geliebten Jungen Fürsorge ihr
gestellt hatte. Er forderte das Opfer
ihrer Tränen. War das nicht allzu
viel verlangt, ivo tausend andere
Mütter weinen durften und sich die
Last von der Seele lösen? Aber
«nicht traurig scin«! lsatte er gebeten,
und sie ’hatte es ilini zugesagt aus
seinem Todcggang Eo etivas nimmt
man nicht ziiriieL
Weinende Augen sind wie geblen
det, sehen nichts; und die Zeit sor
derte doch Menschen mit klaren,
scharfen Blicken siir dar- Leid, das
sich tsald zu Bergen türmen würde
rings-nun Auch aus sie warteten wohl
schon viele sreinde Tränen, dasz sie
sie trockne, und das würde ein Tun
im Sinne ihres Jungen sein. War
ihr Llchtzehnjähriger so über seine
Jahre hinaus weise gewesen, zu wis
sen, daß er ihr damit einein Lebens
zweck wiedergaM
Dein Manne ioards unruhig, daß·
sie so lange schwieg. Hatte der
Schmerz sie von neuem ehrt-mächtig
gemacht? Aengstlieh berührte er ihren
Arm. —- »Ulrike!«
Da sah sie aus und in ihren Au
gen lag Märtyrerlicht.
»Ja, ich weiß, was er nnd hat
sagen wollen, Friedrich. Laß mich
jetzt nur noch ein Weilchen still; —
dann erzähl ich’s Dir.« Js,