Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 26, 1915, Image 9

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    Nebraska
Staats— Anzeiger und J set-old.
Gm qusapt ,c«i »Im
Zs must-hast ?
Von Maric Gerne-anbi
Clotilde ron Port-at ließ die Je
tet sinken. »Es ist kaum noch erträg
lich, dies Spüren und Wilhlen in
fremden Seelenzuständen. th
tommi sich so überflüssig dnrnit vnr
Wer sengt denn heute noch nach i«te
welschen Feinheiten, wenn die Zeit
mit eiserner Fckust ans Tor pochtls
« Ich selbst nicht. Mtlszige Spielerei ist
mir alles, was ich bisher schrie-IX
Da trat er schon ein, der Gutsherr
von Knllmintem frisch. trostvolt and
lebendig, und wie immer erstrahtie
sein Gesicht, als er die schöne Frau
erblickte.
«Nn, so vergnügt in dieser set-we
een Zeit? Hast Du keine Angst, naß
die Kosaten femme-W
»Ach, die sind ja noch wer wess
t:sot'Jch dachte eben daran, Robert
dJß jetzt Dein Weizen blühen wirts.
Alle Blätter werden von romanti
scken Geschichten wimmeln, Tatsachen
werden Trumps sein. So Stasser Tec
eiusguß wie meine Sachen tommt g«
nicht mehr in Betracht. Ich qiesze
itsn auch schon selbst sori "
»Man nicht!« sprach er. sie beis
lich tüssend. Er war ja sjoxz auf iter
Erfolge und gönnte ihr gern die B
se«säftigung mit iqrer linksst, wenn
ksese auch nicht seinem verlieren Ge
tetkmnct entsprach. liam er doch in
lesner Weise datsei zu kurz, Sc
anushalt ging am Schnürchen —
!m, nnd vor einer Wettbewe, die
ebne ranschenden Vetteln- nicht sen:
tonnte, war eine so zurückhalten-de
Schriftstellerin hier in der Lamm-c
fcmteit immer noch tausendmal ver
Mienen
»Aber weißt Du,« fügte er hin»3..
—- tvie er denn oft feine Liebt-nur
gen zum Anbringen nicht sehr ange
nehmer Nachrichten zu benagen pttiqs
te, »ich maß heut noch ntal in Je
Stadt: ’ne. wichtige Sitzung ins
Slteisauifchuß. Und dann tress ich
den Malkotvsti. den Viehhöndäcr.
wohl nach im Deutschen haus, oen
ich neulich beinah herausgeschmiflen
lab! Besser schließlich, man ninnni
jeden Preis-, als daß die Nusien ei
nem das Mastvielt wegtreiken.« l
»Stel1t es schlimm-" fragte set
jäh den Kopf aus Ieinen Armen he-;
Denk-.
»Man ruhig Bluts Jn T. soll licht
die Bande gezeigt haben. Aber Jon
do bis D. ist ja noch ein ganzes En
de. Ehe sie bis dahin lorntnen, knien
Lljxaetenlen ihnen wohl eins auf den
Pelz gebrannt haben. Das Schlintnse
it: bloß, daß man nichts genaue
treiß.«
lFr hatte im Stehen einige Sei-lud
Ilnssee getrunken und ging zum Fen
ster. Auf dem hof wurde der Wa
gen bereits angespannt. .
»Aber wenn man sich davon heut
zutage mieizniachen lassen wollte,
niißt’ man ja längst vor Angst une
gelonmten sein,« sprach er, zu ihr
purüctlehrena «Etnlttveilen, wie ge
sagt, sind wir init Verdrefchen ai-.
der Reihe. Und to ’ne kluge, start
aeissae Frau ist doch auch tapfer,
its-its?«
»So lange Du tnir bleibst!« rief
i.e tnit zärtlichetn Blin. Er war noch
nicht einqezogen, aber »nngesetzt«.
Dass nächste Landsturmnusgevot
konnte ihn tnitnelnnen Mitttfi).;.nl
wan il)r, als wandle Wahnsinn sie
an bei dein Gedankens aber meisten-:
toar lie stark nnd gefaßt.
· Sie waren miteinander in den
Flur getreten, nnd sie itals ihm ist
den «Ueberroct, reichte itnn Hann
setmlpe und Hut. Da lnin ihr funk
jähriget Sohn herein-gelaufen
»Vater, Du fährst nach D.t Djrs
irls mit? Du hast gesagt, nächstes
Mal dnrs ich tnitsahrett!«
Herr von Partmt zögerte ans Mit-t
siebt ans die Gattin·
»Nimm iltn mitt« entschied Clo
titde mit Hingemth »Wer weiß, wie
lange er Dich noch hat. Während Der
Sitzung tnnn er ja bei Großmutter
Heiden-«
Froh bestiegen die beiden den Was
gen. Der Vater freute sich ja selbst,
we Plapvertvert des tleinen Vier-·
schen net-en sich zu haben. Die tm
sendsach vermeinten Geschäfte ietzt
entzogen ihn snst ganz seiner Fa
mitte.
Cis-tilde ging ins Kinderztmmer.
wo ihr Kleinstes, die zweijährige
Ruth, eben vom Mittagsschlas ers
wacht war. Sie nahm sie mit sich.
und die Stitnden flogen ihr in Ar
beit und Spiel. Vor acht, neun Ultr
konnte Robert nicht zurltet sein· Als
er auch tnn zehn Uhr nicht da war,
sagte ich Eli-tilde, daß die Sthung
eben l« ngee gedauert habe, sie in ke
watten war. Um elf, äwölf Uhr noch
teln Wagens-klein Bte eicht war Mai
totvitt tilde-. Land ges-Ihrem und
Robert harrte leinee tm Deutschen
MS Der kleine Arthur schlief(
sicher längst bei der Großmutter, dies
seine hübsche Wohnung hatte. »
Und während sie sich bat immer-»
fort feigte, ertappte sie sich wieder nnd
wieder dabei, daß sie am geöffneten
Fenster stand nnd in die Nacht Hin
auslonschte, ob nicht ferne Sich-risse
Vernehmbae seien.
Eigentlich tomanhaft im höchsten
Grade, dieser Zustand. Hier dat- tran
liche heim, mit tausend Beziehungen
.gliicllichen Alltagslebens erfiillt —
braußen ba- Schtoeigen der schim
mernden Hochsomineenachtx bfe bunt
tin Hausen ver gemauerten Wirt
tchnstsgebfiude, die heitere Partmnnec
von regungstosen Baumkronen über
ragt Weithin eröffnete sich ein Aus
b! ick auf saht lenchtende Sioppelccei
ten. Alles wie sonst. fund-irgendwo
ging eine Schlacht flohen entietztt
Menschen hieben berserlerhaft wüten
de Reiter drein, spiegelte sich das
zinntte Licht des Himmels in brechen
;den Angen. Aber töricht wär’g eigent
;lich, das roinnnlfaft zu nennen. Das
if: das Leben, das Ungeheuer, Le: e««-,
das bisher von nhnungslosen händen
istiedlich mit sich spielen ließ.
s Robert liebte es nicht wenn fis
nachts aus ihn wartete. cie legte sich
Lin eine Decie gehüllt, auf das Nulze -
tlett, damit er bei der Heiinlelir -1l:-.-i
ilen könne sie habe geschlafen —
Getd, Schmncisachenc sie neige-nen
märtigte fich, wo es lag: tnit zier
Griffen konnte sie es zn sich sie-ten
Das Silberzeug war im Noth
lchnell verband —- Ach, wag nicht
das alles, wenn Robert nnd Armut
nicht wiederkamen?
Winiinernd, weinend, bebend lag
sie bis zuni Morgen. Bis es aus oetsi
Hof sich regte. in! Milchteller siir ihre
geschärsten Sinne die Blechtanncn
ttapperten in der band verschtiifcner
Mägde. Da tonsch sie sich, ordnetc ier
Haar und ging hinaus.
Jtn Flut schon begegnete sie detxi
Jnspettor.
»Berginann —- gnädige Frau ---
der gnädige Herr ist nicht nach hause
getoininen.«
Sie sagten ej beide zugleich. nnd
dann entstand eine Pause, während
ter Mann das Derz der schlauten
Frau pochen zu hören meinte.
»Kann da etwas passiert sein«
Beegmcinn?«
Der Jnspettor ziteite die Achiehi
Nonnen tann«g woll, aber nim
meint doch, die Bande ist iider T.
noch nicht «naus. Unsre waren roch
all unterwegs. Na, und daß die sie
durchiassen werden -s— — —«
Also er wußte nicht mehr atss sic.
.,Arthnr ist mit; vielleicht fahren Sie
doch tnai selbst nach D» Bergnun::,
und ettundigen sich."
»Oder ich schick vielleicht den inn
acn Wienß, der ist jn ganz beschias
gin. Ich — bin doch vielleicht hier
ndtiger."
Er sagte es zögernd und sehr, sehr
sonst. Ctotilde wurde leichenblasz.
»Wenn Sie etwas wissen. Berg
rnnnn, sagen Sie-:- niir, ich beschwo
re Sie.«
»Ich tveisi bei Gott nischt, gnäd'g
Fmin »Aber tveit Sie doch nuein
sind -—«
»Gut, ich ver-lasse mich aus Sie
Tun Sie, was Sie siir recht halten«
Früber als sonst ließ sie Mein
Ruth tveaien und anziehen. Die Kin
dersrnu, die Mainseil, das Sinnen
mädchen waren noch so harmlos wi
gesterm Nur daß der here nicht zu
rückgeiehrt sei, verbreitete Schrecken
Nun suchte Clotitde durch ihr Bei
spiei zu beruhigem besaht, daß alles
seiner Arbeit nnd-gehn wie gewöhn
tichz nur solle sich seiner vom Hof
entfernen.
Da —— gegen acht Uhr —— Wagen
gerassel! Cloiilde flog znni Funke-.
Ach, es war der junge Wienß; der
Braune ichectig von Schauniflocken·
»Bist umgedreht —- Kosalen!«
schrie er heiier zu ihr hinauf. lind
schon erscholl wilde-, tierisches Ge
schrei. Zwei, drei fünf Reiter fchoifen
in den hof, mit ihren Lungen sofort
auf den jungen Mann Jagd machend.
»Gnädige Fran, retten Sie sich! -«
Durch die Hinterliir in den Garn-n.
Aber gleich weit fort, es hilft nichts «'
— Bergniann war fin einen Angen
lliel da nnd schon wieder fort.
Mit fliegenden Händen band sie
dem Kinde ein Tuch inn. Die Mu
reritau, die ganz lopfloö war, suchte
iinnierzn nach dein Mäntelchen, nnc
hielt ihr bald einen Schuh, bald ein
Wäscheitiiet hin·"
«Jhnen werden sie nichts tun, Frau
Annehm. Sie tönnen mir nicht fol
gen. Aber, Mamiell. wenn Sie mir
Hedwig nachi ieten können. Zuerst
will ich doch a r versuchen, den Of
fizier zu sprechen.« Damit trat sie in
den Flut.
»Es ist sein O fixier dabei, gnä
dige Fee-M bee chtete der jun e
W eng, der eben aus dem Keller aus
tauchte. »Die horde plündert Ist·
eigne Hand. Wir schließen die Tiir
hinter Jhnen ab und halten die Be
seien aus«
Jhr Kind im Arm, tniemelte Clo
tilde hinaus. Zetergesctnei entsetzter
Mädchen folgte ihr. Sie durchqnerle
den Garten und rannte dann über
eine Wiese. Hinter sich hörte fis-s
leuchen, nnd als sie immer schneller
lies, eine Stimme:
»Ich bin«s, gnä’ Frau. Hedirig!«
Das Gesicht des Mädchens war
mit Tränen überströmt. Sie nahm
Idee Herrin die Kleine ab. »Durch;
Fenster sprang ich, als mich grad
keiner packen wollte,« berichtete sie
»Aber er lommt mir nicht nach,
Mamseij hielt ihm einen Schinken
vor’k- Gesicht.«
«Si. erreichten eine Weidenteihr.
und obgleich jenseits derselben Sturz
aeler sie empsii:g, benuyien sie doch
di- Drelnng vor den Blicken der Bec
solger
»Ta, da, sehen Sie bloß, gnädige
Fran!' ries hedtvig. als sie, dst stol
per.d nnd versintend in der ausge
locierien Erde, einen Augenblick halt
machen mußten. Rand-wollen dran
gen an’ den Wirtschaitsgebänden des
Gl«te—.. Und ans der Weide drüben
flogen Reiter mit geiällten Lungen
dahin und trieben unter wilden,
seemdoxlmen Lauten das Vieh zu-.
samtnen. s
Sie nahm jeiftX wieder der schlach
zctsden Hedwia die Kleine alt. »Ist
Tit etwas geschehen-« fragte fie, die
ses Weinen aus grenzenlosen inne-«
ren Jammer schätzend - »
USE-· lagen, sie haben in D. alle
Mannsleute oon vierzehn bis sechzig
totgrfhcisen lind mein Breitjam
war Hoteldiener im SchwarzenAds
ler.
lins die junge Frau wurde es dun
kel. Mechanisch ging sie weiter. Alle
titk..nlichen Wesen? Vater im Him
n:el, bist Du so hart gewesen?
Und sie durfte nicht fragen, for
schen. Die Gemüter flossen über· Von
zehn Seiten zugleich wurde erzählt,
die Kosalen hätten gestern abend D.
überfallen. sofort alle Männer und
Inaben zusammengetrieben, alle
halbwegs Wehrfähigen ausgelefen, an
die Mauer gestellt und —- piff. pass!
— einen nach dem andern erschaffen
Später seien die Preußen gelommen
und hätten mit der Mdrderbande auf
geriiumt, aber siir oie, die da teilten
weise mit dem Gesicht nach unten in
ter Straße lagen, war eH zu spät.
»Eure startgeistige Frau ist doch
auch tapfer, was?« Von irgendwo
her tlang es Clotilde in so liebevoll
fcherzendem Ton, das sich ihr das
Herz dabei umwanocr. Tapfer? Es
war wie eine starre Verzweiflung in
ihr. Und daneben der llare Gedanke:
Jch werde Ruth mit Hedwig in Si
cherheit schicken nnd mich selbst über
zeugen.
Aber leine Möglicbleit, mit Bahn,
Wagen oder Auko in die bedrohte Ge
gend zu kommen. Stunden dauerte
es, und viel Verhandlungen hin und
her wurden gepflogen, bis wirtlich ein
Zug nach dem sicheren Westen abge
lasfen wurde. Und inzwischen fand
sich eine Augenzeugin aus D» die
Herrn von Parpat mit gebundenen
Händen an der Mauer hatte stehen
und umsinlen sehen; sein Söhnchen
hatte sich an ihn angeklammert, denn
von einer fremden Frau, die es fort
fiihren wollte, hatte es sich losgerissen
und war zum Vater gelaufen, als
schon die Schüsse trachten und die
Ersten der Reihe oorniiber fielen.
Tapser sein? Es schwebte lslotilde
duntel vor, das; die Zeitgenossen, auch
sie selbst, es von der Frau verlangt
hatten, die ihr Liebste-« siik das Va
terland hingeben inus;. Und sie siihlte,
daß niemand, der es- nicht selbst er
fahren hat, wissen kann, was das
heißt. Sie fühlte sich in der Gewalt
einer höheren Macht, die nach Einig
leitsgeseszen verfährt und nicht nach
den heißen Wünschen deö einzelnen.
Sie empfand, daß Klagen zivcalos
sei, und all ihr Sinnen, all ihr-e
Jnstinlte spielten daraus Ruth zu
schützen und zu pflegen, das einzige
Vermächtnis des Verstorbenen So
war sie iapser, ohne es zu wissen.
Nach drei Tage langer Fahrt lam
sie in Danzig bei Verwandten an.
Die lannten ihr Unglück bereits ans
Zeitungsberichten und mündlichen
Ueberliesernngen. Sie überhäusten sie
mit äußerster Liebe und Schonung,
ohne daß es mehr Eindruck aus ih
ren Kummer gemacht hätte, als Neu
gier und Gleichgültigleit, die sie un
terwegs umgaben· Und als sie eines
Morgens so lag, die siederisch bren
nenden Augen aus Rath get chtet, die
neben ihr schlies, und seden zitternden
Seufzer unteeLücku, da hörte sie
lüstern und ernten an der Tite.
tne tlese Männersttrnmr. Die Tür
ging aus, es schob sich lautlos jemand
herein. Clotllde suht empor. »
»Moder» —« «
»Ich hin-s. Nu hab- ich Dich dpchl
erschreckt. Mein Mäuschen. meins.
Mein tleines tapfer-es Franchen. Ja,
besiihl’ mich man, ich bin heil und
gesund. Die Schulter —- Gott, das
spiir ich gar nicht.«
»Vlrthur? Nebenan,« fuhr er fort,
die Frage richtig deutend, die ihre
zitternden Lippen nicht zu formen
vermochten. »Er freute sich so aus
Dich nnd Ruth, die ganze Nacht. zu
leyt schlief er doch ein, nnd ich half
ihn aus dem Wagen direkt nan Sofa
getragen-"
Lange wortloseg Küssen nnd Ko
sen, heiße Tränen, die sich mischten,
stumme Gebete und Gelübde.
»Wenn Du das im Roman er
zählst, lein Mensch glaubt es Dir!«
sagte Herr von Pol-nah nnd sein lie
bes, warmes Lachen löste sich befrei
end aus seiner Brust. »Also ich stand
mit gegen sünszig andern an der
Wand in der» .. Straße. Arthur
hatte ich so schön zugeredet die frem
de Frau —- ih: Mann stand nicht
weit von mir -—- werde ilin zur Groß
mutter bringen. Natürlich konnte ich
bis zur Straßenecle iein Auge von
ihm lassen. Es war ja das Letzte,
was ich von Euch sah. Sehr rasch
lamen sie nicht rorrvärt5, tannst Du;
Dir denken, das rsrine Weib sah sich;
wohl zwanzigmal um, obgleich ihr?
Mann ihr’H streng verboten hatte
Wären sie bloß um die Ecke, eh·s
losgehh dachte ich iiilnieriiiein5. Aus
die Biesier vor uns-, die schon ihre’
Flinten im Anschlag hielten, hatt’
ich gar nicht mal acht. Da lnallt es
los: der erste fällt, der zweite sällt
— sie können ja nicht mal zugleich
schießen. Keine Zucht drin. Jch war
vielleicht der fünfte. Da ljör’ ichs
schreien: »Vati. Vati!« nnd wie ich
grad sci)’, das; die nächsten drei auf
uns angelegt halten« tonunt der tleine
Bengel ans — mich ——"
Hekk von Patpat machte eine
Pause.
»Wueden sie qeeühtt?« fragte Clo
tilde leise, während er die Augen mit
der Hand bedeckte.
«J« Gott bewahre. — — So was
kennen die nicht. Sie knallen los. ich
spüe' einen Schlag an der Schulter,
aber gleichzeitig auch, daß jemand
meine Beine umfaßt. Jch fiel um,
nnd tvabrhast’ger Gott, ich hatt’ da
bei noch den Gedanken: »Reiß das
Kind mit!« ---— Ich tann bloß ’nen
Augenblick betäubt gewesen sein, denn
ich hör’ Trommetmirbet und Schrei
en Und Rennen. Jch lieg noch einen
Augenblick, spür« das Kind neben mir
sich regen und denk: Donnettvetter,
das sind doch prensiifche Trommeln?
Also ich ticht’ mich ans nnd seh’ die
Gebundenen schon um mich herum
tanzen und von den Kosaien bloß
noch die Echten ganz hinten in der
Straße. Die unseren waren da, und
bei ihrem ersten Trommelschlng hatte
das Mordaesindel die Flinten hinge
woesen und war gekannt.«
Clotilde sattete die Hände.
»Aber der JutsieL ais unsere Feld
gtauen nun einriickten — unbe
schreiblich! Wen-i man so was ge
seh’n hat, meint man, man kann nie
wieder von elendem Dasein reden
Das wär« wag siir Dich gewesen,
Mieselasz.«
»Ich Hist ja, Robert, ich — nein,
Worte tönnen das nicht augdriicien!«
Sie wars sich ans das Bett zurück
und weinte . Er itreichelte sanst ih
ren weißen, gelielsten Atm
Genesung.
l VHH J Zellllsclk
i
i
Die tleine Fruu Mut-ihn saß um
Lager ihres Mucan und horchtenus
die stillen, rnhiaeu Vlteniziige des
Genesenden. Ueber Oeu Himmel ing
ten die Wollen. Eil- ließen rnituni
ter das Zimmer in gelbem Früh
lingssonnenscheiu unsieuchten und
stvutsen dunn wieder graue Schatten
siiber das Land, uls tätne dirs Licht
Ha sriih für iille die vergtiiinten
sMenschem die noch bereit waren, es
zwie ein Fest zu empfangen.
; Der Krante strich plötzlich unruhig
Iijber die Decke nnd tustete zur Brust.
’Er trug jene ernsten, gespannten Zü
;ge, die Träumeude haben. i
? Das junge Weib richtete sich aus,
ssnh ängstlich über seine Dönde und
wartete, bis der Krante ruhiger wur
ve. Dann relmie sie sich wieder zu
rück und grübelte weiter-, schwer-nü
tig und furchtsam, so wie sie mäh
rend der langen, einsamen Stunden
der Krankheit über sich und ihn oh
ne Unteelaß nachgedacht hatte.
Alle Menschen sagten, daß es eine
unendlich glückliche Ehe zwischen den
beiden sei, daß es teinen zweiten so
ptiehtbewußten und ernsten Mann
gäbe, und daß er lein tliigetes und
»ausapserndes Geschöpf hätte finden
ltönnen als sie.
Und doch war nach den ersten iu
delnden Monaten, in denen sie sich
alle Geheimnisfe anvertraut hatten,
eine seltsame Enifremdung zwischen
sie getreten, eine Scheu voreinander
und vor des anderen Gedanten, oder
eigentlich eine Trägheit sich zu of
fenbaren, iiber all das zu sprechen,
was die Herzen bewegte.
Er sah viel Ernstes in seinem
Beruf und hing seinen Gedanken
über die Welt und ihre Rechtferti
gung nach, genau wie vordem, aber
er ivar schlveigfam und in sich ge
kehrt, wenn er zu Tisch inni, und
es düntie ihm Wiederholung, das
noch einmal auszusprechen, was
längst zu einer klaren Form in ihm
gediehen war. Und die junge Frau
mußte sich daran gewöhnen. Sie
wußte, daß et abgesponnt war, und
versuchte ihn durch tausend lustige
Sachen zu unterhalten, die-sie gehört
hatte, durch die kleinen Sorgen der
Wirtschaft und durch Pläne und
zahllose frohe Vorbereitungen fiir
ihre Reisen, die einzigen Tage, an
denen sie sich selbst gehörten, fast
wie früher. Und doch fühlte sie
schmerzhaft die geringe Rolle, in die
sie gedrängt wurde, sehnte sich mit
aller Kraft ihrer Seele danach, seine
Fragen mit ihm zu besprechen. Sie
fühlte sich start genug dazu, glaubte
iodhi, daß sie ihm helfen töiinte,iuid
hatte viele bunte Gedanken, die sie
mit ihin hätte teilen mögen, und die
in ihr drängten, ivie ein junger
Acker, der auf die Sonne wartet.
Aber er blieb in sich gelehrt, tiisite
sie flüchtig, iveiin er heimtaui, nannte
sie seine liebste, kleine Frau, und
doch sah sie in seinen Augen, daß er
längst an Koininendeå oder Vergan
genes dachte.
Bis seine lange, schwere lfrlrans
tiing iaiii.
Sie war ihr erst wie der schwerste
Schlag erschienen, der sie hätte tref
sen können, lind sie hatte lange mit
ihrem Geschick gehadert, aber dann,
als die Gesahr vorbei war und sie.
an ihrem milden Körper fühlte, wasI
sie geleistet hatte, war es plötzlich
eine tiefe Befriedigung gewesen, die
über sie gekommen war, wie eine
zErlösung und eine Selbstrechtserti
gang.
« Das, was sie getan halte, hätte
leine andere tun töunen. Sie war
ihm unentbehrlich gewesen, eine lau
;ge Zeit, und zum erstenmal war ihr,
zals hätte sie ihren Platz zuriieteroi
Ibert, den sie lange verloren hatte, die
zausrechte gleichwertige Stellung an
jseiner Seite.
. Eine Bö zog am Fenster vorbei«
und der Hagel schlug in weißen Lan
zen durch das- erschauernde junge
;Griin· Von der Straße treischten
Eein paaruKindeL ein Wagen rollte
lnarrend iiber das Pslaster. Der
,Krante wurde wieder unruhig, hob
den Kopf, schlug plötzlich die Augen
aus und sah staunend um sich. Dann
;legte er seine Hand in ihre, so wie
lsie ost ineinander geruht hattenwöh
trend der letzten Zeit, nickte ihr zu
»und sah mit großem glänzenden
»Bliet an. Und dic junge Frausühl
»te, daß feine Augen tlarer waren
als sonst. lis- toar, als sähe sie
zum erstenmal die Genesung deutlich
in seinen Zügen. Froh beugte sie
Jsich über ihn, lüßte ihn und ver
suchte alle die Wünsche, die sie
während der Krankheit genährt hatte.
zu unterdrücken durch ihre Freude.
. Und dann brachen neben all ihrer
;ziirtlichen Jnnigteit plötzlich dieGe
danken an das in ihr auf, was hätte
’werden können, wenn die Krantheit
igesiegt hätte. Sie war in all ihrer
Arbeit und ihrem vielen Nachdenken
über sich selbst wenig dazu gekom
men, an das Schwerste zu denken«
Jn diesem Augenblick, als sie zum
erstenmal seine Augen so klar undi
glänzend wiedersah, wie in jener ge
sunden Zeit, oder eigentlich wie
lange vordem in den ersten Mona-(
ten, die sie zusammen waren, packte:
sie plötzlich eins jener unergriindlichenT
Gefühle user die wik uns reimen-J
chensehast geben können. Und die
doch so unbeschreiblich ties in uns»
aussteigen, hingebend und dankbarH
und uns eine Weile lang ganz erfül-»
len können. !
Jhre Augen waren sich plöszlich
begegnet, er schien etwas zu suchen.
mühte sich ab und wollte irgend et
was sagen, aber er konnte die Wor
te nicht finden. Da brach die Son
ne durch das itopsende Laub der
Bäume und warf zitternde, gelbe
Flecken über Bett und Wand. l
»Es ist Frühling!« sliistekte eri
leise. Sie nickt ihm glücklich zu»
und wußte» baß sie beide an den er
sten März dachten, an dem sie zu
sammen gewesen waren. Und dann«
preßte er ihre Hand mit aller Kraft.
»Ich habe viel nachdenken kön
nen, Martha, über die Welt und
iiber mich, — nnd da ist mir so viel
begegnet, wozu ich nie Zeit hatte.«—
Die junge Frau richtete sich auf,
sie war glücklich nnd dankbar, daß
er ihr davon erzählte. »Ich habe
eigentlich nie Furcht gehabt —«, fuhr
er fort, »ich bin immer heiter ge
blieben, auch in den schweren Ta
gen.« —
Sie wehrte ab. »Das ist ja jetzt
alles vorbei —"
Aber er nickte hartnäckig vor sich
hin: »Ich glaubte wirllich einmal,
daß ich sterben müßte. Damals,013
der Arzt die ganze Nacht bei mir
war.«
Er begann leise und stoclend zu
erzählen. »Und ich war voll von
’unruhigen Träumen, und mußte
siiber eine lange, weite Straße wan
ihern, immer weiter und weiter. Und
es war so unendlich schwer für mich,
weil ich einsam war und nicht wuß
te, wen ich fragen sollte, nnd weil
ich mich sehnte, mit jemand zusam
n.en zu sein. O, ich weiß es noch
ganz genan, nnd ich sehe immer die
endloser Reihe weißer Steine am
Wege. Es war ein rauhes Land,
ähnlich wie damals, als wir auf den
Höhen von Norwegen waren; aber
die Straße war eben und glatt, so
daß sie mir leine Mühe machte. Und
plötzlich fiel mir die Aehnlichkeit ein,
nnd ich fühlte, daß ich mir nur im
mer daH wiinschte: du möchtest bei
mir sein«
Seine Wangen töteten sich, er lä
chelte froh vor sich hin.
»Dann wachte ich einen Augenblick
auf. Der Arzt war gegangen und
dn warst um mich. Das hat mich
überglijcllich gemacht. Jch glaube,
damals bin ich genesen vor lauter
Freude.
Und ich träumte immer wieder
von dein Wege. Aber wir gingen
ihn zu zweit, er wurde immer schö
ner, so grün und blühend ivie lauter
Frühling. Und wir sprachen über
all die Zeit, die hinter uns lag,und
dachten immer nach, was wohl kom
men würde. Ueber all unsere Er
innerungen habe ich mit dir geredet
—- iiber alles, was man hoffen kann.
Und ich war so unsäglich glücklich da
bei.«
Die junge Frau hatte sich iiber
ihn gebeugt. Eine unendliche Freu
de überrann sie· Sie fühlte, als
begannen sie beide noch einmal ganz
von vorne, als wäre all die letzte
stumme Zeit zwischen ihnen ausge
hoben und als hätten sie doch beide
zum erstenmal empfunden, daß sie
wirklich ebeiibiirtige Freunde waren.
die ohne einander nicht aus-kommen
konnten. Und plötzlich tropste es
heiß von ihren Augen, so sehr sie
sich mich bezwingen wollte. Er sah
es und erschrak.
»Hätte ich dir das nicht sagen sol
len?«
»Bitte, bitte, du, — sprich doch
lveiler!·'
,,——Wenn du Zeit hasi, gern, ich
seh immer den Weg und den Früh
lina, und ich glaube, ich hab’ noch
sehr, sehr viel zu erzählen. Warum
meinst du eigentlich? Du siehst so
froh aus, Miirtha!« —
-———-.-.
— Arge-s Mißverständ
nis. Ein Geistlicher fragte einen
kleinen Junge-i, ob er wiißte, ivaH
man unter einer guten Spekulation
zu verstehen hätte.
»Nein, das trieisz ich nicht,« sagte
der ileine Jung-.
»Nun, ich will es dir sagen. Es
kam einmal ein Mann hierher, der
hatte kaum skin Hemd anzuziehen,
und jetzt besitzt er Millionen-«
,,Millionen?-« fragte der Knaben
staunt. »Wieviet zieht er denn dann
immer auf einmal an?«
— Ach so! Sie: Aber, lieber
Mann. ich hätte dir doch mehr ge
sunden Menschenverstand zugetraut!
Wie kannst dn nur auch noch ein
Waldhorn kaufm! Du weißt doch
daß der Mensch nebenan uns mit
seinem Horn schon beinahe zu Tode
quält!
Et: Beruhige dich, meine Liebe,
das habe ich ja gerade gekauft!
—- RadiknlmitteL —- Lie
gen Sie noch immer im Prozeß mit
Ihrem Nachbarn nni feinen bösen
Hund, der Ihnen die Beete aus
scharrte?
—- Nein, schon lange nicht mehr-!
—- Also haben Sie die Streitaxt
begraben?
—« Nein, aber den Hund!
—- Stimint. —— Können Sie
mir nicht einen Beruf für meinen äl
testen Jungen smpfehletn in dein er
recht schnell vorwärts kommt?
— Ja, tvie meins denn nntChanfi
feur? s