Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 05, 1915, Image 8

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    Nebraska
f ScoatHTÄnzeiger und Il'cerold.
. sz Ya- suna —
-« ) Von Adolf Etat-L
Als Gyninasiast verbrachte ich die
Semmerserien alljährlich bei einein
Oheim meines Vater-. Das Schloß,
welches er bewphntr. in Wirklichkeit
nur ein langgestreates, lasernenarti
es Gebäude mit tleinen Schick-Juba
fenstern und diistereu, geioölbten Gän
gen und Zimmern lag in Nord-Un
garn. Dunkel und dräuend blickten
die Karpathen auf das Haus hernie
der und wenn es lange geregnet hatte
oder ein heftiges Gewitter niederge
gangen war, dann spritzten die Wel
len des Flusses bis hinauf zu den
Fenstern des ersten und einzigen
Stammes
Onkel Juw, der in diesem alten
Gemiiuer hauste, war alt, uralt. Kei
ner wußte so recht, wie alt er eigent
lich war. Aber daß er das achte
Jahrzehnt schon überschritten hatte,
das war gewiß. Dabei war er tör
perlich überaus rüstig. ging gerade
wie ein Stock und machte den Ein
druck eines ungewöhnlich kräftigen
Menschen« Mit feinen Verwandten
stand er weder gut ncch schlecht. Er
besuchte sie nie und verbot sich je ,
den Besuch, wenigstens von Erwach
senen. Uns Jungen hatte er gerne
um sich und wir waren auch stets
gerne bei ihm, so düster auch der Ort
so eigen auch der alte Mann sein
niocdte.
In meinem lei. zanke erzahue mir
Ohm Julo die nachfolgende Geschich
te. Sonderbar, sie machte damals
nur wenig Eindruck aus mich. Heute
erscheint sie mir wie ein zwar düste
res, ader sitedenprächtiges Gemälde
aus längst vergangener Zeit. Jch
erinnere mich an jedes Wort, an jede
Gebärde, an alle Begleitumstiinde,»
weiß noch genau, wo«sder Erzählerj
sasz —- in dem hachlkhnigen Alma-s
terstuidl anr Fenster — und wo ichs
hockte — aus dein Schemel zu seinenl
Fiisjen —- weisz dies so genau, das-!
ich die Szene mitten könnte, und höre;
deutlich die laute, etwas hart tliugeni s
de Simses s
Ei ist etwas Ciaentlirnltchee ums
die Entwiritung. Wie ost warst du
eigentlich bei mir, Junget Fäus
odee sechs-nah nicht«-i Nun, du bist
jedes Jahr größer geworden und tliis
ger, wie sich das gehört, aber schließ
lich warst du immer ein Kind, im
mer, bis heute. Heute bist du ein
anderer. Vielleicht noch tein ganzer
Mann, aber gewiß tein Kind mehr
Tn selbst mertst dat- wcljt nicht so
und deine Leute auch nicht, weil sie
dich beständig unter den Augen haben
Vltxer ich merte es wohl.
ileoerall geht es so, bei dem ein
seinen Menschen nnd dei der ganzen
Menschheit. Wer mitten drinnen
steckt itn Truhel, der übersieht qäusig
den Moment in der Entwicklung wo
eine Epoche in die andere übergeht
und Versäumt es, die Entwicklung
rnitjumachen,.lebt noch eine Zeit lang
so ljin und meelt dann aus einmal,
das-, er fremd geworden ist in der
.Weti, daß er die Zeit und die Men
schen nicht mehr versteht. Dann macht
er es am besten so wie ich: er zieht
sich wie die Schnecke ins Haue zurück
und ledt sern vcn der Welt, wie ein
letztes übrig gedliebenes Iabeltier,
welches den Untergang seiner Rasse
überlebt hat· »
Es war eine andere Rasse zu mei
ner Heils wilder, roher, wenn du
willst, waren sie alle, ade —- doch
nein, ich will nicht vergleichen, will
nicht ein tindlicher Lodredner vergan
genee Zeiten werden. Jch will dir
lieberieine Geschichte erzählen, eine
Geschichte, die die Antwort ist aus
deine Frage von heute morgen, war
um ich leine Hunde im hause dulde.
hätte ich dir einsach gesagt: Jch
tann keinen Hund heulen hören, er
iiberläuft mich kalt, wenn die Jam«
rnertöne des Tiere-:- die Nacht durch
schneiden und Angstschweisz tritt rnir
aus die Stirn, dann hättest du mich
wohl ausgelacht Wenn ich dir meine
Geschichte erzähle, wirst du mich besser
verstehen.
Jnt Tiesland unten, wo zwischen
weiten fruchtbaren Ebenen unendlich
große ungangbare Mcore sich dehnen,
lebte die schöne Rosztkm Sie hieß
nicht umsonst die Schöne. Mehr als
ein halbes Jahrhundert ist verflossen
seit damals, aber noch heute dente ich
mit Entzücken an sie. Wie ein Bild
rvert txt-r sie von eines göttlichen
Meister hsnd geformt, ohne Tadel
und Fehl. Und dabei war sie un
glücklich. Alt-dar —- ich nenne nur die
Vornarnen —- Aladar, den sie —- ein
Mnd noch — geheiratet hatt-, nmr
ein tückischer-, roher, herrischer Mensch,
der den Edelstein nicht zu schiihen
wußte, welchen da( Schicksal ihrn in
· den Schoß geworfen hatte. Mehrere
Jahre trug sie das Joch dieser Ehe,
dann trennte sie sich von ihrem
Mann. Sie lebte, wie in der Ver
bannung, in einem kleinen Schloß
hart am Rande des Mai-steh Der ein
zige Weg. der hinführte, ging an
Aladars Kastell vorüber. Man er
zählte sich, dasz er Tag und Nacht
die Straße bewachen lasse, um es zu
erfahren, wenn etwa jemand Roszita
besuchen sollte. Denn er liebte sie
auf seine Art und war eifersiichtig
bis zum Wahnsinn. Aber sie gab
ihm keine-n Grund dazu. Nur wenn
sie hie und da in der Nachbarschaft
ein Fest besuchte, traf sie mit anderen
Männern zusammen. Zu Hause in
ihrem Schlößchen empfing sie leine
Besuche.
Schließlich aber schlug auch ihre
Stunde. Ein Weib, jung und schön,
begehrenstoert und, begehrt, tann
schließlich aus die Dauer sich nicht al
lem Liebeswerben entziehen. Weiß
Gott, wie das Gerücht aufiam, aber
eines Tages rannte man es sich in
die Ohren und erzählte es auch wohl
uuui uueat Huasprzgsaaunuzz ux inv
nor Lauschern sicher war, daß die
schöne Roszista einen Liebhaber be
sitze. Wer es war, wußte niemand
recht. Aber man erzählte sich, daß er
bei Nacht zu ihr tomme und zwar
nicht auf der Straße, sondern durch
das Moor. Die meisten glaubten
nicht d.1ran, denn das Moor galt als
ungangbar. Wohl führte ein schma
ier Weg durch dassetbe, aber nur we
nige tannten den Pfad und auch von
diesen hätte es niemand gewagt, in
dunller Nacht den Versuch zu machen,
einen Weg zu gehen, der selbst am
hellen Tage gefährlich war, bei dem
jedes- sußbreite Abweichen den sicheren
Tod bedeutete. Aber trotzdem er
hielt sich hartnäckig das Gerücht, ja
es wurden Zeugen namhaft gemacht,
welche den nächtlichen Liebhaber gese
hen haben wollten, ie er, einen
bund an der steine, im I ollmcnd oder
im unsicher-en Sternenlicht über das
Moor schritt.
Es dauerte lange, ehe das Eeriicht
Aladar u Ohren lam. Der Che
mann ersährt derartige Dinge immer
als der Le te· Als der lahrne
Janto im ausche das Gerede er
-"hite. todte Aladar toie ein Wahn
inniger. Am nächsten Morgen aber
schien er die Sache vergessen zu ha
ben, worüber wir alle erleichtert auf
atmeten.
Etwa 14 Tage später lud er uns zu
sich ein. Eine solche Einladung hatte
nichts Auiälliges an sich; man war
damals sehr gastfreundlich nnd gast
froh in unserem Ungarn. Wir fa
ßen beisammen, tranken, spielten,
tauchten und ließen die Mitternacht
heranlommen. Wir waren«alle rom
goldgelben Tokayer schon ein wenig
benebelt, sonst hätte doch wenigstens
einer von uns-s protestieren miissen,
als Aladar den Vorschlag machte, wir
sollten-zum Schlößchen ziehen und der
schönen Noszita ein Ständchen brin
gen. Die Zigeuner im Dorfe wurden
aus der Schenle geholt und bei dem
Klange ihrer Fideln zogen wir vom
Kastell »zum Schlößchen.
Aladar befahl den Zigeunern, nn
ter Roszilss Fenstern ihre schönsten
Lieder zu spielen. Als im Hause
alles dunlel blieb, nahm er eine
der Zigeunergeigen, zapfte die Sai
ten, wie bei einer Guitarre nnd sang
daz u
Da öffnete-sich oben das Fenster
und Nosiila erschien Beim Scheine
der Fackeln, die wir mitgebracht ha
ben, sahen wir deutlich das verächt
liche Lächeln ihres schönen Gesictites.
«Geht heim und fchlast euren Rausch
auö«, rief sie herab, »und schont eure
Stimmen, sonst tönnte der Uhu und
der Rade eisersiichtig werden auf den
Konkurrenten-«
Aladar stand da, den Kon im
Nacken, den Blick auf die Gestalt im
Nachtgewande gerichtet. Und plötzlich
lachte er grell auf.
»Gefallt dir mein Sang nicht,
schöne Roszitat Watte ein tleines
Weilchen und dn sollst eine Stim
me hören, die dir lieblicher ins Ohr
llingt."
Noch hatte er nicht geendet, crls
vom Moore her ein schnurrliches
Heulen ertönte, das heulen eines ge
ntarterten, verloundeten oder sonstwie
verlesten Hundes-. Schrecklich und
teängstigend klang es durch die Stil
le. Alles stand da und lauschte. Und
aus einmal mischte sich in das heu
ten eine männliche Stimme. Deut
lich vernahmen tvir das Nasen.
« ilse, hilse«, llang ee über das
oor. Roszila erdebte, die Hand,
welche aus- der Fensterbriistung lag,
schien sich einzustellen in das holz,
eine Stüge suchend, damit die stolze
Gestalt nicht in sich zusammenbrechr.
Nie werde ich die grossen an stersiills
ten Augen vergessen und de über
menschliche Qual in den Zügen der
Frau· Und vom Moor her klang
maklerschütternd das heulen dez hun
des und die hilseqlsr.
I »Hörst du ihn?« Aladar lachte
grell aus. »Hörst du deine Nachtigall,
mein Täubcheni Die singt freilich
schöner als so ein alter Uhu. Nur
Ischade, daß sie bald ausgesungen ha
iben wird. Das Moor ist tief und
sperschluckt so ein Singoögelchen wie
kder Wallsischiiiagen den seligen Jo-·
Inas Nur dasz es die Beute nicht
wieder herausgibt, niemals wieder.
Niemals!
Nun, was steht ihr denn da und
gafft? Ja so, ihr tönnt euch die Ge
schichte nicht zusammenreinien2 Und
sie ist doch so einfach. Liebe ist er
Lindcrisch So einfach ist der Ge
anle, sich von einem guten Spiiri
hund selbst bei Nacht sicher übers
Moor führen zu lassen. -Ein bischen
gefährlich zwar, aber als ob die Liebe
einer Moszila nicht ein bischen Le
bensgefahr wert wäret — —- Uebri
gens, ein schlapper Bursche. Er weiß
nicht einmal, mit Anstand zu sterben,
schweigsam, ruhig, wie es einein Edel
mann ziemt. Hört nur, toie er heult
und uni Hilfe ruft. Was geschehen
ist« wollt ihr wissen? Auch der Haß
tanii schlau sein. Eine tüchtige
Wolfssalle, an der schnialsten Stelle
des Weges ausgestellt, schnapp, da fällt
sie zu. Hört ihr sie heulen, die BestM
Hört ihr ihn iviinniern, den Tron
badur, der hilflos verlassen iin Moor
schon die band des Todes im Nacken
fühlt. , Warum lacht ihr nicht iiber
den Spaß? he? Lustig, Briider,
lustig! Spielt aus, Zigeuner, euer lu
stigstes Stück.«
Und die braunen Gesellen, welche
wahrscheinlich leine Ahnung von den
Dingen hatten, die sich hier abspiel
teii, geigten drauf los; das Tönen
der Fidel vermischte sich mit deni
Heulen des Hundes und den Rasen
des llngliicllichen zu einem schauer
lichen Dreitlang Siehst du, seit fe
neni Tage kann ich teiiien Hund heu
leii hören.
Wie die Sache ausging, ioillst du
wissen, Junge? Glaubst wohl,
Roszila wäre dran gestorben oder
hätte sich ein Leids getan? Jch sagte
dir schon, ioir Menschen von damals,
auch die Weiber, waren von anderm
hols. Glücklich ist sie geworden, recht
glücklich niit ihrem Aladar. Du
schauderst? Eine andere Welt, lieber
Junge, eine Welt, in der die Frauen
eine Liebe zu schätzen wußten, die so
groß war, daß sie selbst vor Mord
nicht zurückschrecktr. Das verstehst du
ioieder nicht«-X Nun ja, ich sagte dir
gleich: zwei Epochen, zwei Welten.
Zwei Welten, deren die eiiie die aiide
nicht versteht.
« —W
Yntrriffixier Yottebolirm
Von Pisutin Prossianctz
»Es ist prachtvoll, wie sich unsere
Leute da draußen schlagen, die alten
Landtvehrleute wie die Jungen. Kurz
bevor ich das Pech mit dem Arm hak
te, bekam ich noch eine Schwadron
Frsiwilliger als Nachschieb, die waren
noch größere Dransgänger.«
Der Sprecher, ein großer Husarens
major, riickte gen verwundeten Arm
in der Binde zurecht.
»Und was-site Kerle drunter sind,"
snhr er nachdenklich fort, »du sah ich
einen Reiter —- ich denke, das Gesicht
kenne ich doch —- srage ihn, da ist
es Wengstein, der große Heldentenok
mit der noch,größeren Gage! Läust
hin und wird Freilvilliger Reiter.
Außerdem waren noch zwei Privat
dozenten und über 50 Studenten da
—- alle s:eiwillig!«
»Bei meiner Kompagnie ist ein
ganz berühmter Schriftsteller als Sa
nitäter,« bemerkte ein Hauptmann.
Ein Oberlentnant mit dem Eifer
nen Kreuz, der bisher schweigend in
der Ecke gesessen hatte, lachte aus.
zDen tomischsten Kerl. glaube ich,
here Major, hatten mir doch in un
serm Regiment. Bei uns dient näm
lich der Unterossizier Willi Rotte
bobm.«
»Wer ist denn b05?« srngten die
anderen Ossizietr.
Der Oberlentnant lachte: »So
heißt er nur in seinen Papieren, sonst
nennt er sich der ,,ursidele Natte
bahm'«!« -- «
»Was? Der? Der bekannte Varie
tstomiterf Der mit dem dicken Ge
sicht?«...
»Genau derselbe. Und ist Unter-is
sizier der Reserve in der zweiten
Kompagnie unseres Negimentö. E:st
wußten wie —- das heißt die Osti
ziere —- gae nichts von seiner An
wesenheit. Aber eines Tages gehe icki
durch das Quartier in einem belgii
schen Dorfe, da sehe ich einen dicken
Hausen Soldaten und höre brüllendeö
Gelächter Jeh trete nahe-, man macht
mip Plas, da sitt ein dicker Unter
assiziee aus einer Tonne und singt
ein blödsinniges Lied aus die En -
Kinder-, aher komisch, mit einem so
deolligen Gesicht, daß ich auch lachen
muss. Das war meine erste persönli
«che Bekanntschaft mit herrn Willi
Nottebohm. Jetzt fiel er mir öfter
anf, aber nicht immer angenehm. Zu
erst ging es ja. Bei den Gewaltmärs
schen, die wir machen mußten, war
er immer vornan, immer fidel, wenn
ihm auch der Schweiß über sein dil
tes Gesicht lief —- und machte seine
Manchem So heiterie er wenigstens
die Leute aus. Besonders einen Sing
sang hatte er, da bogen sich die
Leute vor Lachen. Als Refrain ging
es immer:
»Kinder, kommt, die Reife hat
. Uns ja nischt gekostet,
Kinder, haut den Englischnsann,
Bis sein Roftbeef rostet!«
Sehr geistvoll war es nicht aber
sein Gesicht glänzte wie lauter But
tersuppez und die Kerle wollten sich
totlachen. Allmählich wurde es aber
zu viel. here Nottebohm schien die
taisertich deutsche Armee fiir sein
Publiium zu halten, und sein Mund
werk stand nie still, auch bei Nacht
miirscheu, wenn er besser das Maul
halten sollte. ch habe ihn auch ge
l,örig angepfis en, aber dann machte
er ein so zerknitteetes Gesicht die
blanken Aeuglein versanken in lauter
iummervollen Specifalten, daß man
sich umdrehen mußte. um nicht laut
zu lachen.
Jch machte den Feld-owe( auf den
Unteroffizier Nottebohm aufmerksam,
da sagte er: »Ja Befehl, .Herr Ober
lentnant, ich weiß schon Aber wenn
ich den Kon wegdrehe, dann macht
er meine Stimme nach, daß ich den
ken könnte, ich bin·5 selber!«
Also der urfidele Nottebohm spiel
idweiten Einmal kam ich von hinten
an die Marschlolonne heran, da hörte
ich das Lied:
»... Kinder-, yaut oen irngnscymanm
Bis sein Rostbees kostet!«."
aber mit meiner eigenen Stimme,
einfach täuschend nachgemacht. Von
wem? Natürlich von Herrn Rotte
bohm. Jch war wütend nnd lief gleich
zum Musik-. Der sagte mir: »Sie
sind nichternst genug!«, nnd ließ
sich den sidelen Nottebohm kommen.
Ein Jammerbündet erschien, den
Speck in Trauersalten gelegt, das
llnte Auge betrübt, das rechte ver
gnügt. Er tnallte vor dem Major die
Absätze zusammen, daß er schtvapptr.
,,Ob er den Unsinn nicht lassen könn
te?« —- ,,Zu Beschl, Herr Major, es
ist angeboren, ich tann nichts dasür,«
sagte Nottebohm mit Jammerstimme,
daß man vor Vergnügen hätte aus
treischen tönnen, »ich sehe so ausl«
»Aber Sie können sich doch zusam
mennehmen, Unterosfizier!« mahnte
der Major.
»Zu Beseht, aber es geht nicht,
Herr Major,« sagte Nottebohm treu
herzig und sah ihn so recht mit der
strahlenden Breitseite an. »Wie ich
heiraten wollte und meiner Frau ei
nen Antrag machte, sing sie an zu
lachen and schrie, so ginge es nicht,
es wäre zu komisch. Jch sollte es
schriftlich machen!«
Dabei brachte er die ganze Geschich
te mit des Majorö eigener, heiserer
Stimme, aber in so jämmerlichem
Ton heraus, als og es ein Malheur
gegeben hätte!«
Die andern Osfiziere lachten.
»Na, und n)eiti3r«.m k
Der Oberleutnant fuhr fort:
»Nu, der Masor drehte sich —
schwubs -—— um und sagte: »Es ist
gut, Sie tönnen abtreten!« Dabei
zuckten seine Schultern vor verhalte
nein Lachen. Am Abend darauf ta
men toir in die Frant Eine Nacht
und einen Tag in ttteservestellung —
über uns platzte-i die ersten Gran-i
ten, da wurden die Kerls still. Note
bohni auch. Am nächsten Morgen ta
nien wir tn die Schittzenlinien Spa
ten rang — Gräben aus«-heben —
Unterstände bauen -— na, Sie ten
nen das ja zur Genüge selbst. Vor
uns stand französische Jnsanterie unv
hauptsächlich englische Artillerie, die
aber merkwürdig still war. So lagen
wir in den Schiisengräbem Es reg
nete, die Feldtiiche tani unregelmä
ßig, turzuni, das rechte Elend der
Untötigteit mit stetem Aus-dem-Po
sten-sein ging uns an. Mit einem
Male sing der Feind an loszulnals
len. Die Brüder hatten wohl erst
Reserven nachgezogen. jedenfalls war
es ein mächtiger Angriss aus der
ganzen Front. Unsere Linie war ziem
lich dünn, neblig war ei auch, und
gerade als die seindliche Artillerte
Ich so recht eingeschossen hatte und
ie Granaten unsere schönen Unter
stiinden zerschmissen, verloren wir den
Anschluß nach links —- wir waren
rechte Flügelspitze —- und lagen nun
schön da. Es war etelhast, meine
herren. Keine 80 Schritt weit Sicht
irn Nebel, dazu der Feind, der uns
so richtig eingegabelt hatte, es sah
scheußlich bei uns aus. Jch denke ge
rade, ob uns die Engländer vielleicht
umgehen wollen, da platzt ein
Schrapnell über dem Bataillonsslab
——’der Major und zwei Hauptleutel
hin. '
s So ein Pech — und dabei aus ex
"poniertem Postens Jm ersten Augen
shrick warm one sau, die Leute spuk
kten instinktiv die Unsicherheit. Die
Inächsten deutlich die stumme Frage:
Sollen wir nicht zurück? Jch sah
!mich nach dem andern Hauptmann
um, der hatte aber auch gerade seinen
Schuß bekommen —- und wollte ei
nen Entschluß fassen. Da höre ich
links vor mir etwas lrähen, heiser,
die Stimme des Majors:
»Pslanzt das Bajonett aus! Zum
Sturm, marsch, marsch, hurra!« -,—
Jch sehe den ursidelen Nottebohm«
das Bajonett in den Fäusten, ’raus
dem Graben springen. Die andern
Kerle auch, ich ziehe den Degen, spü
re einen Schlag gegen den Arm, sehe
gar nicht hin, und los —- marsch,
marsch, hurrat
Wir alle rein in den Nebel. Na,
also luer Kaum 200 Meter nach
vorn ist der Feind, englische (Terri
torials im Schüsengrabein hopps
rein und mit dem Bajonett leerge
segt! Weiter! Da ein Geschiitz —
zwei —- eine .Batterie, französische
leichte 75 Millimeter —- iveg mit der
Mannschast. Plötzlich sind leine Fein
de mebr da. Gleichzeitig kommt ein
Windstoß, der Nebel hebt sich, und
wir sehen, dasz linls von uns unsere
ganze Front im Sturm vorgeht, wir
am weitesten vorn, und der Feind!
läuft — aber wie!«
Der Oberleatnant macht eine
Pause
»Am Abend liörten wir dann aus
dem Brigadebesehl, daß das erste
Bataillon — also wir — den Umge
hungöversuch des Feindes rechtzeitig
bemerkt und durch Sturmangrisf
glänzend abgewiesen hätte. Gleichzei
tig wurde ich ausgesordert, Mann
schasten siir das Eiserne Kreuz zu
benennen. Jch suchte etwa 12 Mann
aus, darunter Noitebohnn Leider
konnte ich nicht als Grund siir ihn«
wie gern gewollt hätte, angeben:
Weil er im lritischen Momente die
Stimme seines gefallenen Majors
nachmachte!««
Zs fgiesst ffesslsferfim Stiege.
Feldpofrliries eines baiierischen Müller-ie
visisiereh
.16. September.
Liebe Mamal Jch sitze hier, wo
darf ich nicht schreiben, in einem tei
zenden Zimmerl an sauber gedecktem
Tische, der mich so sehr an die Hei
mat erinnert und denke viel an Euch
Die Verschiebung unserer Truppen
laus der Gegend von Lunebilles
wirft Du ans der Zeitung erfahren.
Zunächst sind wir gliicllich vom Feind
weggelöst nnd z Z. hinter der Front
Batterie ist in einem tleinem Ort
mit mehreren Höer unter-gebracht
Ich habe ein Zimmerl mit gutem
Bette wie im Manöver. Schlief heute
bis 8 Uhr; dann Kassee mit Erd
beermarmeladr. Wir sind jetzt aus
dem Wege der Wiederherstellung Die
letzte Zeit war aber geradezu fürchter
lich, ohne daß wir vom Feinde gera
de besonders zu leiden gehabt hätten.
Z Tage Bitvat im ströinenden Regen,
taum zwei Stunden Schlaf in der
Nacht; die letzte Nacht war ich al
Adjntant ganz ohne Schlaf. Wir wa
ren die letzten, die vom Feinde bei
Regen nnd Nebel abzogen. Hätte der
Himmel uns nicht geholfen, hätten
Ivir uns eben fiir die andern opfern
müssen. Jeht aber istg wunderbar.
Mein letzter Brief war etwas zu be
ängstigend fiir dich, liebes »Mutter
chen, entsprach aber der" Wahrheit
Mit der Zeit ioirst Du Dich auch
beruhigen iiber alle Gefahr-ein die mir
drohen, wie auch ich auf meine Zu
kunft fest und ruhig schaue.
Dein letzter Brief klagte mich Der
Schreibsaulheit an; das tut mir leid,
ich lanu jedoch nichts dafür; man
gibt die Briefe meist dem nächsten
Besten, der zur Post geht und so geht
leicht etwas verloren. Soeben geht
die Türe auf und — dampfender
Reisbrei kommt herein mit Erbitter
marmelade und Tec. Heute« Mittag
gab’s Gans-braten und Omelette. Du
darfst mich aber nicht albern finden.
Der Krieg besteht aus Stimmungem
die ich Dir einzeln schildere. Der
Mensch ändert sich, denkt nur an den
Feind und, wenn das vorbei, an sich
Alle edleren Tätigkeiten fallen auch
bei Gebildeten weg. Man läuft dann
alle Viertelstunde zum KochlesseL also
heute lann ich nur sagen reizend.
Draußen sitzt die Eintvohnerfaruilie
und erzählt sich-auf — deutsch, recht
anheimelnd, herrlich Und kein Schuß
stört dies Essen; nicht wie bei Lu
neville hinter den Geschützt-erlangen
zu welchen das Essen in Töper
1000 Meter weit vorgetragen wer
den mußte. Oft ließ ich zum Essen
antreten, da — Krach auf Krach nnd
an die Geschiiszez man wartete dann
j
in den Eindeeiungen, bis der Feind
mit der Schießerei müde geworden,
dann kam man wieder zum Essen
herausgekrochen, oft ein bis zwei
Mann weniger, die verwundet oder
tot liegen geblieben. Nun deren Por
tion nahm ein anderer. So wird man
mit der Zeit, man schimpft dabei auf
den Feind, daß er uns durch seinen
Kugelregen das Essen hat kalt wer
den lassen· ,
Mir gebis, wie Jhr ans diesem
Brief entnehmen könnt, unberufen
gut. Und so grüße ich Euch alle
herzlichst Euer Alsons.
22. Sept.
Soeben eiserne-; Kreuz erhalten.
Herzlichen Gruß Alfons.
Bei Peronne, 1. Okt.
Liebe Mama! Gestern Brief be
kommen, wo Du über das Eiserne
Kreuz schreibst, das ich bereits seit
8 Tagen in Händen habe, wenn es
auch noch nicht in den M. R. N.
gedruckt zu lesen ist« Es ist wunder
bar einfach. Schwarz mit Silberein
sassung und nimmt sich aus dein
grauen Feldrock sehr gut aus. Vor
It Tagen habe ich erst den Schlafsack
erhalten, er ist-nicht ganz nach Wunsch
ausgesallem da er nicht gesiittert und
wenig war-n ist, er nützt aber doch
Gestern habe ich auch zwei Paiete mit
Zigarren und Schokolade von Papa
erhalten. Ein vorübergehender Darm
iatarrh ist geheilt, Magen ist zur
Zeit in Ordnung. Seit 5 Tagen sind
wir wieder vor dem Feind, natürlich
wieder in erster Linie, zuerst nach
drei Fronten, jetzt mehr Stellungs
iamps, der lange dauern kann. Ich
war einige Male Ordonanzasfizier
und suche unsere arme Jnsanterie, die
tolossale Verluste hat, zu unterstützen·
Vor ein paar Stunden war ich im
scheußlicben Granatenseuer. Rudolf
R. ist jetzt auch da, er ist bei der
Batterie Bu. eingeteilt, wir sehen
uns öfter. Herzlichen Gruß
AlsonH.
. . . 5. Ott.
gehts recht langsam vorwärts-. Wir
hocken dem Feinde jetzt wieder seit
8 Tagen gegenüber; alle Spitzfindig
leiten und Jndianerschliche müssen
ausgeniiszt werden. Gestern wäre ich
beinahe einem solchen zum Opfer ge
fallen· Jch hatte Tags vorher einen
50 Meter hohen Kamin von innen
aus an Klammern bestiegen (an was
kommt man nicht alles, wenns um
die Wurst geht). Heute tvollte ich wie
der hinaus, um von hier aus die Feu
serleituna zu übernehmen und hatte
lhiezu vorher durch Pioniere oben eine
Itleine Eitzaelegenheit einbringen las
sen. Bei der Anitäherung zwang mich
das feindliche Feuer (die Kerle schie
ßen ans jeden aufrechtstehenden Mann
mit Shratmellg —- ehrt sehr!) den
Telephondraht am Bauche lriegend
abzuwidelnllnterdessen beschossen die
Franzosen so genau den Kantin, daß
von ZU Schuß JU trafen. Die Krone
mit allen Leitern siir Inich wurde
l)ernntergeschosfeu, wäre ich da droben
gesessen. Welch ein Glück. Abends
wollte ich doch noch einmal hinauf
doch waren innen die Klammern aus
gerissen. Mein jegiger Beobachtungs
standpuntt ist schlau angelegt und
hoffe ich viel von solchen ausnutzen
zu können. Gruß Lllfons.
Lieber Papa! Bei uns im Westen
—
Seit kurzem ist in Fritz
lar ein eigenartiger, der triegeriscken
Zeit entsprungener Gedanke verwirk
licht worden. Es haben vier Bür
ger den dort untergebrnchten zahlrei
chen Verwundeten eine kostbare Fahne
gestiftet, die dazu dienen soll, alle
toiedergeuesenen Krieger ohne Unter
schied der Wassengattung in den
»Stunden der Erholung und Zerstreu
ung znsannnenzuscliließem Dieser
Tage fand aus dem Lisettienhos die
feierliche Weihe des nners statt,
und itn Anschluß daran ging es in
lgescnlossenem singe nach dem benach
barten Dorfe Werlel dessen Bewoh
ner die Soldaten zu einem Mahle
eingeladen hatten Der gastfreund
liche Ort bereitete den Vaterlandsver
teidigeru einige Stunden sriihlicher
Geselligteit, und erst abends versam
melten sic sich wieder um ihre Fahne,
um znnr Als-schied noch eine Ansprnche
des Burgen neisters von Wertel entge
genzunehincn Unter vaterländischen
Gesängen ruckte schließlich das bunt
gewürselte »Vertoundeten - Bataillen«
wieder in Fritzlar ein.
s--.-.
—- Glosse. Gerade die süßen
Weiber haben schon so manchen
Mann verbittert.
— Ballgesrii«ch. Junger
Manns »Fr·ciulein, spotteten Sie
schon einmal aller Beschreibungl«
—- Humor tm Fe de. Sol
::al Wie riecht denn met eZigarrW
K:amerad Hm, die solltest du r.. n- -
Cen, wenn der Feind kommt, dann
reißt er ausl s