Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, February 05, 1915, Image 10

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    Novelle von nårlsc Hn Vetter-.
In den mit dustlgen Nebelstsztsis
ern geheimnisvoll verhangenen
Herbstnrorgen schritt ein Wanderer
Einen-, das herz vle erwartender
Freude, hoffnungevoll nusbltckend zur
Sonne, deren goldener Glanz schon
die Spisen der Jusragsenden Vergäb
ten vertlärte, während hier, wo er
wanderte, das Gras noch ocll
schwerer Tantropfen hing und üher
den Wiesen noch der Silberschinnner
log, den vie Nacht über sre get-reitet
hatte. Dnnn wuchs mit jedem
Schritt, den er vorwärts sat, das
Licht uns seinem Wege.
Die Sonne stand bald in voller
ist-acht nm blauen Himmel und sah
mit goldenen, warmen Augen rni
Tal hinein, über die noch somrners
lich grünen Wiesen und die gelb :an
rot gefärbtenHange und Hulden. Et
wandelte das lichtgelbe. szitternde
Laub der schlanten Bitten in lauter
sttnunerndes Gold und etc-zündete
das Rot der Ahorn- und Eschenbaus
tue zu ausladerndrn Flammen.
Wie war die Welt so schön in ble
trn reichen, leuchtenden OerbsttagenS
hinten ins sonnigen Etschtal hingen
Die schweren, blauen Trauben in
lockender Fülle an den Weinstörtetn
und aus dem Laub der Apielbänrne
lachten tausendsälttg ratbärtige, srolss
;tche Früchte. Hier, un selsigen Sei
tental, durch due die wilde· silber
1ume Schnnls von den Ovhen ihres
Ursprungs hinuntersturzte über
Stetnbldkte und durch rtlsrge, grone
set-wande. ika nichts von den stum
.·eschtveren Segnsrngen der Ebene;
ljtrsr war die Einsamkeit und wilde,
tresige Fclsengrdszr, die sich nur
sparsam mit einzelan grunen Sum
mrtmatten schalt-are und den Schutz
nennzrl der Laub- und Tumunväukne
nur lässig uns die eine der mächtigen,
wetten Schultern geworer hatte.
Aber setz-, int surbenpröchltgen
Schmiede des Herbste-Z wurde ver
Schntzrnantel zum goldgeslielten Krö
erlittgsornntf in dem die grauen. dil
. steten Felswiinde wie Könige standen
unt sich stolz einst-eilten zum blauen
Seidenoalvnchiry der sich über ilJre
gewaltige. glühende Pracht spani::e.
Der Wanderer, der durch sie hin
sdkritx atmete rasch. Ihm ging Vie
ser Herbstmorgen in seiner leuchten
den Pracht ties ins Gemüt. Sesne
Gedanken schwangen sitt) on oen
Strahlen der goldenen Sonne jubelnd
zum Himmel aus. Der Druck und
Staub ve- Alltagö und eines ost
enttiinschten Lebens siel von seiner
Seele ab. Jhm war. als müsse auch
sein Herbst. dem der Fuß schon
neiililieh zuschritt, mit Gold und Pur
lsur und strahlender Wärme aus ihn
niedersinlen. Sein herz verlangte
nicht nach dem Reichtum der Früchte,
den die sennende Ernte-seit ihm in den
Schoß werten sollte. Er sonste, daß
sei-ne Saat nicht solche trüge, :!s,n
verlangte nur nach der leuchtenden
Schönheit, nach der surbensrotien
Glut solches Oerbstes, wie er über
dieser wilden Felsenschlncht lag. Und
wenn due alles auch nur so turz, so
vergänglich und trügerisch wäre wie
nieset selig sehnsirchtige Abschiede
rnnsch der sterbenden Natur —- er
trollte dantbar sein. Eine Stunde
ein Augenblick vollanggetosteter
Glückseligteit wirst seinen Glanz iilsesr
ein ganzes Lebe-n
llnlt war nicht schon allein der
toll-. seine Seele sättigende Genuß
dieses wunderbaren Morgens genug
fes Glückes und Glanze-? Daß er
roch so empfinden konnte, daß alle
Saiten seines Herzens jubelnd er
tlongen wie in fernen, jungen Tagen,
war das nicht Glückes genug?
Sein Gang wurde elnstischer, sein
Vlies gleich ver Sonne immer warmer
nnd heller-, während er weiterschritt
und solche Gedanken in ihm ausweich
«en. Aber dann, lnngsurn heranschlei
wend, kam ein leiieg unveyagen uoer
ihn, ein ganz iörperliche5. empört-ed
Innnles « r: wurde hungrig. Früh
Im Morgen war er vorn letzten Wei
ter des Taler- nniz gewinnt-ern h.«iie
nnt ein iliichiiges Frühstück genom
nien und nun stund die Sonne bald
im Mittag, und rie hohe Spannung
feiner Seele, die ihn achtlos an ein
paar Wirtshäuiern baiie vorbeigehen
Inssem sank zu einem ganz erbärm
Xichem iieiniichen —- o nein, zu einem
ishr kräftigen, großen Hunger herab.
Es war fein Schicksal, das keine
Freude rein und ungetrübi iiber ihn
kommen ließ.
Er dachte es grimmig, und dann
sioeiie fein Fuß, nnd feine Augen
weiteren sich in Sehnsucht und Ber
innnen. Um einen Feisbmfprung
tiegend, Bund er bor einer grünen,
mit gro en Steinen beiiiien Ein
buchtung. und auf einem der sen
nenbefchienenen Steine ins eine Da
ne, baiie neben sich auf einen zwei
isn Stein ein sauberes Papieriers
pieiichen ebreiiet, und auf diesem
lagen in irelt aufreizender Appeiiis
lichleii Butterbrpie, Ikeifchichniiiem
etwas hubm Trauben unb Aepfel,
Liberkogi von einer verheißt-assva
Libinimernden Flasche, an die sich ver
trauend ein kleiner Becher lehnte.
Ein mörchenhnfies »Viel-leite beei«
litt-'s ein so bezauberndes Stilleben
W
dusi dem Wanderer bei seinem Andtiet
das Herz im Leib-e lachte und weinte.
Vielleicht war es auch nur der Ma
gen, der da lachte und weinte; er
aber meinte, das es das herz sei,
und daß der Zug des herzeng des
Schicksals Stimme sei. - Nur sntnl,
dass dieses eiitziictende »Tischlein dick
sich'« schon eine Besitzerin hatte!
Zernig schioeiste sein Auge zu die
sen-. Ackgernis seiner Seele hin, unt
dabei schmolz der Aerger seiner
Seele. Welch prachtvolle Erschei
nung! Wie herausgewachsen aus
dem Reichtum und der leuchtenden
Schönheit dieses Tages! Die Sonne
umwob den blonden, unbedeclten Kopf
mit lautet Goldstrxihlem das schiins
geschnittene Gesicht blühte in rosiger
Frische. nnd die blauen Augen blick
:en so ntilseliiincnert und ruhig in
ern blauen Tag hinein, ioie ein Bi
ientlichess Aergernis — und das war
sie doch noch eden gewesen —- qar
tcin Recht hat zu blicken. Und dabei
sah sie vertrauenerweclend aus. Sie
hatte eine so tlare, freie Stirne, die
von llnien, freiem Sinn sprach.
Ein jugendlich toller Uebermui,
der heute in seinen seinsien seelischin
Klängen schon einmal in ihm aufge
Tebt Wi, sprang plötzlich keck in seine
Gedanken hinein, und ohne Besinnen
ilnn folgend, machte er einen Schritt
vorwärts, zog den Hut und sagte
freundlich, mit einer gewissen herz
.irhen Dringlichleitr »Ein nrner
Wanderer bittet um eine iniiie
(Z.«-bc!«
Die Dame hatte icn Augenblick, als
er den unternebnienden Schritt tat,
.«nloilltiirlich nach dem neben ihr lie
,-enden derben Stock gegriffen aber
--l:c sie ihn noch faßte, zog sie die
Sand wieder zurück und sah den vor
ihr Stehenden prüfend nn, Es lag
nichts von Schreck in diesen tlnren
klugem tanm ein Verwunderu, nnr
ein tleiner Schein von Neugier, in
den ein heimliches Lächeln bin-sin
!,-nichte. Aber das hnschte auch mir
n« die Augen, der Mund blieb ginz
.-rnft. Rubin öffnete sie ein am Gur
tcl lningendes Täschchem entnaan
ilim ein Zehnhellerstiick und reichte eg
sein Vitlcnden
»Ich unterstütze sonst nicht Land
streichrr nnd Bettler, aber an diesen!
schonen Morgen soll mich niemand
rergebenå bitten«.
· Landchreicher nnd ein Zehnheller
Fünf Er stutzte nun doch nnd griff
ixlllxt gleich nach dem Gebotenen.
»Wenn Sie unbescheiden sind und
e-· Ihnen nicht genug scheint, tönt-en
lEie ohne Gabe toeitergelfen".
»Halt, halt, nein!'· Hastig erfaßte
ei das Geldstück. Er hatte das
lleine. beimliche Lächeln in ihrem
leuge entdeckt, nnd das gab ihm seine
abermiitige Sicherheit wieder. Fast
liebevoll sah er aus den Zehner und
dann zu dessen Geberin herab.
«Sprechen Sie nicht so nnßachtend
von Landstreichen und Betteln. Land
streichen an solchem Morgen, dessen
Setsbnheit selbst harte Herzen er
weicht, ist eine lobenlnverte, feine
Jätigleit. und Betteln scheint unter
diesen Umständen ein liebliches Ge
schäft. Jch danke Ihnen, bloß ·—'«
cin Seufzer hob seine Brust —- «es
ist nicht ganz das« was ich erbetteln
wollte. Sie gaben Rickel statt Brot«
Nun lächelte auch ihr Mund. «Llch
so, Sie haben Hunger?"
,,Vträfklichen, echten Landstreichkrs
l,nnger.'« «
»Dann geben Sie das Geld zuriict,
Sie tönnen statt dessen Brot hat-ein«
»O — Götter und Könige nehmen
ein-not Geschenttez nie zurück.'«
»Ich bin auch weder Göttin noch
Roman-'s sagte sie trocken nnd run
zelte die Brauen. »Sie tönnen wei
ietaebeer.«
Seufzend hielt er ihr den Zebner
lein. «Jch biUte ihn gerne behalten-,
aber nehmen Sie ihn. wenn Sie das
Herz dazu baden, nnd schenken Sie
mir gütigft etwas Eszbares.«
Lächelnd steckte sie das Geldsliick
rin. »Ich habe das Herz dazu«.
Dann wies sie mit einer anmutigen
Handbeloegung nach dem «Tischlein
keajdlchh
»Dann ourien eie nun over mich
nehmen« long Jhk Herz begehrt. Ich
möchte mir nur etwas Obst vorne
lIcilteiu alles andere steht zu ihrer
Lieriiiqiiiig".
»Sie find doch troh Jhres Leu-J
nens eine Göttin, oder jagen wir eine
Fee-; Sie geben mit vollen Händen.
Darf ich mir nun auch noch einen
Stein in ihrer Nähe auslachen, um
in Ruhe mein Mahl zu verzehren?«
»Ich bin in den Höflichkeit-ziemen
der Landstraße nicht unterrichtet,
sit-er wenn Sie meinen, daß diese Ere
Innbnis zu den Pflichten meiner
Gastlichkeit gehört, so füge ich mich
Ihrer besseren Kenntnis«.
»Danie!"
Er wählte den nächitliegenden
Stein, sie schob ihm das Papierssti
riettchen mit seinem ganzen Inhalt
zi. und fah dann belultigt Lächelnd
Zu, mit welch töttlichern Appetit er
sich an die Vertilgung des Vorhande
neu mochte·
»Sie find wirtlich hungrig!« sagte
sie einerlei-send
Er blickte lachend zu ihr aut. »Ja,
glaubten Sie es denn nichts Meine
Seele wurde to vom Magen be
lierricht, has ich am Rande einer
schwarzen Tat lump. haben Sie sich
gar nicht vor meiner entsesseiten
Wildhelt gesiirchtet?«
»Nicht besonders-IX ich bin nicht
surchtsani. Jch hätte mein Leben ver
teidigt".
»Nein. so schwarz wiire die Tat
roch nicht geworden. Ich hätte nur
Dein bißchen gestohlen.«
s »Zum erstenmal in Ihrem Lebens«
sneette sie lachend.
»Wer liinn das mit gutem Gewis
sen sagend-' Gelegenheit und Not
schassen Diebe, der Beweis lag eben
tor. Der Zauber und die strahlende
Pracht dieses Tages hatten tnich so
pesaiigen genommen, daß ich darüber
achtlos an zwei vertraueieerwectenoen
Wirtshiiusern vorüberging, ohne inei
sieu Hunger zu merken. Erst nach
dem die Ijiöglichleit, ihn zu stillen,
hinter mir lag, rcette er sich aus wie
ein Löive.« .
»Und drohte mich zu verschlingen
ioeiin ich nicht gutwillig gegeer nut
le«, liichtc sie. »Aber den Wein mill
Ceii Sie iiuch augtriiiten, ich wills
nichts zurüdlrugen«. ’
«Siiid Sie denn schon aus dein
RunwegLM sorschte er, din- Letzte in
den Becher gießend.
»Ja, ich have genug vorn Wandern
aus der staubigem einsamen Land
straße. Die Tour war nicht lohnen-,
ioie ich sie niir dachte·'·
»Nicht so lohnendts" Jhm blieb
fast der Schluck in der Keyle steclen.
«l.«.n diesem gottgesegneien Tage, iii
dieser wunderbaren, malerischen
Schlucht, der Gold und Purpur und
Edelsteine uin sich streut! Ueber die
Der Himmel seinen blauesten Bogen
spannt, die Sonne ihre leuchtendtten
clriihlen ergießt und im Grunde der
llnue Wilobach sich gtitzernd, ge
jchiiieidiii, iiii Trotz iiusschiiuinend tei
iien Weg durch zerlliistete Felsen
lsiihiit und dazu sein ewiges Lied
singt voin starken. stolzen Leben, das
iizle Hindernisse unerivindet, um ziiiii
großen Ziele zu gelangen zum lin
tergiing in Großerein ziiid Geld-Mitge
ieni!«
Heiß siroiulen die Worte von sei
esrii Lippen, seine Stimme lliiiig und
:«.l).v.iiig, und seine Augen mitzun
Die ihren gros; gross-iet, etwas vorge
lsojseik lauschte sie, erst iiiit einem Hal
ben Liichelii, dann mit wachsendem
Jiiteresse. Ihre feinen Nasensliigel
bebten und als er iuitehiiklend seinen
:egrisierten, sirahlenden Biict aus sie
richtete, atinete sie iies aus.
»Sie sind ein Dichter! lSie seizssn
isiit Dichteraiigeii!«
Er liichte leise vor sich hin und
strich die itnu in die Stirne gefalle-ne,
Hirn mit silbernen Herbstsciden
Inrchzogene dunkle Locke langsam
suriim »Mit offenen Menschenaus
nen, nichts mehr. llnd Dichters Die
meisten von uns trugen ein Stückchen
Dichterseele in sich. sie können es nur
nicht enthüllen. Haben Sie nicht uuch
Ihr Teil Dichterseele'«:!«
Ein schönes Rot trat in ihre Wun
:sen, und in den Augen entziindete sich
ein eigenes Licht.
» n«, sagte sie start, »in, aber es
konndert nuf anderen Wegen.«
Und dunn schwieg sie und suh niit
verträumlem Lächeln in die vlnue
Weite hinaus.
Sein Blick ruhte präsend auf ihr.
Sie war sehr schön, ihre Schönheit
umfloß sie toie eine reine, edle Me
lodie. Jhru wur, als habe er dieses
!larc.. stolze Gesicht schen cst gesehen;
wundersam belnnnt und vertraut
schiert es ihm, und doch wußte er cle
nnu, daß es noch nie durch sein Le
ben ging. Vielleicht lvur es durch
keine Träume gezogen!
Er seufzte. Mit solcher Genossin
den Weg des Lebens zu wandern,
taki uliiszte ein köstliche-Z Ding sein!
Da lehrten ihre Gedanken zur Nä
ke zuriich sie sah auf das Papierseri
viettchen. uns dem nur noch eiu paar
Firiitnel und Findcheichen lagen, und
lächelte: »Es ist reiner Tisch gemacht
Wollen tvir den Rucklveg genieinsczn
untreteu?«
Erfreut sprang er aus. «Wer·.n
Sie den Luni-streichet nicht siirchtent«
,Jch lvill nicht niit dem Lond
slreicher wandern, sondern mit dem
Dichter-, der mich lehren soll, den’
4Staub der Landstraße zu vergessen
iLber der Schönheit der Ratt-U
»Ich sehe gar teinen Stank-IT
sagte er, niit frohem, leichtem Schritt?
neben ihr hergebend. »Ich sehe nur(
graues Silber-, in dein unsere Füße»
weiß versinken.«
Jm selben Augenblick bog um ei
nen Felsvorfprnng eine lleine Herde
Schafe, gefolgt von zwei treibenden
Bauern, deren leuchtend grüne Ho
tenträgey brennend rote Jnctentlaps
ren nnd weiße Schürzen sich dem
fnrbenprächtigen Londfchnftsbilbe
ebenfo ftilvoll einfiigten wie die
schneeweißen Schafe, auf deren ge
fchorenem Rüclen zwei tolett gelockte.
:nit blau und roter Farbe gezeichnete
Wollblifchel stehen geblieben waren.
Bewundernd tief der Wanderer
aus: »Sehen Sie doch, wje fchönl
Ein lebendes Bild« vor dem man be
dauert, nicht Maler zu fein und es
fefthalten zu könnend
Seine Gefährtin deiickte sich eng
an den Felfen, um das lebende Bild
csn sich vorüberzieben zu lassen, hielt
das feine Tafchentuch an den Mund
nnd rtimpfte die Rufes
»Ich febe und fühle nichts als
Stan und einen wenig lieblichen
Duft.«
W
»O, wie s ode! Sie scheinen eins
vertle ntet enschenllnd, dein das
Leben so viel des Schönen und Gro
ßen zu Füßen legte« daß es sich nicht
mehr die Mühe gibt, jene kleinen, in
iitnen Schönheiten zu entdecken, isie
»rein mit dem Auge der Liebe und
des heiter-en Verständnisses fucksen
mttß.«
Nachdenllich sah sie zu ihm aus.
»Sie haben recht, ich bin ein ver
toöhntes Menschentind, aber es ist
nicht das »nicht Miihe geben«, es ist
Unverstand- Man hat mir nie die
klugen geöffnet zu einein Sehen, wie
Sie es haben, und vielleicht lernt
man das überhaupt nicht, wenn man
es nicht in sich hol-«
»Vielleicht, aber Sie würden eH
lernen. Jch habe freilich schon als
Kind vieles anders gesehen als meine
Umgebung, mir glithten tin-irrt
Flammen und blühten Blumen, tvo
.udere Asche und ödes Land sahen,
and aus dem tiefsten Dunkel meines
Lebens habe ich die lichtesten Bilder
ineiner Seele geholt.«
»Welch ein glücklicher Mensch Si
slnd!«
Ein Seufzer llarsg durch ihre
Worte, und er sah priifend zu ihr
lth.
«.Giiicllich? Jch sagte Ihnen »aus
kein tiefsten Duntel.'« Klingt das
nach Gliidim
,,Doch. Wenn man dem tiefsten
Tnnlel goldenes Licht abgewinnen
Linn, so ist das Glück, selbstgeschaf
senes Glück, das von teinnn iiufzeren
Erfolg, leinetn äußeren Glanz ab
l;is·.ngt.'«
Jetzt seufzte er. »Was ist liber
kaapt Gliictt Jeder hat tein eigenes
-·.!Ilafz dafür-. Ein sonniger Tag wie
’x-ieser, ein flüchtigeis Begegnen wie
;isiiseres, ein selundenlinges Zusam
.--tcnllingen zweier gleich gestirnniten
Zeilen, ganz rein, ganz hoch und
neue New —- tvem dag, sind sei es
Jnch nur einmal im Leber-« zuteil
wurde, der kannte das Glück. Mehr
braucht es nichtl«
Sie ,anttvortete nicht« schweigend
;ingen sie nebeneinander. Es war
telir still und eins-im uni fie, nur
»die Schnalå tief unten int Grund
sang ihr tnildeg, trotzt-Jes- Lied, und
ad und zu trieb ein leiser Mittags
soiud rote und gelde Blätter zu ihren
Füßen
Sein Blick ging in die Runde, zum
tlanen Himmel und in das vor ihnen
Liegende Tal. Dann hielt et dm
Schritt ein« und Feine Hand wies
auf die Felswand zur Rechten.
«Sehen Sie — der goldene Berg,
von dem die ganze Menschheit
teiintnti Nichts als flimmerntes
Gold, das zu uns l)eriibekivintt. Die
hol-gierigen Zwerge, die Hütte tief
geheimee Schätze haben es geprägt,
end dek Herbst hat es ihnen gestoh
len,»uin es in lachendem, färftlichenl
Uehetnint iibee diese Bergwand zu
streuen. Wie die Schnalg dazu lacht
nnd jauchzls Sie haßt die Zloesge
die ihr immer wieder tiickische Hin
dernisse in den Weg werfen! Wenn
der Rochtlrind kommt, fährt er zwi
schen all das gleißende Gold und
wirft es der Wussertochtet huldigend
Zu den Schoß! Jupiter tonnnt noch
immer zu Donne!«
Ein kleiner Wald licht-gelb gefärb
ler Birlen war es, ans den seine
Lan wies-; sie hatte ihn ans dem
Hinweg auch schon bemerkt und
«liichtig gebnctitz »Wie hübsch, wie
zileichmiisziq gesinnt sterbende-Z Laub,
—- der Herrin ist da!« Jetzt snh sie,
gliich ihm, des strömende, zitternde
Gold til-er die Felswand fließen und
I««"o·tte im klinuiihen Des Wildbnclis
Den jiilselndcn iibermiitigen Ton. Er
ris; sie mit sich fort, er zauberle ans
wasser. Fetg und Wald snrbenprjichi
iige Bilder, die sie brnnschten.
»Sie erzähle-n J.li’iiril·ieii!« sagte sie
iriininerisch
»Nein, ich erlebe, ich sehe und
fiilsle sie«, lächeln- er. »Ist dieses
·.l«.liiirck,en wnndcrinnier, als das; ich
clter Waimerixmxmn nnr Wege ein
,.Tischlein drct" dich« nnd eine giilige
Fee sank-, nnd dass diese schone, gü
tige Fee nun neben mir wandert und
nachsichtig nus mich herabldchelt,
eoenn ich träume nnd phantasiere wie
tin junger sinadek Das Leben ist ja
das wunderbarste Märchen; man
muß es nur lesen lönnen.«
» Wie jung er aussah, und Ivie sein
Gesicht in schöner Begeisterung glänz
tel Mit solchem Gefährten den lan
gen Weg des Lebens gehen, niusite
iin köstlich Ding sein! Ein spöt
tisch löchelnde3, hartes Männergesicht
zog blitzschnell durch ihre Gedanken.
und sie schauerte zusammen.
Da klang ihres Begleiterg Stimme
rnieder neben ihr. «
»Wie ist dieser Weg der Wunder
volll Dort oben, sehen Sie,.rnnr
rnvrweiß und golden grüße uns die
Burg der Seligen, Walde-T der
Sii Wotans und seiner Helden!«
Hoch ilder ihnen, aus dem Kanten
der jenseitigen Felswand, tauchten die
Reste der Burg Juvnl anf. Die
Mittagssonne vergoldete die Spihen
ihrer verwitterten Mauern, die fest,
vsiegen den tlesblauen hierin-ei aufta
gend, wirklich marmorlveiß und sil
bern schimmerten. Ueberall durch ihre
leeren Fensterhöhlen blickte dieser selbe
blaue, strahlende himmel, und Fings
um die Mauern loderte das ehst
laub aus wie goldene und evteFlarns
men, brach aus Rissen nnd kraus
—- —
ian Kanten empor, wehte purpntn
cusgliihend Tiber vie Mauer-sinnen
und sprühte golden iilcer den sammets
weichen Rosm- der sie umgab, hin
iiber zu einer einsamen, dnnteln Tan
ne, die ernst und still herniedersnh ans
all die leuchtende Glut, die in Bil
schen und Zweigen brannte.
Hingerissen von Der indrchenlmsien
Schönheit tieses Anblickeg stand die
blonde Frau mit hastig gehenremj
Eltern neben ihm. Er hatte ein Werts
qesprochem das in ihr zündete, das
Laie Flamme seiner Begeijternng mich
m ihrer Seele nuibrennen machte
»Nein, nicht Waihcill«, sagte sie
Init tlingender Stimme, »das ist der
Todeshiigel Brunl)ildg, nns isen Wo
inns Zbkn sie bnnine. Die wnverns
de Lohe ninlodert senrig den Berg,
Fenerznnber uniflntet Briinhildg XII
nigliches Totenbett!«
Sie hob grüßend die Hand zsnn
Felsen empor, die Gestalt streckte sich,
jede Linie wurde kräftiger, erhobener
gezeichnet, ein Zug königlicher Gruße
irrat in das schöne, stolze Gesicht, und
dann tlnng es wie eine schwingende
Gloeie durch die einsame Mittags
ftille der sonnenglänzenden Schlucht:
»Aus dein Gebot — entbrenne ein
Feuer!
Den Fels nmgliihe — loterne Glut!
Es leck ihre Zung« —- eg sresse ihr
i Zahn
sDen zagen, der frech sich wagte
Dem steislichen Felsen zu nah’n!"
Er stand mit weitgeöfsneten Augen
und selig lauschendenr Ohr. Brun
hildt Da war nun das Wunder
bare, von dem seine sehnsüchtige
Seele ost geträumt hatte, ein Augen
blick so hohen, reinen Genusses nnd
Glückes, daß ein ganzes Leben dar-on
rurchsonnt und umglänzt werden
konnte. Aus diesem Platz, dieser Ge
sang nnd allein siir ihn --— eine Göt
tergabel Der Herbst schüttete auch
uber ihn die reichste Fiille seines Se
gens ans: diesen Tag, der wie ein
tönigliches Kleinod seine Erinneng
schmiicten würde, solange sein Herz
ichlugt
Nun wußte er auch, was ihn an
ihrem Gesicht so eingesprochen hatte,
was ihm so vertraut in die Seele
schien, und wag sein Gedächtnis ver
ziehens gesucht hatte.
Eornelie Feldern, die bekannte
Sängerin, die berühmteste aller
Briinhildein war seine Weggenossin,
war die Verlörperung jener Frauen
gestalt, die-ihm stets als Ideal, als
die stolzcste, edelste und nngliicklichste
aller Frauen erschienen war, der er
in seinem Herzen seit Jugendtiigen
einen heiligen, mit allen Blüten der
Poesie geschmiietten Altar errichtet
hatte.
Der Gesang war jetzt verstummt,
»und die Sängerin wandte sich zn il::n.
Ein warmes Rot lag ans ihren Wan
gen, und ihre Augen strahlten nech
rson innerer Glut.
Sie streckte ihm die Hand hin.
,.Meinen Dant dasiir, daß Sie mich
sehen lehrten und mir die Schonheit
dieser Stunde schenkten!«
Er siihrte ihre Hand ehrsnrchtssvoll
an seine Lippen.
»Sie schenkten —- nicht ich. Err
nelie Feldern schentte wie der heu
tige Herbsttag, löniglich nnd ver
schwenderisch, dasiir tann man nur
stumm danlen.'«
»Sie leimen mich?"
»Nach dem Bilde, nach dem Ruhm
and mit dem Hellblirt des Ver-stehen
den, dein Sie eine nnvergeßliche
Gabe reichlen«.
»Es war der Zauber der Stande,
dem ich erlag. Es ist sonst nicht
meine Art, theatralische Vorstellun
gen ans ossener Landstraße zu get-m
aber hier fühlte ich mich anf einer
so großartigen Bühne nnd vor einein
so seinen Zuhijren dass, es mich hin-—
ris««, lächelte sie zu ihm anf. »Ich
.:-ußte, Jhre Seele sang mit mir. Ich
wiederhole es: Sie sind ein Dich
:ert«
Ihre Worte schwanlten swiselrsn
Frage und Bestätigung irr iiei-,te
ien Kopf. ,,Viele sind berufen, ske
nige auserwählt. Jch weis; nicht, ob
ich mich mit Recht Dichter nenisen
kann? Jch heiße Herbert SaoenuH.«
»Herbert SavenusZ der Dichter
der schwerrniitig schönen Lieder eines
Wandererst der liebreizenden, herz
ermärmenden Kinderlieder't«
Sie hatte in warmer Aufwalluna
Tauch noch sein-. zweite Hand ergriffen
und sah ihm fragend in die Augen.
Jn die trat ein dunller, schmerz
licher Blick. »Ja, auch dieser. Ich
sang sie meinem einzigen Rindchnn
ehe es zurückslog zu den Engeln,
tson denen es san-. Sie sind die
lichten Bilder, die ich mir ans dem
tiefsten Dunlel meines Lebens holte.«
Sie drückte seine Hände fest, auch
ist ihren Augen lag nun eine dunkle
Trauer. »Mein armer Freund! tlsid
doch ein Wücklichert Sie besassen
einmal, mir ver-sagte der Himmel sein
schönstes Geschenk. Auch ich llage«.
Jhre Hände hielten sich, ihre B’ccle
sanlen ineinander, ties, ganz ties.
Traben brannten die Flammen des
Herbstes um Brünhilds Totenhiiael,
hier unten schlugen anch zwei pur
vnene Flammen sehnsüchtig auf nnd
strebten ineinanderzuschlagen.
Nur eines Atemzuges Länge, dann
sanken im gleichen Empfinden die
verschlungenen Hände schlass aus
einander, und die Blicke lösten sich.
.Wir tvollen tveitergehen«, sagte sie·
Wfi
mit tlangtosee Stimme, nnd ihr Ist
s:cht wurde blaß
E r zog den Hut. »Nein, wik
trollen hier Abschied nehmen, nicht
dort unten im Tal, wo die Mensche-n
wohnen und die Bahn pfeift. thr;
nso nns die schöne Stunde ausging,
frlpsie auch enden. Leben Sie wohl!
In meinen Liedern werde ich Sie
kniißen und dieses Herbstinorgens
siebenten Jeh lvandere noch einmal
den Weg zurück, bis ich den Pde
nach Juvat finde; Sie steigen ins
Tat, zurück zum Atllag«.
Sie nickte leise. »So soll es sein
nh gehe. Ihre Lieder werde ich lesen
rnd wenn mich der Feuerzanber Irr
Bühne nmloht. meroe ich der Sinsrdc
gedenken, in der mich der Feuerznnlser
»Der Poesie nnd eines starken Gefühls
hinriß. Leben Sie wohl»
s Und in seine Augen blickend, lo
lirrte der Fenerzanokr dieser Stunde
roch einmal so siiß nnd schmerzlich in
ihr ans, daß ihr war-, als solle sie sich
diesem Manne. der in ihr eine Flam
-.-Ie entzündet hatte, die sie längst iiir
-nuner erloschen wähnte, in die Arme
isoersen nnd ihm mit einem Kusse dan
len für die Wär-ne und Wege-ist«qu
die er in ihr Herz goß.
Aber dann reichte sie ihm nnr
weh einnml die Hand. Ganz rein.
ganz hoch nnd ohne Reu’ sollte vieles
Vegegnen nngllingein Sie waren l’ei
ten Göttern zu Gast gewesen, der
Hauch der Sinne sollte leinen Schni
ten darüber wersen.
Ohne sich nmznsehcn, schritt sie die
Girnsie hinunter-. Die Sonne uns
spann ihr blosides, unbedecltes Haar
Init einem Gold-ietz, nnd der Stil-ib,
sen ihr Fuß ai:sioirl)elte, wehte »Die
ein seiner Nebelschleier hinter ihr.
Er stund nnd fah ihr nach, solange
jsin Blick ihr folgen konnte, dann
sit-In er langsam den Weg zurück, ksig
er zn einer grüner-, etwas über dem
«’enc liegenden Matte lmn. Aus vtJer
To
Liars er sich nieder, und seine Biiele
wanderten hinüber nach Inval, der
iniiflaiinntem schimmernden Burg,
nnd seine Lippen lächelten. lein
flogen voiii Totenstein Btiiiihilds
ksiiiseiid klingende, blühende Träume
herüber Sie sanken iii sein Herz
ind wurden darin zu Liedern voll
Uliit und Schönheit zu einein tau
scheiiden, wunderbaren Zusammen
ltang von fallenden Blättern und
riirpnrroten Flammen, von sinlencen
Tagen und leuchtend-ein Sonnen-Felix
roii scheidender Liebe und ewigem
inneren Glück —- zu Liedern, mit
denen der Herbst als sürstlieher Ge
eer mich ihm Gold und Purpur und
Edelsteine über den siiilenden Lebens
iveg gestrent hatte.
-«.-—
Vater lebet
Tei- Vater lelitl — ziaii Rose drückt
t«li-.-. Hei; den blonden dinnben
lind hin die Viiipeii svelieifiriielt
Zii seiueiii Paar vergraben
Tei« Vater lelitl —- Eein Brief erziihls
Von froher Ziege-Munde
Was loochenlaiig ihr Herz gequält,
Flieht jauchzend sent dein Munde;
»Der Vater lelit nnd iit limhlaiifl
Begiejsn ene- ie1,i·lt iiieni Bildt-heut
Wie iitiel niiseh lailnii zn iiiie ans
Tei Wangen siisze (p’i·;«iil)ile .il —
.sia« fiseii’ di.h iiiir — dce Vater lebt)
Eljnial stand er iiii zzeiierl
Olsniai hai ihn der Lob iniisihlvebt,
Zhiu der ini—;—,· ach. so teiieil
T ie iiiiaeln usisseii link-« nnd recht-I
llnd niaiielien Maineiadin
Zah sti· ini Ztiirine dees Gefecht-I )
;«,ei«!ihiiietieiii von Nrininienl
Euch ei, -—— hn, er ein-at siegreich verl
Ten Feind eiia eisi Einsetzen
Ei sliiln klini naitil Tin Wall empor
Lais nsiii ein inildes Hienenl —
llnd us«ntei lelii!—- Fliliii ei· nach Hinw,
;«,i.:·i ilin das nieni veii Eisen:
-aiin in dei liisse diiiixi nie-Pl aus«
sann iiiiieii inildic LLeiseiL
Tann. Bulnlnih selniiiiiten wir die Tiic
Mit nun-leimen Olirlaiideiil
Qin Elsnuli tin-einst Heil Eimer diil
Tn iiiaitin den GraiiilantciL
LU, Pinsels-In gelt, du niiril mir fein
Qui lliszznhs Rudern lich-us
llud fix-n -.·isIni"5-t nurd Vater scinl
skn m, —- icin Vul- lmrn rede-HI« —
Und lisiic !ilf«,l der Ahctldlau
Tic Hellscu Alliiiixislcrzcn.
Im Wennan llxinnic die junge Frau
Mit iisrcm Mind um Herzen
llud friedan lelzrrt Eiern um Eiern
Am lilmicn fOnnnicl dwlscik —
llnd doch-scle jeder mellcnfem
Ein lslullueci Namen lobcnl
Eali, wie ein wackrer Landlvrhnnann
Talnnsanl in die Nrälsisn
lind wie ais-J seinen klldcui rann
Tas warme-, trcnc Leben.
llnd wie nmli einem Bilde nnili
Tie Hund anf feinem Herzen —
Ein jnnfles Weib -s-- ein Mondes Bill-—
Ein Muß in Todesfxmnerzcn».
«
see-de vie heut-. »
Friedrich der Große schrieb in eis
nein Briefe aus Bollenhain am 11.
Elpkil 1759: Jch glaube, man hat in
oirsem jetzigen Kriege alles veege en,
was Anstand nnd Schicklichleit ßk.
Die sonst höflichslen Völker ihren
ven Krieg wie wilde Tiere. Ich schön-«
mich der Menschheit, ich ertöte übez
das Jahrhundert
—- Slimmt. —- A. (im Gebie
ge): »Diese Bekgluit zu genießen, ist
wirklich ein Hochgenuß!« s