Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 15, 1915, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Usbraska
Staats— Anzeiges und II set-old.
qquHt vaicxxv ,Fc Mgv
M
Its-sehen sb....
Stizze von Alire Stein-Landsmann
! Das Zimmer lag schon im Dun
eln.
Aber noch tönte die helle tindliche
Stirn-ne dringend von dem weißen
Bettchen ber: «Nachseben — ab der
Bär schon schliistt«
»Ja. Lisette, ganz sest schläst erl«
»Aber — ob die Miesetage auch
schon Ichlöl92«
»Aber, Liiette —- wie lange schont
Sie war ja so müde. Und Du bist
auch mäde, mein Liebling, nicht wahr,
und machst brav die Augen zu — —«
»Aber die Schnecke —- — nachse
hen, ab die Schnecke —- —«
Frau Adele schob leise ordnend Bil
derbuch und Thiere aus dem Spiel
tisch Unrecht
»Die Schnecke sitzt ganz still in ih
rem Häuschen und schläft —- —'
Und sa.ist über die runde, warme,
kleine Hand streichend, fuhr sie gedul
dig sar:: »Und das Hündchen schlast,
das Schäschen schläft, das Mäuschen
schläft, alle sind sie müde und wollen
gern schlafen —- — —-«
»Nuchsehen, ob der —- —-« sagte
das Summchen noch. Und dann tam
tiefes, ruhiges Atmen.
Die Zunge Frau blieb nach eine
Weile horchend stehen. Behutsain zog
sie dann die Decke über das bloße
Beinchessg Nur schwer widerstand sie
dem Wunsch- das weiche Korperchen
noch einmal zu spüren. Wie ost in
den les-en Wachen hatte sie hier ge
standen. gelauscht aus den Schlaf des
fremden tranten Kindes.
Und hatte das zitternde, sieberheiße
Geschöpfchen in nasse, eislalte Tücher
hüllen müssen — eignen Schmerz ge
silhli, wenn das Kind so jammervolle
Schreie ausstieß und war sich unsag
dar griusarn vorgekommen bei den
strengen Verordnungen des Arztes.
hatte Stunden gen-acht bei deni stat
ternden Rachtlicht —- allein mit den
stummen Tieren auf dem Spieltischs
then, deren starre, glaserne sangen to
puppenhaft dumm und häßlich auf tie
hetniederglönztem
Erst in Lisetteö belebenden hätt
den wacenihe die teilten Zeugen ke
ner quatoollen Nächte wieder lieb ge
worden.
Die Phantasie des spielenden Kin
des schuf täglich Wunder, erlebte je
des kleinste Geschehen rnit io unver
drauchtent Entzütten —- wie reich
wurde der Tag, wenn man mit ihren
Augen sah!
Und tote fürchterlich leer wäre er
sonst gesoetenl Seit dem vierten Mo
biltnachtmgrtage war ihr Mann im
Felde und sie völlig allein.
Zum ersten Male nach tast sechs
jähriger Ehe hatten sie sich trennen
müssen.
Avece fühlte sich entwurzelt, hilf
los diesen großen Ereignissen g«gen
über. titles gerieth ihr ins Wanken
— innerlieh und äußerlich. Und ge
rade in solcher Zeit ohne die gewohn
te Sinne, die Ostar ihr bot!
Mit der ganzen Liebestehniucht
ihres yet-zweifelten herzens hatte sie
ohne Befmnen das Kind der gefliichs
teten oitpreußischen Familie aufge
nominer
Und nun war ei schon über zwei
Monate bei ihr.-War es noch mög
lich, ee tcch fortzudenteni
«Lifette —"mein Geliebteö, ntein
Kleine-M
Sie tliiiterte es vor sich hin, ihre
band zms sacht und liebtoiend über
das welche Haut-.
Dann ietzte fte sich neben das Git
terbettehem
Wie schön es doch war, ein Kind
ais
Plck Illljllc jlc Ilcy lcsl Olll Wole
fien. Das Zimmer gab ihr eine Ruhe
und fait etwas- wie Heiterkeit zurück.
Sie dachte an den Mann, zärtlich,
mit Seyniucht —- aber nicht mehr
mit der sinntoien Angst der ersten
Tage, da er sie verlassen hatte und sie
nicht einmal fähig war. an ieinen
Schreibtisch zu treten —- so tot nnd
iodcstrutrig fah sie alles an.
Jest war die Wohnung voller Le
ben und Lärm. Das Kind füllte die
Raume mit seiner kaum zu bändis
genden Witdheit, mit seinem Jauch
zen, mit seinen nie endenden Fragen.
Geitern hatte Liiette den erste-Eust
ballon betotnnten. Es war ein Erleb
nis gemeient Und sie hatten beide
durch den Tiergarten gerollt —- bis
ein Soldat ihren Weg tanzte, den
Arm in der Binde, sie mit schweren,
großen Augen anolictendjals jähe er
noch immer das Schlachtfetd vor sich.
Adele erröiete noch jeht in der Er
innetung.
Machte das Glück gedankenlos?
Bergab sie, was Andere duldeten,
was vielleicht citat in dieser Stunde
erlitti Bergab e’l —- tveil dieses
Madam ihe ge chentt Friedens-Ge
ichenttk Belieben doch nn
— .
Adeleni Schultern jagen sich furcht
sam zusammen bei desem GedankenJ
Nein nein —- sie umtlammerte den;
Knauf des Beitchens. Ader OftpreuH
szen war frei vom Feinde —- jeden
Tag konnten die Leute zurückkehren-(
Das Dunkel schien plötzlich schon
rer auf dem stillem Raum zu lastean
Von draußen schimmerten wie feu
rige Punkte die Laternen aus dem
Rebek. ;
Adele saß unbeweglich.
Sie dachte nichts. Aber ein dro
hendes Weh ging über sie hin. Lisette
atmete gleichmäßig·
Ein cilinaetn schrill und dringend,
riß die Frau empor.
Was konnte jkßt am Abend —- —
Oötart Osiari Vielleicht eine Depr
sche —- mn Goties willen!« ·
Sie eilte hinaus. Aber selbst in die
ser Angst vergaß sie nickfl, die Türe
leise ins Schiosz zu drücken.
»Was ästi«
Die alte thin kam langsam durch
den Korridor. »
»Frau Roppoldt ist draußen!«
Adele erblaßte
Es war jedesmal ein Schreck, wenn
Lisettens Mutter kam.
»Ja, liebe Frau Rappoldt —- guten
Abenoi Jst etwas Besondere» Sie
wollen Hewiß nur die Kleine sehen·
Sie ist chon eingeschlafen. Aber kom
men Sie nur —- wir gehen leise!
Was machen Jhre andern beiden?«
Sie sprach iscberhaft schnell.
Die Frau tiand immer noch da,
einen see-en Korb in der Hand und
sah zu Boden. -
Ade!e fragte stockend: Oasen Sie
gute Nachrichten von Ihrem Mann?«
Jetzt kam eine leise Antwort: »Ja,
liebe, gute Dame. Nämlich, das ist
es. Wie möchten nu wohl wieder zu
hause. Mein Alter schreibt ja, es
wäre so weit alles wieder in Ord
mx · ist-C k-,. «- m- , CI, »
,
UUILI VII-U slIllUllp III-II nagcls
hingen flehend an dem gutmütigen,
derben Gesicht das noch immer ge
senkt war.
Lisette-it Mutter reichte verlegen
ihre freie Hand hinüber:
»Man kann ja der Dame nicht ge
nug dankbar sein! Lisettchens Krani
heit —- eoas do- allss gekostet must
haben. Und dann die Pflege Tag
und Nacht. Jch weiß. wiss geht.
Aber nu wollen toir auch nicht län
ger, als nötig ist, sowaö annehmen!
Mein Mann lsat wieder Arbeit, Gott
set Dant. Und ei ist so an einen ge
wöhnt, sehen Sie, meine liebe Dame,
nein, erbarm Tich —- da muß man
.ja sroh sein« daß man zurück kann!«
»Ja-« ja —« sagte Adele mechanisch
und drückte die dargebotene Hand.
Also da war der Schlag —- der
lange act-sichere Das Kind — man
wollte ihr uas Kind nehmen! Jhre
Lippen bebten
»Frau Tit-v.oldt —- ich kann doch
aber das sei-en nicht ans einmal —
Das zunneer schien sich zu drehen
Die Lampe schwankte so seltsam hin
und her. You ganz weit her tönte
Frau Rafvpototb Stimme, zum er
stenmal siel Adeie der starke Dialett
ins Obe. Merkwürdigerweise sprachs
Lisette nach wenig Tagen schon ziem
lich rein —- -- —
Was saqte die Frau — was woll
te siei I
—- — -—· ttnd dessenttoegen komm s
ich so spiit nott- her — daß die Dame
tann morgen tsith in Ruhe alles zu
sammenwirken- Es hat ja Zeit —- der
Zug geht erst am Nachmittag!«
Sie stellte den Korb ans den Boden.
Adele setz-Te sich zitternd nieder.
»Mot-zsn! Wie, morgen schon?
Konnte dsss feint«
Jhre Blicke bohrtrn sich in den
liäleichem groben Korb.
Da bin-in Miien die warmen, wei
chen Dinge. Isr- aelegt werden, die»
winzigen ;.r«-««"«:», die sie mit fo vielf
Freude ais-ils hatte! Und der Korbj
würde av1c:.17: werden, in ein volles«
Cotipee srf.,t)otcn, in dem auch Lisette
sitzen vijtdc um weit fort zu fah
ren — nein, nein, es war nicht mög
lich: »Um-» aute Frau Rappoldt —
laffen Sie mer das Kindl«
Adele ihnimelte es, halb bewußt
los rot Luni-net Sie fühlte die ent
fetzliche Stdn der erften einsamen
Tage frch wire-r über das Haus brei
ten —- riesexiarofz wuchs die alte Sor
ge um den feinen Mann —- — aber
ein anderes Rind?
Man konn» ja ein Kind finden,
das man den-alten durfte — sicherlich,
ei gab fo diese niedliche, kleine Mii
felchetn wenn fie auch nicht wie Li
ette —- s-—
Sie sprang auf: »Lifette!'« Es
war ein Schrei.
Was — Lisette follte ihr genom
men werdens Dieses kleine, zärtliche
Wefen, das sie dem Tode til-gerungen
hatte, das fte sich erobert hatte durch
Mutterfchrnuzen und Angst in pein
vollen Nächte-it Die es an chcniegende
Oefchspß das an r din mit der
Fsrthen Liebe des dreijährigen Kin
s
»Frau Rappoldt«, — ihre Stimme,
von Schluchzeie undeutlich, tlan be
schwsrend — Jetzt die weite eise.
es ist schon talt — Lisette ist noch
empfindlich! Der Arzt wird Jhnen
selber sagen, daß es noch nicht geht.
Jch will Jhneii das Kind später hin
bringen, wenn es ganz kräftig ist!
Jch muß mich erst mit dein Gedan
ten vertraut machen — so plötzlich
tommt diese Tiennung!"
Sie breitete bittend, hilflos die
hände aus.
»Lassen Siefmir Zeit —- ich wäre
Jhnen so innig dankbar —- noch eine
Woche wenigstens —- ein paar Tage
Sie brach ob, wartete aus ein er
lösenoeö Wort gierig, mit Fieber.
Aber die Frau sprach ruhig, mit
ihrem gutmiixsgcn Lächeln, sicher im
Gefühl ihres Rechtes: »Da möchte
mein Alter Augen machen, wenn ich
blos zwei zuruckbriichte, nein, liebe
Dame — Mo geht ja nu wohl nicht
an. Wenn meine Schwiigerin hätte
mehr Platz gehabt —- ich hätte das
Kind nicht sorigegebem Ein Kind ge
hört bei die Mutter, nicht wahr?«
; Adele senkte den Kopf. Sie fand
Lteine Erwideiiiiig
Wie in eiiier Erstarrung hörte sie
»die Frau weiier reden:
»Ich toiniiie tscnn iiin viere. War-m
wird die gnädige Frau Lisette schon
Jan-ziehen. Da Lab’ ich teine Sorge.
IBesser toniiter wir’ö nicht treffen.
Eine rechte Kindermutter ist die
;Dame!«
L Adele sah stunips zu ihr hin.
» Die Frau hatte sich schon zur Tür
Igewmiun Jetzt machte sie halt.
I »Ich inertc ganz gut, die Dame hat
sich aii List-trocken gewöhnt. Es ist
auch ein liebe-Z Kind. Aber die Da
rne ist noch jung. Die tann am Ende
selber noch wars Kleines triegen —
— —- Und darin sind da noch so oiele
Kinder, die Hilfe brauchen —- ach,
lieber herzgoti — wer will, laiin
jetzt genug Gutes tun —- na, das
weiß die Dame auch! Und nu danke
ich nochmals!'« —
« —- — Adele spürte es war unab
swendbar. Sie versuchte lein Wort
der Ueberredung.
i Das Schicksal entriß ihr dieses
Kind so plötzlich, wie ej ihr beschert
worden war. Wehtlos erlitt sie diesen
brennenden Schmerz
Und stumrn sah sie die Frau satt
gehen und alles nnt sich nehmen, was
da- Gliick der letzten Tage ausge
macht hatte. War dies das Opfer,
das die Zeit von ihr forderte? Diese
blutige Zeit, surchLbar in ihrer Größe!
Durste sie klagen, so lange der
Mann ihr lebte und das liebe Kind
gesund wart
«— — —- — chcks so viele Kinder,
die hilse brauchen --- —- — — s—«
Ja —- sie sah us ein.
Aber man muß erst begreifen, daß
seht niemand ein Bucht aus Glück be
saß. Und sie hatte siir sich allein so
viel Freude und Sonne besiyen wol
len!
Frauenegoisrnus war das wohl?
»Ach, Ostar —- liebster Mann!
Komm' rnir nur tvieder!"
—- — —- Lange stand sie iiber das
Bettchen gebeugt. Langsam tropsten
ihre Tränen aus das schlafende Kind.
Adele wußte schon setzt, wie sie sich
sehnen würde nach dem getrebten
Ton: »Nachsehei:, ob die Schnecke
schon schläft« —- — —- —
Qominospm mit est-dem
Wenig bekannt ist eine Abart des
Boniinospiel5, die es etwas abwechs
lnngsreicher gestaltet nnd kleine Be
eechnunaen erfordert. Die Steine dur
"."eii nämlich nur so angesetzt weiden,
nas; sich die stahl Sieben ergibt. Also
an eine «t eine ;.:, an eine 6 eine 1
usw. Der Stein, der 4 und Z zufam-»
,-ien enthält, gilt als Trumpf undi
Pakt überall hin, und zwar nach Be
iieben des Spielers init it oder 4 an
zuserem so daß ilnn möglich, nochs
weitere Steine anzubringen. Denn(
man darf setzen, solange inan die
Sleben schaffen kann. Es beginnt,
wer die Trumpfsieben besitzt, oder das
höchste Pafch; es gewinnt, wer alle
Steine zuerst los wird, oder die we
nigsten »Augen« zählt, weshalb iniigs
liei,ft die hohen Numern zuerst fort
zugehen find. Wer nicht setzen inmi,
miss; tausen, bis auf zwei Steine, die
veriseckt liegen bleiben und nicht ge
tauft werben dürfen. Die Zahl, die
net Gegner nicht sehen lann, muß
man sich merken, um ihn durch ge
tchiettes Sehen wieder zum Kaufen
zu zwingen.
— . Fegetffsftuhtg. »Das
muß inan sagen: Müller hat eben fo
schlau wie tühn gehandelt.«
—- «Wie —- ein Kühn war auch
Mem-M
L sie seufzt-en users-sein
Slizze von Hermann Waneg.
Frau Elsbeth kam vorn Friedhof,
ihrem gewohnten täglichen Weg. Es
mußte schon sehr arges Wetter sein«
dac- sie zwang, ihn zu unterlassen.
Vor drei Jahren hatte man ihren
Einzigen hier gebettet, der, ein fri
scher, fröhliches-« Student ern ersten
Semester, heim Baden ertrunten war.
iEin furchtbarer Schlag für die El
ttern. Der Vater, ein vielheschäftigter
Fahriidirelior, suchte seines Schmer
zes Herr zu werden, schon der gelieb
:en Frau wegen, die dem Wahnsinn
nahe war. Doch sie verstund dieses
Bemühen nicht, legte es dem Gatten
beinahe als Gefühllosigkeit aus. Und
vergrub sich immer tiefer In, ihre
Trauer. Auch äußerlich trug sie da
zur Schau. Immer noch ging sie in
ftunipfem Schmerz und direppschleiey
und sie floh jeden Ort, wo sie Gefahr
lief, mit fröhlichen Menschen zusam
men zu sein. Anherer Freud und Leic
ließ sie gleichgültig So Hatte-s wie
ihr war ihrer Meinung much noch nie
einer Mutter widerfahren So lieb,
wie sie ihren Jungen gehabt, nein«
so konnten andere Mütter ja gar nicht
sieben!
Heute, an diesem strahlend hellen
Sommertage, hatte sie wieder eiiii
surchtbar schmerzlich-« Stunde an dein
blumenhedeaten hiigel verbracht. Dii
bunten Blumen taten ihr weh, unt
doch tonnte sie nicht anders: sie muß
te das Grab ihres Lieblings so reick·
wie möglich schmücken Auch der Son
nenschein iiiachte sie traurig. An einein
solchen sonnigen Tage iuar damal
dak Entsetziiche gescheiseiil Miide ging
Frau Elsveth uver die Pronienadi
shrein Oeiin zu. Nun hatte sie nock
einen ioeiten Platz zu uberquereii
oanii toar sie zu Hause. Und da —
Meiischen liefen hiii und her, ooei
standen in Gruppen beisammen, eis
rig sprechend. Nicht lani, gedainpst
eur, und ernst blickten sie, o, so ernst!
Und daiiii ertlangg aus vielen Keh
teii: »Deutschland, Teuischliiiid uvei
allei!'« Und da erst erinnerte sich Frui
Cis-eth, daß heute die Yiovitmacyunx
erwlirtei wurde. Und ihr Blick fiel
aus das Extraotatt an der Saule unt
eisiiszie die inhaltssciswere Rundgei
hung. Krieg, also wirklich Kriegt Zizsi
Gatte hatte schon seit Tagen davon
gesprochen, uiid sie hatte ohne besin
dere Teilnahme ziigehart. Kriegsge
ruchte hatte es sa schon öfter gege
ben. Seit ihres Jungen Tod haiie jii
für allgemeine Dinge kein Interess
iiiehr, iedie sie iiiir ver Erinnerung
an ihren Haus« Männer —- iiun sa,
Männer suhlen anders, sind aus har
;!ereni Stoff gemacht. Sie Deeilte sich
ihre Wohnung zii errentseii das vor
nelsine txinsaiiiiiienliaiiij in der Bil
leiis,tiasze die sich drin freien Plan
,iiiischloß.
-
Sie fand ihren Mann schon zu
Hause und in größter Erregukcz.
«Krteg, Elgbetl), älrtegi Du weißt-.
natürlich schon, oa Du vrn drauf-en
»totntnst. Jeh hal)’ nicht mehr daran
gezweifelt, fühlte. daß ec- nicht anders
kommen konnte. Und doch steht man
nun auf-Z tiefste erschüttert vor oer
Wucht der Tatsache. Aber trrr wert-en
siegen, wir müssen siegen, Elsbethl
Zweifel wäre Frevel un unserer gro
Een Sache. Alte ttrafte hcrßt’g Ietzt
anspannen, jeder tnnfz seinen Mann
stellen! Auch ich —« da stocrte er uno
sein Antlitz umwöttte sich. ;Itein, er
ourfte nicht in die ltteihen orr hielt-sp
ser treten, er konnte sein stirgluctli«,-eg
Weib nicht verlassen.
Sie sah ihn müde an. »Ja ju,
Ernst tote betommen zerleg, wie dn’5
ja schon Voraus-gesehen t).tst. ättun tit’5
da. ttlver Uns berührt-z ja doh nicht
so tot-: viele andere.«
Ein harte-z Wort schwebte auf des
Mannes Junge, doch er unterdrückte
ei- Oiirte nützte Elktscth gegenüber
nichts-, bis hatte sich schon oft gezeigt,
toenn er veriucht hatte, sie ernst und
streng aus: ihrem stusnnter aufzuruts
teln ,Dn kannst eg wotn nicht fasten,
Elsbeth was dieser ttrieg fiir unser
Vaterland bedeutet. Zzni hoffe, daß es
dir nach und naey tlarer werden
wird.« Damit wintte er ihr gütig zu
und verließ das Zimmer
Tuge waren vergangen. Die Ein
nahme von Lüttich hatte freudigen
Siegesjubrl in ganz Deutschland her
vorgerufen. Doch Frau Etsveth nahm
lau-n einen Anteil daran. Das Wort
,,Freude« war aus ihrem Lebenebuch
gestrichen. Jhren täglichen Gang zum
Friedhof unterließ tte auch jetzt nicht.
Einmal, auf dem Heimweg, fühlte sie
sich müde. die ziemlich lange Streite
zu Fuß zurückzulegen, und benutzte
die Elektrifchr. Der Wagen war nur
schwach besetzt und sie nahen einer in
tiefe Trauer gelleideten älteren Da
me gegenüber Plan.
Einsetzen Sie, daß ich als Zy
nen ganz Fremde Sie anrede,«« so
PU
begann die Frau nach einers- Weile,
»aber Sie sind auch in Trauer, und
heute steht einein jeder nahe, nicht
wahr? haben Sie auch schon einen
Verlust durch den Krieg erlitten?
tMein einziger Sohn ist bei Liittich
Egefallen Er war ers im April als
iEianihrigier eingetreten. Er ioar mein
Alles, ich bin schon seit Jahren Wit
«we« Ganz schlicht hatte die sichtlich
den einfachen Stauden angehörige
Frau dies-. Worte gesprochen, und nun
schaute sie erwartungsvoll Frau Els
beih an.
Diese fühlte, daß sie etwas entgeg
nen müsse »Nein, der Krieg konnte
mir nichts mehr nehmen; ich trage
schon lankie Trauer auch um meinen
einzigen Sohn. Jch lomme eben von
seinem Grabe-«
»Ach,d siJ ist doch ein Trost! Piein
Willi shlbit in Feindes-land. Aber
man iiars nicht jammern, und ich
mille auii nicht. Solche Mühe aeb’
ich mir deiini. Nichts fiir ungiit, gnä
dige Frau, ich dachte, wir wären in
derselben Lage, deshalb —
»Sie brauchen leine Entschuldi
giing, ich verstehe Jhren Schmerz voll
kommen Und daß Sie ihns o tapfer
tragen, das ist —« Die Elektrische
hielt und die trauernde Mutter mußte
aussteigen Frau Elsbeth streckte ihr
die Hand hin; dann niclten sich die
zwei Frauen zu, als kunnten sie sich
schon lange und wußten doch nicht
einmal ihren Namen. Jn tiefen Ge
danken legte Frau Elsbeth die letzte
Strecke ihrer Fahrt zurück. Wie viele
Mütter wiirden im Laufe dieses Krie
ges noch ihre Söhne hergeben müssen!
Sonderbar, daß ihr das jetzt zum
erstenmalv so recht zuni Bewußtsein
laiii. Wie ruhig und ergeben hatte
diese Mutter gesprochen, ohne jede
Bitterkeit Und sie war Witwe, stand
nun ganz allein! Eine heiße Sehn
sucht nach dem Gatten packte Frau
Elsheth und si: empfand mit einem
Male, wie er gednrtt hatte neben ihr
seit jenem schrecklichen Tage, der ihr
den Sohn genommen. Aber noch
konnte sie gutmachen, noch was-H nicht
zu spät! Und diesem Gedanken reih
ten sich viele andere an, die, einmal
geweckt, nicht wieder zur Ruhe kamen.
Jkr Mann war noch nicht vom Bu
renu zurück, als sie nach Hause kam.
Sie nahm den Hut mit dem langwals
lenden Kreppschleier ab und ihre Hand
Jitterte dahei. Und sie sagte sich: Du
hast kein Recht, heute noch diesen
Schleier zu tragenAlles hat seineZeit,
musz seine Zeit haben. Sie atmete
ties nus und nickte dem Bilde ihres
Jungen ;-,u. als wollte sie sagen: Sei
mir nicht böse darum. Dann ging
sie in die Mansarde. wo ihre Klei
der aus früherer Zeit hingen, und
hclte ein ganz einfaches, dunkelbrau
nes. weißuetupstes Hauslleid herbei
Sie hatte es nur ein Paarrnas getra
gen turz vor dein Tode ihres Haus.
Und es hatte ihrem Mann und ih
rem Jungen so gut gesellen. Das
wollte sie ietzt anziehen und ihrem
Ernst damit einen lange gehegten
Wunsch ers-Lilien. Denn ost schon hatte
er versudt sie zum Ablegen der tie
ren Traxierlleidung zu bewegen. Nun
sagte er schon lange nichts mehr do
tiiher. Als sie wieder in ihr Zimmer
tem, wehte aus der Rachbarvilla eine
Fahne; tfxtradlitter wurden ausge
rufen und Kanonenschiisse dröhnlen
iiber die Stadt. Ein neuer Sieg smr
gemeldet worden, und zum ersten
Male fand der Jubel darüber Wider
hall in ihrem Herzen. Und sehnsüch
tick schaute sie nach ihrem Manne aus.
lsndlich —- dort kam er, stattlich und
aufrecht, ein Bild lrastvoller M« änn
HckkkiL
Nun« erblickte er sie, stutzte, ein
bellek Scein ging iiber sein Antlitz,
nnd er -1-Entte ihr liebevoll zu. Und
trat raschen als es sonst seine Art
mir. inLJ Zimmer. ,,El5betl), Lieb-h
was sel)’ ich? Du hast die Trauer
«abneles·1t! So ist’s rechtl« Zärtlich
deiictte re sie an sich, nnd sie fühlte,
wie sein setz an dem ihren schlug
Dieses Kleid ist meine Kriegt-rit
stunq Ernst. Ich möchte mich zur
s)i’feleitt:7ng beim Roten Kreuz mel
den. Nestern las ich. daß es sklsr er
spiinsciit sei wenn die Frauen, die in
der Lage dazu sind, sich der Pflege
verlqssenek Kriegerlindet annehmen
wollten Tsos könnte ich wohl leisten.
In der ttwnkenpslege bin ich ja lei
des nicht ausgebildet. Du hast wohl
nichts dagegen, Ernst?«
,Dagegen«t Liebe, ich bin glücklich,
daß dn den-un denkst! Ja, nimm dich
der Verl(.ssenen an und tue damit
dein Jeii sites Vaterland. Jch —«
wieder, wie am Mobilmachungstage
brach er go. Nein, das konnte er von
Islsbeth nicht verlangen, das nicht«
Sie hatte nur ihn, und er hatte-pl
ihretwegen nach seines Jungen Tode
den Abschied als Obekleutnant der
Reserve genommen. Und über das
Landstutsnnlter war er längst hin
aus —- Elsbeth erwiderte nichts, aber
sie hatte sein plötzliches Abbrechen
k—
wohl bemerkt und sie wußte es zu
deuten. Dach das, nein, das konnte sie
·nick»t. so stark war sce nicht« dein Gat
Iten zuzureden.
Von diesem Tage an widmete sich
Frau Elzbeth mit voller Freudigkeit
ihren neu übernommenen Aufgaben.
Man hatte ihr vier tteinere Kinder,
deren Vater im Kriege war und de
ren Mutter aufs Waschen ging, zu
gewiesen Sie wurden vollständig
verpflegt und kehrten nur für die
Nacht und den Sonntag zur Mutter
zurück. Und Schuhe und Strümpfe
und Kleider konnten sie gebrauchen
und die Schutarbeiten mußten beauf
sschtigt werden. Der Jüngste, noch
nicht schulptlizhtige, ein liebes Kerl
chen, weilte unterhalten sein. Frau
als-Leib undihre beiden Dienstmäd
-chen waren vollaus beschäftigt, denn
man mußte doch auch ,,Armeesocten«
strikten Und Soldatenhemden nähen.
Zwei Jahre waren die Mädchen schon
im Hautex aber so nahe waren sich
Herrin und Dienerinnen in der gan
zen langen Zeit nicht gekommen, wie
jetzt bei de. gemeinsamen Tätigteit
für das Vaterland
Die Aoende, die der Hausherr stets
mit seiner Frau verbrachte, wurden
ausgefüllt durch Zeitungslettüre und
mit dem Studium der Kriege-kaum
Am tiebsieu mochte es Frau Elgbeth,
wenn ihr Mann ihr aus den Zeitun
gen vorlaZs und sie dabei stricken konn
te Diese Stunden wurden ihr täg
tickk ivestoouer.
So saßen sie wieder einmal bei
sammen und Frau Etsbeth lauschte
den Berichten vom Kriegeschauplatz
und der Schilderung, dte einzelne
zeidpostbriefe gaben. Plötzlich aber
legte ihr Gatle hastig das Zeitungs
Matt aus-s der Hand und erhob tich
«mit den Worten: »Es scheint nichts
Bemerkenswertes mehr zu kommen,
da wollen wir aufhören. Jch möchte
noch eine Stunde tiir mich arbeiten,
Liebe. Gels nur einstweilen zu Bett,
wenn du niiide dist.« Er legte die Zei
tung aus einen Nebentisch, nickte sei
net Frau freundlich zu und ging. Als
die Tür lhinter ihm zugefallen, sprang
Frau Eleuth aus und holte die Zei
tung. Sie hatte wohl demerlt, daß
ihr Mann eine bestimmte Stelle nicht
hatte vorleten wollen. Sie mußte wis
sen, wns das war. Und nach einer
Minute irußie sie’H. Es war eine
Aufforderung an die Ossiziere des
Beurlaubte.isiandes, sich wieder zur
Verfügung zu steilen. Nun verstand
sie sein hastiges Aborechen der Let
iiire und den ernsten Ausdruck seines
Gesichts. Er hatte schon vom Aus
bruch des Krieges aii den sehnlicheii
Wunsch, dem Vaterlande mit der
Waffe in der Hand zu dienen. Er war
gesund und er war immer gern Sol
dat gewesen. Nur die Rücksicht aus sie
hielt ihn ab. Ader das durfte nicht
sein. Es war eine schwere Stunde, die
Frau Elgdeth jetzt in der Stille
diirchliiinpfte, doch sie führte zum
Hieg
Der einame Mann saß, den Kopf
in die Hund gestützt, untätig ani
Schreidtisch, als Elsdeth eintrat, die
Zeitung in der Hand. »Ich habe die
Stelle gelesen, mitti, die du mir
niit,t vorlesen wolltest. Jch weiß, du
möchtest dich zum Wiedereintritt ni
die Armee melden. Und ich bitte dich,
tii’s, ohne Rücksicht aus mich. Ich
tsabe erkennen gelernt, was dng Les
lIeii endlich ist. Ader in diesem Ziriege
stehen unendliche Werte aus dem
Spiel, nickt nur siik uns, sondern
sür Usensisutionem die nnch uns win
.n-.en Du darf niemand an sich den
tten Ich halte dich nicht, Eriist.«
! »Ich danke dir, trlgoeil), mein tap
’»iere6 Weibl« Nur diese paar Worte«
«dann wurde e5 still. Die zwei Men
"schen saszen Hand in Hand und tunl
ten tief, dass sie niemals- so ganz eins
Jgeinejen waren, wie in dieser Stunde
Am nnd-»in Morgen meldete sich der
,fiiliritdirettor diiin Bezirk-stum
mando.
—-.-——
Studente-entk.
Der Eitendutntzru Ileln fertig zur
Ell-fahrt da nnd der Zugfnlner nnll
eden das Zeichen gehen, ais ein Ent
Iend Studenten nuf dgn Batjnneig
:retenA die abwechselnd Händedriicte
wechseln und einander umarmen. Der
Zetgiülxrer zögert nun nnt der Ad
sahrt eine ziemlich langes-sein endlich
zefßt ihm die Geduld. Er verläßt sei
neu Wagen, tritt auf den Bannneig
und jagt: »Bei-neu Sie sich, mein-:
Herren, rnit dein leichiedneysnen!«
Studenten: »L-, nJir haben Heilk«
Zugführer (erbost): »Aber ed sind
bereits drei Minuten über die Zeit
— bitte sofort einfieigen.«
Studenten ierstaunUt «Eiiifteigen?
Ja, was fällt Jhuen denn ein -- wir
fuhren ja nicht mit·«
— Mitleid. Heute mittag bitt
sich meine Frau einensZahn aus, nnd
aus Wut darüber warf sie mir du
Bietlriigel an den Kopf.
O, Sie armer Lückenbiißerl Z