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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Jan. 15, 1915)
sei-est — hssesa seiest-. Unten am Bahnbot svplosgischet Garten wollten wir uns uns elf Uhr treffen. Den Himmel dectte ein litt ienlqet Grau, aus dem ein feiner Spriibregen betabrieselte· Die Uhr der Kaiser-WilhelmGedächtnis-Kirche . zeigte acht Minuten nach elf. Jchj hatte niich verfpiitet und schritt start aus. Er wartete bereits. Von fern iab ichfeinen Offizier in Feldgtau und Reitstiefeln vor deni Schautasten ei nes Schusterz stehen und die ausge-» stellte »große Mode« angeleaenilichi betrachten. Obgleich er fv aller Welt den Rücken zutehrte, hemmten Vor-. übergehende ihre Schritte und sahen sich um. Und wenn zwei zusammen gingen, nickten sie sich bedeutiarn zu und lächelten. Jch hatte bereits zehn Minuten Verspätung, aber weiß der himmel, ich empfand ein unbesiegbares Be dürfnis, ihn aus der Ferne in aller Ruhe noch etwas zu betr.1chten. Machte er die paar Augenblicke noch länger warten. Jch trat rasch hinter einen Pfeilen Die Breite des Fabtdaniinsl trennte uns, aber ich tonnte genau die roten Rückennöhie der Ulanla nn terscheiden, und die Mütze lam mir verbeuli und zerlniillt vor. Er stand wie mir schien, etwas gebückt, und rnit einein Male sah ich, daß der linte Aerinel loie herabhing. Gleich darauf stand ich neben ihm Wie er sich zu mir wandte, sah ich das Kreuz auf dein Grau der Illanta schimmern und fühlte, daß ich var Freude ganz rot wurde. Jch schilt teite wieder und wieder seine Hand «»Wo etwa-beni« »An der Maask »Und das?« Jch deutete auf sei nen Arm, von dem nur die Finger gliedee sichtbar waren. »Ebenda.« .4-,. Wir gingen einige Schmie. »Aber wollen wir nicht irgendwo eintebren?« sagte ich und blieb stehen. .Es regnet." »Ja so. Wirklich« Er lächelte. »Wie du willst.« »Nein, wie du willst,« widersprach ich und ärgerte mich iiber mich selbst. »Wenn's dir recht ist, machen wir einen Spaziergang durch den Tier garten. Jch habe nach der Stuben boeterei der les-ten Tage einen uniags baten Luftbiinger. Und du bist ja auch bemiintelt.« Wir gingen langsam in den regen schweren erbsttag hinein, in dem alle Umrii e verschwammen. .Sage mir," begann ich nach einer Weile« »woher stammt denn dein star ies Interesse iiir Lackitieiel und der gleichen. Das babe ich ja sriiher nie an dir bemerkt-" «Lackftiesel und dergleichen-«-M Er fah mich erstaunt an. »Ich verstehe tein Wort.« »Der Schautisien des Schuhma cherz fesselte doch längere Zeit deine Aufmerksamkeit." Er lachte belustigt aut. »Du kannst mich totschlagen, wenn ich weiß, was drin steht. Die Sache liegt tiefer. Jch war bereits einige Minuten vor elf an unserem Treff puntt —- «Verzeib«, wars ich ein — und hielt nach dir Umschau Das haben mir die Leute gründlich ver leidet. Drei, vier standen immer und äugten mich von der Seite an; keiner ionnte vorbeigehen, obre sich umzudrehen, und wenn mehrere aui mich zukamen« mußten sie sich ansto ßen. Erst war ich wütend, dann hatte ich Mühe, ernst zu bleiben Schließiich machte ich kehrt und be sand mich dem Schauiasten jenes Fiißbetleidungstiinstlerö gegeniiber.« »Du tatest unrecht, an kein Ver halten der Leute Anstoß zu nehmen Es war nichts ais eine etwas primi tive Art der Heldenverebrnng.« »Sehr freundlich. Das mag wohl sein. Aber wir sind nicht nielkr die selben. Wir betrachten vieles. was wir vielleicht einst heiß erstrebt haben, heute mit gemischten Einpirndungen. Der Krieg hat eine reinigende Kraft, er ist ein läuterndes Feuer. Jm wahr sten Sinne des Wortes. Der Krieg lehrt einfach und gross denken. Wer immer an der Schwelle der Ewigkeit steht, dem verliimmert allmählich das Organ sür die Eitelkeiten und Nich tigteiten dieser Welt. Im Felde emp sindet jeder mehr oder minder deut lich, daß er dem Weltgeist näher ist als sonst und eine Frage an das Schicksal srei hat.« ,Jhr Glücklichen«, sagte ich leise· »Ja. Das ist der große Gewinn» siir den einzelnen, der ihm nicht leicht tvieder verloren geht. Und dann noch! etwas anderes. Der Krieg entwiilelt alle Fähigkeiten und vernichtet — was nicht minder wichtig ist —- Feh ler und Schwächen, deren man bisher nicht herr werden lonnte. lind da will ich ein Beispiel erzählen von einem, den du auch kennst: Karl Dindersin!« »Na ob. Jch habe mit ihm einige Tage siir die Notpriisnng gearbeitet.' »Du hast also das Berdiensii« »Nein Verdienst Nur ein paar handgrissr. Der Junge ist auch nictst dumm und hat man rlei Interessen. Aber er ist ein sthr licher Stotterer. Nie in meinem Leben habe ich eineiik Menschen so heillos stottern hören. Er kann buchstiiblich keine drei Worte glatt herausbringen.« »Das hat er in wischen gelernt« sagte der Ulan ern «Wie, erzähle ich dir nachher.« »Nicht möglich. Das wird fiir die Eltern ja eine überwältigende Freude sein. Die haben natürlich alles ge tan, um den Jungen zu heilen. Sprechturse hat er durchmachen mits sen, und teine ärztliche Berühmtheit aus diesem Gebiete ist unbesragt ge blieben. Aber es hat alles nichts genaht. Jrn Gegenteil: es schien im mer schlimmer zu werden. Da gal ich den Nat, ihn in Ruhe zu lassen. Nun war er neunzehn Jahre alt ge worden, ohne daß es ihm gelungen war, aus den Schulen das Einjiihrige zu erwerben. Teils wegen seines-» Spriichsehlers, mehr vielleicht nochi deswegen, weil ihm spröde wissen schaftliche Schulacbeit nicht liegt. Jn tbrperlichen ilebungen ist er gestiihlt: s ein guter Turner, ein ausdauernder Schwimmer, eine begehrte Kraft bei allen Fußballs und Hackeyiiimpsen Er soll auch, wie ich hörte, ein vor züglicher Reiter sein. Er wäre jeder zeit bereit gewesen, durch die Wabers lobe zu reiten, aber zwei Stunden Grammatik und Algebra schien ihm der Gipfel menschlichen Leibes zu sein. Dann tam der Krieg und die ministerielle Verfügung iiber die Not priisungen. Er verstand: setzt oder nie und seate sich unter meiner An leitung mit einem Eifer aus die ho sen, das; es eine Freude war. Er be-— stand, meldete sich bei deinem Regi ment und wurde angenommen. Aber das alles wirst du ja besser wissen »als ich." » ) seine Ausbildung yat reine vie-. :««zet)n Tage gedauert. Dann wurde irr uns nachgeschiitn Er muß alles im Fluge begriffen haben, denn er .hat weiter alle Uebungen mit einer Schneidigteit und Eleganz ausge siihrt, daß es eine Luft war. Ader Jnicht inat seinen Namen tonnie der »kleine Kerl glatt aussprechen Wie ee sich bei seinem Rittmeister, der ein etwas riietsichtsloser Spnßvogel ist, meldete, sagte der: »Ach so, Sie sind der hi—hi—hi——hinderiini Mensch, lachen Sie einen doch nicht aus, wenn Sie Ihren Namen nennens« Und später: »Hi—Hi-Hi——.hindersin, rei ten tönnen Sie wie der Drittel. Aber »als Meidereiter können lvir Sie »schlecht brauchen. Sie wären ja mit Ihrer Meldung erst bei Friedens -ichtuß feitig.« Wenn dann der Ritt meister über seinen Witz in ein dröh« nendes Lachen ausbrach und die ganze Schwadron dazu ieixie, wurde Kurt "Dindersin rot bis ikoer die Ohren. Aber er nahm nichts krumm. Er war ja so glücklich. Ende September standen wir an der Maus unweit Verdun, das seit einigen Tagen sast ununterbrochen unsere Geschutze umbriiliten. Es sollte der Uebergang über den Flun ins Wert geieszt werden. Nun lag da aus einer Anhöhe Chateau Jvry, ein prächtiger alter herrensitz, wie ihn iich mancher von uns in stillen Stun den erträunit. Das Schloß beherrschte die Maas tilometerweit, und da es, wie verschiedene Patrouillenritte er geben Hatten, start befestigt war, unk. von Feinden wimmelte, war es- un .seren Pionieren unmöglich, in dieser Gegend eine Brücke iiver den Strom zu schlagen. Zwar hatten wir das Schloß, das ein Pakt mit herrlichem Baumbestand den Blicken der Umste henden verbarg, verschiedene Male m.t Geschützen tleineren italiberv brichst sen, aber ein nennenswerter Etsota war nicht erzielt worden Zeit zu csllls skkjcllkusscll GLIUJIIULUZ IUU nicht mehr; der Uebezgnng sollte sc schnell wie tndglich erzwunkien mer den. So bekamen nsir Befehl, dir Anhdhe und Chnteau Jvrh im Zturkn zu nehmen. Wir hatten alle Listen sngeivnndh um den Feind zu täu schen, wir hatten einen Zeitpunkt ge wählt, der ihn überrafchen mußte Alles schiert gut zu gehen, nnd mir traten bereits nuf fünfhundert Meter herangekommen, als der Feind Plötz lich ein höllische-Z Moschinengewehr feuer auf uns eröffnete. Wir hatten schwere Verluste; meinem Rittvneiftee wurde das Pferd unterm Leibe er frhoffen, wohin man fah, wälzten fich Menfchen und Pferde. Jch felbit tom auf meinem verwundeten Tiere nur; noch mit Miihe vorwärts. Es fchien.« als müßten wir wieder zurück; unserY Angriff stockte, es fah aus, als wollei er in sich zufummenbrechen. Dal wirft plötzlich einer, dem die Tfchnth weggeichoffen wur, und der bereits aus einer Kopfwunde blutete, mit ol ler Gewalt fein Pferd vor, das in gewaltiuen Sähen davonftiirmt. »hurra!« fchreit er mit einer Stim me, die mir noch heute in den Ohren gelit, und dreht sich noch uns um· ,,huem!« und noch einmal: «Hurra!« Es war Kurt hindersin Uns alle übertmn es wie eine Suggeftion. Je der, der noch ein Pferd unter dem Leibe hatte, riß es zusammen, nnhm heraus, was in ihm war, und folgte dem ftptternden Jungen, der wenige Augenblicke später, von einem Dutzend Kugeln durchbohrt, von der Spitze verschwand. Aber der Angeiff war gerettet. das Schloß wurde unser-, nnd am Abend gingen wie til-er die Mang. s So verlernte Furt Dindersin beim giltst-n auf shatequ Tit-eh das Stet silhn mer —iederhnt. Eine tiesernste Tichichte von Frida Von Ratt-ann. Jn diesem Sommer, ehe noch ver Krieg ins Land beach, sing das Un heil an. Mit einer echten «höheren« — Tochter — bitte. »Mama. heute will ich auss Flug seld!« Mit beträchtlichem Aufwand an Energie wurden diese Worte von Mitta, der anmutigen, oerwöhnten gar so jungen Milla vorgebracht. »O, ueint" gab die Mutter zur Antwort; mag sein, daß sie durch ir gend eine Jaeenverbindung sich auf den Ersahrungssatz besann, wonach allzuviel Unterhaltung geeignet sei, den Charakter zu berilaehen, den mo ralischen Standpunkt herabzudrücken Vielleicht befiel sie aber auch jene rätselhaste Bangigkeit, die mitunter der seltsame, noch unertliirte Vor bote ist louimender Ereignisse. »Heute bleibst Du zur Abwechslung daheim. Es ist hohe Zeit, daß Du Dich besseren, höheren Gedanken »zu wendest'«, suhr sie ein wenig trocken lehrhast fort. Jhr war genau be kannt, wie gleichgültig der Tochter die großartigen Errungenschaften liihner Farschertätigleit an sich wa ren, daß ihr, natürlich unbewußt, alles und jedes nur zum »Jahrmarlt der Eitelkeiten diente. »Manm, ich habe noch niemals ei nen Schauslug gesehen!« Das teilst Du mit allen bedeuten den und kleinen Geister früherer» Jahrhunderts ; Eine wohltätige Erkenntnis war’ ihr gekommen, aber zu spät, denn Milta war fest entschlossen, das Flugfeld zu besuchen, und wenn sie zu etwas sest entschlossen war, so pflegte sie es auch durchzusehen, un ter allen Umständen. Nun spielte sie aus« was sie ihren stärksten Trumpi fand. »Und Minnen denke doch: mein neuer Federhut. Tante Laurag Geschenl. Tie letzte Gelegenheit, mit ihm Staat zu ma chen, bevor sich alles in Sommer-rei sen zerstreut. chältama bitte, hab' ein Einiehenl« Wir wollen hoffen, daß nicht m einem geheicnsten Seelenwintel der Gedanke lauerte: Grete und Lene oder wie sie heißen mögen, besitzen iein solches Wunderding, wie wer ten sie mich beneiden. ZJch wäre wahnsinnig unglücklich", behauptete Mille, die noch nicht wuß te, was Unglück ist« und ein verdäch-« tiger Zug trunimte den kindlichen Mund abwärts, ja fchon begonnen die hellen, fröhlichen Augen sich mit Tränen zu füllen. Das konnte die Mutter nicht mit! ansehen. »Tu'z nicht!« bat sie fchwächlich, denn die dumpfe hernmung nagte wohl im Unterbewufztfein, befnß aber nicht genügend Kraft, frei an die Oberfläche zu steigen. . . Jhr Kind weinte! Der rechte Mo ment, er war vorbei gegitten Denn die friihe Jugend lacht nur über die graue Theorie der Heilfamleit des Sichberfagens erfehnter Freuden. Der einzige Wunsch, den sie kennt, ist der heißen Er raffeng Und die verblendete Mutter sagt: »Seis drinn. Also dies eine Mal noch gebe ich nach Ein geschlosseneå ompromiß ge gen die bessere Erteiiiitiiig. Und Milla triumphiertr. Strahlend in Frohsmn und Heiter leit zog fie ab, den augfchlnggebenden neuen Federhnt uns dem blonden Kopf. Einen Hin, gran und n;-eich, seidig und fchiunnlend, init liinfts leriieu liihn gebogenem Rand, einem isppigen Wald mit-much nictender Etrunfzfedern Drauf, zierlich geträu felt, eine iiber die andere gebäuint, dass kuteifierwert und der Stolz ir gend einer- blühenden Punmacheriik neitphantusie. Ein Hul, gelungen wie unter Hunderten wieder ein einziger. Eigentlich zu schön, zu pruntend fiir Millcis siebzehn Jahre, aber Tante Lnum hatte gemeint, nichts fei gut genug fiir ihr Patenlind und gab likeie Weisheit noch dazu vor des Mädchens Ohren zum besten. Milla belani nlfo den Federhut und fuhr glückselig mit ihm aufs Flugfeld l Während der folgenden Stunden glaubte sie, noch nie im Leben so ver gnügt, so befriedigt, so vollkommen wunschloo sich gefühlt zu haben. Das spannende, nervenreizende Schauspiel war ihr ja nen; oft hatte sie das Gefühl, selbst durch Weihn blau zu fliegen, aller Etdensihwere los und ledig ; sie bejubelte die muti gen Piloten und folgte in nteinloser Erregung mit den Blicken den ge lungenen Schleifen und Kreisen, die von den Lustfahrzeugen hoch über den Köpfen dei- Publituing ausge führt wurden. »Wirllich, das Märchen vom Jlas rus: der Ausstieg zur Sonne ist hier znr Wahrheit geioorden«', dachte das Geschöpf und fand den llassischen Vergleich ungeheuer originell. Jm Kreis ihrer Freundinnen sasz sie auf einem der besten Plähe und ergötzte sich insgeheim an den bewundernden Blicken ihrer Gefährtinnen, den Blicken, die an dem berühmten Feder hut hingen, der solcherart vermochte, sogar dem Drachenflieger Konkurrenz zu mag-en. Daß eine, die Jüngste aus der Schat, fehlte, beachtete man kaum im Hochgeghl des Erledens so erstaun lichee inse. Auf eine sliichtige Fru e Minos an deren ihr zunächst wende Sch et lautete die ver legene Aus unt: »Ach, eine leichte Ertiiltung!« Und munter lachte und pltsnderte man weiter. « Als Milla, erfüllt von der Groß-( artigteit des Geschauten und nicht minder von ihren persönlichen Erfol gen, heimkehrte. stürtnte ihr Annle, das Nesthätchen, entgegen, jauchzend und voll Neugier nach Berichtenz Mitta, er iihlte immer so schön vons allen Festen, denen sie beigetvohnt,« rot. Biillen, Theatern, Konzerten, es war beinahe, als sei man selbst da bei gewesen. Dienstsertig, voll Freu de über den Anblick der geschmücktem großen Schwester, streifte ihr die Kleine die Handschuhe ab, löste die Schleifen der Boa und ;og die Na keln aus dem Feder-but Dann hupf te das Schwesterchen aus Milths Knie, schlang die Arme um ihren Hals und lauschte, eng an sie ge schmiegt, den buntfarbigen Erzäh lungen. So oollstreate sich das durch tsen neuen Federlput l)eranfbeschwo rene Schicksal. Denn die Unpäßlichkeit der ausge btiebenen Freundin, nach der Mitka sich erkundigte, hatte sich alr- Schar lach herausgestellt, und die von ihr Besragte, neben der sie Stunde um Stunde während der Zchaufliiae ge sessen, war geradenwegs aus dein Krantenzimtner getomcnen Und nach wenig Tagen legte sich auch Millas Schwesterchen hin, die sanfte, liebliche Annie, zu der sich unsagbar die furchtbare Rette hin i«:bergeschlungen. Mit ihren zarten, empfindlichen Hänfen hatte sie die lileidungsstiicke beriitsrt, ihre Man ae daran gelehn:, ihren Mund zärt lich daraus gedruckt. So war es eben geschehen. Und wieder wenige Tage später, da lag die Kleine still unter Blu men nnd Spitzen Feierlich knister ten die Kerzen, die goldenen Flämm chen weinen, die Bluten dusteteu süß und traurig. Das Kind aber liichelte holdselig heiter; eH lachIlte so unirdisch ver t!·cirt, wie nie Iebendige Lippen zu lä cheln vermögen. Unsäglich fried sam schien es zu sagen: Um mich braucht ihr nicht zu weinen, denn ich — ich weiß. Noch einmal gab die Mutter Mil tae Bitten nach. Hochsoinrner wars und der Krieg tröhnte über die Lande, in seiner grausamen Mrjestät, als der Him inel sich rötete von Feuerschein und die Erde sich tötete von Blut. Milta wollte Pslegerin werden. Sie wollte arbeiten, dulden, sie wollte sühnen. Sie hoffte, die Gnade sich zu erringen, Leben zu erhalten« Leben wiederzugewinnen zum Ersatz siir jenes eine niuttvillig im Frevel der Eigensucht hingeopserte. Die Mutter. obgleich nun gänz lich vereinsanit, ließ die Tochter zie hen. Vielleicht ioiirde ihr dann z rie de werden. Es tnnn sein« da sie bedachte, daß es nin Menschen Most licheres zu retten gibt als den Leib aus Staub und Asche. Milta mal iet an Kranken- —- und an Ster bebetten. Sie lallt Fiebergluten, nnd ihre Hände streichen toie linde, wei che Flügel über erblassende Stirnen; sie drückt brechende Augen zu nnd iscrliindet Worte des Heils-. Dem Zweifelnden weist sie den Weg zum Licht und scheucht dein Trost.irnie11 die quälcnden Eit«21tteii. Jn ihr aber, die sriiher so l)eif;, so ungestiiiii ge wünscht hat, isi nur mehr ein einziger Wunsch lebendig. Sogar die arme, verlassene Mutter würde ihr die tie siillung dieses Wunsches vergönne-in dieses allerletzlen Und die Ursaake vom Gang dieser Geschicke wäre wirklich nur nichtiaer Tand gewesen, nur ein Fordere-ist« Millas neuer Jederhutil Erbärm liche, winzige Cinge sollten imstan de sein, Mensiljeiischicksale aus den Angeln zu hebens Wäre wirllich alles anders geworden, ohne jenen Federhui, der greifbar Schuld trug an Mittag verstöriem Lebens An dem Ende des harmlos - lieblichen Kindes, das scheiden gemußt, ehe es noch, volleewacht, das Daseinsgliick empfunden? Schuld daran, daß die Mutter einem leeren, sreudlosen Da sein entgegengehi? Ein Federhui, nur ein Feder hul? Wäre dem witllich so, wie miißs ten in Verzweiflung zusammenwe en. Wir wissen jedoch, dem lann nicht so sein. Demuiövoll glauben wie, dasz alles Geschossene, alles Gewordene, Großes Und Kleineö, Erljabeiies und Gerin-s ges nur Werkzeug ist; daß die strah lende Sonne hoch oben und Millas neuer Fedethui, ein buntrollcnder Spielball ebenso qui wie die gigans iifchen Geschütze, vor denen das ge waltigsie Menschenwerk zerspliiiert gleich Glas nur dazu dienen, den un eegeiindlichen Willen, die geheimnis rollen Absichten einer höheren, unbe xchreiblich weisen Macht zu vollsitel en. gi- zsesriyem I Eine friedliche Arie zgeschichte von Ell win s ömer. «Evelore, schnell, schnell, Solda-. ten!« rief aufgeregt die sonst so ge messen nnd von ihrer Wiirde bei rg iiberzeugte grau Rätin Holz ch ins das Baltonzrmmer zuriict, wo ihr-I Tochter auf einem Scknutelstulil III-s sig auf und nieder wi; pte nnd dabcrt an einem Strumpfriesen nur- graues Wolle strickte. Das blonde Mädchen erhob sich ge lassen und trnt aus den Ballon hin aus. Von fern her trug die Mor genlust eine Klangwelle die Strass herciuf, die zum Bohnhos führt«-. Deutlicher und stärker wurde sie. Im mer reicher und voller strömten die Töne aus den Hunderten von be geisterten, tampsfreudigen Männer iehlen. Zuletzt, als sie dicht unter den Fenstern der Holznchschen Woh nung voriibermarschiertem Fliehen si: einem alle Nerven durchrieselnbej Brausen. das- anch weniger Empfind samen die Tränen in die Augen trieb. Die Frau Rätin konnte nicht anders. Sie sang rnit, indem sie ihr weiße-J Taschentuch dazu im Winde slnttern ließ: i» Lieb' Vaterland, magst ruhig fein: Fest steht und treu die Macht, die Wacht nm Rhein!« Evelore hatte in Sinnen verloren hinunter gestarrt. Mancher muntere Blick war herauf geflogen von dieser stattlichen Reserveleiitem die zur Ver stärkung nach dem Osten des Reiche-z abgingen und von Ungestüm fast ver zehrt wurden an den verruchten Feind zu tonimen, der deutsche Kul tur unter seinen beutegierigen Bar barensrhwiirmen zu zerftainpiexi drohte. Einmal bitte Ev lore unwillkürlich zum Herzen gegriffen und ihr Antliys war jäh erblaßt. ! »Warum singst Du denn nicht mik« Evelore?« fragte unwillig erstaunt die alte Dame, die sich bei diesen täglich wiederholende-i Vorbeimcirtchen in» immer neuern liiiier zeigte »Wie tann ein deutsche-J Mädchen so elenn gleichgültig bei solchem Vorgang blei ben?« txvelore schuttelte mit einen: schmerzlichen Lächeln den Kopf und ließ die zwei großen eben entstande nen Tränen achtlos iiber ihre wes-» chen Wangen rollen. »Ich tann nicht!« sliisterte sie mit einem leisen tiefen Seufzer. »Es schnürt rnir etwas die Kehle zu,w-n1 ich sie so hinausziehen sehe in den« Kampf, wo sie alles hinopfern, Ju « gend, Kraft, Zukunft. »Ja freilich!« brummte die Natisc ; »Aber das ist Baterlandspslsch chtl Gotii sei Dant, daß wir so tenlen!« »Wir?« sragte Evelore gequält. »Was tun wir denn? Wir stricken Kriegsstriiinpse und winken, wenn sie ausmarschieren l« s »Und opsern siir’·s Note Kreuz nnd tin der Volkstiiche tun wir auch un sere Schuldigleit!« »Wir sind da zu entbehren. Arme stellenlose Frauen wären viel eher am Platze und tönnten mit einem noch so geringen Lohn dadurch von den schlimmsten ihrer Sorgen wenigstens befreit werden. Aber überall sprei zen sich die Töchter aus den soge nannten besseren Familien, weil sie’5 umsonst tun. Als wenns gar keine andere Möglichkeit gäbe, zu l)elsen" »Na, erlaube malt Was ficht Dick denn an’« entrüstete sich Mann Holz« -..ich »Ach Gott« ich weiß selbst nirlt J i bin totungliictl ich!« schluchzte Eve or und trat hastig in das Zimmer zu tück. Tie Frau Natin nickte ein pn mal nachdenklich ,,.-.Hist ihn also auch gesehen?« sagt sie dann. »Ja, sie niiissen alle mit Tag lann nnn mal nicht-J helfen Uebrigens sei froh, daß Du setzt nichll in diesen Verhältnissen ste-.ist! D« könntest Du schön was erleben!« »Wie meinst Du dass-« »Nun, jetzt hattest Tn das Geschäft allein ans dem Halsri« »Und was wird to b.rr.nls’t" »Bi-J nächste Woche siihrt es sein Vrnder weiter! Dann musi der auch sott. llnd wenn sich bis-«- dahin kein Häuser gesunden hat, schließen sie ek-, bis der Krieg zu Ende ist« »Weder weißt Du das alles?« »Die Adlerwirtin gegenüber hats erzählt. Sie übernehmen die Sucher-, die sich nicht halten, siir ihre Küche.« »So ist also seine ganze tiipsere Arbeit umsonst gewesen? O, wie ists das schrecklich!« ’ »Viel schrecklicher noch wär’—«5, rvenisi Du Dich jetzt abraetern müßten Dein bißchen Geld wäre natürlich mit hin eingesteckt worden. Er hatte ja große Nosinen im Kopfe, wenn Du ja ge s sagt hättest! llnd nun siiszest Du du« . Gott sei Dank, das-, er sriih ge nug damit ans Licht tmn, sich so ein Geschäft gründen zn wollen! Eine Rathanstochter mit einer Mamsellen schiirze hinterm Ladentisch! Es were wirklich eine Zumntiing!« Eveiore antwortete nicht. Ske dachte noch einmal nn den Blick, den er vorhin ans sie geheftet. Wie hatte er ihr im Herzen gebrannt! Wie schuldbewuszt war sie sich plötzlich vor-. gelomment Damals. als er sie umworben, hatte das alles in einem unmöglichen Licht vor ihr gestanden, wag ihre Ratten soeben trinmphierend noch einen-s ausklingen ließ! Gewiß hatte sie ih geliebt, von Herzen. Jn seiner arti( gen Zurückhaltung seinem schlichter nen und doch tnnigen Werden way ein Zug gewesen, der sie schnell ge fangen genommen hatt-. Wäre es aus seinem Bzzcbhalterposlen in des großen optischen Fobrit ges-lieben nnd später viel-lockst eintnat zum Pelz-. lnristen ausgeriåctt, hatten Manna uns sie selbst tetne Bedenlrn gehabt, fthis in die Familie auszunehmen. Ubert da hntte ihn der Ehrgeiz gepackt —·! ein lächerlicher Ehrgeiz! holte dlq Frau Rat böse lächelnd gesagt --t, selbständig zu toerden.... J Und trotz seiner schweren, schmerz lichen Enttanschnnxk halte sie ihn voll sich gehen lassen ans Niewiedersehen. . Wie ein drnclender Gisinebel kegtc sich ihr dns Geiiibl ans die Brust, ein Unrecht benennen zu haben damals. Denn wie asnz anders sah di Welt jetzt ans-, miehoem der große reinigende Ett.rt::!)o.tkh einer genieith schriftlichen Gefahr, eitler in alten Herzen gleichsnasng lodernden Ent riistung über die deutschen Gauen htntveggetveht nsark Das Gefühl der-« thsnnnnengehorigleit ronr wieder ers wncht Der Hutte-werter nnd den Kaufmann, der Arbeiter nnd dez Bauer, der ganze Benmtenschwnrne von der obersten Sprosse an bis hin-« unter zum bescheidenen Schreiber nng Briefträger: sic- nlli rannten sich plus lich wieder. Ratt-but grüßte denNcchs bar. Hoch unt- medrig studierte die Extrnblätter nnd lauschte lebhaft eines Meinung iiber die letzten Nnchric1,tele aug. Und jeder bemühte sich, kenk anderen niclxt Tarch ein unbedachtes Wort wehe zu tnn Jeder suchte von seinem Platze uns nnd nach sen nen Kräften zn helfen War eH wärt-. lich noch eine Schande siir eine Rats-e :oc1)ter, hinter ekneni Ladentisch-e zu stehen nnd in Stellvertretung eine-? vor den Feind aezogenen lieben, tap-. feren, lernhnitecx Mannes seine Volks genossen zn liedienrt:«-.-’.... Evelore rljstcte fiel) zum Ausgang »Wohin?« srciate die Frau Reitixe verwundert . ,,Jch habe ganz nötig etwas zu Lus sorgen!« erklärte die Tochter unb eilte davon. Als sie verspätet zu Tisch kam und Max-m Holznch ihr Vor-« haltnngen machen wollte, ties sie frisch nnd energ:sch, wie es seit in chen nicht von ihren Lippen getlnn-. gen hatte: . »An-gen Dieb nicht, Maine-! Es ist zwectlog und kommt noch vief schlimmer!« »Was heiiit das-V erkundigte Mamn sich entsetzt. »Von nächster Woche ab komme ichs— überhaupt nicht mehr zu Tisch. Du nlußt Du mir inein Mtttagbrot schil ten, wenn Du Tich nicht als Raben mntter nusbieten lnssen willstt« but-te Evelore vergnügt »Ich bin heute in die Lehre getreten!« »Jn die Lehre-'s« ,,« a, nber es dauert ni.1;t lanqe. Nächste Woche schen bin ich Den Ehes!« »Aber, Evelorek Ich glaube, To hast Wein getrimten!« »Nein, Manier nber Paul Gäh rinns Geschäft herbe ich getauft!« »Evelore, das-. ist nimt wahrt« schrie entgeistert die alte Danie. Aber eI war deswegen doch wahr Die so schnell zur Blüte gebracht-: Südsruckjb nnd Delilatessenhandlniin von Paul Glihring in der Hutten straße wurde nicht geschlossen Elle-l lore führte sie fort mit wachsende-: Umsicht. Tie Wirtsleute mie- dcrrl »Goldenen Adler-« gegenüber standen ihr wacker znr Seite. lind die Bur gersihast aller Schichten der hübsch-te kUiittelstndt sanis e-« lieb ian gescheit nnd grüßte die Frau tliiitin nicht min der respektvoll, irsran sie ihr nuf der Straße begegneno ....»?llg lex itnterosiisier Paul Glöhrinq vor ein paar Tagen einen Tun-Sport rnssilehn Gesangener ia das- nahe der Stadt gelegene Va rxtctenlager bringen mußte, s.Ino er zn seinem Erstaanen sein heimlich be tranertes Geselfiist in vollem Betriebe. Der Adlerwirt, sein Nenitbar nnd· Freund, stand in seiner Hanstiir nnd nidte dein Antonanenden bedeutunng kssl « »Verl«auftl« sngie -r schmnnzclnu nnch der erste-. s herzhusten erüßisnm »Aber, Dn sannst es wieder hat«-n, wenn der veknniledeitr Krieq zu End-: ist!« »An Iven?' forschte der ststilich-., von Luft nnd Sonne nrq gebt-Einspr Mann. »An einen Brinnnttn von Dir. Geh nnr hinein nnd sug« ihm Guten Tagl« »Da bin ich doch wirkli-i1 neugi rig!« lachte Göhring nnd schritt ist den Laden hinüber Und da ihnen crgliihend bis ask die Hnnrivitr·3clii ver neue Chef nnd trug die weiße Schütze mit ebenso viel Stolz wie Anmut »Evelote!« snnnmelie er giiickspli.3. Und Iookflog fnnk fte ihm an den feldgmnen W-1fienrock· . . . Das Eiserne Kreuz wäre ihm nicht lieber gewesen. . . « —-.-—--— ——·M ä r d: e n CI war einin of ein Engländet, der wahrhei sgemciße Kriegsbekichie ersinflete.