Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 18, 1914, Image 17

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    Nebraska.
Skaak5« Anzeiger und J cerold.
Gm sit-Jst Mva »Im ngDszn
Id» z
. Its-set Falle.
Erinnerung ans den-s Feld-us lSTos-7i.
Mach den Anleemnangen elnes Mit
kämpfek0.)
s
Es warst-n November 1870. Jch
tvar vor 14 Tagen nach Mainz ge
schickt worden, um vom Ersatzde
taillon alle für den Felddiensi taug
lichen Mannschaften unserem Regi
ment vor Paris zuzuführen; denn
drei große Schlachten und viele Ge
fechte hatten bevenlltche Lüsten ge
rissen. Aus 346 Mann bestand
mein Transport, dem sich noch eine
Anzahl Kavallerteossiziere mit Pier
den und Mannfchaften angeschlossen
hatten.
Vierundzwanzig Stunden waren
toir bereits unterwegs, denn unserm
Vorwärtskommen hatten sich gar
manche hindernisse entgegengestellt;
wir hatten die Vogesen passiert, Za
betn, Saarbutg und Lunäville hinter
uns gelassen und mußten uns jetzt in
der Nähe von Nancy befinden, als
der- Zug plöylich auf offener Strecke
het.
Wir waren darüber nicht gerade
sehr erfreut, denn weder Mann noch
Pserd hatte, seit wir Weißenburg
arn sriihen Morgen verlassen bat
ten, irgendwelche Verpslegung erhal
ten; und wir hatten uns damit ge
tröstet, dies in Nancy reichlich nach
holen zu tönnen; denn die hauptstadt
Lotdringens bildete seit einiger Zeit
den Stnpelplnh sämtlicher Vorräte
für die deutschen heerr. Von dort
sollte es dann weitergehen nach Pa
ris zu, aber als wir nach längerern
Aufenthalt endlich in den Bohnhos
einlieien, erfuhren wir« dasz an ein
Weitertonrmen nicht zu denken war,
denn einer Franitireuertruppe war
es gelungen, durch Ueberrurnpelung
unserer Wachmannschasten die erste
Moselbriicke zwischen Nancy und
Toul zu spregem Der vor uns durch
den Bahnbos gekommene Zug war
nur durch die Geistesgeswtosrt eines
verwundeten Landwehrrnannes, der
irn lehten Augenblick durch ein paar
Bogen angezündeten Zeitungspapiers
ein Warnung-Ziehen gegeben hatte«
davor bewahrt worden, in den Fluß
zu stürzen.
Also mußten wir einstweilen hier
bleiden, und am folgenden Morgen
schon vor sechs stand unser Zug te
reit, um die von der Stadt zu stellen
den Arbeiter nach der 4gesprengten
Brücke zu bringen. Zur Bedeckung
toar ich mit einem Teil meiner
tlltannschaften beordert. Allein es
wurde sechs, es wurde sieben und
Acht Uhr, ohne daß sich ein Arbeiter
hätte sehen lassen, oder daß uns ir
gend welcher Befehl zugekommen
wäre. Kurz vor neun Uhr jedoch
erschien eine Ordonnanz und bestellte
mich für zehn Uhr aus das Buro
des Gouvernements im herzoglichen
Schloß am «Place Stanidlas'«, auf
den die Bewohner von Nanch stolz
sind. Jch muß gestehen, er macht
einen ebenso eigenartigen wie ge
scijmackvollen Eindruck. Die Mitte
des lreiörund angelegten Platzes
nimmt auf hohem Poftament das
Reiterftandhild des politischen Kö
nigs Stanislaus Lezrzynsti Schwie
gervater Ludwigs XV.) ein, wäh
rend von drei Seiten durch hohe
eiserne Gitter mit vergoldeten Spitzen
hindurch drei breite Straßen auf
denselsiu einmünden und auf der
vierte-L«Seite der Pakt mit dem
Schlosse, der Residenz der früheren
LonWrren, der anöge von
Lothringen, liegt, ebenfalls durch ein
derartiges Gitter von dem Blase
getrennt. Zivifchen den Gittern
wird der Plan eingefafzt von niedri
gen Gebäuden im italienischen Leg
gienftil mit Säulen usw. Diefe
hör-see sind sämtlich als Caföö und
Restaurants eingerichtet, die stets
gut beseht find. Namentlich war
dies damals um die Mittagizeit der
Fall, tvo regelmäßig um zwdlf Uhr
wie in einer deutschen Friedensgarnii
son die Wachtparade abgenommen
wurde, und irgend eine Regimeniss
music einige Stücke spielte. U
Aut dem Gouvernementsbttro fand«
ich noch etne Anzahl anderer Ofttziere
versammelt, darunter auch den mir
bereits von der Nacht her bekannten
Adjutqnten des Gouverneurt, der
unj sehr eingehende Jnftrutttonen
erteilte und mit den Worten schloß
»Jch hohe bereits heute nacht auf
Befehl Sr. Exzellenz, des General
von sontn, dem Matee mttgetettt,
daß dte Stadt« da sie jedenfalls an
der Sprengung der Mofelbrttcke nicht
unbeteittgt ist, unt bis heute morgen
sechs Uhr 400 Arbeiter auf ihre Ko
sten zu Itellen habe. Der Mnire hat
mir hierauf knit der größten Höflich
teit entgegnet, daß er zu seinem Be
dauern hierzu nicht imstande fei, da
es nicht in feiner Macht liege, die
Arbeiter zu zwingen, und diefe um
kein Geld der Welt für «diefe Preu
ßen« arbeiten würden. Jch habe
ihn sodann darauf aufmertfam ge
macht, daß wir in diese-n Falle an
dere Maßregeln ergreifen müßten,
die ihm und der Stadt jedenfalls
fehr unangenehrn fein würden, erhielt
iedoch nur ein Achfelzucken zur Ant
wori. Daß die Arbeiter weder um
fechg Uhr noch auf eine zweite und»
dritte Aufforderung hin um fieben
oder acht Uhr geftellt worden find.
ift Jhnen belannt, meine Herren, und
die höhnifchen Gesichter der Franzo
fen werden Sie wohl felbft bemerlt
haben. Wenn es uns nicht gelingt,
den passiven Widerstand der Stadt
zu brechen und den herren Franzo
fen eine fcharfe Lehre zu geben, so
ift unsere Autorität unwiderru lich
verloren. Se. Exzellenz rechnet
her darnuf, daß Sie die soeben erhal
tenen Befehle mit der größten Ge
nauigleit zur Ausführung bringen.
Von der Schußwaffe foll nur irn klu
ßerften Notfalle Gebrauch gemacht
werden. Der Kolben dlirfe wohl ge
nügen Guten Morgen, meine
Herrenr
Der himmel hatte sich im Laufe
des Vormittags vollständig aufge
klärt, und das alte Rauch lag im
hellsten Sonnenschein, alt urz rvr
zwölf Uhr durch die eine Hauptstras
sie der Stadt die Mannschaften der
starken Wachen mit klingendem
Spiel nach dem »Plare Stanislab«
anrüctten; begleitet waren sie von
einer größeren Menge Franzosen als
sonst, die in ihrer Freude iiber die
moralische Niederlage der Preußen
sich ganz laut und ungeniert höhni
sche Bemerkungen zuriefen und sich
gegenseitig aufforderten, mit auf den
Plah zu kommen und den »Ja-sch
tanz" (la danse des grenouille5), wie
sie unseren Parademarsch spdttisch
nannten, mitanzusehen. Auf dem
Atlas angekommen, nahmen die Wa
chen an dem Ausgang-»auch dem
Schloß Aufstellung, ie usit spielte
ein Potpourri aus .Pariser Leben«,
und eine dichte Menschenmenge hatte
sowohl den Platz als auch die Caij
beseht Keinem einzigen aber fiel
es auf, daß sich ungesahr fünf Mi
nuten später auf allen drei Straßen
starte Jnsanterie - Abteilungen her
sanbewegtem an den Etngängen zum
Platz ausmarschierten und die hohen
Gittertore hinter sich schlossen.
Plötzlich brach die Musit ab, auf
dem Pastament der Reiterstatue er
schien der Adjutant des Gouverneurs
und durch die augenblicklich eingetre
tene Tatenstille hindurch drang scharf
seine Stimme:
«Achtung aus mein Kamnianda!
Bataillon soll chargieren —- geladen!«
Und rasselnd dfsneten und schlossen
sich die Schlösser der Zundnndelgei
wehre an allen vier Gittertaren,
während die Menge jammernd und
aufkreischend nach der Mitte des
Plahes drängte. Durch den Lärm
hindurch jedoch tönte das weitere
Rammandm »Ehargiert —- fertigt«
Und die ganze aus dem Plan ver
sammelte Menge war durch eine vier
fache eiserne Phalaux von blitzenden
Bajonetten von den Ausgangen des
Platzes abgeschnitten.
Unbeschreiblich war die Aufregung
der eingeschlafsenen Franzosen, und
der Uebergang von der höhnischen
Schadenfreude zur tödlichsten Be
stiirzung war so groß, daß das gel
tende Wutgeheul gar nicht aufhören
wollte. Eine ganze Zeitlang hatte
der Adjutant ebenso regungslos wie
das Reiterstandbild aus dem Postas
ment gestanden und den Augenblick
erwartet, wo er sich vernehmltch ma
chen tonnte. Da aber seine Ruhe
eintrat, hob er endlich die hand,
und dte Spielleute fielen mit einem
kräftigen Trommelwirbel ein. Das
hatte die beabsichtigte Wirtung, denn
es wurde seht wirklich tatenstill auf
dem Platze, so daß fedes einzelne
Wort der kurzen Ansprache ver an
ren werden konnte, welche der dius
tant tn französischer Sprache hieit
und die ungefähr folgendermaßen
tautete:
»Die Moselbriicte ist gestern abend
von Frnnttireurz gesprengt worden;
die Bevölkerung von Naney hat dar
um gewußt und wird daher zum
Wiederaufbau beitragen. Wir haben
Arbeiter verlangt, jedoch keine erhal
ten, darum nehmen wir sie uns.
Alle Frauen und Kinder können den
Plan ungehindert verlassen; sämtliche
Männer werden sosort von hier an
die Bahn estortiert nnd nach der
Brücke gebracht, wo sie arbeiten müs
sen, bis sie abgeliist werden. Niemand
wird sriiher entlassen. als bis ein
Arbeiter siir ihn gestellt ist« Wer sich
fügt, wird gut behandelt, wer sich
wide-seht, wird niedergeschotsem
West :- guereet'· »
Teller als zuvor brach das Wut
gebeul wieder los, und fast schien es,
als wolle die aufgeregte Menge sich
gewaltsam einen Ausweg erzwin
gen. Wiederholt wälzte sie sich auf
die Gittertore zu, doch kedesmal prall
te sie vor den Bajone treihen zurück,
um sich endlich, verhältnismäßig friis’
her als wir gehofft hatten, in ihr
Schicksal zu ergeben.
Der zweite Akt der Komödie spiel
te sich ungemein rasch ab. Bald
Joar der Plan von den überflüssigen
Kindern und Frauen gefäubert, und
nun ging Abteilun nach Abteilung
’der Männer unter scharfer Bedeckung
nach dem Bahnhofe, wo sie sofort in
»die bereitftehenden Züge verladen
wurden, und nach der Brücke ab
dampften. Alles, was nur imstande
war, eine Schaufel zu führen, wur
de mitgenommen, sogar die Besitzer
der Caer und ihre Kellner, und es
gewährte einen eigenartigen Anblick
neben dem finster blickenden Bont
geois und dem Arbeiter in blauer
Blufe den eleganten, parsiimierten
Flaneur in Zylinder und Glases
handfchuhen zum Brückenbau abfiihs
ren zu sehen· hin und wieder aller
dings wiederseste sich ein besonders
rabiater Schreier der Abfiihrung, al
lein wir hatten es nicht nötig, von
der Schußwaffe Gebrauch zu machen·
der Adjutant behielt Recht, der Kol
ben genügte.
Am Abend desselben Tages aber
hatte die Stadt schon mehr Arbeiter
gestellt, als wir überhaupt gebrau
chen konnten, und bereits zwei Tage
später war die Bahnverbindung mit
Nanteuil wieder hergestellt, und die
Truppen- und Lebensmittel - Trans
porte konnten ungestört weiter beför
dert werden. Ein zweiter Angriff
auf die Moselbriicke hat aber nicht
stattgefunden, denn das-' Franttirenrs
dorf war niedergebrannt worden und
Nancy hatte eine hohe Kriegstontris
bution entrichten müssen; Uns aber,
die wir bei der Mausefalle von Naney
beteiligt gewesen, wird dieses stets
eine interessante Erinnerung blei
ben.
— -«-«
Inst- lehms sit-b
Jn dieser großen Zeit geziemt es
sich wohl, eines der bedeutendsten
Kämpfer siir Deutschlands Größe
dankbar zu gedenken —- Ernst Mo
ritz Arndtö, der die größten Opfer
nicht scheute, um mit Wort und Tat
fiir deutsche Einheit und Freiheit
einzutreten, der manch provhetisches
Wort über Deutschlands Zukunft
sprach. Die «Köln. Zeitung« veröf
fentlichte im Jahre 1870 nach der
Kriegserllärung zum ersten Male den
lebten, nicht mehr abgesendeten Brief
Arndts an seinen Schwager in Pom
mern. ,Bonn, 26te Wintermonds
1860. Herr Schtoagerb Ein fröhli
ches Jahr zuvor Jhnen und allen
warteten Männern, die des iiberalten
neunzigfährigen so freundlich gedacht
haben! Es ist ein mutiges Gefühl,
von denen geliebt zu werden, die uns
zunächst angehören. Zu diesen mei
nen Nächsten rechne ich die Urentel
der alten unbezwinglichen Sachsen,
die um die Elbe und Weser wohnten
und vor deren Lanzen und Schwerd
tern die römischen Legionen in den
Staub santen. Möge Gott die Ver
zen der Germanen begeistern, wann
Russen und Franzosen sich über uns
die hände reichen wollen, mit den
rechten germanischen Flammen! Mö
ge jener Geist mehr und mehr alle
Mannen durchblasen! Der das Klei
ne zu Einem Großen, das viele Zwie
tröchtige zu einem Knäuel macht! Al
so ein sröhliches Neujahr und Jeder
männiglich mehr und mehr zu einem
deutschen Stolz der Macht und des
Ruhme erhoben! Amen. Jn deut
scher reue Ihr E. M. Arndt aus
Augen«
Die Engländer möchten gern ein
mal einen größeren Sieg zu Wasser
erzielen. Sie dürfen vertrauensvoll
in die Zukunft blicken; wenn man ih
re Erfolge näher betrachtet, wer
denfie nämlich alle zu Waf
ferl
I
»Ihr lönnt dockf nicht leugnen, daß
die englischen Nie enfchiffe ein größe
Fej Deplqcemeni befiyen als die deut
Lchenp fngte ein ftolzer Sohn Al
ionz zu feinem Vetter. «
»Jaja«, erwiderte dieser, »il)r Bri
ten versteht es allerdings vorzüglich,
eure Schiffe zu deplasierent«
..-——
—- Die gute Freundin.
Mein Mann hat fehr lange gezögert,
ehe er mich geheiratet hat. Er hat
es ch erft gründlich überlebt.
» a, fa, die Männer! Wer le lange
äibeelegt, fällt erst recht 'rein
Eine Gesellschaft-reife zur
inni.
Von Viktor von Wollutosintedau.
Freilich keine Vergnügungssahrt
unter Leitung eines toeltgewandten
«IJtanagets". Sondern eine Gesell
-icbaftsreise, in der dein Schreiber die
ser Zeilen die Rolle des Führers
selbst zuteil und —- was das Beson
dere dabei war —- eine Fahrt, wo
nicht befrackte Oberteilner und ele
gante Hoteldirektoren im schwarzen
Gehrock den 5Yniöinmling dienstbereit
empfingen, sondern, wo es hieß. al-?
lerhöchstselbst fiir Verpflegung und
Untertunft der Gesellschaft in Fein-.
drsland zu sorgen. Eine Gesell
schaftsteisy die außerdem dadurch
von anderen abstach, daß die Teil
nehmer sich nicht durch auspruchsvolle
Wünsche und Forderungen, sondern
durch das größte Muß ruhtender Be
scheidenheit auszeichneten. Es wa
ren nämlich tatholische Ordensschwei
stern, Franziskanerinnen aus Mün
ster, deren Wohl und Wehe auf ihrer
Fahrt zu den Kriegslazaretten der
Front einein Malteserritter bestim
mungsgeiniiß übertragen worden war.
Betanntlich organisiert und verteilt
der Maiteserorden schon iin Frieden
ini Einvernehmen mit dem Kaiserli
chen Kommissar und Militärinspeki
teur der freiwilligen Krankenpflege
die Hilssiräfte der tatholischen Pfle
geordetu die Boroiniierinnen, Elisas
bethetinnen, Grauen Schwestern, die
Barmherzigen Brüder und wie sie
alle beißen.
Aus dem Bahnhof in Koblenz
trurde der Zug übernommen. Wie
das «Schwarze Meer« quoll es aus
dein Eisenbahntvagen. Schweigend,
geräuschlos, weltsremd, ohne zu fra
gen, wohin, zu welchen Kranten und
welcher Krankheit, in welche Lage,
vor den Feind oder ins Heimatgebiet,
auf Strohlager oder harte Feldbetten
Einzig tn ihrer Ausgabe aufgehend,
ohne nach rechts oder lints zu blicken.
also mit dem reinen ietbstlosen
Wunsch, arbeiten und helfen, die Not
lindern zu können. Still verläßt die
Schar den Bahnhos, um beim Zerri
tarialdelegietten die letzten Vorberei
tungen sür den Ausniarsch zu tref
fen. Jede hinausgehende Schwester
erhält wie der Feldsoldat ihre Er
lennungstnartr. Dann geht’g hin
aus, durch- Moseltah über Trier in
Feinde-stand
Noch eine letzte Station in Metz
und nun in Autog an die From.
Hinein in den herben Herbst-ungen
durch den blauen Nebel, den die tla
re Sonne aus bereisten Wiesen sog.
Vorbei an den Kreuzen, weiche der
Oesallenen von les-TO gedenken, vor
über an den Drahtverhauen und Be
festigungen der Metz vorgelagerten
Werte, durch die langen Fabritdör
ter der Rombacher Hutten, vorüber
endlich an dem letzten deutsch-lothrin
Lzschen Wirtshaus, dein »Cas45 de la
xtaixN hinter dein gleich eine steinerne
Barritade zu drei Vierteln die Stra
ße sperrt, hinein in Feindes-land
ourch die weite, wellige Hochebene,
unser Aufniarschgebiet in dem Bereich
ier ersten Kämpfer.
Stimmung und Lebe des Schlacht
seldes mit allein vnin Schicksal zu
sammengeschleppten und zur Schau
gestellten Grauen find auch an dieser
Stelle schon mehrfach geschildert wor
ten. Der Eindruck der Gefilde, aus
denen die Krieggsurie soeben ihre rei
fe Saat geschnitten hat, mag furcht
bar sein. Aber auch dann, wenn sie
abgeräumt sind, wenn die Toten der
Erde übergeben, die Verwundeten
versorgt worden sind, wirten die brei
ten Flächen und die scharfen, grau
samen Linien, die das Verderben in
die Landschast mit schwerer Hand
hineingeiitzt hat, mit erschütternder
Deutlichkeit Von den Hügeln herab,
»durch die zertretenem grau gewordek
nen Weizenseloer ziehen sich wie tief
cingegrabene Striche die Spuren, die
outmarschierende tiolonnen, aussah
:ende Artillerie im Acker hinterlassen
haben. Schüyengräden ziehen sich
durch die Felder, da und dort ein zu
sammengeschrumpsteg Stück schwar
zes Leder, Ueberreste französischer
Tornister. Einzelne rote Fe en,
Teile französischer Unisormstuite,
leuchten dazwischen aus. Dann wie
der zerzauste Bäume, abgeschossene
dicke Stämme, weit weggeschleuderte
Wipsel der Pappeln, von denen die
Straße gesäumt wird. Aus den
weiten Feldern weit und breit kein
Mensch, der die Kartoffel- und Rit
benernte zu bergen versuchte. Frucht
bares, ut bestandenes Land ohne
ein menschliches Wesen. Nur Krähen
beleben es und spähen lrächzend nach
dem toten Pferd, das dort drüben,
nicht weit von dem tiefen Trichter
lie t, den die Gronate in den gelben
Bo en grub. «
m Wiesengrund tauchen äuser
au, halb versteckt unter dem unten
Schmuck des herbstes. Ueber sie
brauste der Sturm hinweg. Aber
vor uns, hinter der Wache braver
roiirttenibergifcher Landwehrmännet
plötzlich auftauchend, Nuinen und
Brand-schritt Lvnguyon, aus dessen
Keller-n auf unsere Truppen geschos
sen wurde, und das nun die ganze
Schwere der Vergeltung zu fühlen
letam. Wie eine Totenstadt emp
fängt uns der Ort, dessen Ueberreste
oon der Behaglichteit und dem Wohl
stand 3eugen, die hier zu Haus war.
Sandsteinportale mit alten Jahres
zahlen führen in die Häuser. Aber
teine Decke trennt ehr die Stock
werlr. Wie tränen ose Augen blicken
die Fenster auf die Verwüstung und
;Vernichtung, deren Geschehen sie
schauen mußten. Staatszimmer wie
Küche liegen offen. Auf dem eiser
nen Kochherd in einer Ecke steht noch«
die Pfanne des letzten Mittagmath
Aber bis zu ihr reicht vom Keller
aus der Brandschutt, der gleichmäßig
alle Räume füllt. Jm sauberen
Garten hinter dem Haus stehen noch
blühende Aftern unter verlohlten
Obstbäumen. Und gleiche Bilder
Haus fiir Haue-, die Straße hinaus
und hinab. Alles völlige Bemüh
tung. Todesschlaf, grausige Stille,
die durch das Rasseln vorbeiziehen
der Munitiongtolonnen nur noch ein
dringlicher wirkt. Eine erschüttern
de Szenerie — aber sie wurde noch
übertroffen durch den Anblick, den
das Jnnere von Longwy haut bot.
Dort die Strafe dafür, daß Unbeka
fcne sich in das Kriegshandwert
mischten, hier dessen Arbeit selbst in
restlofer Leistung.
Wer sich von Longwy bas, die
Serpentinen der Fahrstrnße entlang,
ler Festung nähert, vergißt fast den
Krieg. Das freundliche Industrie
städtchen zeigt keine Spuren des ge
waltigen Ringen-T Die Schlote ste
hen und dnmpsen, dL: freundlichen,
n-ohlhabend nusgestacteten Villen wei
sen kaum eine zerbrochene Fenster
scheibe auf. Mit, den Franzosen
nohl unverständlicher Milde haben
die »Barbaren· sich anscheinend ge
fcheut, Heim und Habe friedlicher
Bürger zu zerstören! Selbst die Wäl
te der Festung weisen nicht viel Zei
chen des Kampfes unf. Dn und dort
e!n Trefser, der dns Mauekivert zer
störte und die Trümmer in den Fe
stungsgraben schleuderte, mitten zwi
schen den Kohl und den Salat, den
der Wallmeistek da unten in Frie
Litenszeiten bunte
l Wir halten vor der Brude, ver
teilen unsere Liebesgabenzigarren an
die vergnugte säctssisase Besiitziiiig. die
zwischen den beiden Bruden den Ein
gnug bewacht. »Fort Gottlieb« steht
an einer aus einein Felsen errichteten
hölzernen Wachtl,iiite. Aug ihr tritt
der Posten, heiszt uns warten und
weist auf einen aus- der Tiefe von
Longtvy bag aus langsam sich
hinanbewegenden Zug, uns gleichzei
tig -um Abstellen des Motors ersu
a;end. Als dar- geschehen, erreicht
eine sonderbare Gruppe die Höhe der
Straße. Acht junge einheimische
Burschen tragen schwer an einer Gra
nate, die als Blindgänger auf den
Talhang siel und nun, geleitet von
einer »Ehrenwache« mit aufgepslnnzs
tem Seitengewehr, zu standesgemäsze
rein Aufenthalt in die Festung ge
bracht wird. Aeußerst rücksichtgvoll
und behutsam vollzieht sich diese Ue
berfiihrung der gewichtigen Persön
lichteit. Die geringste urschiitterung
tcinn ihre Nerven aus dem Gleich
gewicht bringen und die Explosion
herbeiführen, die ihr unvollendeteg
Zerstörungstvert zu Ende bringen
würde. Daher das Abstellen des
Motors. Wir folgen dem Zug in
chrsurchtövoller Entfernung.
Niemand kann sieh ausmalen, zu
welchem wahrhaft uriveltlichen Chaos
das Jnnere der Festung zusammen
gehauen worden ist. Was innerhalb
der Wälle lag, war bis vor kurzem
noch ein enggebautes Bergstiidtchen,
in dem sich der Oandel und Wandel
einer Bevölkerung abspielte, die durch
die Besahung vermutlich ihren aus
tifmmlichen Verdienst sand. Was
heute davon übrigblieb, ist ein rie
siger Trümmerhaufen gelber Badstei
ne, in dein die einzelnen Häuser in
Form und Bestimmung überhaupt
nicht mehr zu erkennen sind. Eine
Masse wie von getrockneten Sandh
rhen, über die Kinder-süße wegstamps
ten. Keine Tür, tetn Fenster mehr,
ulleö zu Mannihöhe eingeebnet in et
ner Ansammlung branogeschwärzten
Schutt6« so weit das Auge reicht und
der Kranz der Wälle die Aussicht
rings begrenzt. Jn der Mitte ein
freier Plas. Eine Allee breitgezo
gener Platanen bot einst hier der Be
völkerung wie der Besatzung Schat
ten und fröhlichen Sammelpuntt.
Jetzt starren nur die angebrannten,
nackten, dicken Aeste zum Himmel.
Vor den Bäumen aber stehen —
einzig unversehrt — zwei blaue fran
zösische Kanonen inmitten eines hau
fens von Handgranaten und andeeen
Geschossen. Sie stehen da, um bei
Gelegenheit ihren Mund —- wenn
nuch widerwillig —- zu öffnen und
neue Siege der Deutschen und den
weiteren Zusammenbruch der welschen
Macht zu verkünden.
Aus diesem brennenden Höllen
pfuhl führte der Kommandant seine
gesamte Besatzung zu letztern Aus all
hinaus und —- wurde von der r
nsee des Kronprinzen gesangent
Longtoy haut war der Höhepunkt
grausiger Kriegseindritcle auf dieser
eigenartigen Gesellschaftsrrisr. Von
ta führte uns das Auto nach Mont
rnczdy, das, völlig unzerstört, unser
rsorläusiges Ziel bildete. Dort einp
fing uns das siebethaste Treiben des
Etappeiiorts. Jagende Autos, die der
tiarnpslinie zustreoen, oder die bei der
Benzinstation ihren Betriebsstofs er
gänzen, Munitionstolonnen, Sant
-.a·tstvagen, Transporle von Verwun
diten. Ein Zug von dreizehn riesi
gen wlirttenibetgischen Postautos
sährt dröhnend durch die Straße, der
mit Liebes-geben dirett von Stuttgart
laus eintraf, daneben rollen mitten
ldurch die Straßen endlose Eisenbahn
»ziige und einzelne Lotomotiven auf
lden Gleisen, die infolge Sprcngung
ides Tunnels Vorläufig nun die Stadt
selbst durchschneiden. Der »tote
Manni« erreicht hier seine vordere
lGrenze, der sich zwischen Heimatgebiet
Innd Front erstreckt. Hier warteten
die Lazarette schon der Verstärkung
durch die neueingetroffenen Schwe
tern.
Die Nacht ließ bald all dies
Treiben verstuinmen. Ueber die Wie
sen, die jenseit des- tleinen Ftusses
liegen, durch die Wipfel der Obst
bäuine des schmucten Hausgartens
stieg der tnlte Mond am klaren Him
mel empor. Leise-s Stöhnen tlang
von dem einen oder anderen Verwun
deten herüber. Von Verdun her
dröhnte dumpf, aber deutlich, die tie
fe Stimme unserer Mörser.
Der-alte gentz uno oie Basis-der
Es ist angesichts der englischen Lü
gen zur Verschleierung des lrassen
Egoismus und der brutalen Gewis
fenlosigleit der Kriegsanzettelung in
teressant, wie wenig neu dies Vorge
hen dein erscheinen inuß, der ihre
Geschichte keimt und unter den Aas
sliissen ihrer Politik gelitten hat. Jn
der Briefsaininlung zfriedrichs des
Großen finden sich Stellen auf Eng
land bezüglich, die heute geschrieben
sein könnten und die beweisen, das
sich der Olrundcharatter einer Nation
wie der eines Einzelwesens ändert.
Am 7. Februar 1747 schreibt oer
große König an seinen Minister v.
Podetvils: »Ich bin erstaunt über
die englische Politik. Die Englän
der sehen ganz Europa fiir eine le
diglich zum Nutzen Englands geschaf
feiie Staatsgeineinschaft an. Nie
inals gehen sie auf die Interessenun
derer ein. Sie kennen keine anderen
Ueberredungsinittel als die Guineeii.«
Und in einem Brief an den Herzog
bon Braunschweig, datiert13. Ottober
1755, heifit es: »Ich bin sehr unzu
frieden darüber, daß Jhnen die Un
terhandlung, mit der Sie der König
von England beauftragt hat, Unbe
quernlichteiten verursacht. Da sie
nun aber einmal ini Gange ist, so
iniissen wir sehen, wohin sie führen
wird, und die Herren Engländer
nicht vielleicht bloße Lust haben, Sie
und mich an der Nase herunizufüh
ren. Jst es nicht recht aufsallend,
daß diese Leute von mir verlangen,
ich solle mich fiir ihre Interessen er
wärmen, während zwei richtige Dif
ferenzen zwischen uns schweben?
Bilden sie sich vielleicht im Ernst ein,
daß die ganze Welt mit Vernachläs
sigung des eigenen Vorteils verpflich
tet ist, die Verteidigung ihres verma
ledeiteit Landes zu übernehmen? Sie
verlangen, daß ich Frankreich sitzen
lasse und mich an dein Ruhm satt
esse, ihnen ihr Hannober gerettet zu
haben, das mich auch nicht das min
deste angeht. Sturz, entweder sie
wollen mich aus das gröbste betrü
gen, oder sie sind Narren und ersticken
in lächerlicher Selbstsucht."
Aus dem Siebenjährigen Kriege,
1761, stammt der Brief König
Friedrichs an den Legntionsrat von
Knyphausen in London, dein er aus
Kunzendorf am 23. Juni, ungebra
chen durch das vielfach-i Unglück des
Feldzugs und im klaren Verständ
nis für die Eigentümlichkeiten Eng
lands, schreibt: ...»Was mich mehr
als alles andere in Erstaunen seht,
ist der unerwartete Antrag, den Ih
nen Herr Pitt gemacht hat, indem
er von Jhnen tlare Erklärungen über
die Opfer verlangt, die ich meinen
Feinden zu bringen gedächte, uin
zum Frieden zu gelangen.«... Man
sieht, die Arroganz Großbritanntend
gegenüber ist alten Datum-. »L«